Was sind Turbo-Zertifikate und Knock-Out-Optionsscheine?
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Die Finanzaufsicht BaFin will den Handel mit Turbo-Zertifikaten, auch Knock-Out-Optionsscheine genannt, beschränken. Was bedeutet das, wen betrifft es und welche alternativen Produkte stehen Anlegern zur Verfügung?
Inhalt
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Was sind Turbo-Zertifikate und was bedeutet »Hebel-Produkte«?
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Welche Beschränkungen und Maßnahmen plant die BaFin bei Turbo-Zertifikaten?
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Turbo-Zertifikate: Einführung eines Wissenstests für Kleinanleger
Was sind Turbo-Zertifikate und was bedeutet »Hebel-Produkte«?
Turbo-Zertifikate sind börsengehandelte Hebelprodukte. Die »Hebelwirkung« besteht darin, dass Anleger mit einem vergleichsweise kleinen Kapitaleinsatz überproportional an den Kursbewegungen des zugrunde liegenden Basiswerts partizipieren können.
Konkret heißt das: Steigt oder fällt der Basiswert um einen bestimmten Prozentsatz, so verändert sich der Wert des Turbo-Zertifikats um ein Vielfaches dieses Prozentsatzes – der Gewinn oder Verlust wird also »gehebelt«.
Der Hebel entsteht dadurch, dass der Anleger nicht den vollen Preis des Basiswerts zahlen muss, sondern nur die Differenz zwischen dem aktuellen Kurs des Basiswerts und dem sogenannten Strike-Preis (Basispreis) multipliziert mit dem Bezugsverhältnis. Dadurch ist der Kaufpreis des Zertifikats deutlich niedriger als der Wert des Basiswerts selbst. Die Hebelgröße errechnet sich aus dem Verhältnis von Kurs des Basiswerts zum Preis des Turbo-Zertifikats, multipliziert mit dem Bezugsverhältnis.
Beispiel:
Steht ein Index bei 2.500 Punkten und das Turbo-Zertifikat kostet 5 Euro, ergibt sich ein Hebel von 5. Steigt der Index um 10%, so steigt der Wert des Zertifikats um 50% (10% × Hebel 5). Fällt der Index jedoch, sind auch die Verluste überproportional, bis hin zum Totalverlust, wenn die Knock-Out-Schwelle erreicht wird.
Diese » Knock-Out-Schwelle« (manchmal liest man auch Knock-Out-Barriere) ist ein zentrales Merkmal von Turbo-Zertifikaten: Wird diese Kursmarke während der Laufzeit erreicht oder überschritten, verfällt das Zertifikat sofort und wird in der Regel wertlos, was zu einem Totalverlust des eingesetzten Kapitals führt.
Für Anleger bedeutet das, dass sie nicht nur die langfristige Entwicklung des Basiswerts richtig einschätzen, sondern auch kurzfristige Schwankungen berücksichtigen müssen, die zum Knock-Out führen können.
Turbo-Zertifikate sind spekulative Finanzinstrumente. Die Hebelwirkung bedeutet eine Verstärkung von Gewinn und Verlust gegenüber der Basiswert-Entwicklung. Sie ermöglicht hohe Gewinne mit geringem Kapitaleinsatz, erhöht aber auch das Risiko eines Totalverlusts durch Knock-Out.
Welche Beschränkungen und Maßnahmen plant die BaFin bei Turbo-Zertifikaten?
Die BaFin plant umfangreiche Beschränkungen für den Handel mit Turbo-Zertifikaten an Kleinanleger in Deutschland, um den Anlegerschutz zu verbessern.
Die Maßnahmen basieren auf einer Marktuntersuchung, die zeigte, dass zwischen 2019 und 2023 rund 74% der Kleinanleger mit diesen Produkten Verluste erlitten haben, im Durchschnitt etwa 6.400 Euro pro Anleger. Insgesamt summierten sich die Verluste auf 3,4 Milliarden Euro (Quelle).
Die wichtigsten geplanten Maßnahmen der BaFin bei Turbo-Zertifikaten sind:
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Standardisierte Risikowarnung: Anbieter müssen bei jeder Vermarktung, im Vertrieb und Verkauf von Turbo-Zertifikaten deutlich darauf hinweisen, dass sieben von zehn Kleinanlegern Verluste erleiden. Diese Warnung soll in allen Mitteilungen verpflichtend platziert werden.
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Verbot von Kaufanreizen: Es dürfen keine Bonuszahlungen, reduzierte Ordergebühren oder sonstige monetäre und nicht-monetäre Vorteile (z.B. bevorzugter Kundenservice oder Geschenke) angeboten werden, die den Handel mit Turbo-Zertifikaten fördern könnten.
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Erweiterte Angemessenheitsprüfung: Anleger müssen vor dem Kauf einen Wissenstest bestehen, der mindestens sechs Fragen zur Funktionsweise und zu den Risiken von Turbo-Zertifikaten enthält. Dieser Test muss alle sechs Monate wiederholt werden, um sicherzustellen, dass Anleger die Produkte verstehen.
Diese Regelungen sind noch in der Anhörungsphase. Die BaFin nimmt bis Anfang Juli 2025 Stellungnahmen der Marktteilnehmer entgegen, bevor die endgültigen Vorgaben beschlossen werden.
Eine Stellungnahme einreichen können zum Beispiel Banken und Broker, Emittenten von Turbo-Zertifikaten, Anbieter von Finanzprodukten, Branchenverbände und Interessensvertretungen aber auch weitere Marktteilnehmer, die von der Regelung betroffen sind bzw. wären.
Die Stellungnahmen können per E-Mail an Anhoerung-Produktintervention@bafin.de eingereicht werden.
Turbo-Zertifikate: Einführung eines Wissenstests für Kleinanleger
Der Wissenstest für Kleinanleger beim Handel mit Turbo-Zertifikaten soll sicherstellen, dass Anleger die Funktionsweise und Risiken dieser komplexen Produkte verstehen.
Die BaFin plant, dass Anleger mindestens sechs Fragen zum Handel mit Turbo-Zertifikaten korrekt beantworten müssen, bevor sie diese Produkte kaufen dürfen. Ohne erfolgreich absolvierten Test soll der Kauf von Turbo-Zertifikaten für Kleinanleger künftig nicht mehr möglich sein. Der Test wird von den Finanzdienstleistern oder Emittenten im Rahmen der erweiterten Angemessenheitsprüfung durchgeführt.
Themen oder Fragen für den Wissenstest könnten zum Beispiel sein:
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Wie funktioniert der Hebel bei Turbo-Zertifikaten und welche Auswirkungen hat er auf Gewinne und Verluste?
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Was passiert, wenn die Knock-Out-Barriere erreicht wird, und welche Folgen hat dies für das eingesetzte Kapital?
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Warum kann es trotz richtiger Markteinschätzung zu einem Totalverlust kommen?
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Unterschied zwischen Long- und Short-Positionen mit Turbos.
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Welche Kosten können beim Handel mit Turbo-Zertifikaten anfallen?
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Bedeutung der kurzen Haltezeiten und deren Einfluss auf das Verlustrisiko.
Wer gilt als Kleinanleger?
Kleinanleger sind in der Definition der BaFin in erster Linie als private Investoren, die sich durch einen geringeren Wissensstand und eine geringere Anlagesumme von professionellen Investoren oder institutionellen Anlegern unterscheiden.
Kleinanleger sind in der Regel keine Unternehmen oder professionelle Marktteilnehmer, sondern Privatpersonen – die besonderen gesetzlichen Schutz genießen.
Diese Definition entspricht dem Ziel des Kleinanlegerschutzgesetzes, das den kollektiven Verbraucherschutz stärkt und der BaFin die Befugnis gibt, den Vertrieb bestimmter Finanzprodukte an Kleinanleger zu beschränken oder zu verbieten.
Im Zusammenhang mit Produktinterventionen, wie hier bei den Turbo-Zertifikaten, richtet sich die BaFin ausdrücklich an in Deutschland ansässige Kleinanleger.
Alternativen zu Turbo-Zertifikaten für Privatanleger
Für Anleger, die von der Hebelwirkung profitieren möchten, aber das hohe Risiko von Turbo-Zertifikaten vermeiden wollen, gibt es verschiedene Alternativen mit vergleichsweise geringerer Komplexität und Risiko. Diese Produkte sind zwar ebenfalls mit Risiken verbunden, bieten aber oft mehr Kontrolle über das Verlustrisiko.
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Optionsscheine bieten ebenfalls Hebelwirkung, sind aber oft mit einem längeren Zeithorizont und flexibleren Ausübungsbedingungen ausgestattet. Dadurch kann das Risiko eines Totalverlusts durch Knock-Outs reduziert werden.
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Hebel-ETFs nutzen Derivate, um die tägliche Performance eines Basiswerts mit einem festen Hebel (z.B. 2x oder 3x) abzubilden. Sie sind transparent, liquide und unterliegen keinen Knock-Out-Schwellen, was das Risiko besser kalkulierbar macht.
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Futures bieten für erfahrene Anleger eine Möglichkeit, mit Hebel auf Basiswerte zu spekulieren. Sie sind standardisiert und an Terminbörsen handelbar, erfordern aber ein gutes Verständnis der Funktionsweise und Margin-Anforderungen.
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Zertifikate mit Kapitalschutz: Es gibt Hebelprodukte, die einen Teil des eingesetzten Kapitals schützen oder eine Knock-Out-Schwelle mit Puffer bieten, wodurch das Risiko eines Totalverlusts reduziert wird.
Wer Hebelprodukte grundsätzlich skeptisch gegenübersteht oder das Risiko minimieren möchte, findet in klassischen Anlageformen wie Aktien, ETF, Investmentfonds und festverzinslichen Wertpapieren solide Alternativen.
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(MB)