Abschnitt A 19.1 DA-KG
Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (DA-KG)
Bundesrecht

II. – Kinder → A 19 – Volljährige Kinder mit Behinderung

Titel: Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (DA-KG)
Normgeber: Bund
Amtliche Abkürzung: DA-KG
Gliederungs-Nr.: [keine Angabe]
Normtyp: Verwaltungsvorschrift

Abschnitt A 19.1 DA-KG – Allgemeines

(1) Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG ist ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, zu berücksichtigen, wenn

  • es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, und

  • die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.

(2) 1Eine Behinderung i. S. d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG liegt vor, wenn die in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX genannten Voraussetzungen erfüllt sind. 2Dies ist der Fall, wenn das Kind körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen hat, die es in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. 3Eine Beeinträchtigung nach Satz 2 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. 4Zu einer Behinderung können auch Suchtkrankheiten (z. B. Drogenabhängigkeit, Alkoholismus) führen (BFH vom 16.4.2002, VIII R 62/99, BStBl II S. 738). 5Nicht zu den Behinderungen zählen Krankheiten, deren Verlauf sich auf eine im Voraus abschätzbare Dauer beschränkt, insbesondere akute Erkrankungen.

(3) 1Das Kind muss nach den Gesamtumständen des Einzelfalles wegen der Behinderung außerstande sein, sich selbst zu unterhalten. 2Dem Kind muss es objektiv unmöglich sein, seinen gesamten notwendigen Lebensbedarf durch eigene Mittel zu decken. 3Ist das Kind trotz seiner Behinderung in der Lage, z. B. aufgrund hohen verfügbaren Einkommens, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, besteht kein Anspruch auf Kindergeld (vgl. A 19.4).

(4) 1Die Behinderung selbst muss zwar vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten sein, nicht jedoch die Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten. 2Die Altersgrenze des 25. Lebensjahres gilt auch, wenn das Kind früher gesetzlichen GWD oder ZD leistete (BFH vom 2.6.2005, III R 86/03, BStBl II S. 756). 3Diese Altersgrenze ist nach der Übergangsregelung des § 52 Abs. 32 Satz 1 EStG erstmals für Kinder anzuwenden, die im Kalenderjahr 2007 wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten. 4Für Kinder, die wegen einer vor dem 1.1.2007 in der Zeit ab der Vollendung des 25. Lebensjahres und vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetretenen Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, ist weiterhin die bis zum 31.12.2006 geltende Altersgrenze des vollendeten 27. Lebensjahres anzuwenden.

(5) Für die Prüfung, ob die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG vorliegen, stehen die folgenden Vordrucke zur Verfügung:

  • "Anfrage an die Reha/SB-Stelle für ein Kind mit Behinderung",

  • "Anfrage an den Ärztlichen Dienst bzw. Berufspsychologischen Service der Bundesagentur für Arbeit für ein Kind mit Behinderung",

  • "Berechnungsbogen zur Überprüfung der Selbstunterhaltsfähigkeit eines volljährigen Kindes mit Behinderung",

  • "Bearbeitungsbogen für das volljährige Kind mit Behinderung",

  • "Erklärung zu den Verhältnissen eines volljährigen Kindes mit Behinderung",

  • "Erklärung zum verfügbaren Nettoeinkommen eines volljährigen Kindes mit Behinderung",

  • "Erklärung zum verfügbaren Nettoeinkommen des/der Ehepartners/Ehepartnerin bzw. des/der eingetragenen Lebenspartners/Lebenspartnerin eines volljährigen Kindes mit Behinderung",

  • "Berechnungsbogen zur Prüfung des Unterhaltsanspruches gegenüber dem/der Ehepartner/Ehepartnerin bzw. dem/der eingetragenen Lebenspartner/Lebenspartnerin bei verheirateten Kindern mit Behinderung",

  • "Ärztliche Bescheinigung über das Vorliegen einer Behinderung",

  • "Ärztliche Bescheinigung über unbedingt erforderliche Betreuungsleistungen",

  • "Ärztliche Bescheinigung zum möglichen Umfang der Erwerbstätigkeit",

  • "Ärztliche Bescheinigung über die Notwendigkeit der ständigen Begleitung".

(6) 1Wird für ein Kind mit Behinderung Kindergeld beantragt, ist zunächst zu prüfen, ob eine Berücksichtigung als Kind, das für einen Beruf ausgebildet wird (vgl. A 15.4), oder wegen fehlenden Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatzes möglich ist. 2Wenn nach diesen Tatbeständen eine Berücksichtigung nicht in Betracht kommt, sind Nachweise zur Behinderung (vgl. A 19.2), zur Ursächlichkeit (vgl. A 19.3) und zum verfügbaren Nettoeinkommen (vgl. A 19.4 bis A 19.6) anzufordern. 3Das gilt auch, wenn das Kind mit Behinderung zwar die territorialen Voraussetzungen erfüllt (vgl. A 23), seinen Wohnsitz jedoch nicht im Inland hat.

(7) 1Grundätzlich ist das Vorliegen sämtlicher Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG jährlich zu prüfen. 2Wird ein Kind mit Behinderung vorrangig nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder 2 EStG berücksichtigt, gelten die Prüfintervalle für den jeweiligen Anspruchstatbestand. 3Die Prüfungen sind so rechtzeitig durchzuführen, dass bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen (vgl. Abs. 2) eine lückenlose Kindergeldzahlung gewährleistet ist.

(8) 1Bei Vorliegen eines Grades der Behinderung von 50 oder mehr oder bei einer auf Dauer angelegten voll- oder teilstationären Unterbringung in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung sind die Anspruchsvoraussetzungen im Abstand von fünf Jahren zu prüfen. 2Dies gilt auch für Kinder mit einer Einstufung in den Pflegegrad 4 oder 5 (bis 31.12.2016: in die Pflegestufe III) nach dem SGB XI oder diesem entsprechenden Bestimmungen. 3Abweichend von O 2.10 Abs. 2 Satz 3 hat die Prüfung vorerst nur für das zuletzt abgelaufene Jahr zu erfolgen. 4Stellt sich dabei heraus, dass der Berechtigte seine Mitwirkungspflichten verletzt hat, sind auch die zurückliegenden Zeiträume zu prüfen. 5Teilt der Berechtigte innerhalb des Zeitraumes nach Satz 1 Änderungen in den Verhältnissen mit, hat die Familienkasse Auswirkungen auf die rechtliche Würdigung des Sachverhaltes zeitnah zu prüfen. 6Abweichend von Satz 1 ist in folgenden Fällen jährlich zu prüfen:

  • wenn der notwendige Lebensbedarf des Kindes die kindeseigenen Mittel um nicht mehr als 1 000 Euro übersteigt,

  • wenn die Feststellung der Ursächlichkeit der Behinderung nach A 19.3 Abs. 3 bis 6 erfolgt ist.