Rentenerhöhung 2022: Ab dem 1.7.2022 steigt die Rente deutlich
Die hohen Preissteigerungen lassen die überdurchschnittliche Rentenerhöhung gleich wieder etwas geringer erscheinen.

Rentenerhöhung 2022: Ab dem 1.7.2022 steigt die Rente deutlich

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Ab dem 1. Juli 2022 können sich Rentnerinnen und Rentner sowie Witwen und Witwer über höhere Auszahlungen freuen. Wer von ihnen bekommt jetzt wie viel mehr Geld?

Die Rentenerhöhung zum 1.7.2022 fällt überdurchschnittlich hoch aus. Rentnerinnen und Rentner erhalten die höchste Rentensteigerung seit Jahrzehnten. Das gilt für alle Altersrenten und alle Hinterbliebenenrenten.

 

Inhalt

 

Die Renten steigen am 1.7.2022 stärker als erwartet

Zum 1.7.2022 gibt es für Ruheständler ein deutliches Rentenplus. Der für die alten Länder geltende aktuelle Rentenwert steigt um 5,35 %. Ein Rentenpunkt ist damit statt bisher 34,19 € künftig 36,02 € wert. Wer bislang brutto eine Rente von 1.500,– € erhalten hat, kann ab heute mit brutto 1.580,25 € rechnen. In den neuen Bundesländern kommt es – im Zuge der weiteren Rentenangleichung – zu einer etwas höheren Anpassung. Der aktuelle Rentenwert Ost steigt um 6,12 % von 33,47 € auf 35,52 €.

Wie kommt dieses hohe Rentenplus zustande?

Im Sozialgesetzbuch (SGB) gibt es Rechenregeln, wie die Rentenerhöhung zu berechnen ist. Diese findet man in § 68 SGB VI. Allerdings gibt es in diesem Jahr wiederum Eingriffe in die Rentenformel, sodass die Entwicklung des Rentenwerts nicht nur durch festgezurrte Regeln, sondern in starkem Maße durch einen aktuellen politischen Eingriff bestimmt ist.

Allerdings gilt grundsätzlich weiterhin: Die Entwicklung der Löhne und Gehälter hat den wichtigsten Einfluss auf die Rentenentwicklung. Das macht die gesetzliche Rentenversicherung angesichts des gesunkenen Zinsniveaus seit etlichen Jahren gegenüber herkömmlichen privaten Rentenversicherungen attraktiver.

Faktor Lohnerhöhung

Für die Rentenerhöhung zählt immer die Entwicklung des Vorjahres. 2022 kommt es darauf an, wie sich die Löhne 2021 gegenüber 2020 entwickelt haben. In diesem Zeitraum beträgt die für die Rentenentwicklung relevante Lohnentwicklung in den alten Ländern 5,8 %. Um diesen Wert – oder anders ausgedrückt: um den Faktor 1,058 – hätte der Rentenwert West steigen müssen, wäre allein die Lohnentwicklung berücksichtigt worden.

Dieser starke positive Effekt ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass die 2020 sehr stark verbreitete Kurzarbeit 2021 oft durch voll beitragspflichtige Beschäftigung ersetzt wurde.

Nachhaltigkeitsfaktor

Generell rechnen die Statistiker damit, dass es künftig zunehmend mehr Rentner und immer weniger Beitragszahler geben wird. Das zahlenmäßige Verhältnis beider Gruppen wird durch den Nachhaltigkeitsfaktor abgebildet. Verschlechtert sich dieser Wert – gibt es also weniger Beitragszahler und mehr Rentner –, so dämpft das den Rentenanstieg. Und umgekehrt. Auch hier kommt es auf die Entwicklung im letzten Jahr gegenüber dem vorletzten Jahr an – also 2021 gegenüber 2020.

Dieses Mal bringt der Faktor aber wiederum ein Rentenplus. Durch die 2021 gegenüber dem Vorjahr relativ günstige Arbeitsmarktentwicklung gab es im Vergleichszeitraum mehr Beschäftigte. Das zahlenmäßige Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern hat sich um 0,76 % verbessert. Aus dem Steigerungswert von 0,76 % wird der Faktor 1,0076. Dieser positive Faktor sorgt für einen zusätzlichen Rentenanstieg. Auch bei der Berechnung dieses Faktors hat der Gesetzgeber allerdings eingegriffen, indem die Berechnung des rechnerischen Verhältnisses von Rentnern zu Beschäftigten verändert wurde.

Entwicklung des Beitragssatzes

Grundsätzlich gilt ein Wippenprinzip: Steigt der Beitragssatz, dann ist das für die Rentenhöhe schlecht. Sinkt der Beitragssatz, dann ist das gut für die Rentenhöhe. Dafür sorgt der sogenannte Beitragssatzfaktor, der in die Berechnung der Rentenanpassung einfließt. Allerdings kommt es auch hier nicht auf den aktuellen Beitragssatz an, sondern darauf, wie sich der Satz im letzten gegenüber dem vorletzten Jahr entwickelt hat.

Im Jahr 2022 liegt der Beitrag bei 18,6 % des Bruttogehalts. 2021 betrug er ebenfalls 18,6 %, 2020 ebenfalls. Das bedeutet: Die Entwicklung des Beitragssatzes spielt dieses Mal bei der Rentenanpassung keine Rolle.

Wie funktioniert die genaue Berechnung der Rentenanpassung?

Die drei Faktoren Lohnentwicklung, Nachhaltigkeitsfaktor und Beitragssatzfaktor werden miteinander multipliziert. Das ist dieses Mal ganz einfach, weil sich der Beitragssatz zuletzt nicht verändert hat. Der Beitragssatzfaktor geht deshalb mit dem Wert 1,0 in die Rentenberechnung ein.

Die Berechnung müsste daher eigentlich folgendermaßen funktionieren: Der Nachhaltigkeitsfaktor und der Lohnfaktor werden miteinander multipliziert. 1,058 × 1,0076 = 1,066. Damit hätte der Rentenwert West um 6,6 % auf 36,45 € steigen müssen – ist er aber nicht.

Wie kommt die Dämpfung des Anstiegs zustande?

Im Jahr 2021 hätte eigentlich – wendet man die Faktoren der Rentenformel an – aufgrund der 2020 gegenüber 2019 gesunkenen Löhne zumindest in den alten Bundesländern eine Rentenkürzung erfolgen müssen. Dazu ist es aber wegen der sogenannten Rentengarantie nicht gekommen. Es hat bei der Rente West daher eine Nullrunde gegeben. Die Kürzung, die 2021 rechnerisch hätte erfolgen müssen, soll nun 2022 mit der rechnerisch notwendigen Erhöhung verrechnet werden.

Diese Nachholung der Kürzung (Nachholfaktor) hatte die letzte Bundesregierung bis 2026 ausgesetzt. Nun erfolgt eine Aussetzung der Aussetzung, wodurch die Rente geringer steigt. Die Rente hätte 2021 eigentlich um 1,17 % gekürzt werden müssen. Anders ausgedrückt ergibt sich daraus ein Kürzungsfaktor von 0,9883. Mit diesem Faktor wird der oben ermittelte Rentenwert multipliziert. Das Ergebnis: 36,45 × 0,9883 = 36,02 €. So hoch ist zwischen Juli 2022 und Juni 2023 der aktuelle Rentenwert. Hierfür ist eine Steigerung um 5,35 % erforderlich.

Wie kommt der aktuelle Rentenwert Ost zustande?

Das ist Ergebnis einer gesetzlichen Festlegung. Ab Juli 2024 wird die Rente in ganz Deutschland einheitlich berechnet. Bis dahin ist der aktuelle Rentenwert in den neuen Ländern noch etwas niedriger als im Westen. Der Abstand verringert sich aber von Jahr zu Jahr. Bis dahin soll der aktuelle Rentenwert Ost im Vergleich zum Wert im Westen jedes Jahr um mindestens 0,7 Prozentpunkte stärker steigen.

Nach der gesetzlichen Vorgabe soll der Rentenwert Ost ab Juli 2022 mindestens 98,6 % des Rentenwerts West erreichen. Diese Vorgabe wird durch einen aktuellen Rentenwert Ost von 35,52 € erreicht. Daraus ergibt sich, dass Renten, die nur auf Ost-Entgeltpunkten beruhen, im Juli 2022 um 6,12 % steigen.

Wie geht es in den kommenden Jahren mit der Rente weiter?

"Bis zum Jahr 2035 steigen die Renten um insgesamt rund 37 %. Dies entspricht einer durchschnittlichen Steigerungsrate von 2,3 % pro Jahr". Diese Schätzung gab die letzte Bundesregierung im Rentenversicherungsbericht 2021 ab.

Das ist zunächst ein positives Szenario. Es klingt nach Stabilität und die gesetzliche Rentenversicherung hat sich ja auch tatsächlich als stabil erwiesen. Eine andere Zahl verdeutlicht allerdings, dass der Lebensstandard der Rentenbezieher verglichen mit demjenigen der abhängig Beschäftigten sinkt. Das beitragspflichtige Arbeitsentgelt der Versicherten soll im gleichen Zeitraum nämlich um 47,6 % steigen, deutlich stärker also. Klar wird damit noch einmal: Ohne zusätzliche private Vorsorge kann der gewohnte Lebensstandard im Alter nicht gehalten werden.

Der Rentenversicherungsbericht 2020 nennt als Prognosen diese Zahlen für die Rentenerhöhungen 2023 und 2024:

  Jahr

  Rentenerhöhung Ost  

  Rentenerhöhung West  

  erforderlicher Beitragssatz  

  2023

3,88%

3,15%

19,3%

  2024

0,71%

0,00%

19,9%

(Quelle: Rentenversicherungsbericht 2020 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales – BMAS, Seite 32 und 33 (PDF))

Kräftiges Rentenplus auch für Witwen und Witwer

Von der Erhöhung des aktuellen Rentenwerts zum 1.7.2022 profitieren auch Hinterbliebenenrentner. Ihre Renten steigen und ebenso der Freibetrag zur Anrechnung von Einkommen auf die Hinterbliebenenrente.

Was ändert sich zum 1.7.2022 an der Höhe der Hinterbliebenenrenten?

Anfang Juli werden die gesetzlichen Renten im Westen um 5,35 % und im Osten um 6,12 % angehoben. Entsprechend steigen auch die Hinterbliebenenrenten. Das geschieht automatisch.

Aus 1.000,– € Hinterbliebenenrente in den alten Ländern werden damit 1.053,50 €, in den neuen Ländern 1.061,20 €. Von der Rente gehen nach wie vor Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab.

Was gilt nun bei der Einkommensanrechnung auf die Hinterbliebenenrente?

Das Verfahren bleibt gleich. Die Freibeträge steigen jedoch, weil sie durch feste Formeln an die Rentenentwicklung geknüpft sind. Für Witwen-/Witwerrentner (Große Hinterbliebenenrente) beträgt der Freibetrag das 26,4-Fache des jeweils geltenden aktuellen Rentenwerts.

Letzterer beträgt ab Juli 2022 in den alten Bundesländern 36,02 € (neue Länder: 35,52 €). Daraus ergibt sich ein Freibetrag für Einkünfte zusätzlich zur Witwen-/Witwerrente in Höhe von 950,93 € monatlich. In den neuen Ländern liegt dieser Freibetrag bei 937,73 €. Nettoeinkünfte, die darüber liegen, werden zum Teil mit der Hinterbliebenenrente verrechnet. Ob dabei Ost- oder Westwerte zugrunde gelegt werden, hängt vom Wohnsitz der Witwen oder Witwer ab.

Was gilt als Nettoeinkommen?

Hier kann es leicht zu Missverständnissen kommen. Für die vielen Ruheständler, die neben ihrer eigenen Rente eine Hinterbliebenenrente erhalten, zählt als Nettoeinkommen nicht etwa der Betrag, den ihnen die Rentenversicherung überweist.

Die Deutsche Rentenversicherung hat vielmehr ihre eigenen Regeln (festgelegt im SGB IV), wie die Bruttoeinkünfte in (fiktive) Nettowerte umgerechnet werden. Zudem werden von dem Teil der Nettoeinkünfte, der die Freibeträge übersteigt, nur 40 % auf die Hinterbliebenenrente angerechnet. Es zählt hier das um (je nach Einkommensart unterschiedlich hohe) feste pauschale Prozentsätze reduzierte Bruttoeinkommen.

Habe ich als Altersrentner zusätzlich Anspruch auf die Hinterbliebenenrente?

Grundsätzlich ja. Die meisten Hinterbliebenenrentner sind Ruheständler und erhalten zusätzlich noch eine eigene gesetzliche Altersrente, sie sind sozusagen Doppelrentner. Sie erhalten die volle eigene Altersrente, vielfach aber eine gekürzte Hinterbliebenenrente. Dabei wird folgendermaßen gerechnet: Der Bruttorentenbetrag der eigenen Rente der Betroffenen wird (rechnerisch) um 14 % reduziert. So wird die (fiktive) Nettorente errechnet.

De facto können damit Rentner aus den alten Bundesländern mit einer Rente von monatlich bis zu 1.105,– € brutto (im Westen) noch eine ungekürzte Hinterbliebenenrente erhalten. Zieht man nämlich von 1.105,– € 14 % ab, so verbleiben 950,30 €. Das ist knapp weniger als der Freibetrag in Höhe von 950,93 €. In den neuen Ländern liegt diese Grenze bei 1.090,– €.

Der Satz von 14 % gilt für diejenigen, die ab 2011 in Rente gegangen sind. Für »frühere Ruheständler« gilt ein Satz von 13 %.

Wie wird bei höheren Renten genau gerechnet?

Nehmen wir einen Witwer aus München. Er erhält ab Juli 2022 eine Altersrente in Höhe von brutto 1.600,– €.

Brutto bedeutet hier: vor dem Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Das entspricht nach der Pauschalrechnung der Rentenversicherung einer Nettorente von (1.600,– € ./. 14 % =) 1.376,– €.

Damit wird der Freibetrag von 950,93 € um 425,07 € überschritten. 40 % dieses Differenzbetrags sind anrechenbar. Dies sind 170,03 €. Bei einem Anspruch auf eine volle Hinterbliebenenrente von 800,– € würde diese Rente damit auf rund 630,– € im Monat gekürzt. Von diesem Betrag gehen dann noch – wie von der Altersrente – Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ab. Der Münchener erhält damit Renten in Höhe von insgesamt 2.230,– € brutto.

Wie wird gerechnet, wenn Hinterbliebenenrentner noch erwerbstätig sind?

Auch dann wird das Bruttoeinkommen der Hinterbliebenen nach pauschalen Werten in ein (fiktives) Nettoeinkommen umgerechnet. Dabei werden vom Bruttoeinkommen 40 % abgezogen (soweit sie selbst noch nicht die reguläre Altersrente beziehen). So wird das (fiktive) Netto errechnet. 2.000,– € Bruttoverdienst entsprechen damit einem Nettoverdienst von 1.200,– €. Das wird dann genau wie oben skizziert dem Freibetrag gegenübergestellt. Von der Differenz werden 40 % auf die Hinterbliebenenrente angerechnet.

Für Hinterbliebenenrentner (ohne eigene Altersrente) mit Einkünften aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung liegt die kritische Einkommensgrenze ab Juli 2022 bei brutto 1.585,– € (West) bzw. 1.563,– € (Ost). Entgelte aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung sind bis zu dieser Höhe bei der Hinterbliebenenrente anrechnungsfrei.

Eine andere Regelung gilt für Doppelrentner mit Job, die bereits die reguläre Altersgrenze erreicht haben und in der Rentenversicherung versicherungsfrei sind. In diesem Fall werden, um vom Brutto zum Netto zu gelangen, nicht 40 %, sondern 30,5 % rechnerisch abgezogen. Soweit die Betroffenen allerdings auf die Versicherungsfreiheit verzichten (durch Erklärung gegenüber ihrem Arbeitgeber), gilt ein Abzugssatz von 40 %.

Bei Minijobs gilt im Fall, dass keine Rentenversicherungspflicht besteht bzw. dass diese abgewählt wurde, dagegen netto = brutto. Das komplette Entgelt gilt also als Nettoentgelt. Gegebenenfalls kann es sich für Betroffene lohnen, auf die Rentenversicherungsfreiheit des Minijobs zu verzichten. Dann erfolgt, wenn es um die Anrechnung des Einkommens auf die Hinterbliebenenrente geht, ein rechnerischer Abzug von 40 % des Einkommens, um das fiktive Nettoentgelt zu ermitteln.

(MS)

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