Immobilie übertragen, Nutzung behalten: Wie funktioniert Nießbrauch?
Beim Immobilien-Nießbrauch bleibt das Wohnrecht trotz Eigentumsübertragung erhalten. -Symbolbild-

Immobilie übertragen, Nutzung behalten: Wie funktioniert Nießbrauch?

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Wenn Immobilieneigentümer ins Seniorenalter kommen, stellt sich oft die Frage, wie sie mit ihrem Haus oder ihrer Wohnung verfahren sollen. Meistens ist klar, dass sie die Immobilie weiterhin nutzen möchten, jedoch ohne alle damit verbundenen Pflichten eines Eigentümers.

 

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Auch steuerliche Überlegungen können, insbesondere bei wertvolleren Immobilien, eine Rolle spielen. In solchen Fällen gibt es verschiedene Regelungsmöglichkeiten. Eine davon ist das Nießbrauchrecht, das eine umfassende Weiternutzung der Immobilie sicherstellt. Es ist jedoch nicht die einzige Option; auch ein reines Wohnrecht kann zum Beispiel vereinbart werden, bietet aber weniger Rechte.

Was ist der Nießbrauch an Immobilien?

Der Nießbrauch ist ein etabliertes Rechtsinstrument in Deutschland, dessen Wurzeln weit zurückreichen. Es ermöglicht eine Trennung zwischen rechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum an einer Sache. Bei Immobilien bedeutet das: Der Nießbrauchsberechtigte ist der wirtschaftliche Eigentümer (Nutzer), während der neue Eigentümer nach der Übertragung (zum Beispiel der Beschenkte) der rechtliche Eigentümer ist. Der ursprüngliche Eigentümer wird oft zum Nießbrauchsberechtigten.

Dieses Konzept kann grundsätzlich auf Immobilien, Grundstücke sowie andere Vermögenswerte wie Unternehmensbeteiligungen oder Wertpapiere angewendet werden, wobei dieser Artikel sich auf Immobilien konzentriert. Sowohl Privatpersonen als auch juristische Personen (Unternehmen) können einen Nießbrauch vereinbaren.

Braucht man für Nießbrauch einen Notar?

Um einen Nießbrauch an einer Immobilie rechtswirksam zu machen, muss die Vereinbarung durch einen Notar beurkundet und im Grundbuch eingetragen werden; eine private Vereinbarung reicht nicht aus. In der Regel gilt das Nutzungsrecht lebenslang, kann jedoch auch zeitlich begrenzt sein.

Wo ist Nießbrauch im Gesetz geregelt?

Die rechtlichen Grundlagen für den Nießbrauch sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 1030 ff. BGB) verankert, das die Rechte und Pflichten der beteiligten Parteien definiert und als Basis für die Vertragsgestaltung dient.

Kann man Nießbrauch vererben?

Das Nießbrauchrecht selbst ist nicht vererbbar und nicht übertragbar, es endet also in der Regel mit dem Tod des Berechtigten.

Üblich ist eine Schenkung der Immobilie an nahe Angehörige mit gleichzeitiger Vereinbarung eines Nießbrauchs für den Schenker. Dies ist eine häufig gewählte Gestaltung, zum Beispiel im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge.

Was beinhaltet das Nießbrauchrecht an Immobilien?

Das Nießbrauchrecht an Immobilien ist in § 1030 bis § 1067 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) genau festgelegt. Es handelt sich dabei um das umfassende Nutzungsrecht an einer Immobilie, das aus zwei Komponenten besteht: der Selbstnutzung und der wirtschaftlichen Nutzung (»Fruchtziehung«). Das bedeutet, dass der Nießbrauchsberechtigte das Haus weiterhin selbst bewohnen darf. Bei der »Fruchtziehung« wird die Immobilie vermietet oder verpachtet, und die daraus resultierenden Einkünfte erhält der Nießbrauchsberechtigte. Ein Verkauf der Immobilie durch den Nießbrauchsberechtigten ist jedoch nicht möglich, da dieses Recht ausschließlich dem rechtlichen Eigentümer vorbehalten ist.

In der Regel wird das Nutzungsrecht lebenslang vereinbart, es gibt jedoch auch zeitlich befristete Alternativen. So kann der Nießbrauch für 10, 20 oder 30 Jahre festgelegt werden, und individuelle Lösungen sind stets möglich.

Was ist der Vorteil von Nießbrauch?

Der Vorteil dabei ist, dass die Nießbrauchsberechtigten zeitlich flexibel in den Räumlichkeiten wohnen oder diese anderweitig nutzen können. Beispielsweise kann das Objekt in den ersten Jahren nach der Schenkung weiterhin selbst bewohnt werden. Bei einem späteren Umzug in ein Alten- oder Pflegeheim können die zusätzlichen Kosten durch die Vermietung der Räumlichkeiten gedeckt werden, ohne dass finanzielle Einschränkungen erforderlich sind.

Neben dem kompletten Nutzungsrecht an einer Immobilie ist auch ein Teilnutzungsrecht möglich, zum Beispiel, wenn bei einem Mehrfamilienhaus nur eine Wohnung mit einem Nießbrauch belastet und ins Grundbuch eingetragen wird.

Der Nießbrauch kann unter bestimmten Bedingungen vertraglich eingeschränkt werden. Ein Beispiel hierfür könnte eine Klausel sein, die besagt, dass wenn der Nießbrauchsberechtigte gemeinsam mit seiner Frau in der Immobilie lebt, der lebenslange Nießbrauch zwar grundsätzlich im Todesfall des Berechtigten vereinbart ist, dieses Recht für die länger lebende Ehefrau jedoch erlischt, wenn die Frau erneut heiratet. Solche individuellen Klauseln müssen aber explizit im notariellen Vertrag vereinbart werden.

Rechte und Pflichten beim Nießbrauch

Das Nutzungsrecht an einer Immobilie bringt sowohl Rechte als auch Pflichten mit sich. Die Nießbrauchsberechtigten haben das Recht, die Räumlichkeiten frei zu nutzen und entsprechend einzurichten oder auszustatten. Sie können etwa einen neuen Wintergarten installieren, einen Mieter in eine Einliegerwohnung aufnehmen oder alles unverändert lassen.

Allerdings sind die Nießbrauchsberechtigten nicht gänzlich frei in ihren Entscheidungen über die Immobilie. Eine wesentliche Umgestaltung oder Änderung der Nutzung, bei der aus einem reinen Wohnraum plötzlich eine vermietete Bürofläche wird, ist ohne Zustimmung des Eigentümers in der Regel nicht gestattet. Auch für umfassende Aus- oder Anbauten ist die Zustimmung des Eigentümers erforderlich.

Zudem sind Nießbrauchsberechtigte verpflichtet, die Immobilie in einem ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten, was als Erhaltungspflicht bezeichnet wird.

Der Zustand der Immobilie sollte idealerweise beim Abschluss des Nutzungsvertrags detailliert festgehalten werden, um Missverständnisse über notwendige Instandhaltungsmaßnahmen zu vermeiden. Zusätzlich sind die Nießbrauchsberechtigten verpflichtet, die Immobilie durch eine Wohngebäudeversicherung abzusichern.

Wer trägt die Kosten für Modernisierungen oder Renovierungen bei Nießbrauch?

Renovierungen (»Erhaltungsaufwendungen«) dienen in der Regel der Instandhaltung oder Reparatur, während Modernisierungen die Qualität verbessern und oft zu einer Wertsteigerung führen. Im ersten Fall trägt nach der gesetzlichen Regelung der Nießbrauchsberechtigte die Kosten für die Erhaltungsaufwendungen, während im zweiten Fall normalerweise der rechtliche Eigentümer für die Kosten aufkommt. Da die Übergänge zwischen diesen beiden Formen fließend sein können, sollte im Nießbrauchvertrag so präzise wie möglich festgelegt werden, welche Maßnahmen unter welche Kategorie fallen und wer die Kosten dafür trägt, um Streitigkeiten zu vermeiden.

Beispiel:

Es sollen gleichzeitig neue Fenster eingebaut und die Hauswand gestrichen werden. Das Hauswandstreichen gehört zur Erhaltung des Gebäudes. Neue Fenster mit Dreifachverglasung statt Zweifachverglasung hingegen können eine Modernisierung darstellen.

Das Beispiel verdeutlicht, wie komplex die Abgrenzung zwischen Erhaltungsaufwendungen und Modernisierungen sein kann. Daher ist es wichtig, bei der Vertragsgestaltung diese Unterscheidung so klar wie möglich zu definieren und die Kostentragung abweichend vom Gesetz individuell zu regeln.

Netto-Nießbrauch und Brutto-Nießbrauch: Unterschied

Eine Möglichkeit besteht darin, klare vertragliche Regelungen zu treffen, die oft als Brutto- oder Netto-Nießbrauch bezeichnet werden: Wird vertraglich vereinbart, dass der Nießbrauchsberechtigte neben der Erhaltung auch alle weiteren (auch außergewöhnlichen) Lasten trägt, spricht man von einem »Netto-Nießbrauch«.

Wenn vertraglich vereinbart wird, dass der rechtliche Eigentümer auch die gewöhnlichen Erhaltungskosten und alle öffentlichen Lasten wie Grundsteuer tragen soll, handelt es sich um einen »Brutto-Nießbrauch«. Letzteres kommt jedoch seltener vor.

Wer als Nießbrauchsberechtigter möglichst wenig Kosten tragen möchte, sollte versuchen, einen Bruttonießbrauch oder eine detaillierte Regelung zu vereinbaren, die von bestimmten finanziellen Lasten befreit.

Welche Arten von Nießbrauch gibt es?

Es gibt drei Hauptmodelle, die bei der Einräumung eines Nießbrauchs unterschieden werden:

  • Zuwendungsnießbrauch,

  • Vorbehaltsnießbrauch und

  • der nachrangige Nießbrauch.

Was bedeutet Zuwendungsnießbrauch?

Beim Zuwendungsnießbrauch bleibt der ursprüngliche Eigentümer rechtlicher Eigentümer der Immobilie, gewährt jedoch einer anderen Person das Recht, die Früchte (z.B. Mieteinnahmen) aus der Immobilie zu nutzen. Dieses Modell wird häufig genutzt, um die Steuerlast zu optimieren, indem Einkünfte auf eine Person mit niedrigerem Steuersatz verlagert werden, wie ein Familienmitglied mit geringen oder keinen Einkünften.

Was bedeutet Vorbehaltsnießbrauch?

Beim Vorbehaltsnießbrauch überträgt der bisherige Eigentümer das rechtliche Eigentum an der Immobilie auf eine andere Person (z.B. Kind), behält sich aber selbst das Recht, oft lebenslang, vor, die Immobilie weiterhin zu nutzen oder die Früchte daraus zu beziehen. Diese Form des Nießbrauchs wird häufig im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge eingesetzt.

Was bedeutet nachrangiger Nießbrauch?

Beim nachrangigen Nießbrauch wird das Nießbrauchrecht einer Person so gestaltet, dass es erst nach dem Erlöschen eines vorrangigen Nießbrauchrechts in Kraft tritt. Diese Form des Nießbrauchs ist nützlich, um die Nutzung einer Immobilie zum Beispiel für den überlebenden Ehepartner nach dem Tod des Erstversterbenden zu regeln.

Was muss im Nießbrauchvertrag stehen?

Am besten wird ein Nießbrauchvertrag von einem Notar entworfen und beurkundet. Wie der Vertrag genau aussieht, hängt von Ihren individuellen Vereinbarungen und von der Art der Immobilie ab. Folgend finden Sie wichtige Regelungen, die im Vertrag enthalten sein sollten:

  • Genaue Bezeichnung der Räumlichkeiten und des Grundstückes, die von der Nießbrauchregelung betroffen sein sollen. Dies ist besonders wichtig, wenn nur Teile, wie bei einem Mehrfamilienhaus, belastet werden sollen.

  • Zusicherung eines unentgeltlichen oder entgeltlichen sowie lebenslangen oder befristeten Nutzungsrechts.

  • Die genauen Pflichten des Nießbrauchsberechtigten zum Erhalt der Immobilie.

  • Kostenübernahme: Wer trägt welche Kosten für das Gebäude und Grundstück? Hier sind detaillierte Regelungen wichtig, da die gesetzlichen Vorgaben im BGB zu vage sind.

  • Besonderheiten wie nachrangiger Nießbrauch, Rückfallklauseln, zeitliche Befristungen etc.

  • Regelungen zur Rückübertragung, falls der neue Eigentümer insolvent wird oder vor dem Nießbrauchsberechtigten verstirbt.

Nießbrauch: Steuerliche Aspekte

Bei der Übertragung eines Nießbrauchrechts im Rahmen einer Schenkung zwischen Ehepartnern oder in gerader Linie Verwandten (Kinder, Enkel, Eltern) wird in der Regel keine Grunderwerbsteuer erhoben, da solche Vorgänge nach § 3 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) steuerlich begünstigt sind. Die Grundsteuer hingegen muss weiterhin gezahlt werden und wird ohne anderslautende vertragliche Regelung vom Nießbrauchsberechtigten getragen, da dieser für die laufenden öffentlichen Kosten der Immobilie verantwortlich ist. Die Einräumung des Nießbrauchs mindert zudem den Wert der Schenkung, was bei der Schenkungssteuer relevant ist.

Wie wird der Wert beim Nießbrauch ermittelt?

Um den Wert eines Nießbrauchs zu ermitteln, ist eine präzise Bewertung entscheidend, da sie für verschiedene rechtliche und steuerliche Aspekte von Bedeutung ist, insbesondere für die Schenkungssteuer.

Häufig ist es notwendig, ein Wertgutachten durch einen qualifizierten Gutachter erstellen zu lassen, um den genauen Wert zu bestimmen. Dies ist besonders bei vermieteten Immobilien oder komplexen Regelungen komplizierter, da verschiedene Faktoren berücksichtigt werden müssen.

Die Berechnung des Nießbrauchwertes ist komplex und erfolgt nach den Vorgaben des Bewertungsgesetzes (BewG). Daher werden hier nur die wesentlichsten Faktoren vorgestellt, die in die Bewertung einfließen:

  • Erwartete Zeitdauer des Nießbrauchs: Normalerweise lebenslänglich (abhängig von der statistischen Lebenserwartung des Berechtigten) oder vertraglich befristet.

  • Art des Nießbrauchs: zum Beispiel Zuwendungsnießbrauch.

  • Art der Immobilie und welche Räumlichkeiten genutzt werden.

  • Alter und Geschlecht des Nießbrauchsberechtigten (bei lebenslangem Nießbrauch).

  • Vertragliche Regelung der Kostentragung für den neuen Eigentümer (Brutto-Nießbrauch oder Netto-Nießbrauch).

  • Jahreswert der Nutzung: die erzielbare Jahresmiete bzw. der Mietwert bei Selbstnutzung.

(LBW, MB)

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