Weniger Bürokratie & Papierkram: Reformvorschläge zur Einkommensteuer
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Weniger Bürokratie & Papierkram: Reformvorschläge zur Einkommensteuer

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Das deutsche Einkommensteuersystem ist im internationalen Vergleich besonders komplex. Arbeitnehmer können viele verschiedene Ausgaben steuerlich absetzen, zum Beispiel für Arbeitsmittel, Fahrtkosten oder das Homeoffice. Diese Vielfalt führt jedoch zu einem hohen Aufwand für Steuerpflichtige und Finanzämter.

 

Inhalt

 

Warum ist das deutsche Steuersystem so kompliziert?

Deutschland erlaubt seinen Steuerpflichtigen besonders viele Abzugsmöglichkeiten, mehr als die meisten anderen Länder.

Was gut klingt, hat einen Haken: Die Vielzahl an Regeln und Ausnahmen macht das System schwer durchschaubar. Arbeitnehmer müssen Belege sammeln, Angaben machen, die kaum überprüfbar sind, und sich durch Formulare kämpfen. Auch die Finanzämter sind dadurch stark belastet.

Die jährliche Steuererklärung ist für viele daher auch ein leidiges Thema – kompliziert, zeitaufwendig und oft undurchsichtig. Doch muss das so bleiben?

Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen hat sich genau dieser Frage gewidmet und zeigt in seinem neuen Gutachten, wie die Einkommensteuer für Arbeitnehmer einfacher, fairer und digitaler werden könnte. Die Vorschläge könnten den Weg zu einer automatisierten Steuererklärung ebnen – wie sie in anderen Ländern längst Realität ist.

Das Gutachten untersucht am Beispiel von Werbungskosten, wie man die Einkommensteuer für Arbeitnehmer vereinfachen kann. Die Empfehlungen lassen sich aber auch auf andere Bereiche übertragen.

Aus Sicht des Beirats sind Vereinfachungen durch Pauschalierungen und Typisierungen sowie durch Streichungen steuerlicher Abzugstatbestände denkbar.

Wie kann man die Steuer vereinfachen?

Das Gutachten schlägt zwei zentrale Reformansätze vor:

  • Digitalisierung: In Ländern wie Finnland oder Österreich erhalten viele Bürger bereits vorausgefüllte Steuererklärungen. Auch in Deutschland könnte eine solche automatische Veranlagung möglich werden – wenn die nötigen Informationen digital vorliegen.

  • Gesetzliche Vereinfachungen: Viele Abzüge könnten durch Pauschalen ersetzt oder ganz gestrichen werden. Das würde nicht nur Zeit sparen, sondern auch Missbrauch erschweren.

Vorschläge zur Vereinfachung der Einkommensteuer: Weniger Papierkram, mehr Klarheit

Der Beirat empfiehlt konkrete Änderungen, die das Leben von Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erleichtern könnten:

1. Arbeitgeber sollen mehr Verantwortung übernehmen

Kosten, die direkt mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängen, zum Beispiel für Arbeitsmittel oder Verpflegung auf Dienstreisen, sollen künftig nur noch vom Arbeitgeber steuerlich geltend gemacht werden können. Das reduziert den Aufwand für Arbeitnehmer und erschwert falsche Angaben.

2. Einführung einer »Arbeitstagepauschale«

Statt verschiedener Einzelregelungen (z.B. Entfernungspauschale, Homeoffice-Pauschale, häusliches Arbeitszimmer) soll es künftig eine einheitliche Pauschale pro Arbeitstag geben. Diese wäre leicht zu berechnen und digital erfassbar – und ein großer Schritt in Richtung automatischer Steuerveranlagung.

3. Schutz für Fernpendler

Wer besonders weite Wege zur Arbeit hat, soll über eine Ausnahmeregelung (»Öffnungsklausel«) weiterhin höhere Fahrtkosten absetzen können.

4. Kleine Abzüge entfallen

Abzüge mit geringem Betrag, die aber viel Verwaltungsaufwand verursachen (z.B. Kontoführungsgebühren), sollen ebenfalls mit der Arbeitstagepauschale abgegolten sein.

5. Weiterbildung bleibt absetzbar

Fort- und Weiterbildungskosten sollen weiterhin voll abziehbar sein, denn dadurch werden lebenslanges Lernen und berufliche Entwicklung gefördert. Und auch die Erstausbildung soll künftig als vorweggenommene Werbungskosten von der Steuer abgezogen werden können.

Diesen Punkt finden wir besonders interessant, denn Ende 2019 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Erstausbildung nicht zu den Werbungskosten gehört (BVerfG, Beschluss vom 19.11.2019, Az. 2 BvL 22/14, 2 BvL 27/14, 2 BvL 26/14, 2 BvL 25/14, 2 BvL 24/14, 2 BvL 23/14).

Wir haben damals darüber berichtet:

Das tut weh: Kosten für Erstausbildung sind tatsächlich keine Werbungskosten (Steuertipps-News vom 10.1.2020)

Kosten einer Erstausbildung sind keine Werbungskosten (Steuertipps-News vom 3.8.2020)

Was bedeuten die Vorschläge für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer?

Erst einmal leider gar nichts. Denn die Gutachten und Stellungnahmen des Wissenschaftlichen Beirats sind als Beitrag zum allgemeinen Diskurs zu verstehen und geben nicht notwendigerweise die Meinung des BMF wieder. Der Wissenschaftliche Beirat arbeitet unabhängig und ehrenamtlich.

Falls diese Vorschläge umgesetzt werden, könnten viele Arbeitnehmer künftig auf die Abgabe einer Steuererklärung verzichten, denn alle relevanten Abzüge wären bereits automatisch im Lohnsteuerabzug berücksichtigt. Nur wer besonders hohe Werbungskosten hat, müsste dann noch aktiv werden.

Werbungskosten sind natürlich nur eine Möglichkeit von vielen, um Steuern zu sparen.

Auch außergewöhnliche Belastungen (zum Beispiel Zuzahlungen zu Medikamenten, Kurkosten), Sonderausgaben (zum Beispiel Spenden), Handwerkerrechnungen und noch einiges mehr kann in der Steuererklärung angegeben werden. Die Abgabe bliebe also auch nach der Einführung einer Arbeitstagepauschale oft finanziell lohnend.

(MB)

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