Wucherkredit: Wenn Banken zu hohe Zinsen verlangen
Die Zinsen für Ratenkredite sind so hoch wie seit 14 Jahren nicht mehr.

Wucherkredit: Wenn Banken zu hohe Zinsen verlangen

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Dürfen Banken beliebig hohe Zinsen für Ratenkredite verlangen? Nein, dürfen sie nicht: Liegt der verlangte Zins um mindestens 100 % über dem marktüblichen Effektivzins, ist der Vertrag als wucherähnliches Geschäft nichtig. Dies hat das Landgericht Erfurt entschieden.

Der Fall ist ein Musterbeispiel für überteuerte Konsumentenkredite, wie sie nach Angaben der Verbraucherzentralen immer wieder angeboten werden: Die Kreditsumme belief sich auf netto 10.548 Euro. Der effektive Jahreszins betrug 18,40 %. Einschließlich Zinsen und Kosten summierte sich der Gesamtkredit auf rund 19.340 Euro, zurückzuzahlen mit 60 Monatsraten je 322 Euro (gerundet). Mit dem Kredit verbunden war die Zahlung einer hohen Restschuldversicherung in Höhe von 2.852 Euro. Der Kreditnehmer, ein Arbeiter, bezog jedoch nur einen Nettolohn von monatlich 2.000 Euro, davon gingen allein 700 Euro im Monat für die Miete ab.

Zustande kam der Kreditvertrag online über einen Internet-Marktplatz, auf dem Kreditsuchende ihren Kreditgesuch eingeben können und Privatanleger entsprechende Kredite finanzieren können. Abgeschlossen wurde der Kreditvertrag dann aber über eine Bank. Nachdem der Kreditnehmer mit der Zahlung in Rückstand geriet, versuchte die Bank die Rückzahlung der noch offenen Kreditforderung in Höhe von 11.548 Euro per Gericht durchzusetzen. Das Landgericht wies jedoch die Klage wegen sittenwidriger Überhöhung des vereinbarten Zinses ab. Der Arbeiter muss das Geld nicht zurückzahlen (Urteil vom 15.5.2023, Az. 9 O 101/23).

Bei ihrer Entscheidung stützten sich die Richter auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Demnach bestand bei dem vorliegenden Kredit zwischen den Leistungen des Darlehensgebers und den festgelegten Gegenleistungen des Darlehensnehmers ein auffälliges Missverhältnis. Der Kreditgeber habe die wirtschaftlich schwächere Lage des Darlehensnehmers und dessen Unterlegenheit bei der Festlegung der Kreditbedingungen bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt.

Dies zeige schon ein Vergleich zwischen den zu zahlenden Zinsen und den marktüblichen Zinsen. Diese hätten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags im November 2017 laut der Zinsstatistik der Europäischen Währungsunion (EWU) für Konsumentenkredite mit einer Laufzeit von bis zu fünf Jahren nur 4,31 % betragen.

Liegen die Zinsen des Vertrags aber relativ um mindestens 100 % oder absolut um zwölf Prozentpunkte über den marktüblichen Zinsen, bestehe nach der ständigen Rechtsprechung ein auffälliges Missverhältnis – und dies war bei einem effektiven Zinssatz von 18,40 % der Fall.

Eigenschutz des Kunden beachten

Weiter argumentierte das Erfurter Landgericht: Banken müssten bei der Prüfung der Kreditwürdigkeit auch den Eigenschutz des Kunden beachten, um – wie vom Gesetzgeber gewünscht – die Vergabe von Krediten an Personen mit unzureichendem finanziellem Leistungsvermögen möglichst auszuschließen. Dies sei aber nicht erfolgt.

Der Kreditnehmer habe zum Beispiel seine Kontoauszüge nur »optional« für die letzten 120 Tage zur Verfügung stellen sollen. Verzichte er darauf, erhalte er laut den Angaben auf dem Internet-Marktplatz lediglich nicht die »Vergünstigung« eines »niedrigeren Zinssatzes«, die bei Vorlage von Kontoauszügen möglich gewesen wäre, so die Richter. Die Bank als Klägerin habe sogar selbst eingeräumt, dass der Kunde vermutlich bei einer anderen Bank wegen seiner unzureichenden Bonität kein Darlehen bekommen hätte.

Die Zinsen für Ratenkredite sind inzwischen kräftig gestiegen und so hoch wie seit 14 Jahren nicht mehr. Der durchschnittliche Zinssatz für Ratenkredite mit einer Laufzeit von drei Jahren beträgt aktuell fast 9 %, fast drei Prozentpunkte mehr als noch vor zwölf Monaten.

Wir empfehlen aber generell, den Abschluss eines Ratenkredits möglichst zu vermeiden. Das sollten Sie nicht zuletzt auch Ihren Kindern oder Enkeln ans Herz legen, sofern mal wieder das Gespräch auf das Thema Geld kommt.

Unsere Ratschläge in Sachen Ratenkredite:

  • Wer größere Anschaffungen wie eine Waschmaschine, den neuen Fernseher oder gar eine Urlaubreise auf Pump finanziert, ist auf dem besten Weg in die Verschuldungsfalle. Lieber dafür Schritt für Schritt Geld zurücklegen, um die Ausgaben dann später aus dem Ersparten zu finanzieren.

  • Ratenkredite sind in der Regel deutlich teurer als Hypothekenkredite. Die Konsumentenkredite sollten daher allenfalls als vorübergehende Lösung infrage kommen, wenn Sie Ihr Dispolimit auf dem Girokonto ständig ausreizen und monate- oder gar jahrelang hohe Dispozinsen zahlen. Dann ist ein Ratenkredit zur Umschuldung in der Regel günstiger. Eine Umschuldung, um aus der Dispofalle herauszukommen, sollte jedoch stets mit dem Ziel und dem festen Willen verbunden sein, mittelfristig schuldenfrei zu werden, auch auf dem Girokonto.

  • Falls Sie einen Ratenkredit brauchen, sollten Sie unbedingt die Konditionen vergleichen. Je nach Größe und Laufzeit des Kredits kann der Unterschied zwischen teurer und günstiger Bank schnell mehrere Hundert Euro an Zinsen mehr oder weniger ausmachen.

  • Vermeiden Sie den Abschluss einer Restschuldversicherung, auch wenn vermeintliche »Berater« in der Bank, die in Wirklichkeit Verkäufer von Finanzprodukten sind, dazu drängen. Es gehört zum Geschäftsmodell von Kreditinstituten, die offensiv für Ratenkredite werben, diese mit Restschuldversicherungen zu verkaufen. Sicherheit bringt dies aber nur der Bank – und vor allem zusätzliche Provisionen.

(AI)

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