Weglauftendenz: Kasse zahlt fixierbare GPS-Uhr
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Bei einem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (LSG, Az. L 16 KR 182/18) ging es um einen jungen Mann mit einem Downsyndrom mit geistiger Behinderung und Weglauftendenz. Das LSG gestand dem Betroffenen als Hilfsmittel eine am Handgelenk fixierbare Guard2me-Uhr zu. Angesichts der zunehmenden Alterung der Gesellschaft und der Tatsache, dass das Altern wohl nicht selten mit Demenz verbunden sein wird, betrifft das Urteil in starkem Maße Senioren.
Der junge Mann, dessen Klage vor dem LSG verhandelt wurde, leidet infolge eines Gendefektes (auch als Downsyndrom bekannt) an einer stark ausgeprägten geistigen Behinderung, die mit Weglauftendenz und Orientierungslosigkeit einhergeht. Er ist mit Pflegegrad 5 eingestuft. Dem Kläger sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 % zuerkannt sowie die Merkzeichen H, B und G. So fasst das LSG seine Situation zusammen.
Sein behandelnder Arzt beantragte bei dessen Krankenkasse die Kostenübernahme für eine GPS-Notfalluhr für den Kläger als Behinderungsausgleich (im Rahmen des § 33 SGB V). Das Gerät mildere die Folgen der Gesundheitsschäden. Die Weglauftendenzen des Betroffenen gefährdeten ihn selbst erheblich, zweimal sei er bereits orientierungslos aufgefunden worden.
Die beantragte GPS-Notfalluhr sei in der Lage, Alarm zu schlagen, wenn sich der Kläger aus einem vorher begrenzten Areal entferne. Eine andere Art Notrufsystem werde von ihm nicht toleriert und eigenständig entfernt. Als Anlage wurde der Kostenvoranschlag für eine Guard2me-Uhr zum Preis von 1.189,50 € beigefügt sowie die ärztliche Verordnung einer Guard2me-Uhr vom Facharzt für Kinderheilkunde vorgelegt.
Die Krankenkasse lehnte den Antrag ab. Die Uhr sei kein Mittel des Behinderungsausgleichs, sondern ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Zudem seien Mechanismen wie abgeschlossene Türen und ständige Begleitung vorrangig. Das Gerät erleichtere auch nicht die Pflege, sondern diene der Patientenüberwachung.
Dagegen bewertete das Landessozialgericht das Gerät als spezielles Hilfsmittel für Behinderte. Es stützte sich dabei maßgeblich auf den neuen Behinderungsbegriff, der das Ziel der gesellschaftlichen Teilhabe in den Vordergrund rückt. Ohne die Uhr sei das Grundbedürfnis des Klägers auf Mobilität im Nahbereich aus Sicherheitsgründen derzeit aufgehoben. Das Einsperren als die schärfste aller freiheitsentziehenden Maßnahmen führe zwangsläufig in die Isolation und schneide dem Kläger als Heranwachsendem jegliche Entwicklungsmöglichkeit für sein weiteres Leben ab. Die Uhr sei mithin von der GKV als Hilfsmittel zu finanzieren.
Revision beim BSG
Gegen das Urteil aus Celle wurde Revision beim Bundessozialgericht eingelegt. Diese wird dort unter dem Aktenzeichen B3 KR 15/19 R geführt.
Die Guard2me-Uhr wird inzwischen im Reha-Handel weit günstiger zu Preisen zwischen 400,– € und 500,– € verkauft. Angebote findet man im Internet bei Eingabe des Namens der Uhr. Wenn das BSG der Revision stattgeben sollte, sind sicherlich viele Angehörige bereit, die Uhr auch selbst zu finanzieren.
(MS)