Bundesfinanzhof entscheidet: Soli ab 2020 nicht verfassungswidrig!
Der Soli wurde übrigens 1991 nicht zur Finanzierung der Wiedervereinigung eingeführt.

Bundesfinanzhof entscheidet: Soli ab 2020 nicht verfassungswidrig!

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2021 wurde der Solidaritätszuschlag für fast alle Steuerpflichtigen abgeschafft. Nur bei hohen Einkommen, auf Kapitaleinnahmen und Körperschaftsteuer fällt die Abgabe noch an. Der Bundesfinanzhof musste entscheiden, ob das korrekt ist – oder der Soli für alle hätte abgeschafft werden müssen. Was sind die Argumente und zentralen Fragen?

 

Inhalt

 

Lesen Sie dazu auch:

Soli abschaffen, Einkommensteuer anheben? (News vom 4.7.2022)

  • Wer bezahlt noch Solidaritätszuschlag?

  • Solidaritätszuschlag: Freigrenzen

  • Solidaritätszuschlage: Rechenbeispiele

  • Solidaritätszuschlag: Bemessungsgrundlage

  • Steuerbescheid: Der Solidaritätszuschlag wird »vorläufig« festgesetzt

  • Solidaritätszuschlag: Einführung und Höhe

  • Wie viel Solidaritätszuschlag nimmt der Staat ein?

→ zum Text

Solidaritätszuschlag 2020 und 2021 ist verfassungsgemäß

Am 17.1.2023 hatte der Bundesfinanzhof (BFH) über den Fall verhandelt, heute wurde das Urteil verkündet: Der Solidaritätszuschlag war auch in den Jahren 2020 und 2021 noch verfassungsgemäß und verstößt ncht gegen das Grundgesetz.

Der Vorsitzende Richter und Präsident des BFH, Hans-Josef Thesling, erklärte, bloße Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit reichten nicht aus, um den Soli dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Der Soli stelle eine verfassungsrechtlich zulässige Ergänzungsabgabe dar. Das gelte auch für 2020 und 2021. Ob die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag zweckgebunden für den Aufbau Ost verwendet würden, sei unerheblich. Dies liege in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die sich einer gerichtlichen Nachprüfung entziehe.

Der Gesetzgeber sei auch weder für 2020 noch für 2021 verpflichtet gewesen, den Soli aufzuheben: »Der Solidaritätzuschlag ist nicht wegen Zeitablauf oder wegen veränderter tatsächlicher Umstände verfassungswidrig geworden«, trug Hans-Josef-Thesling vor. »Eine Ergänzungsabgabe muss nicht von vornherein befristet oder nur für einen kurzen Zeitraum erhoben werden.« Es bestehe auch nach dem Auslaufen des Solidarpakt II (im Jahr 2019) ein »Wiedervereinigungs-bedingter Finanzbedarf des Bundes«, der die Erhebung des Solidaritätszuschlags auch in den Jahren 2020 und 2021 rechtfertige.

Die mündliche Urteilsverkündung können Sie hier auf phoenix.de anschauen.

Die Pressemitteilung des BFH zum Soli-Urteil finden Sie hier auf der Internetseite des BFH.

Die schriftliche Urteilsbegründung können Sie hier auf der Internetseite des BFH nachlesen.

Wie geht es nach dem BFH-Urteil weiter?

Nachdem der Bundesfinanzhof die Revision der Steuerpflichtigen heute zurückgewiesen hat, haben diese jetzt noch die Möglichkeit, gegen die BFH-Entscheidung Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzulegen.

Dann dauert es ggf. wieder einige Zeit, bis dort entschieden wird und wir wieder über den Soli berichten können!

Solidaritätszuschlag: Einführung und Höhe

Zum 1.7.1991 wurde der Solidaritätszuschlag eingeführt und betrug damals bis 30.6.1992 7,5%. Begründet wurde seine Einführung nicht nur mit dem Aufbau Ost, sondern so: Vor dem Hintergrund der jüngsten Veränderungen in der Weltlage (Entwicklungen im Mittleren Osten, in Südost- und Osteuropa und in den neuen Bundesländern), die die Bundesrepublik Deutschland verstärkt in die Pflicht nehmen, müssen zur Finanzierung der zusätzlichen Aufgaben die Haushaltseinnahmen des Bundes verbessert werden. (Quelle)

1993 und 1994 gab es keinen Solidaritätszuschlag. 1995 wurde er wieder eingeführt mit der Begründung, dass die Deutsche Einheit finanziert werden müsse. 1995, 1996 und 1997 waren wieder 7,5% fällig, ab 1998 zahlten die meistens Soli-Pflichtigen 5,5%.

Manche Steuerzahler wurden weniger belastet, denn es gab eine Freigrenze mit Gleitzone (auch Milderungszone genannt): Für Bruttoeinkommen bis etwa 1.522 Euro pro Monat (Lohnsteuerklasse I) bzw. 2.878 Euro pro Monat (Lohnsteuerklasse III) wurde kein Solidaritätszuschlag erhoben. Aber auch oberhalb dieser Grenze lag der durchschnittliche Solidaritätszuschlagssatz zunächst unter 5,5% (bezogen auf den Steuerbetrag) und erreichte erst bei etwa 1.700 Euro pro Monat (Lohnsteuerklasse I) bzw. 3.200 Euro pro Monat (Lohnsteuerklasse III) den Höchstsatz.

Mythen rund um den Solidaritätszuschlag

Was vielen gar nicht bewusst ist: Wie alle Steuereinnahmen sind auch die Einnahmen aus dem Soli nicht zweckgebunden, sondern fließen in den Bundeshaushalt ein. Das Geld wurde nie eins zu eins in den Aufbau Ost investiert.

Ebenfalls ein Mythos ist, dass der Soli nur im Westen erhoben wird: Nein, auch Steuerzahler in den ostdeutschen Bundesländern zahlten und zahlen Solidaritätszuschlag!

Soli-Änderungen ab 2019 und (teilweise) Abschaffung des Soli ab 2021

Durch das »Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlag 1995s« aus dem Jahr 2019 fiel der Soli ab 2021 für rund 90% derer vollständig weg, die ihn vorher bezahlen mussten. Für weitere 6,5 Prozent ist der Zuschlag zumindest in Teilen entfallen.

In der Begründung des Gesetzes wird ausgeführt, es bestehe weiterhin eine besondere wiedervereinigungsbedingte Finanzlast des Bundes, beispielsweise in der Rentenversicherung, im Arbeitsmarkt, im Bereich der Anspruchs- und Anwartschaftsüberführung und im Hinblick auf besondere Leistungen für die ostdeutschen Bundesländer.

Seit dem 1.1.2021 wird der Soli erst erhoben, wenn die Einkommensteuer bei Einzelveranlagten mehr als 16.956 Euro im Jahr beträgt (bei Zusammenveranlagten: mehr als 33.912 Euro). Die auf das jährlich zu versteuernde Einkommen bezogene Freigrenze liegt 2022 bei Ledigen bei 62.603 Euro (Verheiratete/Lebenspartner: 125.206 Euro). Danach folgt eine Gleitzone. Der volle Solidaritätszuschlag wird ab einem zu versteuernden Einkommen über 96.280 Euro (Alleinstehende) und 193.641 Euro (Zusammenveranlagte) erreicht.

2018 nahm der Staat – denn ihm allein stehen die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag zu – 18,9 Milliarden Euro mit dem Soli ein. Für das Jahr 2019 waren es etwas über 19,6 Mrd. Euro, 2020 knapp 18,7 Milliarden und 2021 noch rund 11 Milliarden Euro.

Worum ging es am 17.1.2023 vor dem Bundesfinanzhof?

In dem Verfahren (Az. IX R 15/20) ging es um die Frage, ob die trotz des in 2019 ausgelaufenen Solidarpakts II und der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ab 2020 fortgeltende Erhebung des Solidaritätszuschlags für den Zeitraum ab dem Jahr 2020 verfassungswidrig war.

Geklagt hatte ein Ehepaar, das für 2020 Einkommensteuervorauszahlungen zu leisten hatte und dabei im Rahmen der vierteljährlichen Vorauszahlungen Solidaritätszuschlag in Höhe von 453 Euro (später 340 Euro) bezahlen musste. Das Ehepaar beantragte die Herabsetzung der Vorauszahlungen für den Solidaritätszuschlag auf 0 Euro.

Zur Begründung beriefen sich die Steuerpflichtigen auf das Auslaufen der Aufbauhilfen für die östlichen Bundesländer im Jahr 2019 (also das Ende des Solidarpakt II). Da eine Ergänzungsabgabe nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 des Grundgesetzes (GG) nur zur Abdeckung von Bedarfsspitzen erhoben werden dürfe, verbiete dieser Ausnahmecharakter eine immerwährende Erhebung.

Das Finanzamt lehnte den Antrag ab. Und auch der Einspruch gegen diese Ablehnung wurde zurückgewiesen. Begründung: Das Finanzamt ist an die Steuergesetze gebunden, von deren Verfassungsmäßigkeit es auszugehen habe.

Man traf sich also vor dem Finanzgericht.

Die erstentscheidenden Finanzrichter waren von der Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlags nicht überzeugt und wiesen die Klage ab. Begründung: Beim Solidaritätszuschlag handele es sich um eine Ergänzungsabgabe i.S. des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG, deren Erhebung bis 2019 unstreitig nicht verfassungswidrig gewesen sei. Dies gelte indes auch für 2020 und die Jahre ab 2021. Insbesondere habe der Solidaritätszuschlag nicht mit dem Auslaufen des Solidarpakts II und der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs seine Rechtfertigung verloren. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) oder das Recht auf Eigentum (Art. 14 GG) liege ebenso wenig vor (FG Nürnberg, Urteil vom 29.7.2020, Az. 3 K 1098/19).

Gegen dieses Urteil legte das Ehepaar Revision beim Bundesfinanzhof ein.

Die zentralen Fragen vor dem Bundesfinanzhof

Der Bundesfinanzhof musste nun prüfen, ob das Urteil des Finanzgerichts und die zugrundeliegenden Regelungen mit Bundesrecht – dazu gehört auch Verfassungsrecht – vereinbar sind. Konkret ging es um folgendes:

→ Begründet die Wiedervereinigung noch 30 Jahre nach der Wende einen besonderen Finanzbedarf, die eine Fortführung des Solidaritätszuschlags weiterhin rechtfertigt?

→ War der Gesetzgeber verpflichtet, ggf. mit einem Wegfallen des Solidarpakts II auch die dazugehörige Ergänzungsabgabe wegfallen zu lassen?

→ Ist es gerechtfertigt, den Solidaritätszuschlag nur noch für die obersten 10 Prozent der Einkommensbezieher zu erheben (»Reichensteuer«)? Denn der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) bindet den Gesetzgeber an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit. Dies gilt auch für eine Ergänzungsabgabe wie den Solidaritätszuschlag. 

(MB)

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