Gewerbeanmeldung bei Gratis-Dienstleistungen: Wann sie erforderlich ist

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Auch wer Dienstleistungen kostenlos anbietet, kann zur Gewerbeanmeldung verpflichtet sein. Das gilt vor allem dann, wenn die Tätigkeit regelmäßig, öffentlich und mit einer gewissen Professionalität ausgeübt wird, wie der Fall eines »Gratis-Rikscha-Fahrers« aus München zeigt.

 

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Gratis-Rikscha im Englischen Garten

Die Vorstellung, eine Dienstleistung kostenlos anzubieten und damit automatisch von bürokratischen Pflichten befreit zu sein, klingt verlockend. Doch die Realität sieht anders aus: Auch wer keine Bezahlung verlangt, kann unter bestimmten Umständen zur Gewerbeanmeldung verpflichtet sein.

Ein aktuell veröffentlichter Fall aus München zeigt, wie schnell aus einer vermeintlich harmlosen Tätigkeit ein Bußgeldverfahren werden kann:

Ein Rikscha-Fahrer in München bot regelmäßig Fahrten im Englischen Garten an – und zwar kostenlos. Auf seiner Rikscha prangte gut sichtbar das Wort »Gratis«. Dennoch wurde gegen ihn ein Bußgeld von 55 Euro verhängt, denn die Bayerische Schlösser- und Seenverwaltung sah in seinem Verhalten eine gewerbliche Tätigkeit, für die eine Genehmigung erforderlich gewesen wäre.

Der Fahrer legte Einspruch ein und argumentierte, er fahre »einfach so« und nehme kein Geld an. Das Amtsgericht München sah das anders: Die regelmäßige Präsenz, das gezielte Ansprechen potenzieller Fahrgäste und die Nähe zu lizenzierten Rikscha-Fahrern deuteten auf eine gewerbliche Absicht hin (AG München, Urteil vom 5.8.2024, Az. 1111 OWi 238 Js 219698/23, rechtskräftig).

Was ist ein Gewerbe?

Die Gewerbeordnung (GewO) definiert ein Gewerbe als jede erlaubte, selbstständige, nachhaltige Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht, die nicht freiberuflich ist. Dabei ist entscheidend:

  • Selbstständigkeit: Die Tätigkeit erfolgt eigenverantwortlich.

  • Nachhaltigkeit: Sie wird regelmäßig oder dauerhaft ausgeübt.

  • Erlaubtheit: Sie verstößt nicht gegen gesetzliche Vorschriften.

  • Gewinnerzielungsabsicht: Es besteht die Absicht, Einnahmen zu erzielen – auch indirekt oder perspektivisch.

Dabei ist die Gewinnerzielungsabsicht nicht zwingend an eine tatsächliche Bezahlung gekoppelt. Es reicht aus, wenn die Tätigkeit objektiv geeignet ist, Einnahmen zu generieren – oder wenn sie wie eine gewerbliche Leistung wirkt, wie das Urteil aus München zeigt.

Checkliste: Muss ich ein Gewerbe anmelden?

Folgende Fragen helfen bei der Einschätzung:

  • Wird die Tätigkeit regelmäßig oder dauerhaft ausgeübt?

  • Erfolgt sie öffentlich?

  • Erfolgt sie mit Werbung oder einer gezielten Ansprache von Kunden??

  • Besteht die Möglichkeit, dass Kunden oder Dritte einen wirtschaftlichen Vorteil erhalten?

  • Könnte die Tätigkeit theoretisch Einnahmen generieren (Imagegewinn, Spenden, zukünftige Einnahmen)?

  • Wird sie in Konkurrenz zu bestehenden gewerblichen Angeboten ausgeübt?

  • Ist die Tätigkeit nicht freiberuflich oder ehrenamtlich?

Wenn mehrere dieser Punkte zutreffen, ist eine Gewerbeanmeldung wahrscheinlich erforderlich – auch bei kostenlosen Angeboten.

Warum kann eine kostenlose Leistung gewerblich sein?

Das Urteil des Amtsgerichts München zeigt, dass die äußere Gestaltung einer Tätigkeit, zum Beispiel durch Werbung oder regelmäßige Präsenz, entscheidend für die Einordnung als Gewerbe sein kann.

Der Rikscha-Fahrer hatte seine Fahrten zwar als »gratis« gekennzeichnet, war jedoch regelmäßig im Englischen Garten unterwegs, sprach gezielt Touristen an und wartete an bekannten Haltepunkten auf Fahrgäste. Er verhielt sich also ähnlich wie lizenzierte Anbieter.

Das Gericht wertete diese Umstände als Zeichen für eine gewerbliche Tätigkeit, da sie auf eine Gewinnerzielungsabsicht schließen lassen – auch, wenn kein Geld direkt angenommen wurde. Die Absicht, sich durch Sichtbarkeit und Bekanntheit möglicherweise zukünftige Vorteile zu verschaffen, kann bereits ausreichen.

Gewerbeanmeldung erforderlich? Ausnahmen und Grauzonen

Nicht jede unentgeltliche Tätigkeit ist automatisch gewerblich. Es gibt Ausnahmen, etwa:

  • Ehrenamtliche Tätigkeiten: Wer sich im gemeinnützigen Bereich engagiert, zum Beispiel in Vereinen oder Initiativen, handelt in der Regel nicht gewerblich.

  • Freiberufliche Tätigkeiten: Künstlerische, wissenschaftliche, schriftstellerische oder unterrichtende Tätigkeiten gelten als freiberuflich – auch wenn sie regelmäßig ausgeübt werden.

  • Gelegentliche Hilfeleistungen: Wer nur sporadisch und ohne erkennbare Struktur oder Werbung tätig wird, muss in der Regel kein Gewerbe anmelden.

Allerdings gilt: Je professioneller eine Tätigkeit wirkt, beispielsweise durch regelmäßige Ausübung, Werbung oder Konkurrenz zu bestehenden Angeboten, desto eher wird sie als gewerblich eingestuft.

Gewerbeanmeldung: Praktische Hinweise

Wer feststellt, dass die eigene Tätigkeit gewerblich ist, sollte folgende Schritte beachten:

  • Gewerbe anmelden: Beim zuständigen Gewerbeamt der Stadt oder Gemeinde. Die notwendigen Formulare für die Gewerbeanmeldung gibt es meist auf der Internetseite der Gemeindeverwaltung zum Download.

  • Steuernummer beantragen: Das Finanzamt wird automatisch informiert und sendet den Fragebogen zur steuerlichen Erfassung. → mehr Informationen: Warum ist der Fragebogen zu steuerlichen Erfassung so wichtig und wie füllt man ihn aus?

  • Pflichten prüfen: Je nach Tätigkeit können weitere Genehmigungen, Versicherungen oder Mitgliedschaften (z.B. IHK) erforderlich sein.

  • Dokumentation führen: Auch bei geringen oder keinen Einnahmen sollten Tätigkeiten nachvollziehbar dokumentiert werden.

Der Fall des »Gratis-Rikscha-Fahrers« zeigt, dass Gerichte nicht nur auf die tatsächliche Bezahlung achten, sondern auch auf die äußeren Umstände und die Wirkung der Tätigkeit nach außen. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte sich frühzeitig rechtlich beraten lassen oder beim Gewerbeamt nachfragen.

(MB)

 

(im Bild: Der Monopteros im Englischen Garten in München zählt zu den bekannten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Die erhöhte Position des tempelartigen Rundbaus ermöglicht einen beeindruckenden Ausblick auf die Altstadt, insbesondere bei sonnigem Wetter und während der Herbstsaison. Vom Monopteros aus bietet sich ein umfassender Blick auf die verschiedenen Bereiche des Englischen Gartens. Das Bauwerk wurde im Jahr 1836 zusammen mit dem umliegenden Hügel in die südliche Parkanlage integriert. → mehr dazu)

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