Erstausbildung: Werbungskostenabzug rückt näher!

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Seit Jahren wird vor dem Bundesverfassungsgericht gestritten, ob die Kosten einer Erstausbildung (wieder) als Werbungskosten abzugsfähig sein sollten. Genauso lange raten wir unseren Lesern, in der Steuererklärung Werbungskosten dafür geltend zu machen. Das sieht jetzt auch die Bundesrechtsanwaltskammer so!

Hintergrund

Im Jahr 2014 hat der BFH dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass die Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, keine Werbungskosten sind, wenn diese Berufsausbildung oder dieses Erststudium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet (BFH-Beschluss vom 17.7.2014, VI R 2/12 und VI R 8/12).

Was erst einmal sehr juristisch-bürokratisch klingt, birgt jede Menge finanzielle Auswirkungen. Denn: Im Moment sind die Kosten einer Erstausbildung nur im Rahmen der Sonderausgaben und in Höhe von maximal 6.000 Euro pro Jahr absetzbar. Sonderausgaben wirken sich aber vereinfacht ausgedrückt nur dann aus, wenn auch ein nennenswerter Verdienst vorliegt – was während der ersten Ausbildung eher selten der Fall ist.

Anders als Werbungskosten können Sonderausgaben nicht im Rahmen eines sogenannten Verlustvortrags mit den Einkünften aus späteren Jahren verrechnet werden. Steuernsparen geht also nur sofort – oder eben gar nicht.

Werbungskosten dagegen verfallen nicht, sondern können in späteren Jahren zum Steuern sparen genutzt werden.

Bei der Entscheidung, ob die Kosten einer Erstausbildung in der Steuererklärung als Sonderausgaben oder als Werbungskosten angegeben werden dürfen, geht es also um viel Geld.

BFH kontra Gesetzgebung

Die ganze Geschichte hat natürlich schon viel früher angefangen: Mitte 2011 hatte der BFH entschieden, dass die Kosten eines Erststudiums oder einer Erstausbildung direkt nach dem Schulabschluss nicht nur als Sonderausgaben, sondern auch als vorweggenommene Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgesetzt werden können. Der BFH ist der Meinung, dass die Aufwendungen für die Ausbildung zu einem Beruf als notwendige Voraussetzung für eine nachfolgende Berufstätigkeit beruflich veranlasst sind und demgemäß auch als Werbungskosten einkommensteuerrechtlich berücksichtigt werden müssen.

Diese Meinung teilen wir und raten daher auch jedem Studierenden, der gerade seine erste Ausbildung macht und keine Einnahmen hat, Werbungskosten anzugeben!

Damit hätten viele Studenten bzw. Auszubildende beim Finanzamt einen Verlustvortrag beantragen und in den späteren Berufsjahren ihre Ausbildungskosten steuermindernd verrechnen können.

Doch der Gesetzgeber hat diese Rechtsprechung durch eine Gesetzesänderung wieder einkassiert und rückwirkend bestimmt, dass die Kosten nur bis maximal 6.000 Euro als Sonderausgaben angesetzt werden können. Ein Verlustvortrag ist damit nicht möglich.

Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer

Das Bundesverfassungsgericht, das die Verfahren unter den Aktenzeichen 2 BvL 22/14, 2 BvL 23/14, 2 BvL 24/14, 2 BvL 25/14, 2 BvL 26/14 und 2 BvL 27/14 führt, hat nun die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) um eine Stellungnahme dazu gebeten, ob § 9 Abs. 6 EStG mit dem Grundgesetz vereinbar ist, soweit nach dieser Vorschrift Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung bzw. ein erstmaliges Studium nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

Und die Bundesrechtsanwaltskammer? Sie ist voll auf unserer Linie und schreibt: Nach Auffassung der Bundesrechtsanwaltskammer verdient die Einschätzung des BFH Zustimmung. Die BRAK ist also auch der Meinung, dass für eine Erstausbildung der Abzug von Werbungskosten möglich sein sollte.

Völlig zu Recht schreibt die BRAK in ihrer Stellungnahme weiter: Der BFH formuliert plastisch, Aufwendungen für die Ausbildung zu einem Beruf seien geradezu prototypisch“ beruflich veranlasst. Nach Auffassung der Bundesrechtsanwaltskammer steht außer Frage, dass die Aufnahme eines Studiums typischerweise erfolgt, um hiermit die Grundlagen und die Voraussetzungen für eine spätere berufliche Tätigkeit zu erlangen, die der (künftigen) Existenzsicherung des Steuerpflichtigen dient.

Zur Erinnerung: Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen – Kosten für die Ausbildung (auch wenn es die erste Ausbildung ist) sind hier wahrlich das beste Beispiel!

Wie geht es jetzt weiter?

Natürlich handelt es sich bei der Stellungnahme nicht um eine Entscheidung. Und natürlich müssen die Verfassungsrichter auch nicht der Meinung der BRAK folgen. Aber die Chancen stehen unseres Erachtens gut, dass der Werbungskostenabzug für die erste Ausbildung oder das erste Studium (wieder) möglich wird.

Von daher gilt heute mehr denn je: Machen Sie die Kosten für Ihre erste Ausbildung bzw. Ihr erstes Studium in der Steuererklärung als Werbungskosten geltend!

Im Steuerbescheid wird Ihnen das Finanzamt mitteilen, dass es die Werbungskosten nicht anerkennt. Das ist aber im Moment völlig egal, und Sie brauchen auch nichts zu unternehmen. Denn das Finanzamt darf erst endgültig nein (oder ja) sagen, wenn das Bundesverfassungsgericht entschieden hat. Der Steuerbescheid ist insoweit offen oder vorläufig: Sie müssen nicht Einspruch einlegen, um von einer positiven Entscheidung zu profitieren – einfach nur abwarten.

Wer die sehr leserfreundlich formulierte Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer selbst lesen möchte: bitte hier entlang!

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