Pflege gegen Haus-Überschreibung: gewerbliche Tätigkeit

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Eine Frau pflegt ihren Nachbarn, er überschreibt ihr im Gegenzug sein Haus: Dabei entstehen bei der Frau Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sagt das FG Niedersachsen. Lesen Sie hier, worum es im Einzelnen ging.

Frau X pflegte einen Nachbarn, mit dem sie nicht verwandt war, und half ihm im Haushalt. In der Steuererklärung, die sie gemeinsam mit ihrem Mann abgab, erklärte sie keine Einkünfte – bis sie jemand beim Finanzamt anzeigte und dieses die Ermittlungen aufnahm. Heraus kam dabei folgendes:

Frau X hatte als Gegenleistung für die Versorgung des Nachbarn dessen Doppelhaushälfte übertragen bekommen. Der Nachbar hatte sich dabei einen befristeten Nießbrauch vorbehalten. All das war fein säuberlich in einem notariellen Vertrag vereinbart worden. Der Vertrag sah unter anderem vor:

  • Die Übertragung erfolgt als Gegenleistung für die von Frau X bisher erbrachten und nach diesem Vertrag künftig zu erbringenden Versorgungs- und Pflegeleistungen. Diese Leistungen werden von den Vertragsparteien (also von Frau X und dem Nachbarn) übereinstimmend mit durchschnittlich 900 DM monatlich bewertet.
  • Der unmittelbare Besitz sowie Nutzungen und Lasten gehen mit Beendigung des bestellten Nießbrauchs auf Frau X über. Das lebenslängliche Nießbrauchsrecht soll ersatzlos enden, wenn der Nießbrauchsberechtigte (also der Nachbar) auf Dauer in ein Alten- oder Pflegeheim oder eine ähnliche Einrichtung aufgenommen werden muss.
  • Frau X verpflichtet sich, ihren Nachbarn in seinem Haus in kranken und alten Tagen zu pflegen und zu versorgen. Das beinhaltet körperliche Pflege, Reinhaltung der Wohnung, waschen und zurechtmachen der Wäsche und Zubereitung der Speisen. Die notwendigen Naturalien zum Lebensbedarf des Nachbarn sind jedoch auf seine Kosten zu beschaffen.
  • Darüber hinaus verpflichtet sich Frau X, den Nachbarn bei der Erledigung aller Angelegenheiten gegenüber Privatpersonen und Behörden zu unterstützen, für ihn Einkäufe zu besorgen und hin und wieder auch die Freizeit mit ihm zu gestalten.
  • Die vorstehenden Leistungen werden als Gegenleistung für die Übertragung des Grundbesitzes erbracht, allerdings beschränkt auf das eineinhalbfache der statistischen  Lebenserwartung des Nachbarn. Sollte über diesen Zeitpunkt hinaus die Pflege im Haus notwendig sein, sind die Pflegeleistungen durch die Übertragung des Grundbesitzes nicht abgegolten.
  • Sollte Frau X innerhalb des vorgenannten Zeitraumes die Pflege und Versorgung des Nachbarn einstellen, ohne dass er dies durch schuldhaftes Verhalten zu vertreten hat, kann er die Rückübertragung des Grundbesitzes verlangen. Frau X sind dann die ihr für die Pflege monatlich zustehenden 900 Euro zu erstatten, und zwar Zug um Zug gegen Rückübertragung des Grundbesitzes.

Frau X und ihr Mann waren der Meinung, dass dieses Gefälligkeitsverhältnis unter Nachbarn nicht steuerpflichtig sei. Allenfalls könne es sich um eine geringfügige Beschäftigung handeln, die nicht in der Steuererklärung anzugeben sei. Vorliegend habe es sich um ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt, zu dem der Arbeitgeber die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten gehabt und der Arbeitnehmer die Einkünfte nicht in seiner Einkommensteuererklärung zu deklarieren gehabt hätte.

Das Finanzamt war dagegen der Ansicht, die Tätigkeit sei als Gewerbetrieb zu qualifizieren. Der Wert des unter Nießbrauchsvorbehalt übertragenen Grundstücks stelle für die vereinbarte und geleistete Zeit der Versorgung von 6,5 Jahren laufende Einnahmen aus Gewerbebetrieb dar.

FG Niedersachen nimmt Gewerbebetrieb an

Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse, so das Urteil, sei man der Überzeugung, dass bei der Tätigkeit von Frau X diejenigen Merkmale überwiegen, die für eine selbständig gewerbliche Tätigkeit sprechen. Daraufhin nahmen sich die Richter die einzelnen Argumente von Frau X vor stellten folgendes klar:

  • Im Rahmen der Gesamtwürdigung kommt dem von Frau X geschuldeten Arbeitserfolg sowie dem übernommenen Unternehmerrisiko besondere Bedeutung zu.
  • Für die Selbständigkeit spricht zudem, dass sie nach Aktenlage keinen vertraglich gesicherten Anspruch auf Zahlungen im Krankheits- und Urlaubsfall besaß.
  • Eine persönliche Abhängigkeit vom Nachbarn erkannt das Gericht bei Frau X nicht – diese wäre ein Hinweis auf eine nichtselbstständige Tätigkeit gewesen.
  • Frau X wendete ein, sie sei an die Weisungen des Nachbarn gebunden gewesen. Der notarielle Vertrag enthält jedoch keine Bestimmungen darüber, wann und wo welche der vereinbarten Tätigkeiten zu verrichten waren. Dass sich diese Tätigkeiten in erster Linie nach dem aktuellen Bedarf des Nachbarn richteten, führt zu keiner inhaltlichen Weisungsgebundenheit, sondern liegt bei einem Versorgungs- und Pflegeverhältnis in der Natur der Sache. Auch das Argument, sie habe bis auf Mittwoch, Samstag und Sonntag jeden Tag die Woche in der Zeit von 8.30 Uhr bis 11.30 Uhr die Versorgung und Pflege ausgeführt, führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung.
  • Die Tätigkeit erfolgte auch mit Gewinnerzielungsabsicht und unter Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Die Absicht der Frau X, Gewinn zu erzielen, folgt dabei schon aus der Tatsache, dass mit dem notariellen Vertrag die Versorgungsleistungen durch die Übertragung des Grundstücks vergütet wurden und Frau X nicht nur ihre mit der Tätigkeit verbundenen Unkosten ersetzt erhalten sollte. Da im Vertrag zudem ausdrücklich vereinbart war, dass Frau X den Nachbarn bei der Erledigung aller Angelegenheiten gegenüber Privatpersonen und Behörden zu unterstützen hatte, war die Tätigkeit auch für Dritte erkennbar. Hieran ändert ihre Aussage, sie sei für die Pflegeleistung nicht werbend am Markt aufgetreten, nichts.

Alles in allem gilt also: Wer einen Nicht-Verwandten pflegt und dafür einen Gegenleistung erhält, die die eigenen Unkosten weit übersteigt, wird gewerblich tätig und muss Steuern zahlen! (FG Niedersachsen, Urteil vom 17.02.2011, Az. 10 K 258/10)

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