Rentner mit Erwerbsminderung müssen nicht in Teilzeit arbeiten
Wenn der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen ist, kann es auch für begrenzt Erwerbsfähige die volle Rente wegen Erwerbsminderung (EM) geben. Das Landessozialgericht Hessen stärkte in einer Entscheidung vom 23.8.2019 die Rechtsansprüche der betroffenen gesundheitlich eingeschränkten Arbeitnehmer. Diese haben danach keine Mitwirkungspflichten derart, dass sie von sich aus bei ihrem Arbeitgeber Rechtsansprüche auf eine Stelle mit kürzerer Arbeitszeit, die ihrer Restarbeitsfähigkeit entspricht, geltend machen müssen (Az. L 5 R 226/18).

Rentner mit Erwerbsminderung müssen nicht in Teilzeit arbeiten

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Wenn der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen ist, kann es auch für begrenzt Erwerbsfähige die volle Rente wegen Erwerbsminderung (EM) geben. Das Landessozialgericht Hessen stärkte in einer Entscheidung vom 23.8.2019 die Rechtsansprüche der betroffenen gesundheitlich eingeschränkten Arbeitnehmer. Diese haben danach keine Mitwirkungspflichten derart, dass sie von sich aus bei ihrem Arbeitgeber Rechtsansprüche auf eine Stelle mit kürzerer Arbeitszeit, die ihrer Restarbeitsfähigkeit entspricht, geltend machen müssen (Az. L 5 R 226/18).

Die volle Erwerbsminderungsrente gibt es eigentlich erst, wenn ein Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen nicht einmal drei Stunden pro Tag erwerbstätig sein kann. Doch häufig kommt die volle Rente auch für Versicherte infrage, die noch in der Lage sind, täglich zwischen drei und unter sechs Stunden zu arbeiten. Dies gilt dann, wenn der Teilzeitarbeitsmarkt für die Betroffenen verschlossen ist. Vielfach geht es hierbei um Arbeitnehmer, die bereits seit längerer Zeit arbeitsunfähig sind, deren Arbeitsverhältnis jedoch noch besteht. Sie haben Anspruch auf die sogenannte Arbeitsmarktrente, die es seit einem Urteil des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 1976 gibt. Diese Variante der Erwerbsminderungsrente hat eine erhebliche Bedeutung. Etwa jeder siebte Neuzugang in eine Erwerbsminderungsrente bekommt sie.

Der Arbeitsmarkt gilt als verschlossen – so fasst das LSG Hessen die jahrzehntelange Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zusammen –, "wenn weder der Rentenversicherungsträger noch die Agentur für Arbeit dem Versicherten innerhalb eines Jahres nach Rentenantragstellung einen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten" könne. In der Praxis sähen die Rentenversicherungsträger – so das Gericht – allerdings bislang wegen der geringen Vermittlungschancen grundsätzlich von einer Prüfung im Einzelfall ab.

Im Fall, über den vor dem LSG Hessen verhandelt wurde, ging es um einen langfristig arbeitsunfähigen Bauzeichner, dessen Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst ruhte. Die Rentenversicherung hatte verlangt, dass der Versicherte im Rahmen seiner sozialrechtlichen Mitwirkungspflichten gegenüber seinem Arbeitgeber eine Reduzierung der Arbeitszeit beantragt. Hierbei wären grundsätzlich gesetzliche und tarifvertragliche Ansprüche auf Teilzeitbeschäftigung in Betracht gekommen. Einen entsprechenden (formalen) Antrag hatte der Betroffene nicht gestellt. Wäre dieser vom Arbeitgeber abgelehnt worden, so hätte er seine Ansprüche u.U. durch eine Klage vor dem Arbeitsgericht weiterverfolgen können.

Weil er seine Rechte gegenüber dem Arbeitgeber nicht wahrgenommen habe, bewilligte ihm die Rentenversicherung (RV) nur eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (was der halben Rente wegen voller Erwerbsminderung entspricht).

Dies sah das Hessische LSG anders. Die Rentenversicherung könne sich nicht auf die arbeitnehmerrechtlichen Ansprüche des Betroffenen berufen. Dies ergebe sich daraus, dass der Versicherte weder eine gesetzliche noch eine ungeschriebene Mitwirkungspflicht habe, diese Ansprüche gegenüber seinem Arbeitgeber geltend zu machen. Von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten des Klägers sei daher nicht auszugehen.

Wichtig: Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Rentenversicherung hat Revision beim BSG eingelegt, die dort unter dem Az. B 5 R 16/19 R geführt wird.

In vergleichbaren Situationen sind arbeitsunfähige Arbeitnehmer mit noch bestehendem Beschäftigungsverhältnis – angesichts der noch nicht endgültig geklärten Rechtslage – auf der sicheren Seite, wenn sie tatsächlich beim Arbeitgeber eine Beschäftigung mit kürzerer Arbeitszeit beantragen. Je nachdem kann der Antrag dabei auf das Schwerbehindertenrecht, auf das Teilzeit- und Befristungsgesetz oder auf tarifliche Arbeitszeitverkürzungsansprüche gestützt werden. Falls der Arbeitgeber entsprechende Arbeitszeitverkürzungswünsche ablehnt, dürfte die Deutsche Rentenversicherung wohl kaum verlangen können, dass die Ansprüche gerichtlich weiterverfolgt werden.

Umgekehrt kann die Teilzeitbeschäftigung durchaus eine interessante Option sein. Denn in diesem Fall ist für teilweise Erwerbsgeminderte eine Art Kombirente möglich: die Kombination von Teilzeitbeschäftigung und der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.

(MS)

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