GroKo: Vorausgefüllte Steuererklärung, höhere Grundrente, mehr Mütterrente, neue Pflegekräfte

 - 

Die neu zu bildende Regierungskoalition hat sich viel vorgenommen. Wir zitieren aus dem Koalitionsvertrag ausgewählte Passagen zur Steuer-, Renten und Gesundheitspolitik.

Formulierungen mit werden sind grundsätzlich prioritär, Formulierungen mit wollen nicht.

Steuerpolitik

Steuervereinfachung ist eine Daueraufgabe. Es ist ein wichtiges politisches Ziel, hier Schritt für Schritt voranzukommen und dabei insbesondere auch die technischen Möglichkeiten der modernen Datenverarbeitung zu nutzen. Wir werden das Angebot an die Bürger für eine elektronische Kommunikation mit der Finanzverwaltung ausbauen. Wir streben die Einführung einer vorausgefüllten Steuererklärung für alle Steuerpflichtigen bis zum Veranlagungszeitraum 2021 an. Wir wollen eine gerechte Verteilung der Steuerlast bei Ehegatten. Wir wollen Ehegatten über das Faktorverfahren besser informieren und die Akzeptanz stärken. Personen mit Steuerklassenkombination III/V sollen in den Steuerbescheiden regelmäßig über das Faktorverfahren informiert und auf die Möglichkeit des Wechsels zur Steuerklassenkombination IV/IV mit Faktor hingewiesen werden. Wir unterstützen in Europa eine gemeinsame Bemessungsgrundlage und Mindestsätze bei den Unternehmenssteuern. Hier wollen wir mit Frankreich Initiativen ergreifen, um auch eine Antwort auf internationale Veränderungen und Herausforderungen, nicht zuletzt in den USA, zu geben. Die Abgeltungsteuer auf Zinserträge wird mit der Etablierung des automatischen Informationsaustausches abgeschafft; Umgehungstatbestände werden wir verhindern. An dem bisherigen Ziel der Einführung einer Finanztransaktionsteuer im europäischen Kontext halten wir fest. In Deutschland wollen wir einen gerechten Steuervollzug – von der Steuererhebung bis zur Steuerprüfung. Sämtliche aus einer Straftat erlangten Vermögenswerte und alle rechtswidrigen Gewinne sollen konsequent eingezogen werden.

Steuerfairness

Wir wollen Steuerhinterziehung, Steuervermeidung, unfairen Steuerwettbewerb und Geldwäsche effizient und unbürokratisch im nationalen, im europäischen und im internationalen Rahmen bekämpfen. Wir unterstützen ausdrücklich alle Bemühungen für eine gerechte Besteuerung großer Konzerne, insbesondere auch der Internetkonzerne.

Rente

Die Rente muss für alle Generationen gerecht und zuverlässig sein. Dazu gehört die Anerkennung der Lebensleistung und ein wirksamer Schutz vor Altersarmut. Vertrauen in die langfristige Stabilität der gesetzlichen Rentenversicherung ist ein hohes Gut in unserem Sozialstaat. Deshalb werden wir die gesetzliche Rente auf heutigem Niveau von 48 Prozent bis zum Jahr 2025 absichern und bei Bedarf durch Steuermittel sicherstellen, dass der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigen wird. Für die Sicherung des Niveaus bei 48 Prozent werden wir in 2018 die Rentenformel ändern und parallel dazu eine Rentenkommission Verlässlicher Generationenvertrag“ einrichten, die sich mit den Herausforderungen der nachhaltigen Sicherung und Fortentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung und der beiden weiteren Rentensäulen ab dem Jahr 2025 befassen wird. Sie soll eine Empfehlung für einen verlässlichen Generationenvertrag vorlegen Dabei streben wir eine doppelte Haltelinie an, die Beiträge und Niveau langfristig absichert. Die Rentenkommission soll ihren Bericht bis März 2020 vorlegen. Ihr sollen Vertreter der Sozialpartner, der Politik und der Wissenschaft angehören. Die Rentenkommission soll die Stellschrauben der Rentenversicherung in ein langfristiges Gleichgewicht bringen sowie einen Vorschlag unterbreiten, welche Mindestrücklage erforderlich ist, um die ganzjährige Liquidität der gesetzlichen Rentenversicherung zu sichern.

Die Lebensleistung von Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet, Kinder erzogen und Angehörige gepflegt haben, soll honoriert und ihnen ein regelmäßiges Alterseinkommen zehn Prozent oberhalb des Grundsicherungsbedarfs zugesichert werden. Die Grundrente gilt für bestehende und zukünftige Grundsicherungsbezieher, die 35 Jahre an Beitragszeiten oder Zeiten der Kindererziehung bzw. Pflegezeiten aufweisen. Voraussetzung für den Bezug der Grundrente“ ist eine Bedürftigkeitsprüfung entsprechend der Grundsicherung. Die Abwicklung der Grundrente“ erfolgt durch die Rentenversicherung. Bei der Bedürftigkeitsprüfung arbeitet die Rentenversicherung mit den Grundsicherungsämtern zusammen. Wir wollen, dass der Bezug sozialer staatlicher Leistungen und der neu geschaffenen Grundrente nicht dazu führen muss, dass selbstgenutztes Wohneigentum aufgegeben werden muss. Dazu werden wir die gesetzlichen Regelungen zur Vermögensverwertung und zum Schonvermögen in der Sozialhilfe und der Grundsicherung für Arbeitsuchende überarbeiten, angleichen und so ändern, dass Bezieher sozialer staatlicher Leistungen in ihrem Wohneigentum wohnen bleiben können. Wir werden diejenigen besser absichern, die aufgrund von Krankheit ihrer Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen können. Wir wollen die Anhebung der Zurechnungszeiten beschleunigen, indem wir das jetzt vorgesehene Alter von 62 Jahren und drei Monaten in einem Schritt auf 65 Jahre und acht Monate anheben. Danach wird die Zurechnungszeit in weiteren Monatsschritten entsprechend der Anhebung der Regelaltersgrenze auf das Alter 67 angehoben.

Wir halten am Drei-Säulen-Modell fest und wollen in diesem Rahmen die private Altersvorsorge weiterentwickeln und gerechter gestalten. Es ist ein Dialogprozess mit der Versicherungswirtschaft anzustoßen, mit dem Ziel einer zügigen Entwicklung eines attraktiven standardisierten Riester-Produkts. Wir werden eine säulenübergreifende Renteninformation einführen, mit der Bürgerinnen und Bürger über ihre individuelle Absicherung im Alter Informationen aus allen drei Säulen erhalten und möglichen Handlungsbedarf erkennen können. Die Säulen-übergreifende Renteninformation soll unter Aufsicht des Bundes stehen. Wir wollen Möglichkeiten und Anreize zum freiwilligen längeren Arbeiten und damit auch das Angebot der Flexi-Rente nachhaltig gestalten. Um den sozialen Schutz von Selbständigen zu verbessern, wollen wir eine gründerfreundlich ausgestaltete Altersvorsorgepflicht für alle Selbständigen einführen, die nicht bereits anderweitig obligatorisch (z.B. in berufsständischen Versorgungswerken) abgesichert sind. Grundsätzlich sollen Selbstständige zwischen der gesetzlichen Rentenversicherung und – als Opt-out-Lösung – anderen geeigneten insolvenzsicheren Vorsorgearten wählen können. Wobei diese insolvenz- und pfändungssicher sein und in der Regel zu einer Rente oberhalb des Grundsicherungsniveaus führen müssen. Zudem werden wir die Mindestkrankenversichungsbeiträge für kleine Selbstständige reduzieren. Die Belastung durch Renten- und Krankenversicherungsbeiträge soll gründerfreundlich ausgestaltet werden.

Mit dem zweiten Kindererziehungsjahr in der Rente für Geburten vor 1992 haben wir einen ersten Schritt getan. Wir wollen die Gerechtigkeitslücke schließen: Mütter und Väter, die vor 1992 geborene Kinder erzogen haben, sollen künftig auch das dritte Jahr Erziehungszeit in der Rente angerechnet bekommen. Wir wollen die Mütterrente II einführen. Das ist ein wichtiger Baustein zur Bekämpfung von Altersarmut. Diese Verbesserungen bei der Mütterrente durch einen dritten Punkt pro Kind sollen für Mütter und Väter gelten, die drei und mehr vor 1992 geborene Kinder erzogen haben.

Zur Sicherung der bundesweiten Versorgung mit Presseerzeugnissen für alle Haushalte, in Stadt und Land gleichermaßen, wird bei Minijobs von Zeitungszustellerinnen und Zeitungszustellern der Beitrag zur Rentenversicherung, den der Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern zu tragen hat, befristet für die Dauer von fünf Jahren bis zum 31.12.2022 von 15 auf 5 Prozent abgesenkt. Wir wollen schrittweise einen höheren Anteil bei den Erstattungen an die Rentenversicherung für die Ansprüche aus den Sonder- und Zusatzversorgungssystemen der ehemaligen DDR übernehmen und damit die ostdeutschen Bundesländer entlasten (AAÜG). Wir wollen die Rehabilitation in der Rentenversicherung weiter stärken und die in der vergangenen Legislaturperiode eingeführten Verbesserungen weiterentwickeln. Für Härtefälle in der Grundsicherung im Rentenüberleitungsprozess wollen wir einen Ausgleich durch eine Fondslösung schaffen. Entsprechendes wollen wir auch für die Gruppe der Spätaussiedler und der jüdischen Kontingentflüchtlinge prüfen.

Gesundheit und Pflege

Kranke, Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung müssen auf die Solidarität der Gesellschaft vertrauen können. Wir werden sicherstellen, dass alle auch zukünftig eine gute, flächendeckende medizinische und pflegerische Versorgung von Beginn bis zum Ende ihres Lebens erhalten, unabhängig von ihrem Einkommen und Wohnort. Das Patientenwohl ist für uns entscheidender Maßstab für gesundheitspolitische Entscheidungen, die Patientenorientierung ist unser Leitbild für das Gesundheitswesen. Die Zusammenarbeit und Vernetzung im Gesundheitswesen müssen ausgebaut und verstärkt werden. Zur Erreichung einer sektorübergreifenden Versorgung wollen wir nachhaltige Schritte einleiten.

Pflege

Eine gute und verlässliche Pflege ist für immer mehr Betroffene und ihre Angehörigen von zentraler Bedeutung. In der vergangenen Legislaturperiode haben wir die Pflegeversicherung mit den Pflegestärkungsgesetzen grundlegend reformiert. Auch in den kommenden Jahren werden wir nicht nachlassen, die Pflege und die häusliche Versorgung zu verbessern, die Unterstützung für pflegende Angehörige auszubauen und die Arbeitsbedingungen von Fachkräften und Betreuern in der Pflege so attraktiv zu machen, dass ausreichend Menschen den Pflegeberuf ergreifen, beibehalten und damit die Versorgung sicherstellen. Dazu werden wir ein Sofortprogramm Pflege und darüber hinaus eine Konzertierte Aktion Pflege“ zur bedarfsgerechten Weiterentwicklung der Situation in der Pflege auf den Weg bringen. Wir werden die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in der Alten- und Krankenpflege sofort und spürbar verbessern. Es werden Sofortmaßnahmen für eine bessere Personalausstattung in der Altenpflege und im Krankenhausbereich ergriffen und dafür zusätzliche Stellen zielgerichtet gefördert. In der Altenpflege sollen die Sachleistungen kontinuierlich an die Personalentwicklung angepasst werden. In einem Sofortprogramm werden wir 8.000 neue Fachkraftstellen im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlungspflege in Pflegeeinrichtungen schaffen. Der dafür erforderliche finanzielle Mehraufwand soll durch eine Vollfinanzierung a) aus Mitteln der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) b) aus Mitteln der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) erfolgen. Dem Sofortprogramm werden weitere Schritte folgen.

Wir wollen in einer Konzertierten Aktion Pflege“ eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung der Situation in der Altenpflege erreichen. Deshalb entwickeln wir verbindliche Personalbemessungsinstrumente, auch im Hinblick auf die Pflegesituation in der Nacht. Die Konzertierte Aktion Pflege“ umfasst u.a. eine Ausbildungsoffensive, Anreize für eine bessere Rückkehr von Teil- in Vollzeit, ein Wiedereinstiegsprogramm, eine bessere Gesundheitsvorsorge für die Beschäftigten sowie eine Weiterqualifizierung von Pflegehelferinnen und Pflegehelfern zu Pflegefachkräften. Wir wollen die Bezahlung in der Altenpflege nach Tarif stärken. Gemeinsam mit den Tarifpartnern wollen wir dafür sorgen, dass Tarifverträge in der Altenpflege flächendeckend zur Anwendung kommen. Wir wollen angemessene Löhne und gute Arbeitsbedingungen in der Altenpflege. Dafür schaffen wir die gesetzlichen Voraussetzungen. Im Krankenhausbereich werden wir eine vollständige Refinanzierung von Tarifsteigerungen herbeiführen, verbunden mit der Nachweispflicht, dass dies auch tatsächlich bei den Beschäftigten ankommt. Wir bitten die Pflegemindestlohn-Kommission, sich zeitnah mit der Angleichung des Pflegemindestlohns in Ost und West zu befassen. Wir werden die ambulante Alten- und Krankenpflege insbesondere im ländlichen Raum stärken. Dazu gehört u.a. eine bessere Honorierung der Wegezeiten, wenn die Versorgung nur mit längeren Anfahrtswegen sichergestellt werden kann. Um Angehörige besser zu unterstützen, gehören insbesondere Angebote in der Kurzzeit- und Verhinderungspflege sowie in der Tages- und Nachtpflege, die besonders pflegende Angehörige entlasten, zu einer guten pflegerischen Infrastruktur. Wir wollen die o.g. Leistungen, die besonders pflegende Angehörige entlasten, zu einem jährlichen Entlastungsbudget zusammenfassen, das flexibel in Anspruch genommen werden kann. Damit können wir erheblich zur Entbürokratisierung in der ambulanten Pflege beitragen, die häusliche Versorgung stärken und pflegende Angehörige entlasten. Wir werden die Angebote für eine verlässliche Kurzzeitpflege stärken, indem wir eine wirtschaftlich tragfähige Vergütung sicherstellen. Um die Situation pflegender Angehöriger zu verbessern, werden sie einen Anspruch auf medizinisch erforderliche Rehabilitationsleistung nach ärztlicher Verordnung erhalten. Auf das Einkommen der Kinder von pflegebedürftigen Eltern soll künftig erst ab einem Einkommen in Höhe von 100.000 Euro im Jahr zurückgegriffen werden.

Wir wollen möglichst frühzeitig Pflege vermeiden. Dafür fördern wir den präventiven Hausbesuch durch Mittel des Präventionsgesetzes. Kommunen sollen mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten bei der Ausrichtung der pflegerischen Versorgungsangebote vor Ort im Rahmen der Versorgungsverträge erhalten. Pflegebedürftige Menschen haben einen hohen Bedarf an medizinischen Leistungen. Die kassenärztlichen Vereinigungen und die Pflegeeinrichtungen werden verpflichtet, Kooperationsverträge abzuschließen. Den Auftrag an Kassen und Krankenhäuser, Personaluntergrenzen für pflegeintensive Bereiche festzulegen, werden wir dergestalt erweitern, dass in Krankenhäusern derartige Untergrenzen nicht nur für pflegeintensive Bereiche, sondern für alle bettenführenden Abteilungen eingeführt werden. Die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung sowie die Finanzierungsverordnung des Pflegeberufegesetzes werden zeitnah vorgelegt.

Quelle: Entwurf des Koalitionsvertrags (Stand: 5.2.2018, 11:30 Uhr)

Weitere News zum Thema
  • [] Sie haben Ihre Steuererklärung schon vor Monaten abgegeben, ergänzende Unterlagen nachgereicht - aber vom Finanzamt kommt nichts, der Steuerbescheid lässt auf sich warten. Was können Sie jetzt tun? mehr

  • [] Ab dem 1.4.2024 beträgt der Mehrwertsteuersatz für Gas wieder 19%. Damit Ihre Gasrechnung korrekt erstellt werden kann, sollten Sie den Zählerstand fotografieren und an Ihren Versorger melden. mehr

  • [] Seit ein paar Tagen liest man (mal wieder) in verschiedenen Medien sehr plakativ von der »Abschaffung der Steuerklassen« und von »neuen Steuerklassen für Ehepaare«. Was ist da dran? Kurze Antwort: Nicht viel. Wir erklären die Hintergründe. mehr

Weitere News zum Thema