Abschnitt A 23.1 DA-KG
Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (DA-KG)
Bundesrecht

II. – Kinder → A 23 – Wohnsitz bzw. gewöhnlicher Aufenthalt der Kinder

Titel: Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (DA-KG)
Normgeber: Bund
Amtliche Abkürzung: DA-KG
Gliederungs-Nr.: [keine Angabe]
Normtyp: Verwaltungsvorschrift

Abschnitt A 23.1 DA-KG – Territoriale Voraussetzungen

(1) 1Für den Kindergeldanspruch sind nach § 63 Abs. 1 Satz 6 EStG grundsätzlich nur Kinder zu berücksichtigen, die einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland oder in einem anderen EU- bzw. EWR-Staat oder in der Schweiz haben. 2Zum Wohnsitz des Berechtigten siehe A 2.1, zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes siehe AEAO zu § 9.

(2) 1Ob ein Kind einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, hängt von den Gesamtumständen des Einzelfalls ab; zum Begriff des Wohnsitzes siehe A 2.1 sowie AEAO zu § 8. 2Ein minderjähriges Kind, das sich zusammen mit seinen Eltern im Ausland aufhält und bereits vor deren Ausreise mit seinen Eltern einen Wohnsitz im Inland hatte, behält diesen grundsätzlich bei, wenn auch die Eltern ihren Wohnsitz im Inland beibehalten (vgl. A 2.1.1 Abs. 4). 3Wird ein Kind im Ausland geboren, begründet es ausnahmsweise einen Wohnsitz im Inland bzw. teilt den inländischen (Familien-)Wohnsitz bereits ab seiner Geburt, sofern sich die Mutter nur kurzfristig, lediglich vorübergehend zum Zeitpunkt der Geburt bzw. zur Entbindung im Ausland aufgehalten hat und das Kind alsbald bzw. innerhalb angemessener Zeit (z. B. zum Ende der Mutterschutzfrist) nach Deutschland gebracht wird. 4Kann das Kind den Wohnsitz der Eltern im Inland indes aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht nur kurzfristig nicht aufsuchen, kann es dort (zunächst) auch keinen eigenen Wohnsitz begründen. 5Wird ein minderjähriges Kind ausländischer Staatsangehörigkeit durch Deutsche mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland wirksam als Kind angenommen, hat es ab dem Zeitpunkt der Annahme seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, wenn es innerhalb angemessener Zeit ins Inland gebracht wird. 6Nehmen im Inland lebende deutsche Eltern ein Kind ausländischer Staatsangehörigkeit zunächst mit dem Ziel der Annahme in Pflege (§ 1744 BGB), kann spätestens ab diesem Zeitpunkt von einem Wohnsitz bzw. dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes im Inland ausgegangen werden. 7Ein im Ausland lebender Angehöriger kann im Inland grundsätzlich keinen Wohnsitz begründen, ohne sich hier aufgehalten zu haben.

(3) 1Hält sich das Kind im Ausland auf, reicht es für die Annahme eines (inländischen) Wohnsitzes nicht aus, wenn die elterliche Wohnung dem Kind weiterhin zur Verfügung steht. 2Es muss eine Beziehung zur elterlichen Wohnung vorhanden sein, die über die allein durch das Familienverhältnis begründete Beziehung hinausgeht und erkennen lässt, dass das Kind die elterliche Wohnung nach wie vor auch als seine eigene betrachtet (BFH vom 17.3.1961, VI 185/60 U, BStBl III S. 298) und sie innehat, um sie als solche zu nutzen (BFH vom 25.9.2014, III R 10/14, BStBl 2015 II S. 655). 3Anderenfalls behält das Kind seinen inländischen Wohnsitz bei den Eltern nicht bei, sondern gibt ihn zunächst auf und begründet ihn bei einer späteren Rückkehr wieder neu.

(4) 1Die Beurteilung, ob ein Inlandswohnsitz beibehalten wird, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. 2So sind neben der Dauer des Auslandsaufenthaltes insbesondere das Alter des Kindes, die Unterbringung im Ausland und im Elternhaus, der Zweck des Auslandsaufenthalts, die Häufigkeit und die Dauer der Aufenthalte bei den Eltern sowie die persönlichen Beziehungen des Kindes am Wohnort der Eltern und im Ausland ausschlaggebend. 3Die Feststellung einer Rückkehrabsicht sagt grundsätzlich nichts darüber aus, ob der inländische Wohnsitz während des vorübergehenden Auslandaufenthaltes beibehalten oder aber aufgegeben und nach der Rückkehr neu begründet wird (BFH vom 23.11.2000, VI R 165/99 und VI R 107/99, BStBl 2001 II S. 279 und 294).

(5) 1Kein ausschlaggebendes Kriterium ist regelmäßig die Herkunft der Eltern oder die des Kindes. 2Aus den familiären und kulturellen Umständen am Aufenthaltsort können sich jedoch Hinweise für das Entstehen neuer Beziehungen und die Lockerung der bisher bestehenden Bindungen ergeben, z. B. bei einem mehrjährigen Schulbesuch im Ausland, für den das Kind vor Ort bei Verwandten untergebracht ist (BFH vom 23.11.2000, VI R 165/99 und VI R 107/99, BStBl 2001 II S. 279 und 294; BFH vom 23.6.2015, III R 38/14, BStBl 2016 II S. 102).

(6) Der Inlandswohnsitz wird nur dann beibehalten, wenn das Kind entweder seinen Lebensmittelpunkt weiterhin am bisherigen Wohnort hat (keine Wohnsitzbegründung am Ort des Auslandsaufenthalts) oder es zwar keinen einheitlichen Lebensmittelpunkt mehr hat, aber nunmehr über zwei Schwerpunkte der Lebensverhältnisse (zwei Wohnsitze) verfügt, von denen einer am bisherigen Wohnort liegt (BFH vom 23.11.2000, VI R 107/99, BStBl 2001 II S. 294).

(7) 1Bei Kindern, die sich von vornherein in einem begrenzten Zeitraum von bis zu einem Jahr im Ausland aufhalten, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der inländische Wohnsitz beibehalten wird, sodass Inlandsaufenthalte für die Beibehaltung des Wohnsitzes nicht erforderlich sind. 2Wird die Absicht zur Rückkehr innerhalb eines Jahres aufgegeben, so kann in diesem Moment eine Aufgabe des Wohnsitzes erfolgen (BFH vom 25.9.2014, III R 10/14, BStBl 2015 II S. 655). 3Kinder, die sich länger als ein Jahr ins Ausland begeben, behalten ihren Wohnsitz in der inländischen elterlichen Wohnung nur bei, wenn sie diese in ausbildungsfreien Zeiten zumindest überwiegend nutzen. 4Eine Aufenthaltsdauer von jährlich fünf Monaten in der Wohnung der Eltern genügt jedenfalls, um einen inländischen Wohnsitz beizubehalten, sie ist aber dafür nicht stets erforderlich (BFH vom 28.4.2010, III R 52/09, BStBl II S. 1013). 5Durch die Eltern-Kind-Beziehung begründete Besuche - d. h. kurzzeitige Besuche und sonstige Aufenthalte zu Urlaubs- oder familiären Zwecken, die keinem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen und daher nicht "zwischenzeitliches Wohnen" in der elterlichen Wohnung bedeuten - reichen nicht aus, um den inländischen Wohnsitz des Kindes beizubehalten oder einen solchen zu begründen. 6Keinen Wohncharakter haben nach der Lebenserfahrung kurzzeitige Aufenthalte von zwei bis drei Wochen im Jahr (BFH vom 25.9.2014, III R 10/14, BStBl 2015 II S. 655). 7Die Dauer der Inlandsaufenthalte vor dem Beginn oder nach dem Ende der Schul-, Hochschul- oder Berufsausbildung bleibt außer Betracht. 8Fehlende finanzielle Mittel für Heimreisen des Kindes können die fehlenden Inlandsaufenthalte in den ausbildungsfreien Zeiten nicht kompensieren (BFH vom 25.9.2014, III R 10/14, BStBl 2015 II S. 655). 9Hält sich ein Kind nicht nur vorübergehend zum Schulbesuch im Ausland auf, führen besuchsweise Aufenthalte in der elterlichen Wohnung auch dann nicht zur Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes, wenn die Rückkehr des Kindes nach Deutschland nach Erreichen des Schulabschlusses beabsichtigt ist (BFH vom 23.11.2000, VI R 165/99, BStBl 2001 II S. 279).

(8) 1Ein Kind, das gegen den Willen der Eltern bzw. des sorgeberechtigten Elternteils im Ausland festgehalten wird, gibt seinen bisherigen Wohnsitz im Inland auf, wenn die Umstände darauf schließen lassen, das Kind werde nicht in die elterliche Wohnung zurückkehren. 2Bei konkreten Bemühungen um die Rückkehr des Kindes kann zumindest für eine Übergangszeit von sechs Monaten nach Beginn des zwangsweisen Festhaltens von der Rückkehr des Kindes ausgegangen werden.

(9) 1Kinder von Ausländern und Staatenlosen können einen inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unabhängig von den ausländerrechtlichen Voraussetzungen begründen. 2Eine Berücksichtigung ist dann vom Monat der Einreise oder der Geburt an möglich.