Kosten für hochwertiges Hörgerät trägt häufig die Rentenversicherung
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Die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung für Hörgeräte sind in den letzten Jahren deutlich aufgebessert worden. Für Anforderungen in beruflichen Stresssituationen mit häufig wechselnden Geräuschkulissen reichen diese Hörgeräte aber nicht aus. Ein Urteil des Hessischen Landessozialgerichts zeigt, welche Ansprüche dann bestehen können (L 1 KR 229/17).
Mitunter sind für bestimmte Sozialleistungen unterschiedliche Träger zuständig. Das kann auch bei Hörgeräten der Fall sein. Wenn es um den Ausgleich von Schwerhörigkeit im Alltag geht, liegt der Ball im Feld der Krankenkasse. Wenn es aber darum geht, einen Behinderungsausgleich in anspruchsvollen beruflichen Situationen zu sichern, ist die gesetzliche Rentenversicherung der Ansprechpartner.
Die Logik dabei liegt darin, dass die Rentenversicherung ein Interesse daran hat, die volle Arbeitsfähigkeit von Versicherten möglichst lange zu erhalten. Genau um Letzteres ging es in einem Fall, über den das LSG Hessen zu entscheiden hatte. Geklagt hatte ein Projektleiter in einem Ingenieurbüro, der für Bauleitung und Bauüberwachung zuständig war.
Weil er schwerhörig war, hatte ihm die Deutsche Rentenversicherung bereits vor längerer Zeit die Kosten für ein Hörgerät erstattet. Als sich seine Hörfähigkeit weiter verschlechterte, beantragte er ein neues Gerät. Die Deutsche Rentenversicherung hielt sich nun nicht für zuständig und gab den Antrag an die Krankenkasse des Mannes weiter.
Diese nahm den Antrag an, war jedoch nur bereit, dem Ingenieur die Kosten für ein normales Hörgerät zu erstatten (Festbetrag: 1.614.– €). Der Ingenieur wies demgegenüber darauf hin, dass er beruflich ständig auf Baustellen zu tun habe. Dort herrschten nun einmal ständig wechselnde Geräuschkulissen. Bei normalen Hörgeräten müsse er die Anpassung an diese Kulissen manuell vornehmen.
Er sei jedoch darauf angewiesen, dass sich sein Hörgerät daran automatisch anpasse. Das leiste aber ein normales Hörgerät gerade nicht. Das für ihn passende Hörgerät, dessen Finanzierung er beantragte, kostete 4.300,– €. Das LSG Hessen gab dem Bauleiter nun recht.
Die Begründung des Gerichts im Originaltext: "Auf Baustellen gibt es die unterschiedlichsten Geräusche, die in verschiedener Lautstärke und von unterschiedlichen und auch schnell wechselnden Richtungen kommen. Die räumliche Position der Gesprächsteilnehmer zueinander ändert sich insbesondere bei Baubesprechungen auf Großbaustellen häufig. Insoweit war der Kläger Geräuschkulissen ausgesetzt, die mit einem Tischgespräch in einem Büroraum nicht zu vergleichen sind. Auch war es dem Kläger in den meisten Besprechungssituationen nicht möglich, zunächst seine Hörgeräte einzeln manuell einzustellen, um dem Gespräch mit der für seine berufliche Tätigkeit erforderlichen Exaktheit folgen und sich adäquat auf die jeweilige Geräuschkulisse einstellen zu können".
Diese Begründung dürfte zum Teil auch auf andere berufliche Situationen übertragbar sein. Vielfach dürfte es für hörbehinderte Arbeitnehmer daher möglich sein, auf Kosten der gesetzlichen Rentenversicherung ein höherwertiges Hörgerät zu erhalten. Das Besondere am vorliegenden Urteil ist, dass die Krankenkasse hier verpflichtet wurde, nach den für die Rentenversicherung geltenden gesetzlichen Regeln eine Erstattung zu leisten – also sozusagen nach einem fremden Gesetz zu entscheiden und zu leisten.
Das ist das Resultat einer Regelung in § 14 SGB IX, die verhindern soll, dass Antragsteller durch den Wirrwarr verschiedener möglicher Leistungsträger schlussendlich leer ausgehen. Danach können Anträge zunächst bei dem Träger gestellt werden, den man persönlich für zuständig hält. Der angegangene Träger kann dann zwar seine Zuständigkeit abstreiten. Dafür hat er jedoch nur zwei Wochen Zeit.
In dieser Zeit muss er – wenn er sich nicht für zuständig hält – feststellen, welcher Träger seiner Ansicht nach für die beantragte Leistung zuständig ist, und den Antrag unverzüglich an diese Stelle weiterleiten. Diese muss dann entscheiden. Im gerade entschiedenen Hörgeräte-Fall kann die zahlende Krankenkasse ggf. Erstattungsansprüche gegen die Rentenversicherung geltend machen.
Das braucht den Betroffenen allerdings nicht zu interessieren. Viele gute Hinweise enthält die Broschüre "Wegweiser Rehabilitationsträger" der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH). Diese bietet eine Übersicht über die Aufgaben, Leistungen und Zuständigkeiten der Reha-Träger.