Steuerrecht skurril: Huso Huso und der Zoll

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Sie haben es gemerkt: Wir sprechen von Beluga Kaviar. Und zwar von sechs Dosen, die als Mitbringsel durch den Zoll sollten. Ohne Einfuhrgenehmigung. Ein Fall, der es bis zum Europäischen Gerichtshof geschafft hat.

Manchmal treibt das Steuerrecht skurrile Blüten. In der Regel geht es dabei um die Umsatzsteuer (zum Beispiel in diesen Fällen). Heute haben wir allerdings einen zollrechtlichen Sachverhalt, aber auch das gehört ja zum Steuerrecht.

Was ist passiert?

Im Dezember 2015 reiste eine Frau aus einem Drittland (also von außerhalb der EU) in das Zollgebiet der Union ein und benutzte am Flughafen den grünen Ausgang »anmeldefreie Waren«. Im Gepäck hatte sie sechs Dosen Kaviar (schwarzer Beluga, lateinisch – sie ahnen es: Huso Huso) zu je 50 Gramm.

Sie wurde kontrolliert, das Hauptzollamt beschlagnahmte die sechs Dosen, und das Drama nahm seinen Lauf:

1. Akt: Es lag keine Einfuhrgenehmigung vor

Es gibt auf europäischer Ebene eine Regelung darüber, wie viel Kaviar genehmigungsfrei in die EU eingeführt werden darf*. Denn grundsätzlich ist das Mitbringen der Eier des Störs, auch von gezüchteten Exemplaren, nur mit Einfuhrgenehmigung erlaubt. Und genau die hatte die Dame nicht.

Ob es sich bei der Regelung zur genehmigungsfreien Einfuhr um eine Freigrenzenregelung oder um eine Freimengenregelung handelt, scheint nicht ganz klar zu ein. Der Unterschied ist wichtig für die Antwort auf die Frage, ob der Zoll tatsächlich alle Dosen beschlagnahmen durfte.

  • Bei einer Auslegung als Freigrenze hätte das Hauptzollamt zu Recht die gesamte Menge Kaviar von sechs Dosen beschlagnahmt.

  • Handelt es sich dagegen um eine Freimenge, dürften nur vier Dosen Kaviar beschlagnahmt werden. Die übrigen zwei Dosen Kaviar zu je 50 Gramm wären der Reisenden zu überlassen, sofern es sich dabei um persönliche Gegenstände oder Haushaltsgegenstände handelt.

2. Akt: Eigenbedarf und Geschenk

Das erstentscheidende Finanzgericht erklärte später, die Reisende habe zwei Dosen genehmigungsfrei einführen dürfen, weil sie diese nicht zu kommerziellen Zwecken verwenden (also weiterverkaufen), sondern an ihre Kinder habe verschenken beziehungsweise selbst habe verbrauchen wollen. Die Richter gingen also von einer Freimenge aus. Zwei Dosen sind als persönliche Gegenstände, die ohne Genehmigung mitgeführt werden dürfen. Der Zoll hatte aber alle Dosen beschlagnahmt.

Zu Recht, meint das Hauptzollamt und sagt: Es handelt sich nicht mehr um persönliche Gegenstände oder Haushaltsgegenstände, wenn der Kaviar als Geschenk für Dritte bestimmt ist.

3. Akt: Auftritt des EuGH

Das Hauptzollamt legt also gegen das erstinstanzliche Urteil Revision beim BFH ein. Diese stellt nun dem EuGH die Fragen:

  • Wenn jemand von außerhalb der EU in diese einreist und mehr als die erlaubten 125 Gramm Kaviar in einzeln gekennzeichneten Behältern mit sich führt und dafür weder ein (Wieder-)Ausfuhrdokument noch eine Einfuhrgenehmigung vorlegt – darf dieser Reisende dann 125 Gramm Kaviar behalten, wenn er ihn zu nichtkommerziellen Zwecken einführt?

  • Falls das der Fall ist, gehören zu den persönlichen Gegenständen und Haushaltsgegenständen (die ohne Genehmigung eingeführt werden dürfen) auch Exemplare, die der Reisende nach der Einfuhr an andere Personen verschenken möchte?

Bezüglich der Frage »Freimenge oder Freigrenze?« neigt der BFH nach eigener Aussage dazu, eine Freigrenze anzunehmen. Die Beschlagnahmung der gesamten Menge wäre also korrekt gewesen. So ganz sicher sind sich die Richter aber nicht.

Beim Thema »persönliche Gegenstände« hingegen sind die BFH-Richter doch eher der Auffassung, dass hierzu auch Reisemitbringsel gehören (BFH-Beschluss (EuGH-Vorlage) vom 15.10.2019, Az. VII R 23/18).

Unsere Theater-Kritik

Damit wir uns richtig verstehen: Vorschriften sollten natürlich eingehalten werden. Aber dass es 6 × 50 Gramm Kaviar bis zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) schaffen, dass erscheint uns irgendwie übertrieben aufwendig und teuer...

Das Argument des Zolls, dass Gegenstände, die verschenkt werden sollen, anders zu bewerten sind als solche, die man selbst verbraucht, können wir zudem nicht nachvollziehen. Im vorliegenden Fall wollte die Reisende den Kaviar »an ihre Kinder [...] verschenken beziehungsweise selbst verbrauchen«, so steht es im Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs. Wenn der Kaviar im Kreis der Familie gemeinsam verzehrt wird, erwartet der Zoll dann eine Aufstellung darüber, wer wie viel gegessen hat?

Nach diesem Ausflug in die Tiefen einer eher unbekannten Seite des Steuerrechts haben wir einiges dazugelernt und sind tatsächlich gespannt auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs! Wir werden zu gegebener Zeit berichten...

Fußnote

*Wer's genau wissen will: Geregelt ist das in Art. 57 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 865/2006 der Kommission vom 04.05.2006 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels in der Fassung nach der Verordnung (EU) 2015/870 der Kommission vom 05.06.2015 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 865/2006 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates in Bezug auf den Handel mit Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- Nr. L 142/3)

(MB)

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