Steuerrecht vs. Zivilrecht: Persönlicher Freibetrag bei Erbverzicht der Eltern
Beim Erbrecht kommt es auf viele kleine Details an.

Steuerrecht vs. Zivilrecht: Persönlicher Freibetrag bei Erbverzicht der Eltern

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Zivilrechtliche Fiktionen nehmen nicht unbedingt Einfluss auf das Steuerrecht. Das zeigt eine interessante Entscheidung des FG Niedersachsen, in der es um die Frage nach dem erbschaftsteuerlichen Freibetrag bei einem Enkel ging.

 

Inhalt

 

Erbschaftsteuer: Freibetrag für Enkelkinder

Grundsätzlich haben Enkelkinder einen persönlichen Freibetrag von 200.000 Euro. Sofern es sich bei dem Enkel jedoch um ein Kind eines verstorbenen Kindes handelt, erhöht sich der Freibetrag auf 400.000 Euro.

Vor dem FG Niedersachsen wurde darum gestritten, welcher Freibetrag zum Ansatz gebracht wird, wenn der Vater des erwerbenden Enkels gegenüber dem Erblasser auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet. Entsprechend der zivilrechtlichen Vorschrift in § 2346 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gilt (Fiktion!) der Vater damit nämlich als vorverstorben.

Entsprechend der Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch können Verwandte des Erblassers durch Vertrag mit dem Erblasser auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichten. Der Verzichtende ist dann von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, als wenn er zur Zeit des Erbfalls nicht mehr leben würde. Er hat insoweit auch kein Pflichtteilsrecht.

Zivilrechtliche »Vorversterbens-Fiktion« und Auswirkungen auf das Steuerrecht

Im vorliegenden Fall hatten der Erblasser (Großvater) und der Vater des hier erwerbenden Klägers (Enkel) einen Erbverzichtsvertrag geschlossen, durch den der Vater des Klägers gegenüber dem Erblasser auf ein gesetzliches Erbrecht verzichtet hatte.

Zivilrechtlich besteht daher für ihn eine sogenannte Vorversterbens-Fiktion. Es wird also so getan, als wenn der Vater schon gestorben wäre.

Aber: Das ist lediglich eine zivilrechtliche Fiktion! Diese führt nicht dazu, dass der Kläger (Enkel) einen erbschaftsteuerlichen Freibetrag in Höhe von 400.000 Euro erhält. Die zivilrechtlich in § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB vom Gesetzgeber normierte Vorversterbens-Fiktion schlägt nicht auf eine entsprechende Anwendung im Erbschaftssteuerrecht durch.

Dies begründet das FG Niedersachsen wie folgt:

  • Zunächst soll berücksichtigt werden, dass der Kläger (Enkel) nicht im Wege der gesetzlichen Erbfolge, sondern aufgrund einer testamentarischen Verfügung des Erblassers zum Erben geworden ist. Die Wirkung dieser Norm im Bürgerlichen Gesetzbuch ist daher nur insoweit eingetreten, als der Vater des Klägers kein Pflichtteilsrecht beanspruchen konnte.

  • Gegen die Gleichsetzung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals »verstorbene Kinder« im Erbschaftssteuerrecht mit »als verstorben geltende Kinder« aufgrund der Vorversterbens-Fiktion im Bürgerlichen Gesetzbuch spricht zudem der Umstand, dass der Verzichtende nur auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet und somit weiterhin aufgrund gewillkürter Erbfolge zum Erben berufen werden kann. Für diesen Fall würde dann ebenso wie für den Fall von Schenkungen der Freibetrag von 400.000 Euro gelten.

Damit wäre denkbar, dass der Freibetrag von 400.000 Euro doppelt in Anspruch genommen werden könnte, falls er auch der nachfolgenden Generation wegen der Vorversterbens-Fiktion zugestanden werden würde. Eine solche Doppelbegünstigung hat der Gesetzgeber aber nicht beabsichtigt.

Auch nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Regelung ging das Gericht hier davon aus, dass dem Enkel im vorliegenden Fall nur ein Freibetrag von 200.000 Euro zur Verfügung steht: Nach dem Wortlaut im Erbschaftsteuergesetzes steht der Freibetrag in Höhe von 400.000 Euro Kindern vorverstorbener Kinder zu. Der Wortlaut beinhaltet eben nicht den Zusatz, dass auch Kinder als vorversterbend geltender Kinder zu berücksichtigen sind. Er beschränkt sich damit nur auf tatsächlich vorverstorbene Kinder eines Erblassers.

Steuerrecht ist weitgehend autark gegenüber Zivilrecht

Folglich bleibt es dabei, dass die durch einen Erbverzicht ausgelöste Vorversterbens-Fiktion des § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zu einem erbschaftsteuerlichen Freibetrag in Höhe von 400.000 Euro aufgrund der Regelung des § 16 Abs. 1 Nummer 2 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) führt (FG Niedersachsen, Urteil vom 28.2.2022, Az. 3 K 176/21).

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(MB)

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