Werden die Steuerklassen III und V abgeschafft?
Die Abschaffung der Steuerklassen III und V steht nur im Koalitionsvertrag - ein Gesetz oder auch nur einen Gesetzentwurf dazu gibt es bisher nicht.

Werden die Steuerklassen III und V abgeschafft?

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Seit ein paar Tagen liest man (mal wieder) in verschiedenen Medien sehr plakativ von der »Abschaffung der Steuerklassen« und von »neuen Steuerklassen für Ehepaare«. Was ist da dran? Kurze Antwort: Nicht viel. Wir erklären die Hintergründe.

Zurzeit schreiben verschiedene Zeitungen darüber, im Frühjahr 2023 hatte das Thema in sozialen Medien wie Tiktok und Youtube für Aufruhr gesorgt: Die Steuerklassen III und V sollen (damals hieß es: zum 1.7.2023) abgeschafft werden, alle Betroffenen bekommen dann Steuerklasse IV mit Faktor zugewiesen.

Aber natürlich wird mal wieder nicht so heiß gegessen, wie gekocht wird...

Im Koalitionsvertrag hat die Regierung geschrieben: »Im Zuge einer verbesserten digitalen Interaktion zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung werden wir die Kombination aus den Steuerklassen III und V in das Faktorverfahren der Steuerklasse IV überführen, das dann einfach und unbürokratisch anwendbar ist und mehr Fairness schafft.«

Dieser Satz beinhaltet gleich mehrere ambitionierte Pläne:

  • Digitalisierung der Finanzverwaltung

  • Abschaffung der Steuerklassen III und V

  • Mehr Fairness

Wir konzentrieren uns im Folgenden auf die Steuerklassen und den Stand der Dinge bei der Abschaffung der Steuerklassen III und V.

 

Inhalt

 

→  Steuerklassen 1 bis 6: Was sind eigentlich Steuerklassen? Hier gibt es die Antwort! Detailliert, verständlich und informativ.

→ Ratgeber Steuerklasse ändern: Vorteile - Fristen - Tipps

Wann werden die Steuerklassen III und V abgeschafft?

Das weiß keiner so genau, denn bisher gibt es tatsächlich nur die oben zitierte Aussage aus dem Koalitionsvertrag. Mehr ist noch nicht passiert: Es gibt kein Gesetz, und selbst ein Gesetzentwurf ist nicht in Sicht. »Eckpunkte« existieren allenfalls als Gerücht. Das bedeutet auch, dass die Steuerklassen III und V nicht in absehbarer Zeit abgeschafft werden.

Interessant ist, warum die Regierung die Steuerklassen III und V abschaffen möchte: Es geht dabei um das Ehegattensplitting, das seit Jahren in der Kritik steht. Die Steuerklassenkombination III/V ist die einzige Möglichkeit, das Ehegattensplitting zu nutzen. Beim Ehegattensplitting wird das gemeinsame zu versteuernde Einkommen eines Ehepaares oder einer eingetragenen Lebenspartnerschaft zunächst durch zwei geteilt (»gesplittet«), dann wird die Steuer berechnet und der Betrag wieder verdoppelt. So zahlt jeder die Hälfte, unabhängig von der Höhe des jeweiligen Einkommens.

Die Regierung möchte die Familienbesteuerung weiterentwickeln, »sodass die partnerschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche Unabhängigkeit mit Blick auf alle Familienformen gestärkt werden.« (Koalitionsvertrag)

Ein Schritt auf diesem Weg der Weiterentwicklung des Ehegattensplittings hin zu einem »Familiensplitting« kann die »Überführung« der Steuerklassen III und V in die »Steuerklasse IV mit Faktor« sein. Denn bei Lohnsteuerklasse IV mit Faktor ist der Lohnsteuerabzug bei beiden Partnern deutlich genauer und normalerweise werden dabei Einkommensteuer-Nachzahlungen vermieden. Ziel ist, dass jeder Partner genau seine Steuern bezahlt.

Lohnsteuer: Faktorverfahren sorgt für eine faire Verteilung in der Ehe

Viele Paare machen sich zu wenig Gedanken über die Wahl der richtigen Steuerklassen. Nach der Eheschließung bekommen beide Steuerklasse IV vom Finanzamt zugewiesen – die behält man. Oder man wählt die Kombination aus Steuerklasse III und V, weil das die Eltern schon so gemacht haben. Dabei gibt es eine Möglichkeit, die Steuerlast viel fairer zu verteilen.

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Was ist Steuerklasse IV mit Faktor?

Der Faktor ist ein steuermindernder Multiplikator, der die Vorteile des Splittingtarifs auf die unterschiedlich hohen Arbeitslöhne beider Ehepartner verteilt.

Beim Faktorverfahren ermittelt das Finanzamt anhand der (voraussichtlichen) Jahres-Bruttoarbeitslöhne der Eheleute bzw. der eingetragenen Lebenspartner die nach Splittingtarif zu zahlende Einkommensteuer.

Die so ermittelte Einkommensteuer wird ins Verhältnis gesetzt zur Summe der von beiden Ehepartnern/eingetragenen Lebenspartnern in Steuerklasse IV voraussichtlich zu zahlenden Jahres-Lohnsteuer.

Das Ergebnis ist ein Faktor, der stets kleiner als eins ist. Dieser Faktor wird mit drei Nachkommastellen ohne Rundung vom Finanzamt in der ELStAM-Datenbank als Lohnsteuerabzugsmerkmal beider Ehepartner/eingetragenen Lebenspartner für die Arbeitgeber zum elektronischen Abruf gebildet.

Die Arbeitgeber der Ehepartner/eingetragenen Lebenspartner ermitteln die nach Steuerklasse IV zu zahlende Lohnsteuer und wenden darauf den Faktor an.

Das Ergebnis ist ein ziemlich genauer Lohnsteuerabzug – nach Abgabe der Steuererklärung gibt es meist keine Steuerrückzahlung, aber in der Regel auch keine Nachzahlung an das Finanzamt.

Was ist für Sie die steuerlich günstigste Steuerklassenkombination? Finden Sie es heraus!

→ Steuerklassenrechner - Hilfe bei der Wahl der Steuerklasse 

Gibt es die Steuerklasse IV mit Faktor schon?

Ja, die Möglichkeit dieser Steuerklassenkombination besteht bereits seit dem Jahr 2010.

Das Faktorverfahren wurde eingeführt, weil bei der Steuerklassenkombination III/V der Lohnsteuerabzug in Steuerklasse V sehr hoch ist. Für Steuerpflichtige mit Steuerklasse V lohnt es sich oft nicht, eine Beschäftigung aufzunehmen: es bleibt ja sowieso nichts übrig, weil das Finanzamt so viel kassiert.

Faktorverfahren bei Steuerklasse IV: Bisher ein großer Misserfolg

Mit dem Faktorverfahren soll die Aufnahme einer steuer- und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gefördert werden. Es wendet sich »zudem gegen die Minijobfalle zulasten von Frauen, weil sich damit die Lohnsteuerlast der Zweitverdiener in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung optimieren [lässt]« (Quelle: BT-Drucksache 18/7170, Seite 1).

Doch schon 2015 war klar, dass der Plan nicht aufgeht: »Tatsächlich scheint das seit 2010 mögliche Faktorverfahren in der Bevölkerung jedoch kaum bekannt zu sein. In der jährlich vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) veröffentlichten Datensammlung zur Steuerpolitik wird das Faktorverfahren weder aufgeführt noch werden Daten zur Nutzung ausgewiesen. Bei Steuerberatungen scheint das Verfahren nur selten empfohlen zu werden« (Quelle: BT-Drucksache 18/7170, Seite 1).

2020 fand auch der Bundesrechnungshof in seinem Jahresbericht deutliche Worte und empfahl sogar die Abschaffung des Faktorverfahrens:

»Das sogenannte Faktorverfahren bei der Steuerklassenkombination IV/IV für Verheiratete ist weder wirksam noch wirtschaftlich. Es verfehlt die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele zur Förderung der Gleichstellung. [...]

Das Faktorverfahren wird trotz reichlicher Werbung nur von 0,6 % der Antragsberechtigten genutzt. Außerdem waren diese geringer Verdienenden in 94 % der vom Bundesrechnungshof geprüften Fälle bereits sozialversicherungspflichtig tätig, als sie erstmals das Verfahren wählten.

Das Faktorverfahren ist für die meisten Steuerpflichtigen lohnsteuerlich nicht vorteilhaft und führt zudem zu einem aufwendigen Verfahren. Der Bundesrechnungshof sieht keine Ansatzpunkte, es erfolgreich zu verändern. Er empfiehlt, es abzuschaffen und zu prüfen, wie die damit verfolgten Ziele auf einem anderen Weg zu erreichen sind.« (Quelle: Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2020, Ergänzungsband, Nr. 31).

Bedeutet der Wechsel der Steuerklasse ein Familiensplitting?

Unseres Erachtens nicht, denn es handelt sich bei der Überführung der Steuerklassen III und V in Steuerklasse IV mit Faktor nur um die (zwangsweise) Ausweitung einer heute schon möglichen Steuerklassenkombination auf mehr Paare.

Alternativ wäre dann noch Lohnsteuerklasse IV ohne Faktor möglich, was während des Jahres zu einer ungenaueren Lohnsteuerzahlung führt – insbesondere bei unterschiedlichen Einkommen. Aber durch die Abgabe einer Steuererklärung wird das wieder ausgeglichen.

Zu einem Familiensplitting kommt es unseres Erachtens nur, wenn auch Kinder darin berücksichtigt werden – Stichwort »Kindergrundsicherung«. Die kommt aber frühestens 2025 und soll aus zwei Komponenten bestehen:

  • Komponente 1 der Kindergrundsicherung soll ein einkommensunabhängiger Garantiebetrag sein, der für alle Kinder und Jugendlichen gleich hoch ist.

  • Komponente 2 der Kindergrundsicherung soll ein vom Elterneinkommen abhängiger, gestaffelter Zusatzbetrag sein.

Das hat an sich noch nichts mit der Einkommensbesteuerung zu tun, soll aber über den Garantiebetrag (Komponente 1) darauf hinführen.

Politische Veröffentlichungen stehen ja ohnehin nicht in dem Ruf, leicht verständlich zu sein, und so möchten wir an dieser Stelle diesen wunderbaren Satz direkt zitieren:

»Mit dem Garantiebetrag legen wir in dieser Legislaturperiode die Grundlage für unser perspektivisches Ziel, künftig allein durch den Garantiebetrag den verfassungsrechtlichen Vorgaben nach Freistellung des kindlichen Existenzminimums bei der Besteuerung des Elterneinkommens zu entsprechen.« (Quelle: Koalitionsvertrag, Seite 101)

Was müssen Ehepaare jetzt unternehmen?

Kurz gesagt: nichts.

Der Koalitionsvertrag bildet nur die Pläne ab, die die gemeinsam regierenden Parteien für die nächsten Jahre haben. Was davon Wirklichkeit wird, steht in den Sternen – oder in so schönen undurchsichtigen Sätzen wie dem eben zitierten.

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(MB)

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