Abschnitt S 2.1.1 DA-KG
Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (DA-KG)
Bundesrecht

Kapitel S – Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten → S 2 – Tatbestände des Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitenrechts

Titel: Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (DA-KG)
Normgeber: Bund
Amtliche Abkürzung: DA-KG
Gliederungs-Nr.: [keine Angabe]
Normtyp: Verwaltungsvorschrift

Abschnitt S 2.1.1 DA-KG – Steuerhinterziehung und Begünstigung

(1) Bei dem Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO handelt es sich um ein Erfolgsdelikt, das voraussetzt, dass der Täter im Zusammenhang mit der Festsetzung von Kindergeld nach Maßgabe der §§ 62 bis 78 EStG vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben macht und dadurch nicht gerechtfertigte Steuervorteile (Kindergeld als Steuervergütung) erlangt.

(2) 1Bei dem Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO handelt es sich um ein Unterlassungsdelikt, bei dem die vorsätzliche Verletzung der Handlungspflicht nach § 68 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 EStG (unterlassene Mitteilung von Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind) zur Folge hat, dass die Kindergeldfestsetzung unrechtmäßig bestehen bleibt. 2Wenn sich herausstellt, dass bei Änderung des Sachverhaltes die Mitteilungspflicht verletzt wurde, sich aber die Anspruchsgrundlage für die Kindergeldfestsetzung nicht ändert, ist der objektive Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht erfüllt.

Beispiel

Stellt sich heraus, dass ein Kind, das seine Lehre abgebrochen hat, ohne dass dies der Familienkasse mitgeteilt wurde, unmittelbar anschließend ein Studium aufgenommen hat, so liegt keine Steuerhinterziehung vor.

3Unter den Voraussetzungen des § 68 Abs. 1 Satz 2 EStG kann auch ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, eine Steuerhinterziehung begehen. 4Zur Abgabe von Strafverfahren gegen Heranwachsende (§ 1 Abs. 2 JGG) vgl. Nr. 154 AStBV (St) 2020. 5Darüber hinaus ist die Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 AO zu beachten. 6Zur Abgrenzung eines bloßen Fehlers zu einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit wird auf den AEAO zu § 153, Nr. 2.5 verwiesen.

(3) 1Eine Steuerverkürzung liegt nach § 370 Abs. 4 Satz 3 AO auch dann vor, wenn die Steuer aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können (Kompensationsverbot). 2Ob und in welchem Umfang ein Nachteil entstanden ist, ergibt sich aus dem Vergleich zwischen dem Kindergeld, das aufgrund der unwahren Angaben festgesetzt wurde, und dem Kindergeld, das festzusetzen gewesen wäre, wenn anstelle der unrichtigen die der Wahrheit entsprechenden Tatsachen zugrunde gelegt worden wären.

Beispiel

Hat ein Kindergeldberechtigter für ein Kind, für das ihm Kindergeld zustünde, keinen Antrag gestellt, so kann er nicht geltend machen, dass das für ein anderes Kind zu Unrecht gezahlte Kindergeld hierdurch ausgeglichen werde.

(4) 1Nach § 369 Abs. 1 Nr. 4 AO begeht eine eigene Steuerstraftat, wer eine Person begünstigt, die eine Steuerstraftat begangen hat, also wer ihr in der Absicht Hilfe leistet, ihr die Vorteile der Tat zu sichern (vgl. § 257 Abs. 1 StGB). 2Von der Beihilfe (vgl. S 2.1.2.2 Abs. 2) zur Steuerhinterziehung (§§ 370 AO, 27 StGB) unterscheidet sich die Begünstigung darin, dass die Hilfe erst nach der Tat geleistet wird in der Absicht, dem anderen die Vorteile der Tat zu sichern. 3Von der Begünstigung sind die Strafvereitelung (§ 258 StGB) bzw. Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB) abzugrenzen. 4Dabei wird die Strafverfolgung oder Strafvollstreckung vereitelt.

Beispiel 1

Ein Dritter stellt eine Bescheinigung für ein Ausbildungsverhältnis aus, obwohl dieses nicht vorliegt, um den Berechtigten in die Lage zu versetzen, Kindergeld zu erhalten. Der Berechtigte legt diese Bescheinigung bei der Antragstellung der Familienkasse vor. Daraufhin setzt die Familienkasse das Kindergeld fest und zahlt es aus.

Der Dritte hat sich der Beihilfe zur Steuerhinterziehung nach §§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, 27 StGB strafbar gemacht.

Beispiel 2

Die Familienkasse hat für das in Ausbildung befindliche Kind Kindergeld festgesetzt und ausgezahlt. Die Ausbildung wurde vorzeitig beendet und andere anspruchsbegründende Voraussetzungen lagen nicht vor. Dies teilte der Berechtigte nicht mit, sodass Kindergeld weitergezahlt wurde. Im Rahmen der abschließenden Prüfung wurde der Familienkasse eine Bescheinigung vorgelegt, in der von einem Dritten ein Ausbildungsverhältnis des Kindes bestätigt wurde, das tatsächlich nicht bestanden hat.

Der Dritte hat sich der Begünstigung nach §§ 369 Abs. 1 Nr. 4 AO, 257 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

Beispiel 3

Der Sachbearbeiter der Familienkasse erkennt die Strafbarkeit des Handelns des Berechtigten, unternimmt jedoch bewusst nichts, um die Strafverfolgung zu verhindern.

Der Sachbearbeiter hat sich der Strafvereitelung im Amt durch Unterlassen nach §§ 258a, 13 StGB strafbar gemacht.