Behinderungsbedingte Kosten in der Steuererklärung

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Behinderungsbedingte Aufwendungen dürfen in der Steuererklärung im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen geltend gemacht werden. Dabei wird zwischen typischen und atypischen behinderungsbedingten Kosten unterschieden.

  • Die atypischen Kosten werden als außergewöhnliche Belastungen allgemeiner Art berücksichtigt.

  • Für typische behinderungsbedingte Kostenbekommen Sie grundsätzlich den sog. Behinderten-Pauschbetrag. Durch diesen sind solche Kosten abgegolten.

Sind Ihre typischen Kosten höher als der Pauschbetrag, können Sie auf den Pauschbetrag verzichten und neben den atypischen auch die typischen behinderungsbedingten Kosten als außergewöhnliche Belastungen allgemeiner Art nach § 33 EStG geltend machen.

 

Inhalt

 

Behinderten-Pauschbetrag: Wer ihn bekommt und was er abdeckt

Viele Aufwendungen, die typischerweise mit einer Behinderung zusammenhängen, lassen sich nur schwer oder gar nicht belegen. Dafür gibt es den Behinderten-Pauschbetrag, den Sie in der Anlage »Außergewöhnliche Belastungen« der Steuererklärung beantragen. Der Behinderten-Pauschbetrag wird jährlich gewährt. Das gilt auch dann, wenn die Behinderung erst zum Ende des Jahres vorlag. Es gibt zwei verschiedene Behinderten-Pauschbeträge:

  • Den »normalen« Behinderten-Pauschbetrag für minder- bzw. schwerbehinderte Menschen, der je nach Grad der Behinderung (GdB) eine unterschiedliche Höhe hat, und

  • Den »erhöhten« Behinderten-Pauschbetrag, der unabhängig vom GdB nur Hilflosen und Blinden zusteht.

Seit 2021 gelten folgende Werte für den Behinderten-Pauschbetrag:

Grad der Behinderung

Behinderten-Pauschbetrag pro Jahr

20

384 €

30

620 €

40

860 €

50

1.140 €

60

1.440 €

70

1.780 €

80

2.120 €

90

2.460 €

100

2.840 €

Der erhöhte Behinderten-Pauschbetrag für Hilflose und Blinde beträgt 7.400 € pro Jahr (Stand: 2022)

Bis zu einem GdB von 40 müssen weitere Voraussetzungen erfüllt werden, um den Behinderten-Pauschbetrag zu erhalten. Ab einem GdB von 50 gilt man als »schwerbehindert« und bekommt den Pauschbetrag ohne weitere Voraussetzungen. Zudem stellt das Versorgungamt auf Antrag einen Schwerbehindertenausweis für alle Personen mit einem GdB von mindestens 50 aus.

Die Behinderung und der GdB werden auf Ihren Antrag hin durch einen Feststellungsbescheid festgesetzt. Ansprechpartner ist die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständige Behörde. Das ist i.d.R. das Versorgungsamt, in manchen Bundesländern die Kommunalverwaltung.

Bei besonderen Beeinträchtigungen werden bestimmte Merkzeichen vergeben, zum Beispiel »G« oder »aG« für Gehbehinderte oder außergewöhnlich Gehbehinderte. Diese Merkmale können für steuerliche Vergünstigungen wichtig sein – achten Sie also darauf, dass sie im Feststellungsbescheid bzw. dem Schwerbehindertenausweis entsprechend vermerkt sind.

Was passiert, wenn sich der GdB oder ein Merkzeichen ändert?

Wird der GdB im Laufe des Jahres herauf- oder herabgesetzt, steht Ihnen für dieses Jahr der höhere Pauschbetrag zu.

Wird der GdB rückwirkend für mehrere Jahre erstmals festgestellt oder heraufgesetzt, dann können Sie den (höheren) Behinderten-Pauschbetrag nachträglich für zurückliegende Jahre geltend machen. Das Gleiche gilt, wenn es bei der rückwirkenden Änderung um die Merkzeichen »H« bzw. »Bl« geht. Unerheblich ist dabei, weshalb es erst nachträglich zu der Feststellung gekommen ist.

Wichtig: Den Behinderten-Pauschbetrag gibt es auch dann noch nachträglich, wenn der Steuerbescheid für das betreffende Jahr schon bestandskräftig ist! Wenn Sie erstmals Anspruch auf einen Behinderten-Pauschbetrag haben und in der Vergangenheit Pflegekosten geltend gemacht haben, müssen Sie gut aufpassen: Wenn Sie jetzt den Pauschbetrag beanspruchen, verweigert der Finanzbeamte Ihnen im Gegenzug nachträglich den Abzug der Pflegekosten! Es gibt nämlich immer nur entweder den Behinderten-Pauschbetrag oder den Abzug der Pflegekosten. Rechnen Sie daher genau nach – vielleicht lohnt sich bei Ihnen der Verzicht auf den Pauschbetrag.

Typische behinderungsbedingte Kosten

Typische behinderungsbedingte Kosten sind alle Aufwendungen für die Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die Pflege und einen erhöhten Wäschebedarf.

Im Einzelnen gehören dazu zum Beispiel:

  • die Körperpflege (Waschen, Zahnpflege, Kämmen, Rasieren sowie Toilettengänge),

  • die Nahrungsaufnahme (mundgerechte Zubereitung usw.),

  • die Mobilität (z.B. An- und Auskleiden, Aufstehen und Zubettgehen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung),

  • die hauswirtschaftliche Versorgung (Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wäschepflege usw.),

  • eine sozialversicherungspflichtige oder im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung angestellte ambulante Pflegekraft, einen Pflegedienst, Einrichtungen der Tages-, Nacht- oder Kurzzeitpflege,

  • die stundenweise Freizeitbetreuung in der Gruppe oder zu Hause (niederschwellige Betreuungsangebote) und

  • die Unterbringung in einem Heim.

Kosten, die Sie zusätzlich zum Pauschbetrag absetzen können

Sogenannte atypische behinderungsbedingte Kosten dürfen Sie zusätzlich zum Behinderten-Pauschbetrag als außergewöhnliche Belastungen allgemeiner Art in nachgewiesener Höhe geltend machen.

Allerdings müssen Sie einen bestimmten Eigenanteil allein tragen. Deshalb ermittelt der Finanzbeamte automatisch die sogenannte »zumutbare Belastung« und zieht sie von der Summe Ihrer außergewöhnlichen Belastungen allgemeiner Art ab. Die Aufwendungen wirken sich also nur steuermindernd aus, soweit sie über diesem Betrag liegen (mehr dazu hier).

Autokosten und Fahrtkosten

Ob und in welchem Umfang Sie Privatfahrten steuermindernd geltend machen dürfen, ist abhängig vom Zweck der Fahrt und davon, welcher GdB und welches Merkzeichen bei Ihnen festgestellt worden sind. Beim Anlass der Fahrt sind zu unterscheiden:

  • Krankheitsbedingte Fahrten: Dazu zählen unumgängliche Fahrten aus medizinischem oder therapeutischem Anlass wie zum Beispiel zu Ärzten, zur Massage, Krankengymnastik, Apotheke, Sanitätshaus oder anlässlich einer Kur.

  • Behinderungsbedingte Fahrten: Dazu gehören durch die Behinderung veranlasste unvermeidbare Fahrten. Hierzu gehören zum Beispiel Fahrten zu Behörden und Ämtern sowie Fahrten für die Besorgung von Dingen des täglichen Bedarfs.

  • Reine Privatfahrten: Das sind Freizeit-, Besuchs-, Urlaubs- und Vergnügungsfahrten usw.

Wenn die Kosten anerkannt werden, dürfen Sie bei Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln die nachgewiesenen Kosten geltend machen. Fahren Sie mit dem Pkw, dürfen Sie die Fahrtkosten maximal mit der Reisekostenpauschale in Höhe von 0,35 € pro Kilometer ansetzen.

Bei einem GdB von mindestens 80 oder von 70 mit Merkzeichen »G« können Sie Ihre unvermeidbaren behinderungsbedingten Fahrten in »angemessenem« Umfang mit der Reisekostenpauschale von 0,35 € pro Kilometer ansetzen. Höhere tatsächliche Kosten pro Kilometer dürfen Sie nicht geltend machen.

Die von Ihnen gefahrenen Kilometer müssen Sie dem Finanzamt gegenüber grundsätzlich nachweisen oder glaubhaft machen. Aus Vereinfachungsgründen geht Ihr Finanzamt ohne Nachweis der einzelnen Fahrten davon aus, dass Sie 3.000 km behinderungsbedingte Fahrten pro Jahr haben. Damit können Sie grundsätzlich Fahrtkosten in Höhe von 1.050 € ansetzen. Rechnen Sie aber damit, dass Sie dem Finanzbeamten glaubhaft machen müssen, dass Sie tatsächlich eine Fahrleistung in dieser Höhe gehabt haben. Das machen Sie zum Beispiel durch die Vorlage von Werkstattrechnungen oder TÜV-Berichten, in denen der Tachostand vermerkt ist.

Aufwendungen für Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Taxi können Sie ab einem GdB von 80 bzw. 70 mit Merkzeichen »G« in nachgewiesener Höhe geltend machen. Allerdings kürzt das Finanzamt dann die 3.000-km-Pauschale für Pkw-Fahrten um die bereits »verbrauchten« Kilometer.

Haben Sie das Merkzeichen »aG«, »H« oder »Bl«, dürfen Sie nicht nur behinderungsbedingte Fahrten, sondern auch reine Privatfahrten in einem »angemessenen« Rahmen mit der Reisekostenpauschale geltend machen: Hier berücksichtigt das Finanzamt für behinderungsbedingte Fahrten und reine private Fahrten zusammen normalerweise eine jährliche Fahrleistung bis maximal 15.000 km. Zusätzlich dürfen Sie krankheitsbedingte Fahrten geltend machen.

Eventuell stehen Ihnen auch Vergünstigungen bei der Kfz-Steuer zu! Darüber haben wir hier einen eigenen Beitrag geschrieben.

Umzugskosten

Die Kosten für den Umzug in eine behindertengerechte Wohnung werden nur unter strengen Voraussetzungen anerkannt:

  • Sie weisen die medizinische Notwendigkeit des Umzuges durch ein amtsärztliches oder vertrauensärztliches Attest nach, das vor (!) dem Umzug ausgestellt wurde. Ein Attest des behandelnden Haus- oder Facharztes reicht nicht.

  • Führt der Umzug auch zu anderen Vorteilen, muss die Behinderung als Ursache für den Umzug eindeutig im Vordergrund stehen – zum Beispiel, weil einfach keine gleich große Wohnung zu bekommen war und Sie deshalb eine größere nehmen mussten. Probleme können Sie zum Beispiel bekommen, wenn Sie bei einer Mietwohnung einen nicht behinderungsbedingten Kündigungsgrund angeben. Denn der Umzug muss wegen einer Krankheit oder eines Unfalls zwingend erforderlich sein.

Abziehbar sind dann

  • die Kosten für den Transport des Umzugsgutes,

  • Reisekosten anlässlich der Wohnungssuche und um am Umzugstag von der alten Wohnung in die neue zu kommen,

  • doppelte Mietzahlungen und

  • anfallende Maklerprovisionen.

Neben diesen Aufwendungen verursacht ein Umzug Kosten (zum Beispiel für die Ummeldung), die im Einzelnen nur schwer nachzuweisen sind. Diese Aufwendungen dürfen Sie mit der Pauschale für sonstige Umzugskosten ansetzen. Die Pauschale beträgt für Umzüge ab April 2022 für Berechtigte 886 € und für jede weitere Person 590 €.

Sind Sie wegen Ihrer Behinderung gezwungen in ein Heim umzuziehen, können die Kosten ebenfalls als außergewöhnliche Belastungen allgemeiner Art abziehbar sein.

Behindertengerechter Umbau

Müssen Sie Ihre Wohnung behindertengerecht gestalten, können Sie die Kosten steuerlich geltend machen. Zumindest dann, wenn Sie für den behindertengerechten Umbau oder Neubau keinen Gegenwert erhalten und damit finanziell belastet sind. Denn bei einer behindertengerechten Gestaltung der Wohnung ist ein eventueller Gegenwert irrelevant und tritt gegenüber der Zwangsläufigkeit der Situation stets in den Hintergrund.

Das gilt auch dann, wenn die Behinderung nicht auf einem unvorhersehbaren Ereignis (z.B. ein Unfall) beruht und deshalb ein schnelles Handeln geboten ist. Die behinderungsbedingte Gestaltung ist also auch dann steuerbegünstigt, wenn die Behinderung schon länger besteht. Und auch im Fall einer schleichenden Erkrankung, etwa multipler Sklerose, muss das Finanzamt die Kosten berücksichtigen.

Wichtig: Es werden nicht die Gesamtkosten der Baumaßnahme anerkannt, sondern nur die, die durch die Behinderung veranlasst und zur behindertengerechten Umgestaltung des individuellen Wohnumfelds erforderlich sind.

Keine Rolle spielt, ob die durch die Krankheit oder Behinderung verursachten Mehrkosten im Rahmen eines Neubaus, der Modernisierung eines Altbaus oder des Umbaus eines bereits selbst genutzten Eigenheims oder einer Mietwohnung entstehen.

Urlaubsbegleitung

Für einen ständig auf Hilfe angewiesenen behinderten Menschen bleibt eine Reise oft ein Traum. Wahr werden kann der Urlaub oft nur, wenn der Betroffene sich von einer Pflegeperson begleiten lässt. Die dadurch entstehenden Mehrkosten können zu den außergewöhnlichen Belastungen allgemeiner Art zählen. Dann sind bis zu 767 € für höchstens eine Urlaubsreise im Jahr abziehbar – und zwar zusätzlich zum Behinderten-Pauschbetrag.

Voraussetzung für den Abzug der Kosten ist, dass Sie die Notwendigkeit ständiger Begleitung nachweisen. Dafür brauchen Sie entweder ein vor (!) Antritt der Reise ausgestelltes amtsärztliches Attest oder einen Schwerbehindertenausweis, in dem das Merkzeichen H oder aG und zusätzlich das Merkzeichen B sowie der Hinweis auf die nachgewiesene Notwendigkeit einer ständigen Begleitung eingetragen ist. In neueren Schwerbehindertenausweisen wird neben dem Merkzeichen B der Hinweis „Die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson ist nachgewiesen“ eingetragen.

Ein Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen »G« oder »Rf« reicht nicht, auch wenn er den Hinweis »Die Notwendigkeit ständiger Begleitung ist nachgewiesen« trägt. Lassen Sie sich von einer »fremden« Person begleiten, dürfte der Abzug der Kosten unproblematisch sein. Handelt es sich bei der Begleitperson um Ihren Ehepartner oder Lebenspartner, haben Sie eher schlechte Karten: Oft wird dann der Abzug der Kosten mit dem Argument verweigert, dass Ihr Ehegatte bzw. Lebenspartner aus eigenem Interesse an der Reise teilgenommen hat.

Sind für die Begleitperson nicht nur »normale« Reisekosten, sondern aufgrund der Behinderung höhere Kosten angefallen? Dann machen Sie diese als außergewöhnliche Belastungen geltend: Solche Kosten gelten als behinderungsbedingter Mehrbedarf, den der BFH auch bei einer gemeinsamen Reise von Ehepartnern zum Abzug zulässt.

Kosten bei Kuren, Krankheit und Pflege-Pauschbetrag

Kosten für einen Kuraufenthalt oder eine andere Reha-Maßnahme sind neben dem Behinderten-Pauschbetrag abziehbar, sofern Sie die notwendigen Nachweise erbringen. Dafür brauchen Sie ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, welches vor (!) Beginn der Kur ausgestellt worden sein muss.

Auch Krankheitskosten wie z.B. für medizinische Behandlungen, Arznei- und Verbandmittel, medizinische Hilfsmittel, Heilmittel, Krankenhaus- und Klinikaufenthalte etc. dürfen Sie zusätzlich geltend machen, wenn die entsprechenden Nachweise vorliegen.

Was sind außergewöhnliche Belastungen und die zumutbare Belastung?

Normalerweise bleiben private Ausgaben steuerlich unberücksichtigt. Besondere Situationen können aber zu außergewöhnlichen Belastungen führen, und die dürfen Sie dann doch steuermindernd berücksichtigen. Es müssen jedoch strenge Voraussetzungen erfüllt sein.

Dazu haben wir hier einen ausführlichen Beitrag geschrieben.

URL:
https://www.steuertipps.de/steuern-rente/themen/behinderungsbedingte-kosten-in-der-steuererklaerung