Abschnitt A 19.3 DA-KG
Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (DA-KG)
Bundesrecht

II. – Kinder → A 19 – Volljährige Kinder mit Behinderung

Titel: Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (DA-KG)
Normgeber: Bund
Amtliche Abkürzung: DA-KG
Gliederungs-Nr.: [keine Angabe]
Normtyp: Verwaltungsvorschrift

Abschnitt A 19.3 DA-KG – Ursächlichkeit der Behinderung

(1) 1Die Behinderung muss ursächlich für die Unfähigkeit des Kindes sein, sich selbst zu unterhalten. 2Allein die Feststellung eines sehr hohen Grades der Behinderung rechtfertigt die Annahme der Ursächlichkeit jedoch nicht.

(2) 1Die Ursächlichkeit ist anzunehmen, wenn:

  • das Kind in einer Werkstatt für behinderte Menschen betreut wird,

  • das Kind vollstationär in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung untergebracht ist,

  • Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII bezogen werden,

  • der Grad der Behinderung 50 oder mehr beträgt (vgl. A 19.2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und das Kind für einen Beruf ausgebildet wird,

  • im Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch das Merkmal "H" (hilflos) eingetragen oder im Feststellungsbescheid festgestellt ist, dass die Voraussetzungen für das Merkmal "H" (hilflos) vorliegen, oder

  • eine volle Erwerbsminderungsrente gegenüber dem Kind bewilligt ist oder eine dauerhafte volle Erwerbsminderung nach § 45 SGB XII festgestellt ist.

2Dem Merkzeichen "H" steht die Einstufung in die Pflegegrade 4 oder 5 (bis 31.12.2016: in Pflegestufe III) nach dem SGB XI oder diesem entsprechenden Bestimmungen gleich. 3Die Einstufung als schwerstpflegebedürftig ist durch Vorlage des entsprechenden Bescheides nachzuweisen.

(3) 1Liegt kein Fall des Absatzes 2 vor, ist zur Feststellung der Ursächlichkeit entweder

  1. 1.

    durch die Familienkassen eine Stellungnahme der Reha/SB-Stelle der Agentur für Arbeit (ggf. unter Beteiligung des Ärztlichen Dienstes bzw. des Berufspsychologischen Services der Bundesagentur für Arbeit) einzuholen (siehe Abs. 4) oder

  2. 2.

    durch den Berechtigten eine Bescheinigung des behandelnden Arztes beizubringen (siehe Abs. 5).

2Eine Feststellung nach Nr. 1 schließt eine Feststellung nach Nr. 2 aus. 3Zur Überprüfung der Festsetzung vgl. A 19.1 Abs. 7 und 8.

(4) 1Über die Beteiligung der Reha/SB-Stelle der Agentur für Arbeit ist zu ermitteln,

  • ob die Voraussetzungen für eine Mehrfachanrechnung gem. § 159 Abs. 1 SGB IX erfüllt sind oder

  • ob das Kind nach Art und Umfang seiner Behinderung in der Lage ist, eine arbeitslosenversicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes auszuüben.

2Liegen die Voraussetzungen für eine Mehrfachanrechnung vor, kann unterstellt werden, dass die Ursächlichkeit der Behinderung gegeben ist, auch wenn es eine Erwerbstätigkeit von mehr als 15 Stunden wöchentlich ausüben könnte. 3Ist das Kind nicht in der Lage, eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes auszuüben, kann unterstellt werden, dass die Ursächlichkeit der Behinderung gegeben ist. 4Für die Anfrage steht der Vordruck "Anfrage an die Reha/SB-Stelle für ein Kind mit Behinderung" zur Verfügung. 5Der Nachweis der Behinderung (vgl. A 19.2 Abs. 1) und ggf. vorhandene ärztliche Bescheinigungen sind beizufügen. 6Ist der Reha/SB-Stelle der Agentur für Arbeit allein aufgrund der vorgelegten Unterlagen eine Stellungnahme nicht möglich, teilt sie dies der Familienkasse auf der Rückseite des Vordrucks "Anfrage an die Reha/SB-Stelle für ein Kind mit Behinderung" mit und verweist auf die Möglichkeit der Einschaltung des Ärztlichen Dienstes bzw. des Berufspsychologischen Services der Bundesagentur für Arbeit. 7In diesem Fall schlägt die Familienkasse dem Berechtigten unter Verwendung des Vordrucks "Anfrage an den Ärztlichen Dienst bzw. Berufspsychologischen Service der Bundesagentur für Arbeit für ein Kind mit Behinderung" vor, das Kind durch den Ärztlichen Dienst bzw. Berufspsychologischen Service der Bundesagentur für Arbeit begutachten zu lassen. 8Dabei ist er auf die Rechtsfolgen der Nichtfeststeilbarkeit der Anspruchsvoraussetzungen hinzuweisen. 9Sofern der Berechtigte innerhalb der gesetzten Frist nicht widerspricht, leitet die Familienkasse erneut eine Anfrage der Reha/SB-Stelle zu, die ihrerseits die Begutachtung durch den Ärztlichen Dienst und ggf. den Berufspsychologischen Service veranlasst. 10Das Gutachten ist an die Reha/SB-Stelle zu senden, damit diese die Anfrage der Familienkasse beantworten kann. 11Das Gutachten verbleibt bei der Reha/SB-Stelle. 12Erscheint das Kind ohne Angabe von Gründen nicht zur Begutachtung, gibt der Ärztliche Dienst/Berufspsychologische Service die Unterlagen an die Reha/SB-Stelle zurück, die ihrerseits die Familienkasse unterrichtet. 13Wird die Begutachtung verweigert, ist die Ursächlichkeit nicht festgestellt.

(5) 1Wird zur Feststellung der Ursächlichkeit eine Bescheinigung des behandelnden Arztes beigebracht, muss aus dieser hervorgehen, in welchem zeitlichen Umfang das Kind aufgrund seiner Behinderung in der Lage ist, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. 2Für die Bescheinigung des behandelnden Arztes steht der Vordruck "Ärztliche Bescheinigung zum möglichen Umfang der Erwerbstätigkeit" zur Verfügung. 3Abs. 4 Satz 3 gilt entsprechend.

(6) 1Die Behinderung muss nicht die einzige Ursache dafür sein, dass das Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. 2Eine Mitursächlichkeit ist ausreichend, wenn ihr nach den Gesamtumständen des Einzelfalls erhebliche Bedeutung zukommt (BFH vom 19.11.2008, III R 105/07, BStBl 2010 II S. 1057). 3Die Prüfung der Mitursächlichkeit kommt in den Fällen zum Tragen, in denen das Kind grundsätzlich in der Lage ist, eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben (d. h. eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung), die Behinderung der Vermittlung einer Arbeitsstelle jedoch entgegensteht. 4Eine allgemein ungünstige Situation auf dem Arbeitsmarkt oder andere Umstände (z. B. mangelnde Mitwirkung bei der Arbeitsvermittlung, Ablehnung von Stellenangeboten), die zur Arbeitslosigkeit des Kindes führen, begründen hingegen keine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG. 5Auch wenn das Kind erwerbstätig ist, kann die Behinderung mitursächlich sein. 6Ist das Kind trotz seiner Erwerbstätigkeit nicht in der Lage, seinen notwendigen Lebensbedarf zu bestreiten (vgl. A 19.4), ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Behinderung für die mangelnde Fähigkeit zum Selbstunterhalt mitursächlich ist (BFH vom 15.3.2012, III R 29/09, BStBl II S. 892).

(7) Die Ursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit des Kindes, sich selbst zu unterhalten, kann nicht angenommen werden, wenn es sich in Untersuchungs- oder Strafhaft befindet, auch dann nicht, wenn die Straftat durch die Behinderung gefördert wurde (BFH vom 30.4.2014, XI R 24/13, BStBl II S. 1014).