Was tun, wenn der Lohn nicht kommt?
Wenn die monatliche Überweisung des Arbeitgebers ausbleibt, kann das der Vorbote einer Firmenpleite sein.

Was tun, wenn der Lohn nicht kommt?

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Wenn die monatliche Überweisung des Arbeitgebers ausbleibt, kann das der Vorbote einer Firmenpleite sein.

Knapp 20.000 Insolvenzen von Unternehmen wurden 2019 registriert – als Folge der Corona-Krise werden es, wenn die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ausgelaufen ist, wohl weit mehr sein.

Wenn Arbeitnehmer nicht aufpassen, werden sie durch eine Pleite des Arbeitgebers gleich doppelt geschädigt: Sie verlieren nicht nur ihren Arbeitsplatz, sondern auch noch ausstehenden Lohn.

Wenn der Lohn deutlich unpünktlich gezahlt wird und erst recht dann, wenn der Lohn monatelang ausbleibt, fahren Arbeitnehmer in jedem Fall besser, wenn sie – sicherheitshalber – zunächst einmal vom schlimmsten Fall ausgehen: der drohenden Insolvenz.

Für diesen Fall gibt es eine Art Fallschirm: das sogenannte Insolvenzgeld, das den ausfallenden Lohn im Pleitefall in der Regel komplett ersetzt. Das Insolvenzgeld wird auf Antrag des Arbeitnehmers von der Bundesagentur für Arbeit gezahlt.

Der Begriff "Insolvenzgeld" ist missverständlich. Das Geld wird nämlich nicht während der Insolvenz gezahlt, sondern für die Monate davor. Die Leistung müsste also eigentlich Vor-Insolvenz-Geld heißen.

Die Ämter springen für Ansprüche der Arbeitnehmer aus den drei Monaten vor der Insolvenz ein. Keinesfalls zahlen sie aber für Arbeitsentgelt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Insolvenzgeld wird allerdings keineswegs sofort gezahlt, wenn es einen Lohnrückstand gibt. Die Leistung wird vielmehr erst gezahlt, wenn es tatsächlich zu einer Insolvenz gekommen ist. Zudem wird in der Regel dabei nur der nicht gezahlte Lohn in den letzten drei Monaten vor der Insolvenz von der Arbeitsagentur übernommen – und nicht für einen längeren Zeitraum. 

Praktische Konsequenz dieser Regelung für Arbeitnehmer ist: Bei mehr als drei Monaten Zahlungsrückstand droht der Totalverlust älterer Ansprüche.

Niemals sollte man daher einem Arbeitgeber mehr als zwei Monate Zeit geben, um ausstehendes Arbeitsentgelt zu begleichen.

Wie der Drei-Monats-Zeitraum fürs Insolvenzgeld berechnet wird

Im Standardfall umfasst der sogenannte Insolvenzgeldzeitraum die letzten drei Monate vor der Pleite. Häufig ziehen sich entsprechende Unternehmenskrisen allerdings länger hin. Da wird in einem Monat etwa kein Gehalt überwiesen, im Folgemonat aber doch wieder – und im dritten Monat dann zum zweiten Mal nicht. 

Folgendes Beispiel zeigt, wie dann gerechnet wird: Ein Arbeitgeber zahlt im Februar kein Gehalt, im März wird Gehalt überwiesen, im April und Mai nicht. Am 1. Juni meldet die Firma Insolvenz an. Der Insolvenzgeldzeitraum umfasst in diesem Fall standardmäßig die Zeit vom 1. März bis zum 31. Mai. Ausstehender Lohn aus diesem Zeitraum wird durch das Insolvenzgeld ersetzt.

Der Februar liegt zwar außerhalb dieses Zeitraums, dennoch ist der Februar-Lohn in diesem Fall nicht verloren. Für solche Fälle regeln die Weisungen der Bundesagentur für Arbeit unter dem Stichwort "Abschlagszahlungen", dass Zahlungen des Arbeitgebers in der Dreimonatsfrist vor der Insolvenz vorrangig auf Ansprüche des Arbeitnehmers anzurechnen sind, die vor dem Insolvenzgeldzeitraum liegen. 

Im Beispielsfall würde das bedeuten: Die März-Zahlung des Arbeitgebers wird zunächst auf die Lohnansprüche des Arbeitnehmers vom Februar angerechnet. Damit hat der Betroffene im kompletten Insolvenzgeldzeitraum keinen anrechenbaren Lohn erhalten.

Der ausgefallene Lohn für diesen Zeitraum wird damit durch das Insolvenzgeld vollständig ausgeglichen. Das gilt selbst dann, wenn auf dem Überweisungsbeleg "Gehalt März" steht und auf der zugehörigen Lohnabrechnung das März-Gehalt ausgewiesen wird.

Insolvenzgeld auch für frühzeitig abgesprungene Arbeitnehmer

Besonders Arbeitnehmer mit recht guten Arbeitsmarktchancen sind bei Zahlungsschwierigkeiten ihres Arbeitgebers häufig sofort auf dem Absprung.

Wichtig zu wissen: In solchen Fällen haben Arbeitnehmer häufig sogar das Recht, ihren Arbeitsplatz fristlos zu kündigen. Dazu weiter unten mehr.

Selbst diese Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags gar nicht mehr zum Pleiteunternehmen gehören, können Ansprüche auf Insolvenzgeld erheben. Auch bei ihnen tritt die Arbeitsagentur für Lohnansprüche aus den letzten drei Monaten vor der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses ein. 

Beispiel: Ein Unternehmen geht im Dezember pleite, der Arbeitnehmer kündigt im September, weil die Firma ihm schon seit Juni keinen Lohn mehr gezahlt hat. Nach der Insolvenz tritt die Agentur für Arbeit auf Antrag für die ausstehenden Gehälter von Juni bis August ein. Falls allerdings auch im Mai kein Lohn überwiesen wurde, wird dieser nicht nachgezahlt.

Sinnvoll ist in solchen Fällen eine regelmäßige Recherche auf der Internetseite: www.insolvenzbekanntmachungen.de. Auf dieser Seite veröffentlichen die Insolvenzgerichte der Bundesrepublik Deutschland die Bekanntmachungen, die vorzunehmen sind, wenn ein Insolvenzverfahren bei Gericht beantragt worden ist.

Frist zur Beantragung des Insolvenzgelds

Geht die Firma pleite, müssen die Arbeitnehmer das Insolvenzgeld (als Ersatz für ausstehendes Arbeitsentgelt) zügig beantragen – und zwar innerhalb von zwei Monaten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Häufig verpassen Arbeitnehmer, die schon vor der Pleite gekündigt haben, diese Frist – weil sie gar nichts von der Insolvenz erfahren haben. Dann sollten sie ausführlich begründen, wieso sie ohne eigenes Verschulden verspätet Insolvenzgeld beantragen.

Lohnverzicht, um Arbeitsplätze zu sichern?

Wenn Arbeitgeber Zahlungsschwierigkeiten haben, liegt es für sie nahe, von Beschäftigten einen Lohnverzicht zu verlangen. Darauf sollten Arbeitnehmer möglichst nicht eingehen, denn dadurch verlieren sie nicht nur Lohn.

Der Schuss geht in der Regel nach hinten los, wenn sie später doch den Arbeitsplatz verlieren, denn durch die Lohnsenkung fällt dann auch das Arbeitslosengeld I meist niedriger aus.

Und nicht nur das: Auch das Insolvenzgeld wird dann nur in der Höhe des gekürzten Lohns gezahlt.

Wenn Arbeitnehmer davon überzeugt sind, dass es sich um einen zeitlich befristeten Zahlungsengpass handelt, kommt allenfalls infrage, dem Arbeitgeber zeitlich begrenzt das fällig gewordene Entgelt zu stunden. "Stundungsabrede" nennt sich das.

Das sollten Sie allerdings nicht ohne juristisch kompetente Unterstützung (etwa durch den gewerkschaftlichen Rechtsschutz) tun. Wichtig für Arbeitnehmer ist dann: Ihre Ansprüche bleiben in voller Höhe weiter bestehen.

Vorsicht: Damit – für den Fall der Pleite – keine Nachteile beim Arbeitslosengeld I entstehen, muss allerdings klar vereinbart werden, dass mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis der gesamte gestundete Betrag fällig wird, denn das SGB III regelt für den Fall, dass der Arbeitgeber dann doch nicht zahlen kann: "Arbeitsentgelte, auf die der Arbeitslose beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis Anspruch hatte, gelten als erzielt, wenn sie zugeflossen oder nur wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen sind" (§ 151 Abs. 1 Satz 2).

Was Arbeitnehmer tun können, um an ausstehenden Lohn zu kommen

Arbeitnehmer können rückständiges Gehalt beim Arbeitsgericht einklagen. Das geht auch ohne Anwalt. Grundsätzlich können Sie eine Klage bei der Rechtsantragsstelle des Arbeitsgerichts ohne Anwalt erheben.

Ein Musterformular für eine einfache Klageschrift finden Sie beispielsweise, wenn Sie in die Browserzeile "Arbeitsgericht Muster einer Klageschrift" eingeben.

Bei erheblichen Lohnrückständen haben Arbeitnehmer zudem ein "Zurückbehaltungsrecht". Das heißt: Sie können die Arbeit einstellen, haben jedoch weiterhin – auch ohne Gegenleistung – Anspruch auf Arbeitsentgelt.

Was als erheblicher Rückstand angesehen wird, schwankt von Arbeitsgericht zu Arbeitsgericht. Ein zweimonatiger Lohnrückstand wird von den Gerichten durchweg als erheblich angesehen.

Das Bundesarbeitsgericht befand am 25.10.2007, dass zwei Monatsverdienste Lohnrückstand erheblich sind und damit ein Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung rechtfertigen (Az. 8 AZR 917/06).

Wer das Zurückbehaltungsrecht wahrnimmt, muss seinem Arbeitgeber gegenüber deutlich machen, warum er die Arbeit verweigert, nämlich – so das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Urteil vom 25.10.1984 (Az. 2 AZR 417/83) – "zur Sicherung eines bestimmten Individualanspruchs" (also der Lohnforderung).

Das sollte – um den Eindruck eines Streiks zu vermeiden – nicht kollektiv geschehen. Vielmehr sollte jeder einzelne Arbeitnehmer in einem individuellen Schreiben seine persönlichen Ansprüche geltend machen.

Das schärfste Schwert des Arbeitnehmers im Falle der Nichtzahlung des Gehalts durch den Arbeitgeber ist die außerordentliche fristlose Kündigung. Dabei muss der Arbeitgeber jedoch zunächst abgemahnt werden.

Sie lesen richtig: Nicht nur Arbeitgeber können Arbeitnehmer abmahnen, das funktioniert auch umgekehrt. Im Falle einer fristlosen Kündigung durch den Arbeitnehmer ist die vorherige Abmahnung sogar ein Muss.

In aller Regel sollten solche Schritte ausschließlich mit Unterstützung des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes oder mit Hilfe eines Anwalts gegangen werden. 

Eine fristlose Kündigung ist nur bei größeren Lohnrückständen möglich (bei zwei ausstehenden Gehältern in jedem Fall). Bei einer fristlosen Kündigung wegen des Lohnrückstands gibt es dann auch keine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld I, weil der Arbeitnehmer einen wichtigen Grund hatte, um zu kündigen.

Kündigt der Arbeitnehmer wegen der Gehaltsrückstände fristlos, hat er gegen den Arbeitgeber zusätzlich einen Anspruch auf Schadensersatz. Dabei geht es nicht bloß um den möglichen Schaden, der dem Betroffenen dadurch entstanden sein könnte, dass er Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllt hat.

Der Schadensersatzanspruch umfasst grundsätzlich den Ersatz der entgangenen Vergütung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist und daneben die Zahlung einer Abfindung als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes.

Ohne den Beistand durch einen Fachanwalt oder den gewerkschaftlichen Rechtsschutz dürfte das kaum funktionieren.

Arbeitslosengeldanspruch besteht auch ohne Kündigung

Man muss allerdings gar nicht ausdrücklich kündigen, um die Versicherungsleistung Arbeitslosengeld I zu erhalten. Wenn man das Zurückbehaltungsrecht wahrnimmt und der Arbeitgeber dennoch kein Gehalt zahlt, besteht nämlich Anspruch auf diese Versicherungsleistung von der Arbeitsagentur.

In diesem Fall existiert zwar das Arbeitsverhältnis möglicherweise noch weiter, die Betroffenen sind jedoch "beschäftigungslos" im Sinne von § 138 Abs. 1 SGB III. Als arbeitslos gilt danach, wer "nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit)".

Ein Beschäftigungsverhältnis ist nämlich – so die Durchführungshinweise der Bundesagentur für Arbeit (BA) zu § 138 – "durch die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers und die Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers" gekennzeichnet. Beides ist nicht mehr gegeben, wenn ein Arbeitnehmer sein Zurückbehaltungsrecht wahrnimmt. 

Die Betroffenen sollten sich daher umgehend arbeitslos melden und Arbeitslosengeld I beantragen. Darauf weist das von den Arbeitsagenturen herausgegebene Merkblatt "Insolvenzgeld für Arbeitnehmer" ausdrücklich hin. Der Arbeitsagentur sollte man dabei belegen, dass der Arbeitgeber nicht zahlt und man – vergeblich – versucht hat, seine Lohnansprüche durchzusetzen.

Häufig dauert es in solchen Fällen lange, bis das Arbeitslosengeld I bewilligt wird – etwa weil der Arbeitgeber gar nicht aufzutreiben ist oder keine Arbeitsbescheinigung ausfüllt. Der Arbeitgeber kann, falls er diese Bescheinigung nicht ausstellt, mit einem Bußgeld von bis zu 2.000,– € belegt werden. Das regelt § 404 SGB III.

Das hilft Betroffenen allerdings wenig, die partout eine solche Bescheinigung benötigen. Für solche Fälle halten die Arbeitsagenturen das Formular "Erklärung als vorläufiger Ersatz einer Arbeitsbescheinigung" vor.

Fragen Sie bei der Agentur für Arbeit danach.

Die Erklärung muss vollständig ausgefüllt sein. Zu dieser Erklärung sind u.a. der Arbeitsvertrag, das Kündigungsschreiben, die Lohnabrechnungen der letzten zwölf Monate und ggf. der Beleg des Einschreibens an den Arbeitgeber mit einzureichen. 

Wichtig ist jedoch: Sie müssen vorher glaubhaft nachweisen, dass der Arbeitgeber sich weigert bzw. es erfolglos war, die Arbeitsbescheinigung zu erhalten. Eine Möglichkeit wäre, die Arbeitsbescheinigung per Einschreiben anzufordern und eine Frist von ca. zwei Wochen zu setzen.

Falls sich in solchen Situationen die Bewilligung des Arbeitslosengelds verzögert, kommt gegebenenfalls auch die Zahlung eines Vorschusses infrage.

Ausschlussfristen beachten

Wenn Arbeitgeber Lohn, Gehalt oder auch Spesen nicht rechtzeitig überweisen, müssen Arbeitnehmer auch auf die sogenannten Ausschlussfristen (auch Verfallsklauseln oder Verfallsfristen genannt) achten. Diese sind einzelvertraglich oder per Tarifvertrag geregelt.

Zum Teil müssen danach Ansprüche an den Arbeitgeber innerhalb von zwei oder drei Monaten geltend gemacht werden – sonst verfallen sie.

Ausschlussfristen sind vor allem für den Arbeitnehmer brandgefährlich. Sie führen in der Praxis oft allein deshalb, weil der Arbeitnehmer sie nicht kennt, zu einem endgültigen Wegfall von Zahlungsansprüchen.

Wer einen säumigen Arbeitgeber hat, sollte sich daher in jedem Fall nach den für ihn geltenden Fristen erkundigen.

(MS)

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