Anspruch auf barrierefreien Umbau: Wichtige Urteile für Wohnungseigentümer
Wohnungseigentümer sind sich nicht immer einig - im schlimmsten Fall geht der Streit dann vor Gericht.

Anspruch auf barrierefreien Umbau: Wichtige Urteile für Wohnungseigentümer

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat zwei wichtige Entscheidungen für Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) gefällt: Es geht um das Recht auf Barrierefreiheit, konkret um den Einbau eines Aufzugs und einer Rampe.

BGH-Urteil vom 9.2.2024, Az. V ZR 244/22: EInbau eines Aufzugs

Die Kläger sind Eigentümer einer Wohnung im dritten und vierten Stock im Hinterhaus eines Altbaus. Die Wohnanlage besteht aus zwei zwischen 1911 und 1912 im Jugendstil errichteten Wohnhäusern und steht unter Denkmalschutz, das Vorderhaus erhielt im Jahr 1983 den Fassadenpreis der Stadt München. Im Vorderhaus gibt es einen Personenaufzug.

Im ehemaliges »Gesindehaus«, in dem sich die Wohnung der Kläger befindet, sind die Fassade und das enge Treppenhaus im Vergleich zum Vorderhaus eher schlicht gehalten.

Die Kläger, die selbst keine körperliche Behinderung haben, wollten auf eigene Kosten einen Außenaufzug am Treppenhaus des Hinterhauses als Zugang für Menschen mit Behinderungen errichten lassen. Ein entsprechender Antrag wurde in der Eigentümerversammlung abgelehnt.

Das Landgericht erklärte, dass am Hinterhaus auf der zum Innenhof gelegenen Seite ein Personenaufzug zu errichten sei. Dagegen ging die Eigentümergemeinschaft vor dem vom Bundesgerichtshof (BGH) vor.

Bundesgerichtshof folgte der Auffassung des Landgerichts: Der Aufzug darf gebaut werden, die Grenzen einer zulässigen Bebauung werden eingehalten (§ 20 Abs. 4 WEG).

Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (Wohnungseigentumsgesetz - WEG)

§ 20 Bauliche Veränderungen

(1) Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (bauliche Veränderungen), können beschlossen oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden.

(2) Jeder Wohnungseigentümer kann angemessene bauliche Veränderungen verlangen, die

1. dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen,

2. dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge,

3. dem Einbruchsschutz und

4. dem Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität

dienen. Über die Durchführung ist im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu beschließen.

(3) Unbeschadet des Absatzes 2 kann jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass ihm eine bauliche Veränderung gestattet wird, wenn alle Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, einverstanden sind.

(4) Bauliche Veränderungen, die die Wohnanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen, dürfen nicht beschlossen und gestattet werden; sie können auch nicht verlangt werden.

Die Richter erklärten, die erstrebte Errichtung eines Personenaufzugs stelle eine angemessene bauliche Veränderung dar, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen dient (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG). Die Angemessenheit sei nur ausnahmsweise zu verneinen, wenn mit der Maßnahme Nachteile verbunden seien, die über die Folgen hinausgehen, die typischerweise mit der Durchführung einer privilegierten baulichen Veränderung einhergehen.

Eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage, die dem Anspruch entgegenstehen könnte, sei mit der Errichtung des Aufzugs nicht verbunden.

Eingriffe in die Bausubstanz, übliche Nutzungseinschränkungen des Gemeinschaftseigentums und optische Veränderungen einer Wohnanlage, zum Beispiel aufgrund von Anbauten, sind keine Begründung für die Unangemessenheit einer baulichen Veränderung.

BGH-Urteil vom 9.2.2024, Az. V ZR 33/23: Erhöhung einer Terrasse und Einbau einer Rampe

Dieser Fall betrifft eine Wohnanlage aus drei miteinander verbundenen Häusern. Es gibt jeweils zwei Wohnungen im Erdgeschoss und zwei weiteren Wohnungen im ersten Obergeschoss. Hinter den Häusern ist eine Gartenfläche, an der den Erdgeschosswohnungen zugewiesene Sondernutzungsrechte gebildet wurden. Auf den Gartenflächen dürfen Terrassen in der Größe von maximal einem Drittel der Fläche des jeweiligen Sondernutzungsrechts errichtet werden.

Auf einer Eigentümerversammlung wurde der Eigentümerin einer Erdgeschosswohnung gestattet, auf der Rückseite des Gebäudes eine Rampe als barrierefreien Zugang sowie eine etwa 65 Zentimeter aufzuschüttende Terrasse zu errichten und das Doppelfenster im Wohnzimmer durch eine verschließbare Tür zu ersetzen; ggf. soll ein aus Bodenplatten bestehender Zugang vom Hauseingang bis zur Terrasse errichtet werden.

Gegen diesen Beschluss ging eine weitere Eigentümerin gerichtlich vor.

Auch in diesem Fall erklärte der BGH, dass die baulichen Veränderungen durchzuführen seien. Die Richter erklärten dazu:

»Beschließen die Wohnungseigentümer die Durchführung oder Gestattung einer baulichen Veränderung, die ein Wohnungseigentümer unter Berufung auf § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG verlangt, hängt die Rechtmäßigkeit des Beschlusses [...] nicht davon ab, ob die Anspruchsvoraussetzungen des § 20 Abs. 2 WEG im Einzelnen vorliegen und ob die bauliche Veränderung insbesondere angemessen ist.«

Auch hier komme es durch die bauliche Veränderung nicht zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage im Sinne von § 20 Abs. 4 Halbs. 1 Alt. 1 WEG. Gestattet werde lediglich die Errichtung eines untergeordneten Anbaus an ein bestehendes Gebäude einer Mehrhausanlage, wobei die Errichtung einer Terrasse schon nach der Teilungserklärung erlaubt sei. Durch die Gestattung der baulichen Veränderung werde auch kein Wohnungseigentümer gegenüber anderen unbillig benachteiligt i. S. d. § 20 Abs. 4 Halbs. 1 Alt. 2 WEG.

Da die von den Wohnungseigentümern hier beschlossene bauliche Veränderung ihrer Kategorie nach dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderung dient (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG), bedarf es besonderer Umstände, um eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage anzunehmen. Solche besonderen Umstände konnte das Gericht im vorliegenden Fall nicht erkennen.

 

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(MB)

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