Kindergeld muss zurückzahlen, wer Mitwirkungspflichten verletzt
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Familien, die Hartz-IV-Leistungen beziehen, müssen zu viel angerechnetes Kindergeld zurückzahlen, obwohl sie es nie erhalten haben.
Eltern, die auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind, bekommen zwar – soweit die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind – Kindergeld, doch sie haben nichts davon. Hier gilt das Prinzip: linke Tasche rein – rechte Tasche raus. Jeder Euro Kindergeld, den die Betroffenen erhalten, mindert ihren Anspruch auf ALG II. Ein Euro mehr Kindergeld bedeutet einen Euro weniger ALG II. So weit, so klar.
Nun sind die Regeln beim Kindergeld alles andere als einfach und Bezieher von ALG II haben zudem wenig Grund, sich intensiv mit der Leistung zu befassen, weil sie – siehe oben – gar nichts von dieser Geldleistung haben.
Zwei Fälle: So kann es – wie in zwei Fällen, mit denen sich der Bundesfinanzhof nun befasste – durchaus zu Überzahlungen kommen. In solchen Fällen fordert die Familienkasse das zu viel gezahlte Kindergeld zurück.
Auf diese Rückforderung kann jedoch aus Billigkeitsgründen verzichtet werden. In den beiden Verfahren, mit denen sich der Bundesfinanzhof zu befassen hatte, war zu entscheiden, wann solche Billigkeitsgründe vorliegen.
Zwei Urteile: Die obersten Finanzrichter befanden anders als die Vorinstanz: Allein die Anrechnung des Kindergelds auf die Sozialleistungen rechtfertigt keinen Erlass der Rückforderung aus Billigkeitsgründen.
In einem der Fälle hatte eine ALG-II-beziehende Familie der Familienkasse immerhin mitgeteilt, dass ihr bereits volljähriger Sohn die Gesellenprüfung absolviert hatte. Das mag man noch nicht als Abmeldung aus dem Kindergeldbezug ansehen, aber eine solche Mitteilung könnte die Familienkasse immerhin dazu bewegen, eine Nachfrage beim Kindergeldbezieher zu starten. Eine solche Nachfrage unterblieb – und das Kindergeld wurde zunächst weitergezahlt, doch später zurückgefordert.
Im anderen Fall wurde ein Sohn im Gefängnis inhaftiert und konnte deshalb seine Ausbildung, an die der Kindergeldanspruch gekoppelt war, nicht fortsetzen. Die Mutter war in diesem Fall davon ausgegangen, dass das Jobcenter, dem diese Information vorlag, diese an die Familienkasse weiterleitet.
Der BFH befand: Zwar seien Sozialleistungsträger untereinander zur engen Zusammenarbeit verpflichtet, eine Familienkasse sei aber kein Sozialleistungsträger. Daher bestehe keine Unterrichtungspflicht des Jobcenters.
Vielmehr hätten die Kindergeldbezieher ihre Mitwirkungspflichten verletzt. In solchen Fällen sei die Rückforderung des überzahlten Kindergeldes gerechtfertigt.
Dass das Jobcenter das Kindergeld als Einkommen von den Hartz-IV-Leistungen abgezogen hatte, sei kein Grund, aus Billigkeit auf die Rückforderung des Kindergelds zu verzichten (Az. III R 19/17 und III R 48/17).
Das heißt konkret: Die beiden Familien mussten das Kindergeld zurückzahlen, obwohl sie es nie bekommen hatten.
(MS)