Lebendorganspende: BGH bestätigt strengste Aufklärungsvorgaben

 - 

Lebendorganspenden sind in Deutschland wohl besonders durch die Nierenspende von Frank-Walter Steinmeier an seine Ehefrau bekannt geworden. Solche Organspenden sind – auch um einen Organhandel zu verhindern – nur für eine besonders nahestehende Person zulässig.

Und auch dann nur unter der Bedingung echter Freiwilligkeit und höchster Aufklärung.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte über zwei Fälle zu entscheiden, in denen die Organspende einer Tochter für ihren Vater und eines Ehemanns für seine Frau für alle Beteiligten zu negativen Ergebnissen führte.

Die Karlsruher Richter hoben die Urteile der Vorinstanzen auf, befanden die Transplantationen für rechtswidrig und gestanden den Betroffenen im Grundsatz Schmerzensgeld zu (Az. VI ZR 495/16 und VI ZR 318/17).

Das 1997 verabschiedete Transplantationsgesetz erlaubt die Lebendspende von Organen nur unter Verwandten ersten oder zweiten Grades (z.B. Eltern oder Geschwistern des Empfängers) sowie unter Ehepartnern, eingetragenen Lebenspartnern, Verlobten oder anderen Personen, die – so das Gesetz – "dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen".

Außerdem müssen die Spender in der Regel volljährig sein. Ausnahmen sieht das Gesetz nur für die Entnahme von Knochenmark vor. Weiterhin muss der Spender nach ärztlicher Beurteilung (auf Basis medizinischer Untersuchungen) als Spender geeignet sein, d.h. in einem guten Gesundheitszustand, sodass der Eingriff für ihn kein großes Risiko darstellt.

Er muss durch einen Arzt aufgeklärt werden (z.B. über Zweck und Art des Eingriffs, die durchzuführenden Untersuchungen, Risiken des Eingriffs, Maßnahmen zum Schutz des Spenders, die zu erwartende Erfolgsaussicht der Transplantation). Die Aufklärung des Spenders muss in Anwesenheit eines weiteren Arztes erfolgen, der an dem Verfahren nicht beteiligt ist.

Die skizzierten Regeln wurden in beiden Transplantationsfällen nicht beachtet. In einem Fall ging es um eine Tochter, die für ihren an chronischer Niereninsuffizienz leidenden Vater eine Niere spendete. Inzwischen hat der Vater die transplantierte Niere verloren und die Tochter leidet an einem chronischen Fatigue-Syndrom und an Niereninsuffizienz.

Im anderen ganz ähnlich gelagerten Fall spendete ein Ehemann seiner an Niereninsuffizienz leidenden und dialysepflichtigen Ehefrau eine Niere. Seitdem leidet der Kläger an einem chronischen Fatigue-Syndrom. In beiden Fällen rügten die Spender eine formal wie inhaltlich ungenügende Aufklärung.

Bereits die Vorinstanzen hatten geklärt, dass die Kläger nach medizinischen Kriterien gar nicht für eine Nierentransplantation infrage gekommen wären, weil deren eigene Nierenfunktionswerte sich bereits präoperativ im unteren Grenzbereich befanden. Über die gesundheitlichen Folgen der Organentnahme für ihre Gesundheit waren sie nicht aufgeklärt worden.

Doch obwohl auch die Vorinstanzen das so sahen, meinten die Oberlandesgerichte, die Kläger hätten auch bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung wohl in die Organentnahme eingewilligt. Es liege also eine "hypothetische Einwilligung" vor. Diese Rechtskonstruktion wird im Arzthaftungsrecht durchaus angewandt.

Der BGH befand jedoch, die entsprechenden Regeln seien nicht auf die Lebendorganspende zu übertragen. Dies widerspräche dem Schutzzweck der erhöhten Aufklärungsanforderungen bei Lebendspenden (§ 8 Abs. 2 Satz 1 und 2 Transplantationsgesetz, TPG). Die vom Gesetzgeber bewusst streng formulierten und gesondert strafbewehrten Aufklärungsvorgaben sollen, so der BGH, "den potenziellen Organspender davor schützen, sich selbst einen größeren persönlichen Schaden zuzufügen".

Sie dienen dem "Schutz des Spenders vor sich selbst". Wenn Ärzte sich nicht an diese Vorgaben hielten, erschüttere dies "das notwendige Vertrauen potenzieller Lebendorganspender in die Transplantationsmedizin".

Die Einhaltung der Vorgaben des Transplantationsgesetzes sei eine Voraussetzung, wenn – um des Lebensschutzes willen – die Bereitschaft der Menschen zur Organspende langfristig gefördert werden solle. Über die Höhe des den Betroffenen zustehenden Schmerzensgeldes müssen nun die Vorinstanzen entscheiden.

Weitere News zum Thema
  • [] Die Bundesregierung hat einen Bericht zur langfristigen Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung vorgelegt. Der Bericht enthält Szenarien und mögliche Reformen, um die Pflegeversicherung bis 2060 zukunftssicher zu gestalten. mehr

  • [] Wenn ein Grad der Behinderung (GdB) festgestellt werden soll, kann das Gericht eine Begutachtung anordnen. Dieser dürfen sich Betroffene nicht verweigern, wie ein Urteil des Sozialgerichts (SG) Stuttgart zeigt. mehr

  • [] Allergiker müssen die einschränkenden Folgen und eine Fortentwicklung ihrer Erkrankung zum Beispiel zu Asthma vermeiden. Da hilft oft nur eines: Sie dürfen mit den Allergieauslösern möglichst nicht in Kontakt kommen. mehr

Weitere News zum Thema