Inhaltsübersicht

Volljährige Kinder: Alles zu Freibeträgen, Kindergeld und Erwerbstätigkeit

Einführung

Ab dem 18. Geburtstag eines Kindes muss ein bestimmter Grund vorliegen, damit die staatliche Förderung durch Kindergeld, Freibeträge für Kinder und davon abhängige steuerrechtliche Vergünstigungen weiterläuft. Deswegen müssen Sie auf jeden Fall einen schriftlichen Neuantrag bei der Familienkasse stellen (DA-KG V 5.4).

1. Wann wird mein Kind volljährig?

Bei der Berücksichtigung von Kindern gilt das Monatsprinzip. Es wird für jeden Monat geprüft, ob ein volljähriges Kind berücksichtigt werden kann. Erstmals wird geprüft ab dem Kalendermonat, zu dessen Beginn Ihr Kind das 18. Lebensjahr bereits vollendet hat.

Für den Ausbildungsfreibetrag, bei dem »nur« volljährige Kinder zu berücksichtigen sind, wird der Monat, in dem das 18. Lebensjahr vollendet wird, aber schon mitgezählt.

Beispiel:

Julia wurde geboren am

Variante a) 1.2.2004

Variante b) 2.2.2004

In Variante a) vollendet Julia am 31.1.2022 ihr 18. Lebensjahr. Bis zum Januar wird sie für das Kindergeld und die Freibeträge für Kinder als minderjähriges und ab dem Februar als volljähriges Kind berücksichtigt. Für den Ausbildungsfreibetrag zählt der Januar dagegen mit, weil Julia bereits in diesem Monat ihr 18. Lebensjahr vollendet.

Einführung

Ab dem 18. Geburtstag eines Kindes muss ein bestimmter Grund vorliegen, damit die staatliche Förderung durch Kindergeld, Freibeträge für Kinder und davon abhängige steuerrechtliche Vergünstigungen weiterläuft. Deswegen müssen Sie auf jeden Fall einen schriftlichen Neuantrag bei der Familienkasse stellen (DA-KG V 5.4).

1. Wann wird mein Kind volljährig?

Bei der Berücksichtigung von Kindern gilt das Monatsprinzip. Es wird für jeden Monat geprüft, ob ein volljähriges Kind berücksichtigt werden kann. Erstmals wird geprüft ab dem Kalendermonat, zu dessen Beginn Ihr Kind das 18. Lebensjahr bereits vollendet hat.

Für den Ausbildungsfreibetrag, bei dem »nur« volljährige Kinder zu berücksichtigen sind, wird der Monat, in dem das 18. Lebensjahr vollendet wird, aber schon mitgezählt.

Beispiel:

Julia wurde geboren am

Variante a) 1.2.2004

Variante b) 2.2.2004

In Variante a) vollendet Julia am 31.1.2022 ihr 18. Lebensjahr. Bis zum Januar wird sie für das Kindergeld und die Freibeträge für Kinder als minderjähriges und ab dem Februar als volljähriges Kind berücksichtigt. Für den Ausbildungsfreibetrag zählt der Januar dagegen mit, weil Julia bereits in diesem Monat ihr 18. Lebensjahr vollendet.

In Variante b) vollendet Julia am 1.2.2022 ihr 18. Lebensjahr. Damit war sie zu Beginn des Februars noch nicht volljährig. Für den Februar ist sie für das Kindergeld und die Freibeträge für Kinder als minderjähriges und erst ab dem März als volljähriges Kind berücksichtigt. Für den Ausbildungsfreibetrag ist sie ab Februar als volljähriges Kind zu berücksichtigen.

Warum es so wichtig ist, weiterhin Kindergeld zu bekommen

Der Bezug von Kindergeld für ein Kind ist an sich bereits wichtig genug, schließlich handelt es sich um einen Betrag von mindestens 219,– € pro Monat. Durch die Freibeträge für Kinder ermäßigt sich die Einkommensteuer, wenn von den Eltern bestimmte Einkommensgrenzen überschritten werden. Vom Bezug des Kindergelds bzw. der Gewährung der Freibeträge hängen aber noch viele andere Vergünstigungen ab.

Da wäre zunächst ein höheres Kindergeld für jüngere Geschwister. Denn fällt das älteste Kind bei der Zählung der Kinder raus, weil es selbst nicht mehr als Kind zu berücksichtigen ist, rücken die anderen in der Reihenfolge nach. Die unangenehme Folge: Es fällt immer das höchste Kindergeld zuerst weg.

Beispiel:

Im Haushalt der Eheleute Uwe und Rita Lutz leben Hanna (23 Jahre), Annika (17 Jahre) und Leon (15 Jahre). Hanna beendet zum 31.8.2022 ihre erste Berufsausbildung. Ab 1.9.2022 ist sie in Vollzeit bei einem Kreditinstitut tätig.

Hanna ist das erste, Annika das zweite und Leon das dritte zu berücksichtigende Kind der Eheleute Lutz. Diese erhalten für den August 2022 für die drei Kinder insgesamt Kindergeld in Höhe von 663,– € (= 2 × 219,– € + 225,– €). Ab September 2022 ist Annika das erste und Leon das zweite zu berücksichtigende Kind. Damit erhalten die Eheleute Kindergeld in Höhe von 438,– €. Das erhöhte Kindergeld von 225,– € für das dritte Kind fällt weg.

Wenn ein Kind nicht mehr berücksichtigt wird, hat das aber auch noch diese steuerlichen Auswirkungen:

  • Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag werden nicht mehr gemindert.

  • Die zumutbare Belastung beim Abzug von allgemeinen außergewöhnlichen Belastungen bei der Einkommensteuer erhöht sich. Damit wirken sich Ihre als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Kosten nicht mehr in der bisherigen Höhe aus.

  • Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende fällt bei der Einkommensteuer weg, wenn kein Kind mehr zu berücksichtigen ist. Probleme gibt es auch, wenn Ihr volljähriges Kind, das bei Ihnen wohnt, nicht mehr berücksichtigt wird. Dann können Sie keinen Entlastungsbetrag bekommen, selbst wenn noch ein minderjähriges Kind bei Ihnen lebt. Damit ist auch die Steuerklasse II beim Lohnsteuerabzug nicht mehr möglich.

  • Die Kinderzulage bei der Riester-Rente entfällt.

  • Sie können den Ausbildungsfreibetrag nicht geltend machen.

  • Der Abzug von Schulgeld ist nicht möglich.

Außerhalb des Steuerrechts sind ebenfalls Vergünstigungen gefährdet. So wird der Familienzuschlag bei Beamten nur bei Bezug des Kindergelds gezahlt und auch seine Höhe kann von der Anzahl der zu berücksichtigenden Kinder abhängen. Weiterhin ist die Höhe der Beihilfe nach Anzahl der zu berücksichtigenden Kinder gestaffelt. Entsprechendes gilt für einige Angestellte des öffentlichen Dienstes.

Sie unterstützen Ihr Kind, aber es liegt kein Grund vor, nach dem es bei Ihnen berücksichtigt werden kann, oder es überschreitet die Altersgrenze? Dann können Ihre Aufwendungen für den Unterhalt, eine etwaige Berufsausbildung und die Basisabsicherung Ihres Kindes im Rahmen des Unterhaltsfreibetrags als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sein (§ 33a Abs. 1 EStG).

In welchen Fällen wird ein volljähriges Kind berücksichtigt?

3.1 Überblick

Kindergeld und die Freibeträge für Kinder gibt es für

  • leibliche und adoptierte Kinder;

  • Pflegekinder.

Nur Kindergeld gibt es für

  • Stiefkinder;

  • Enkelkinder.

Ob Sie von der Familienkasse Kindergeld erhalten bzw. das Finanzamt bei Ihnen die Freibeträge für Kinder und die davon abhängigen Steuervergünstigungen berücksichtigt, richtet sich nach denselben Kriterien. Hier gelten für Familienkasse und Finanzamt dieselben Vorschriften (§ 63 Abs. 1 Satz 2 EStG, § 32 Abs. 3–5 EStG).

Ob die Voraussetzungen für die Berücksichtigung eines Kindes vorliegen, muss von Ihnen nachgewiesen werden. Wie das im Einzelnen geschieht, erklären wir Ihnen bei den jeweiligen Berücksichtigungsgründen.

Ändert sich etwas in den Verhältnissen für den Bezug von Kindergeld, müssen Sie dies Ihrer Familienkasse mitteilen.

Hierfür gibt es eine sog. Veränderungsmitteilung als Vordruck. Er heißt bei der Bundesagentur für Arbeit (www.arbeitsagentur.de) »Veränderungsmitteilung für das Kindergeld, KG 45«. Es reicht nicht, wenn Sie das Finanzamt, das Einwohnermeldeamt oder andere Stellen benachrichtigen. Zwischen den Behörden findet kein Informationsaustausch statt.

Ihr Kind ist arbeitslos und sucht eine Arbeit

Wenn Ihr Kind arbeitslos ist, kann es bei Ihnen berücksichtigt werden, wenn es

  • noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat,

  • nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und

  • bei einer Agentur für Arbeit bzw. einem Jobcenter im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist.

Ihnen steht für Ihr arbeitsloses Kind auch dann ohne weitere Voraussetzungen Kindergeld zu, wenn es bereits eine erste Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen hat. Die für Kinder in einer weiteren Ausbildung bestehenden Besonderheiten gelten bei arbeitslosen Kindern nicht → Kapitel »Erste Ausbildung abgeschlossen? Jetzt wird es kompliziert«.

Auch wenn Ihr Kind die Voraussetzungen nur an einem einzigen Tag im Monat erfüllt, kann es für diesen Monat berücksichtigt werden.

Für den Antrag auf Kindergeld gibt es bei der Bundesagentur für Arbeit (www.arbeitsagentur.de) den Vordruck »Erklärung für ein Kind ohne Ausbildungs- oder Arbeitsplatz, KG 11a«. Darin kann Ihr Kind auch seine Zustimmung für einen direkten Zugriff auf die für die Festsetzung des Kindergelds relevanten Daten bei den zuständigen Trägern erteilen. Wird die Zustimmung verweigert, müssen Sie sich um eine Bescheinigung kümmern, dass Ihr Kind arbeitssuchend ist.

3.2.1 Altersgrenze

Abgestellt wird auf den jeweiligen Monat. Ihr Kind darf das 21. Lebensjahr zu Beginn des Monats noch nicht vollendet haben. Dies ist nicht mehr der Fall, wenn der Geburtstag auf den 1. eines Monats fällt. Denn dann wird das 21. Lebensjahr bereits am letzten Tag des Vormonats vollendet.

Beispiel:

Dominik ist am 1.5.2001 geboren. Nach seiner Ausbildung zum Garten- und Landschaftsbauer hat er in diesem Beruf gearbeitet und ist seit 1.2.2022 arbeitslos.

Dominik vollendet am 30.4.2022 sein 21. Lebensjahr. Er kann daher als arbeitsloses Kind bis einschließlich April berücksichtigt werden. Für den Mai (und die folgenden Monate) kann er nicht mehr berücksichtigt werden, weil er bereits zu Beginn des Monats Mai das 21. Lebensjahr vollendet hat.

3.2.2 Ihr Kind muss beschäftigungslos sein

Nicht in einem Beschäftigungsverhältnis zu stehen bedeutet, beschäftigungslos zu sein (§ 138 Abs. 1 Nr.  1 SGB III). Unschädlich für das Kindergeld ist aber

  • eine geringfügige Beschäftigung (Minijob). Hier ist das monatliche Durchschnittseinkommen maßgebend. Ein höheres Einkommen in einzelnen Monaten ist unschädlich.

  • eine kurzfristige Beschäftigung, zum Beispiel als Saisonarbeit oder Aushilfstätigkeit. Bei einer kurzfristigen Beschäftigung kann Ihr Kind mehr als bei einem Minijob verdienen, nur darf die Tätigkeit nicht berufsmäßig ausgeübt werden.

  • ein Ein-Euro-Job (§ 16d SGB II), bei dem Hilfe zum Lebensunterhalt und eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen gewährt wird.

Bei einer selbstständigen Tätigkeit des Kindes kommt es auf den zeitlichen Umfang an. Ihr Kind wird noch berücksichtigt, wenn seine Arbeitszeit weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst. Gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt (§ 138 Abs. 3 SGB III). Arbeitet Ihr Kind mehr, gibt es kein Kindergeld. Dies gilt sogar selbst dann, wenn Ihr Kind weniger verdient als bei einer geringfügigen nichtselbstständigen Beschäftigung oder gar einen Verlust erlitten hat (BFH-Urteil vom 18.12.2014, III R 9/14, BStBl. 2015 II S. 653).

3.2.3 Ihr Kind muss als Arbeitsuchender gemeldet sein

Ihr Kind muss bei der Agentur für Arbeit oder einem Jobcenter als Arbeitsuchender gemeldet sein. Die Meldung muss persönlich durch das Kind erfolgen (§ 141 Abs. 1 SGB III). Eine Anzeige durch Dritte, zum Beispiel durch die Eltern, reicht nicht. Bereits allein durch die Meldung Ihres Kindes bei der Agentur für Arbeit oder einem Jobcenter wird bei der Familienkasse der Status Ihres Kindes als arbeitssuchend begründet. Die sozialrechtlichen Merkmale der Arbeitslosigkeit, wie Eigenbemühungen und Verfügbarkeit, müssen nicht nachgewiesen werden (BFH-Urteil vom 18.2.2016, V R 22/15, BFH/NV 2016 S. 914).

Kindergeld bekommen Sie ab dem Zeitpunkt der persönlichen Meldung Ihres Kindes bei der zuständigen Agentur für Arbeit bzw. Jobcenter als arbeitssuchend. Eine rückwirkende Berücksichtigung ist ausgeschlossen.

Beispiel:

Jennifer, geb. am 14. 9. 2001, verliert ab 1. 3. 2022 durch Kündigung ihres Arbeitgebers ihren Job. Ab diesem Zeitpunkt ist sie arbeitslos. Bei der zuständigen Agentur für Arbeit meldet sie sich erst am 10. 4. 2022 als arbeitssuchend für eine Beschäftigung von mindestens 15 Wochenstunden. Am 1. 11. 2022 findet Jennifer eine neue Beschäftigung.

Jennifer ist zwar ab März 2022 arbeitslos. Sie kann aber erst ab dem Zeitpunkt der Meldung als arbeitssuchend und damit ab April als Kind berücksichtigt werden. Weil sie am 13.9.2022 ihr 21. Lebensjahr vollendet, kann sie bis einschließlich September 2022 berücksichtigt werden.

Nicht entscheidend ist, ob Ihr Kind nach seiner Meldung von der Agentur bzw. dem Jobcenter als arbeitssuchend registriert wurde. Auch ohne Registrierung kann es Kindergeld geben, zum Beispiel wenn sie durch die Agentur bzw. das Jobcenter ohne Grund unterbleibt bzw. wieder gelöscht wird. Allerdings ist eine Registrierung sinnvoll. Denn sie ist für die Familienkasse ein Indiz für das andauernde Bemühen Ihres Kindes um einen Arbeitsplatz (BFH-Urteil vom 18.6.2015, VI R 10/14, BStBl. 2015 II S. 940).

Ist Ihrem Kind jedoch aufgrund seiner familiären Situation die Ausübung einer Tätigkeit nicht ohne Weiteres zumutbar, etwa wegen Erziehung eines eigenen noch nicht dreijährigen Kindes, reicht der bloße Antrag auf Bezug von Leistungen nach dem SGB II aber nicht. Um das Kindergeld zu erhalten, muss sich Ihr Kind in diesem Fall unbedingt bei der Agentur für Arbeit bzw. dem Jobcenter als arbeitssuchend melden (BFH-Urteil vom 22.9.2011, III R 78/08, BFH/NV 2012 S. 204; BFH-Urteil vom 27.12.2011, III B 187/10, BFH/NV 2012 S. 1104).

Nur die Stellung eines Antrags auf ALG II reicht dem BFH nicht immer! Achten Sie darauf, dass Ihr Kind nicht nur den Antrag stellt, sondern sich zugleich als arbeitssuchend meldet, entweder bei der Agentur für Arbeit oder einem Jobcenter. Nur dann sind Sie auf jeden Fall auf der sicheren Seite.

Eigene Bemühungen Ihres Kindes, die Beschäftigungslosigkeit auf eigene Initiative zu beenden, ohne gleichzeitige Beteiligung der Agentur für Arbeit oder des Jobcenters, reichen nicht. Sie müssen daher Ihr Kind auch in diesem Fall bitten, sich bei der Agentur für Arbeit oder dem Jobcenter als arbeitssuchend zu melden (BFH-Urteil vom 20. 11. 2008, III R 10/06, BFH/NV 2009 S. 567).

Die Agentur für Arbeit bzw. das Jobcenter ist grundsätzlich unbefristet zur Vermittlung verpflichtet (§ 38 SGB III). Deshalb endet die Meldung als arbeitssuchend nicht automatisch. Die Agentur für Arbeit bzw. das Jobcenter kann jedoch die Arbeitsvermittlung einstellen, wenn das Kind beachtliche Pflichten nicht erfüllt, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. In diesem Fall hat sie eine sog. Einstellungsverfügung zu erlassen, mit der das Kind von der Vermittlung für zwölf Wochen ausgeschlossen wird (sog. Vermittlungssperre). An diese Entscheidung ist die Familienkasse bzw. das Finanzgericht gebunden (BFH-Urteil vom 10.4.2014, III R 19/12, BFH/NV 2014 S. 347; BFH-Urteil vom 18.6.2015, VI R 10/14, BFH/NV 2015 S. 1474). Ab dem nächsten Monat wird kein Kindergeld mehr gewährt.

Gibt die Agentur für Arbeit bzw. das Jobcenter keine wirksame Einstellungsverfügung bekannt, muss die Familienkasse bzw. das Finanzgericht eigenständig prüfen, ob dem Kind eine beachtliche Pflichtverletzung vorzuwerfen ist. Allein die Tatsache, dass die Agentur für Arbeit bzw. das Jobcenter die Vermittlung eingestellt hat, führt nicht zum Verlust des Kindergelds (BFH-Urteil vom 10.4.2014, III R 19/12, BFH/NV 2014 S. 347; BFH-Urteil vom 18.6.2015, VI R 10/14, BFH/NV 2015 S. 1474).

Ob eine beachtliche Pflichtverletzung vorliegt, ist im Einzelfall zu prüfen. Bei einem »einfachen« Terminversäumnis ist die Agentur für Arbeit bzw. das Jobcenter wohl nicht zur Einstellung der Vermittlung berechtigt. Wurde dagegen die Pflicht zum Erscheinen in einer Eingliederungsvereinbarung vereinbart und kommt das Kind dieser Pflicht nicht nach, liegt eine beachtliche Pflichtverletzung vor. Damit wird ab dem folgenden Monat kein Kindergeld mehr gewährt.

Hier ist Streit vorprogrammiert. Einerseits trägt die Familienkasse die Feststellungslast für eine beachtliche Pflichtverletzung, wenn sie sich darauf beruft. Andererseits müssen Sie nachweisen, dass Ihr Kind die ihm obliegenden Pflichten erfüllt oder nur aufgrund des Vorliegens eines wichtigen Grundes verletzt hat (BFH-Urteil vom 26.8.2014, XI R 1/13, BFH/NV 2015 S. 15).

Dauert die Arbeitslosigkeit Ihres Kindes an? Um jegliche Schwierigkeiten zu vermeiden, achten Sie bei der Familienkasse oder dem Finanzamt darauf, dass Ihr Kind bei der Vermittlung der Agentur bzw. des Jobcenters ausreichend mitwirkt, damit diese ihre Vermittlung nicht einstellt.

Auch ohne Meldung bei der Agentur für Arbeit bzw. dem Jobcenter kann Ihr Kind nach Ansicht der Verwaltung berücksichtigt werden, wenn es krank ist. Eine Erkrankung ist durch eine Bescheinigung des behandelnden Arztes nachzuweisen. Diese ist jeweils nach Ablauf von sechs Monaten zu erneuern. War Ihr Kind bei der Agentur für Arbeit bzw. dem Jobcenter bisher noch nicht als arbeitslos gemeldet, muss es gegenüber der Familienkasse seinen Willen schriftlich erklären, sich unmittelbar nach Wegfall der Hinderungsgründe arbeitslos zu melden.

War Ihr Kind vor der Erkrankung bei der Agentur bzw. dem Jobcenter bereits gemeldet, muss es sich unmittelbar nach Wegfall der Hinderungsgründe wieder als Arbeitsuchender melden. Meldet es sich nicht, wird das Kindergeld ab dem Monat gestrichen, der dem Monat des Wegfalls der Hinderungsgründe folgt (DA-KG A 14.2 Abs. 1).

Die Auffassung der Verwaltung, wonach ein krankes Kind auch ohne Meldung bei der Agentur bzw. dem Jobcenter berücksichtigt werden kann, ist nicht unumstritten. Der BFH meint, die Meldung des Kindes sei nicht entbehrlich, es müsse sich zum Beispiel bei einem (Arbeits-)Unfall bei der Agentur für Arbeit als arbeitslos melden (BFH-Urteil vom 7.7.2016, III R 19/15, BStBl. 2017 II S. 124).

Ist Ihr Kind arbeitslos und kann es wegen eines Unfalls oder einer länger andauernden Erkrankung zurzeit nicht arbeiten? Dann sollte es sich trotzdem bei der Agentur für Arbeit bzw. dem Jobcenter als arbeitslos melden. Nur so können Sie ganz sicher sein, weiterhin Kindergeld zu erhalten.

Auch wenn Ihr Kind wegen eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz nicht bei der Agentur für Arbeit bzw. dem Jobcenter arbeitssuchend gemeldet war, erhalten Sie das Kindergeld. Eine Schwangerschaft und der voraussichtliche Tag der Entbindung müssen bei der Familienkasse durch ein ärztliches Zeugnis oder das Zeugnis einer Hebamme oder eines Entbindungshelfers nachgewiesen werden. Ein ärztliches Zeugnis wird von der Familienkasse auch bei einem Beschäftigungsverbot verlangt. Unterbricht das Kind wegen unzulässiger Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen die Ausbildung, möchte die Familienkasse eine entsprechende Bescheinigung des Ausbildungsbetriebs bzw. des Ausbilders sehen (DA-KG A 15.11 Abs. 3).

Befindet sich Ihr Kind in Elternzeit und ist daher nicht als Arbeitsuchender gemeldet, gilt es dagegen nicht als arbeitslos.

Die Meldung bei einem privaten Arbeitsvermittler ist einer Meldung bei der Agentur für Arbeit bzw. dem Jobcenter nicht gleichzustellen (BFH-Urteil vom 1.7.2003, VIII R 54/02, BFH/NV 2003 S. 1562). Genau gegenteiliger Auffassung ist ein Finanzgericht (FG Brandenburg vom 22.9.2006, 6 V 1413/06, EFG 2007 S. 201). Die Finanzverwaltung hat sich zu dieser Frage bisher nicht geäußert. Daher empfiehlt sich auch hier, parallel eine Meldung bei der Agentur für Arbeit bzw. dem Jobcenter vorzunehmen.

3.2.4 So weisen Sie die Voraussetzungen nach

Der Nachweis, dass Ihr Kind als Arbeitsuchender gemeldet ist, gelingt in aller Regel durch eine Bescheinigung der zuständigen Agentur für Arbeit bzw. des Jobcenters. Über die Bescheinigung hinaus werden von der Familienkasse keine weiteren Prüfungen vorgenommen. Sie geht von deren Richtigkeit aus (DA-KG A 14.1 Abs. 2).

Aber was ist, wenn die Agentur bzw. das Jobcenter die Meldung Ihres Kindes nicht bescheinigt, sie dies aber hätte tun müssen? Entscheidend ist, dass sich Ihr Kind tatsächlich rechtzeitig gemeldet bzw. seine Meldung rechtzeitig erneuert hat. Weil für die Meldung keine besondere Form vorgeschrieben ist, kann eine telefonische Kontaktaufnahme mit der Agentur bzw. dem Jobcenter ausreichen (BFH-Urteil vom 25.9.2008, VIII R 91/07, BStBl. 2010 II S. 47).

Bitten Sie Ihr Kind, über Telefonate mit der Agentur für Arbeit bzw. dem Jobcenter eine Gesprächsnotiz anzufertigen. Das Telefonat sollte möglichst jemand bezeugen können. Nur so können Sie eine unzutreffende oder nicht ausgestellte Bescheinigung widerlegen.

Als Nachweis der Meldung als arbeitssuchendes Kind gelten neben der o.g. Bescheinigung:

  • der Nachweis der Arbeitslosigkeit oder der Bezug von Arbeitslosengeld nach dem SGB III (DA-KG A 14.1 Abs. 2),

  • die Mitteilung der Arbeitslosigkeit im Rahmen des Antrags auf Bezug von Leistungen nach dem SGB II (BFH-Urteil vom 26.7.2012, BStBl. 2013 II S. 443).

Schule, Studium und Berufsausbildung

3.3.1 Altersgrenze

Ihr volljähriges Kind wird bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres bei Ihnen berücksichtigt, wenn es sich zumindest an einem Tag in einem Monat ernsthaft und nachhaltig für einen Beruf ausbilden lässt. Weitere Ausführungen zur Altersgrenze finden sich in → Kapitel »Ihr Kind ist arbeitslos und sucht eine Arbeit«. Die Absenkung der Altersgrenze von 27 auf 25 ist verfassungsgemäß (BVerfG-Beschluss vom 19.3.2015, 2 BvR 646/14).

Beispiel:

Jennifer ist am 14.3.1997 geboren. Während des ganzen Jahres 2022 hat sie an einer Universität studiert. Jennifer vollendet ihr 25. Lebensjahr mit Ablauf des 13.3.2022. Für sie wird damit nur noch bis März 2022 Kindergeld gezahlt.

3.3.2 Ausbildung – aber ernsthaft

In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft darauf vorbereitet. Es ist allerdings nicht erforderlich, dass die Ausbildungsmaßnahme die Zeit und Arbeitskraft Ihres Kindes überwiegend in Anspruch nehmen muss.

Zehn Wochenstunden Unterrichts- bzw. Ausbildungszeit oder mehr

Nach Meinung der Verwaltung muss die Zeit und Arbeitskraft des Kindes durch eine Ausbildung dermaßen in Anspruch genommen werden, dass ein Bezug zu dem angestrebten Berufsziel hergestellt wird und Bedenken gegen die Ernsthaftigkeit ausgeschlossen werden können. Hiervon geht sie aus, wenn die tatsächliche – reine – Unterrichts- bzw. Ausbildungszeit mindestens zehn Wochenstunden umfasst. Bei Unterricht ist unseres Erachtens nicht von Zeit-, sondern von Unterrichtsstunden auszugehen.

Weniger als zehn Wochenstunden Unterrichts- bzw. Ausbildungszeit

Wird durch die Teilnahme an Unterrichts- bzw. Ausbildungszeiten von weniger als zehn Wochenstunden die Schulpflicht erfüllt, ist dies trotzdem als Berufsausbildung anzusehen (BFH-Urteil vom 28.4.2010, III R 93/08, BStBl. 2010 II S. 1060). Jugendliche in Bayern und Baden-Württemberg ohne Lehrstelle, die weiterhin der Schulpflicht unterliegen, sind zum Besuch der Berufsschule verpflichtet (sog. »Jungarbeiterklassen«).

Erfolgt die Ausbildung freiwillig, sieht die Verwaltung eine tatsächliche Unterrichts- bzw. Ausbildungszeit von weniger als zehn Wochenstunden nur dann als ausreichende Ausbildung an, wenn der zusätzliche ausbildungsbezogene Zeitaufwand über das übliche Maß hinausgeht oder die besondere Bedeutung der Maßnahme für das angestrebte Berufsziel dies rechtfertigt (DA-KG A 15.3 Abs. 3).

Als üblich sieht sie einen gleich hohen Zeitaufwand für die Vor- und Nacharbeit des Unterrichts an sowie bis zu einer Stunde für eine einfache Wegstrecke. Gemessen an zehn Unterrichts- bzw. Ausbildungsstunden ergäbe sich somit gedanklich ein Zeitaufwand von mindestens 22 Wochenstunden.

Als ein über das übliche Maß hinausgehender Zeitaufwand wird etwa anerkannt:

  • besonders umfangreiche Vor- und Nacharbeit oder

  • wenn neben die Unterrichtseinheiten zusätzliche ausbildungsfördernde Aktivitäten bzw. die praktische Anwendung des Gelernten treten.

Damit dürfte die Verwaltung eine Ausbildung mit weniger als zehn Wochenstunden an Unterrichts- oder Ausbildungszeiten anerkennen, wenn mehr als eine Stunde pro Stunde Unterricht bzw. Ausbildungszeit an Vor- und Nacharbeit anfällt oder Ihr Kind sich an Lerngemeinschaften beteiligt oder Fachvorträge über das Erlernte hält.

Eine besondere Bedeutung der Maßnahme mit weniger als zehn Wochenstunden an Unterrichts- oder Ausbildungszeiten wird zum Beispiel anerkannt bei

  • Erwerb einer qualifizierten Teilnahmebescheinigung,

  • Prüfungsteilnahme,

  • regelmäßigen Leistungskontrollen,

  • »berufszielbezogener Üblichkeit« der Durchführung einer solchen Maßnahme, wenn also die Ausbildungsmaßnahme der üblichen Vorbereitung auf einen anerkannten Prüfungsabschluss dient oder wenn die einschlägigen Ausbildungs- oder Studienordnungen bzw. entsprechende Fachbereiche die Maßnahme vorschreiben oder empfehlen.

Ohne es konkret auszudrücken, scheint die Verwaltung zufrieden, wenn Sie eine irgendwie geartete Einbindung in eine Organisation nachweisen.

Beim BFH ist eine großzügige Tendenz zu beobachten, wenn es um die Anerkennung einer Berufsausbildung geht. Nach der Rechtsprechung richtet sich der erforderliche Umfang der Ausbildung stets nach den Gesamtumständen des Einzelfalls (BFH-Urteil vom 9.6.1999, VI R 33/98, BStBl. 1999 II S. 701).

Leider hat dies auch eine negative Seite: Hat Ihr Kind eine erstmalige Berufsausbildung auch in Form eines Erststudiums erfolgreich abgeschlossen, bekommen Sie nur noch dann Kindergeld für ein Kind in einer weiteren Ausbildung, auch in Form eines Zweitstudiums, wenn es keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht → Kapitel »Erste Ausbildung abgeschlossen? Jetzt wird es kompliziert«.

Sogar neben einem Vollzeitjob denkbar

Unerheblich ist, ob Ihr Kind Geld verdient, etwa eine Ausbildungsvergütung erhält. Selbst wenn es sich um einen sog. »Dauerberuf« handelt, kann es sich daneben in Ausbildung befinden, zum Beispiel ein Geselle, der die Meisterprüfung anstrebt, ein Aufstiegsbeamter oder ein Soldat auf Zeit, der zum Offizier ausgebildet wird (BFH-Urteil vom 16.4.2002, VIII R 58/01, BStBl. 2002 II S. 523).

Selbst wenn sich Ihr Kind neben einem Vollzeit-(Aushilfs-)Job für einen Beruf ausbilden lässt oder studiert, ist es als Kind in Berufsausbildung zu berücksichtigen. Sie erhalten Kindergeld, wenn es sich um die erste Berufsausbildung Ihres Kindes handelt. Ganz ohne Bedeutung ist, wie viel Ihr Kind verdient!

Achtung: Hat Ihr Kind jedoch eine erstmalige Berufsausbildung auch in Form eines Erststudiums erfolgreich abgeschlossen und möchte es noch eine weitere Berufsausbildung, auch in Form eines Studiums, absolvieren, erhalten Sie währenddessen nur Kindergeld, wenn Ihr Kind keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht → Kapitel »Erste Ausbildung abgeschlossen? Jetzt wird es kompliziert«.

Ihr Kind hat eine erstmalige Berufsausbildung auch in Form eines Erststudiums erfolgreich abgeschlossen und befindet sich in einer weiteren Ausbildung? Dann kann es beim Finanzamt seine Aufwendungen für diese Ausbildung als Werbungskosten geltend machen.

Steht es in einem Ausbildungsdienstverhältnis, mindern die Werbungskosten sofort die Einkünfte und damit die Steuerlast Ihres Kindes. Ansonsten werden die angefallenen Kosten als Verlustvortrag festgestellt. Die Werbungskosten sind dann nicht verloren und können von Ihrem Kind bei Eintritt in sein Berufsleben steuermindernd geltend gemacht werden. Beispielsweise ist die Feststellung eines Verlustvortrags sinnvoll, wenn Ihr Kind nach einer erfolgreich abgeschlossenen Berufsausbildung studiert.

3.3.3 Das ist Ausbildung

Allgemeine Regeln

Berufsausbildung ist die Ausbildung zu einem künftigen Beruf.

Der Begriff der Berufsausbildung ist weit zu fassen. Es zählen alle Maßnahmen zum Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen, die als Grundlage für den künftigen Beruf dienen können. Nicht verlangt wird, dass die Ausbildungsmaßnahmen in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben sind.

Zur Berufsausbildung gehört vor allem

  • der Besuch von Allgemeinwissen vermittelnden Schulen, wie Haupt- und Oberschulen, Gymnasien oder Fachschulen,

  • ein berufsbezogenes Ausbildungsverhältnis, zum Beispiel die Ausbildung in einem handwerklichen oder kaufmännischen Beruf,

  • ein Praktikum oder

  • ein Studium an einer Fachhochschule oder einer Universität.

Das Berufsziel wird von den Vorstellungen der Eltern und des Kindes bestimmt (BFH-Urteil vom 9.6.1999, VI R 33/98, BStBl. 1999 II S. 701). Es ist nicht bereits dann erreicht, wenn die Mindestanforderungen an eine berufliche Qualifikation erreicht sind. Daher ist Ihr Kind zum Beispiel auch dann (wieder) in Ausbildung, wenn es sein selbst gestecktes Berufsziel anstrebt und

  • ein nicht vorgeschriebenes Berufspraktikum durchführt oder

  • sich für eine höhere berufliche Qualifikation im erlernten und ausgeübten Beruf weiterbildet, zum Beispiel durch Besuch einer Fachschule oder Meisterschule, oder

  • sich für einen anderen Beruf ausbilden lässt oder

  • eine zweite Ausbildung oder Studium absolviert.

Die Vermittlung allgemein nützlicher Fertigkeiten oder allgemeiner Lebenserfahrung ist ebenso wenig eine Ausbildung für einen künftigen Beruf wie Kurse, Seminare o.Ä., bei denen die Herausbildung sozialer Eigenschaften im Vordergrund steht. Damit kann Ihr Kind nicht in Zeiten berücksichtigt werden, in denen es etwa einen Führerschein der Klasse B für Pkw anstrebt oder einen Kurs zur Verbesserung der Rhetorik oder der Persönlichkeitsbildung absolviert.

Wichtig: Ob die Kosten für die Ausbildung bei Ihrem Kind steuerlich gar nicht, als Sonderausgaben oder als (vorweggenommene) Werbungskosten zu behandeln sind, ist für die Berücksichtigung des Kindes bei Ihnen nicht relevant.

Befindet sich Ihr Kind in Ausbildung und ist es auswärtig untergebracht und wohnt zum Beispiel am Studienort, vergessen Sie bitte nicht, den Ausbildungsfreibetrag für Ihr Kind zu beantragen.

Schule und Studium: Besonderheiten
Schule

Schulausbildung ist jeder Besuch einer allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schule. Dabei ist gleich, ob es sich um eine öffentliche oder private Schule handelt. Der Unterricht muss nur nach staatlich genehmigten Lehrplänen bzw. in Anlehnung daran erteilt werden.

Aber Achtung: Der »Alibi«-Besuch einer Schule reicht nicht! Dann gibt es kein Kindergeld mehr. Hat ein Kind in einem Halbjahreszeugnis noch Noten zwischen »gut« und »ausreichend«, aber im Jahreszeugnis durchgehend »ungenügend« und »mangelhaft«, spricht dies dafür, dass das Kind sich nicht mehr um die Schule gekümmert hat (FG Köln vom 3.3.2010, 10 K 3312/08, EFG 2010 S. 1231).

Eine gute Nachricht: Die Vorlage einer gültigen Schulbescheinigung reicht den Familienkassen in der Regel für den Nachweis der Ernsthaftigkeit des Schulbesuchs aus (Da-KG A 15.5 Abs. 2). Diese prüfen nur ausnahmsweise, ob und inwieweit ein Kind seiner Anwesenheitspflicht in der Schule nachkommt.

Zur Schulausbildung zählt auch der Besuch einer vergleichbaren allgemein- oder berufsbildenden Schule im Ausland, zum Beispiel im Rahmen von Schüleraustauschprogrammen oder eines akademischen Jahres an einem amerikanischen College (DA-KG A 15.5 Abs. 4).

Studium

Ein Studium an einer Fachhochschule oder einer Universität ist Ausbildung. Neben einem Erststudium, also einem Studium, welches eine erste Berufsausbildung vermittelt, zählen auch

  • ein Studium nach der Lehre,

  • ein weiteres Studium,

  • ein Zusatzstudium mit dem Ziel »Master of Laws (LL.M.)« nach bestandenem Staatsexamen,

  • die Fortsetzung des Studiums nach bestandener Diplomprüfung oder

  • die Vorbereitung auf die Promotion, wenn sie im Anschluss an das erfolgreich abgeschlossene Studium ernsthaft und nachhaltig durchgeführt wird.

Ihr Kind muss ordentlich immatrikuliert sein. Studieren als Gasthörer reicht nicht. Die Zeiten der praktischen Studiensemester bei einer Fachhochschule zählen mit.

Und auch ein Studium muss ernsthaft betrieben werden. Geht das Kind seinem gewählten Ausbildungsgang nicht ernsthaft und hinreichend nach, indem etwa nur eine »Pro-forma-Immatrikulation« besteht, liegt keine Ausbildung vor. Eine zeitliche Mindestgrenze für eine im Inland absolvierte Schul- oder Universitätsausbildung gibt es aber nicht. Die für Sprachunterricht im Ausland geltenden Regeln können hier nicht angewendet werden (BFH-Urteil vom 8.9.2016, III R 27/15, BStBl. 2017 II S. 278).

Achtung: Studiert Ihr Kind nach einer abgeschlossenen ersten Berufsausbildung? Dann erhalten Sie nur dann Kindergeld, wenn Ihr Kind keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht → Kapitel »Erste Ausbildung abgeschlossen? Jetzt wird es kompliziert«.

Ihr Kind studiert nach seiner Berufsausbildung? Prüfen Sie, ob die Berufsausbildung und das nachfolgende Studium eine »mehraktige Berufsausbildung« bilden → Kapitel »Eine mehraktige Berufsausbildung ist keine neue Ausbildung«.

In diesem Fall bilden Berufsausbildung und Studium eine einheitliche Berufsausbildung. Weil dann die Erstausbildung noch nicht mit der Berufsausbildung abgeschlossen ist, ist nicht zu prüfen, ob eine neben dem Studium ausgeübte Erwerbstätigkeit noch unschädlich für das Kindergeld ist.

So weisen Sie die Ernsthaftigkeit des Schulbesuchs und Studiums nach

Nur eine Ausbildung, der ernsthaft nachgegangen wird, zählt. Im Zweifel müssen Sie die Ernsthaftigkeit nachweisen.

Keine Probleme gibt es, wenn Ihr Kind in einer schulischen »Mindestorganisation« eingebunden ist, wenn also durch vorhandene Strukturen der Schule eine dauernde Lernkontrolle stattfindet. Muss Ihr Kind in einer Schule regelmäßig präsent sein, ist dies der Fall.

Hängt Dauer und Intensität der Ausbildung von der Entscheidung und Selbstverantwortung Ihres Kindes ab, will die Verwaltung einen Nachweis der Ernsthaftigkeit der Ausbildung. Dies ist vor allem der Fall, wenn keine regelmäßige Präsenz an einer Ausbildungsstätte erforderlich ist, zum Beispiel bei

  • Universitäts- und Fachhochschulstudiengängen,

  • Fernuniversitäten,

  • Fernschulen etwa zur Vorbereitung auf eine Prüfung zur Erlangung des Hauptschulabschlusses, der Fachoberschulreife, des schulischen Teils der Fachhochschule oder des Abiturs oder

  • anderen Fernlehrgängen.

Als Nachweise kommen vor allem in Betracht:

  • Schulbescheinigung. Der Vordruck der Agentur für Arbeit (www.arbeitsagentur.de) hierfür hat die Bezeichnung »Schulbescheinigung für das Kindergeld, KG 5a«;

  • Studienbescheinigung, aus der die Anzahl der geleisteten Fachsemester ersichtlich ist. Diese wird alle zwei Jahre angefordert (DA-KG A 15.10 Abs. 13);

  • Bescheinigung über die regelmäßige Einreichung von Hausarbeiten zur Korrektur bei einer Fernschule;

  • Bescheinigung einer Fernschule über den Fortgang der Ausbildung;

  • Vorlage von Leistungsnachweisen wie beispielsweise

    • »Scheine« oder

    • Bescheinigungen der die Ausbildung Betreuenden über Einreichung von Arbeiten zur Kontrolle;

  • detaillierte Aufzeichnungen Ihres Kindes über Prüfungsvorbereitungen, zum Beispiel ein Arbeitsplan;

  • Teilnahmebescheinigungen.

Das Hessische Finanzgericht hat es als entscheidend für die Ernsthaftigkeit angesehen, dass das Kind an 23 Tagen das Studienzentrum aufgesucht hat, um an Kursen, Übungen, Seminaren bzw. sonstigen Veranstaltungen der Fernuniversität Hagen teilzunehmen (Hessisches FG vom 3.12.2008, 2 K 2177/07).

Machen Sie der Familienkasse und dem Finanzamt am besten unaufgefordert anhand von Nachweisen klar, dass Ihr Kind nicht nur auf dem Papier studiert, sondern das Studium ernsthaft betreibt, auch wenn es »nur« ein Fernstudium ist. Halten Sie Ihr Kind an, sein Studium möglichst präzise zu dokumentieren und bei der Universität die geeigneten Nachweise anzufordern.

Im Ergebnis darf kein Unterschied bestehen zwischen beispielsweise einer Präsenzuniversität und einer Fernuniversität. Wichtig ist auch, dass sich aus den Bescheinigungen eine Nachhaltigkeit der durchgeführten Ausbildung ergibt. Am besten kann dies durch eine Bescheinigung nachgewiesen werden, dass laufend Aufgaben zur Kontrolle eingesendet werden.

So hat das Finanzgericht München das Einschreiben in einen Fernlehrgang Web-Designerin eines Fernlehrinstituts nicht als ausreichend angesehen, weil über einen Zeitraum von 21 Monaten keine Nachweise über das Einsenden von Aufgaben vorgelegt werden konnten (FG München vom 27.2.2008, 10 K 931/07, EFG 2008 S. 960).

Die Ernsthaftigkeit ist auch nachzuweisen bei der Vorbereitung auf einen Abschluss im Selbststudium. In diesem Fall werden an den Nachweis und die Ernsthaftigkeit der Vorbereitung strenge Anforderungen gestellt. Wurde die angestrebte Abschlussprüfung bestanden, geht der BFH davon aus, dass sich das Kind ernsthaft und nachhaltig auf diese Prüfung vorbereitet hat (BFH-Urteil vom 9.11.2012, III B 98/12, BFH/NV 2013 S. 192). Bei einer ernsthaften Vorbereitung befindet sich das Kind zum Beispiel bei der Vorbereitung auf die Abiturprüfung für Nichtschüler zumindest ab dem Monat der Anmeldung zur Prüfung in Ausbildung (BFH-Urteil vom 18.3.2009, III R 26/06, BStBl. 2010 II S. 296).

Der sichere Nachweis der Ernsthaftigkeit bei einem Selbststudium gelingt Ihnen durch

  • detaillierte Aufzeichnungen des Tagesablaufs, wie sich Ihr Kind konkret im Einzelnen auf das Abitur zu Hause vorbereitet (FG Köln vom 17.7.2008, 14 K 3413/07, EFG 2008 S. 1903);

  • Bescheinigungen über die

    • Teilnahme an Vorbereitungslehrgängen,

    • Teilnahme an freiwilligen Zwischenprüfungen,

    • regelmäßige Abgabe von Hausaufgaben,

    • Anmeldung zur Prüfung und

    • Zulassung zur Prüfung.

Berufsbezogene Ausbildung

Unproblematisch ist die Ausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf, etwa im handwerklichen, kaufmännischen, technischen, wissenschaftlichen oder hauswirtschaftlichen Bereich (»Lehre«). Aber auch eine weiterführende Ausbildung im erlernten Beruf, um eine höhere Qualifikation zu erreichen, oder die Ausbildung für einen weiteren Beruf werden als Ausbildung anerkannt.

Strebt Ihr Kind einen nicht staatlich geregelten Beruf an, muss es mit der Ausbildung die Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben können, die zur Ausübung des angestrebten Berufs notwendig sind. Wichtig ist, dass kein Arbeits-, sondern ein Ausbildungsverhältnis besteht. Letztlich muss Ihrem Kind durch die Ausbildung möglich sein, nach erfolgreichem Abschluss mit den erworbenen Fähigkeiten eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen.

Zur Berufsausbildung zählen beispielsweise

  • der Vorbereitungsdienst der Beamtenanwärter oder der Lehramts- und Rechtsreferendare;

  • die Unterweisung in einem firmeninternen Anlernverhältnis, wenn ihr ein Ausbildungsplan zugrunde liegt, zum Beispiel die innerbetriebliche Schulungsmaßnahme zum Hörberater, deren Ausbildungsplan eng an die Ausbildungsordnung für den staatlich anerkannten Ausbildungsberuf des Hörgeräteakustikers angelehnt ist (FG Düsseldorf vom 8.8.2000, 14 K 8103/99 Kg, EFG 2000 S. 1338);

  • eine Volontärtätigkeit, die ausbildungswillige Kinder vor Annahme einer voll bezahlten Beschäftigung gegen geringe Entlohnung absolvieren, wenn der Ausbildungscharakter im Vordergrund steht, etwa ein detaillierter Ausbildungsplan vorhanden ist. Nach diesem muss in verschiedenen Bereichen des angestrebten Berufs ausgebildet und unterwiesen werden. Gleiches gilt für eine Tätigkeit als Trainee (DA-KG 15.8 Abs. 5);

  • der Erwerb der ersten Musterberechtigung (sog. type rating) durch einen Verkehrsflugzeugführer nach fertiger Ausbildung (BFH-Urteil vom 4.3.2010, III R 23/08, BFH/NV 2010 S. 1264). Die Musterberechtigung ist Voraussetzung dafür, auf einem bestimmten Flugzeugtyp als Pilot eingesetzt zu werden;

  • durch Unterhaltsgeld oder Übergangsgeld geförderte Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung oder zur beruflichen Eingliederung behinderter Menschen, wenn sie mindestens sechs Monate dauern. Bei einer kürzeren Zeit prüft die Verwaltung im Einzelfall, ob die Zeiten berücksichtigt werden können;

  • berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit öffentlichen Sofortprogrammen zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit;

  • der Besuch einer Bibelschule, um Diakonin im freikirchlichen Bereich zu werden (Niedersächsisches FG vom 29.6.1999, VIII 854/98, EFG 1999 S. 1136) oder um sich auf eine Tätigkeit als Missionar vorzubereiten (FG Sachsen-Anhalt vom 12.10.2010, 4 K 1629/09). Hingegen dient der Besuch einer Missionsschule in aller Regel in einem weit überwiegenden Umfang der Persönlichkeits- und Charakterbildung und damit nicht der Vorbereitung auf einen konkret angestrebten Beruf (BFH-Urteil vom 13.12.2018, III R 25/18, BStBl. 2019 II S. 256);

  • die Ausbildung zum Golftrainer bzw. Golfprofi. Auch Zeiten der Vorbereitung zur Erreichung der für den Ausbildungsbeginn erforderlichen Spielstärke (Handicap) gehören zur Berufsausbildung, wenn die ausbildungsorientierten Maßnahmen während dieser Vorbereitungszeit von fachlich autorisierter Stelle vorgegeben und vom Kind ernsthaft umgesetzt werden (FG Rheinland-Pfalz vom 8.7.2002, 5 K 1209/01, DStRE 2003 S. 594).

Entscheidend ist, dass die Berufsausbildung der Vorbereitung auf einen konkreten angestrebten Beruf dient. Daher sind Freiwilligendienste grundsätzlich keine Berufsausbildung. Denn sie dienen in der Regel der Erlangung sozialer Erfahrungen und der Stärkung des Verantwortungsbewusstseins für das Gemeinwohl (BFH-Urteil vom 18.6.2014, III B 19/14, BFH/NV 2014 S. 1541).

Soweit Ihr Kind in den Laufbahngruppen der Bundeswehr Berufsausbildungsmaßnahmen durchläuft, steht Ihnen Kindergeld zu. Weil sich Ihr Kind bei der Bundeswehr in einem Ausbildungsdienstverhältnis befindet, spielt es keine Rolle, ob es vorher bereits eine (Erst-)Ausbildung abgeschlossen hat → Kapitel »Was ist eine schädliche Erwerbstätigkeit«.

Wichtig ist, dass nicht die Erbringung bezahlter Arbeitsleistungen, sondern der Ausbildungscharakter im Vordergrund steht. Für eine Ausbildung bei der Bundeswehr sprechen zum Beispiel ein Ausbildungsplan oder die Unterweisung in Tätigkeiten, welche qualifizierte Kenntnisse und/oder Fertigkeiten erfordern. Bei dieser Prüfung ist das gesamte Dienstverhältnis zu betrachten. Werden etwa »nur« einzelne Lehrgänge durchlaufen, gibt es für diese Monate kein Kindergeld (BFH-Urteil vom 22.2.2017, III R 20/15, BStBl. 2017 II S. 913; BFH-Urteil vom 7.7.2021, III R 24/19).

In diesen Fällen liegt zum Beispiel eine Berufsausbildung vor:

  • die Ausbildung eines Soldaten auf Zeit als Offizier im Truppendienst (BFH-Urteil vom 16.4.2002, VIII R 58/01, BStBl. 2002 II S. 523). Auch ein Reserveoffiziersanwärter wird selbst dann für einen Beruf ausgebildet, wenn nicht abzusehen ist, ob er einen Antrag auf Verlängerung der Dienstzeit oder die Übernahme als Berufssoldat stellen oder am Ende seiner Dienstzeit aus der Bundeswehr ausscheiden und sodann einen anderen Beruf ergreifen wird (BFH-Urteil vom 8.5.2014, III R 41/13, BStBl. 2014 II S. 717). Allerdings gehören die Lehrgänge nach der Ernennung zum Leutnant nicht mehr zur Ausbildung. Nicht klar ist, ob eine Studienzeit nach der Ernennung noch zur Ausbildung zählt (BFH-Beschluss vom 9.3.2016, III B 146/15, BFH/NV 2016 S. 918). Dies dürfte unseres Erachtens jedoch zu bejahen sein;

  • die Ausbildung eines Soldaten auf Zeit als Fachunteroffizier, zum Beispiel die Ausbildung eines Unteroffiziersanwärters zum Telekommunikationselektroniker (BFH-Urteil vom 15.7.2003, VIII R 19/02, BStBl. 2007 II S. 247). Sog. Verwendungslehrgänge, um einen bestimmten Dienstposten ausfüllen zu können, sind grundsätzlich nicht mehr Teil der Ausbildung (BFH-Urteil vom 23.6.2015, III R 37/14, BStBl. 2016 II S. 55; BFH-Urteil vom 22.6.2016, V R 32/15, BFH/NV 2016 S. 1554);

  • die Ausbildung eines Soldaten zum Kraftfahrer der Fahrerlaubnisklasse CE für die anschließende Verwendung im Mannschaftsdienstgrad (BFH-Urteil vom 10.5.2012, VI R 72/11, BStBl. 2012 II S. 895).

  • Weiterbildungen bzw. Ausbildungsmaßnahmen eines Soldaten, die den Aufstieg in eine höhere Laufbahngruppe, den Einstieg in eine Laufbahngruppe oder den Laufbahnwechsel vom Unteroffizier ohne Portepee zum Unteroffizier mit Portepee ermöglichen. Leistet ein Soldat lediglich Dienst auf Zeit (z.B. im Mannschaftsdienstgrad), reicht dies nicht. Er muss tatsächlich eine Ausbildung erhalten und der Ausbildungscharakter muss im Vordergrund stehen (BFH-Urteil vom 30.7.2009, III R 77/06, BFH/NV 2010 S. 28; BFH-Urteil vom 16.9.2015, III R 6/15, BStBl. 2016 II S. 281).

Wichtig: Steht bereits zu Beginn der Verpflichtungszeit fest, dass sich an die allgemeine Grundausbildung eine Dienstpostenausbildung anschließen wird, zählt die Zeit der Grundausbildung bereits mit (BFH-Urteil vom 10.5.2012, VI R 72/11, BStBl. 2012 II S. 895).

Auch ein Praktikum zählt

Ein vorgeschriebenes Praktikum zählt als Ausbildung. Auch ein durch eine Ausbildungs- oder Studienordnung empfohlenes Praktikum wird ohne Weiteres anerkannt (DA-KG A 15.8 Abs. 2).

Ein freiwilliges Praktikum dient dann der Ausbildung, wenn der Ausbildungszweck für einen angestrebten Beruf im Vordergrund steht, etwa das Anwaltspraktikum eines Jurastudenten (BFH-Urteil vom 9.6.1999, VI R 16/99, BStBl. 1999 II S. 713).

Die Verwaltung erkennt einen Zeitraum von maximal zwölf Monaten an, wenn ein ausreichender Bezug zur Ausbildung glaubhaft gemacht werden kann. Am besten liegt dem Praktikum ein detaillierter Ausbildungsplan zugrunde, dann gibt es keine Probleme (DA-KG A 15.8 Abs. 3).

Zieht sich ein Praktikum im Inland über einen längeren Zeitraum hin, zum Beispiel weil es nur jeweils für eine Woche im Monat stattfindet, zählt es trotzdem als Ausbildung, da das Kind dem Praktikum für einen »nicht unerheblichen Zeitraum im Monat« nachgeht. Es müssen also keine zeitlichen Mindestgrenzen beachtet und das Praktikum muss auch nicht »am Stück« absolviert werden (BFH-Urteil vom 22.11.2012, V R 60/10, BFH/NV 2013 S. 531).

Ein Vorpraktikum zählt ebenfalls, wenn dieses im Rahmen der Berufsorientierung dazu dient, Einblicke in Inhalte, Anforderungen, Strukturen und Themen des jeweiligen Berufsbildes zu vermitteln. Die Finanzverwaltung erkennt hier einen Zeitraum von drei Monaten an (DA-KG A 15.8 Abs. 4).

Nicht anerkannt wird ein Vorpraktikum, das lediglich dazu dient, bestimmte Eignungskriterien oder nur das Vorhandensein einer gewissen Erfahrung, eines Einblicks in das Berufsleben oder allgemein eine gewisse Reife zu vermitteln, also lediglich allgemein nützlich ist (FG Düsseldorf vom 21.1.1999, 10 K 9437/97 Kg, EFG 1999 S. 560). Die gleichen Grundsätze dürften unseres Erachtens für eine Hospitation gelten.

Wird Ihr Kind für die Zeit eines Praktikums bezahlt, liegt trotzdem eine Berufsausbildung vor. Die Bezahlung darf nur nicht als Lohn für geleistete Dienste anzusehen sein. Denn Praktikanten sollen in erster Linie etwas lernen und keine billigen Arbeitskräfte sein.

Daher grenzt der BFH ein Praktikum gegenüber einem gering bezahlten Arbeitsverhältnis ab (BFH-Urteil vom 21.1.2010, III R 17/07, BFH/NV 2010 S. 1423; BFH-Urteil vom 10.4.2019, III R 37/18, BFH/NV 2019 S. 1103). Steht die Arbeitsleistung des Kindes im Vordergrund, ist von einem nicht begünstigten Arbeitsverhältnis auszugehen.

Besonders wenn ein Praktikum mehrere Monate dauert und gering entlohnt wird, wird die Familienkasse genauer hinschauen. Kritisch ist auch, wenn das Kind im vom Betrieb ausgestellten Zeugnis als »Gehilfin« bezeichnet wird.

Ebenfalls Probleme wird es mit der Familienkasse geben, wenn Ihr Kind ein sog. »Praxisjahr« absolviert, selbst wenn diese Zeit für eine nachfolgende erstmalige Ausbildung gefordert wird. Denn auch hier wird die Familienkasse möglicherweise von einem Arbeitsverhältnis ausgehen. Ob ein erforderliches Praxisjahr als Teilabschnitt einer sog. mehraktigen Berufsausbildung angesehen werden kann, lesen Sie im → Kapitel »Erste Ausbildung abgeschlossen? Jetzt wird es kompliziert?«.

Immer müssen die Kriterien, die im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände für einen im Vordergrund stehenden Ausbildungscharakter sprechen können, im Vordergrund stehen. Dies sind u.a.

  • das Vorhandensein eines Ausbildungsplans,

  • die Unterweisung in Tätigkeiten, welche qualifizierte Kenntnisse und/oder Fertigkeiten erfordern,

  • die Erlangung eines die angestrebte Berufstätigkeit ermöglichenden Abschlusses und

  • ein gegenüber einem normalen Arbeitsverhältnis geringeres Entgelt.

Kein Praktikum und damit keine Berufsausbildung ist die Teilnahme an einem Freiwilligen Sozialen oder Ökologischen Jahr → Kapitel »Freiwillige soziale und ökologische Dienste«. Eine Ausnahme gilt bei Sozialarbeitern, deren Ausbildung eine dreijährige Bewährung im Beruf erfordert. In diese drei Jahre kann das Freiwillige Soziale Jahr einbezogen werden (BFH-Urteil vom 24.6.2004, III R 3/03, BStBl. 2006 II S. 294).

Wird Ihr Kind für sein Praktikum entlohnt? Weisen Sie Ihr Kind darauf hin, dass für ein Praktikum kein Arbeitsvertrag, sondern ein Praktikumsvertrag abgeschlossen wird. Allein die Bezeichnung der Tätigkeit als Praktikum reicht aber auch nicht. Der Ausbildungszweck muss im Vordergrund stehen. Daher sollten im Vertrag die Praktikumsinhalte im Einzelnen genannt werden. Wird ein Zeugnis erteilt, sollten sich hieraus die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten ergeben.

Ihr Kind ist zur Ausbildung im Ausland
Im Ausland studieren

Hält sich Ihr Kind zum Zwecke einer Schul- oder Berufsausbildung in einem Staat außerhalb der EU bzw. EWR auf, kann Ihr Anspruch auf Kindergeld gefährdet sein. Geht die Familienkasse von einem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt Ihres Kindes im ausländischen Staat aus, gibt es kein Kindergeld mehr (§ 63 Abs. 1 Satz 6 EStG).

Bei einem Auslandsaufenthalt von nicht mehr als einem Jahr sind keine Probleme zu erwarten. In diesem Fall wird die Familienkasse davon ausgehen, dass das Kind zu Ihrem Haushalt gehört und damit seinen Wohnsitz weiterhin im Inland hat. Wird die Absicht zur Rückkehr innerhalb des Jahres aufgegeben, kann in diesem Moment der Wohnsitz aufgegeben worden sein. Ab diesem Moment kommt es auf die Inlandsaufenthalte an.

Denn bei einem von vornherein länger als einem Jahr geplanten Auslandsaufenthalt reicht es nicht, wenn dem Kind die elterliche Wohnung weiterhin zur Verfügung steht. Das Kind muss während der ausbildungsfreien Zeiten die inländische Wohnung zum zwischenzeitlichen Wohnen auch nutzen. Nur dann kann von einem Beibehalten des inländischen Wohnsitzes ausgegangen werden. Dabei kommt der Dauer der Inlandsaufenthalte erhebliche Bedeutung zu.

Für den Fall eines Auslandsstudiums, zum Beispiel eines mehrjährigen Studiums in den USA, sind jährlich fünf Monate Aufenthalt in der inländischen Wohnung während des Studiums auf jeden Fall ausreichend (BFH-Urteil vom 28.4.2010, III R 52/09, BStBl. 2010 II S. 1013).

Aber auch bei weniger langen Aufenthalten im Inland schließt der BFH eine Berücksichtigung nicht unbedingt aus. Der 5-Monats-Zeitraum ist keine starre Grenze. Auf jeden Fall reichen kurzzeitige Aufenthalte im Inland aber nicht, wenn sie nur zu Urlaubszwecken, Besuchszwecken oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen, dienen (BFH-Urteil vom 25.9.2014, III R 10/14, BStBl. 2015 II S. 655).

Wichtig ist, dass das Kind seine ausbildungsfreie Zeit zu mehr als 50% und damit überwiegend in Deutschland verbringt. Ist dieser Punkt zwischen der Familienkasse und Ihnen streitig, können Sie ggf. auch auf Inlandsaufenthalte Ihres Kindes außerhalb des streitigen Zeitraums verweisen (BFH-Urteil vom 23.6.2015, III R 38/14, BStBl. 2016 II S. 102).

Aufenthalte von zwei bis drei Wochen pro Jahr dürften damit wohl auf keinen Fall reichen. Und auch fehlende finanzielle Mittel für mehr Aufenthalte zu Hause, beispielsweise für Heimflüge bei einem Studium in den USA, lässt der BFH leider nicht gelten. Dies kann das erforderliche »Innehaben« der inländischen Wohnung nicht ersetzen.

Anhaltspunkt können auch die persönlichen Beziehungen an den jeweiligen Aufenthaltsorten sein. Bestehen persönliche Beziehungen im Inland nicht nur zu den Eltern, sondern etwa auch weiterhin zu Geschwistern im Inland, während am Ausbildungsort keine verwandtschaftlichen Beziehungen bestehen, kann dies ein gewichtiges Indiz für einen im Inland beibehaltenen Wohnsitz sein.

Auch die Art der Unterbringung zählt. Verfügt Ihr Kind am Ausbildungsort zum Beispiel in einem Studentenwohnheim gerade über so viel Wohnfläche, um das Nötigste unterzubringen, spricht dies auch für einen im Inland weiterhin existierenden Wohnsitz (BFH-Urteil vom 23.6.2015, III R 38/14, BStBl. 2016 II S. 102).

Die Dauer des Inlandsaufenthalts vor dem Beginn oder nach dem Ende des Studiums bzw. des Ausbildungsverhältnisses bleibt außer Betracht. Es zählen nur die Aufenthalte im inländischen Elternhaus während des Studiums bzw. Ausbildungsverhältnisses. Das gilt auch, wenn Ihr Kind nach Abschluss des Studiums möglicherweise eine berufliche Karriere im Ausland beginnen wird (BFH-Urteil vom 26.6.2013, III B 5/13, BFH/NV 2013 S. 1386).

Beispiel:

Die 20-jährige Lena beginnt am 1. November ihr fünfjähriges Auslandsstudium in den USA. Es steht fest, dass sie frühestens nach Deutschland zurückkehren wird, wenn ihr Studium vorbei ist. Während der studienfreien Zeiten möchte sie Land und Leute kennenlernen.

Ab November kann für Lena kein Kindergeld mehr beansprucht werden, auch wenn sie sich die vorherigen zehn Monate des Jahres im Inland aufgehalten hat. Es ist auf den Zeitraum ab dem 1. November abzustellen. Ab diesem Zeitpunkt wohnt sie in den USA.

Unklar ist, ob die Familienkasse weiter Kindergeld zahlen muss, wenn der Studienaufenthalt im Ausland zunächst nur für ein Jahr geplant war, dann aber verlängert wird. Hier dürfte die Bindung an den Wohnsitz im Haushalt der Eltern im ersten Jahr nicht verloren gehen und das Kindergeld müsste für diesen Zeitraum weitergezahlt werden. Ob für die weitere Zeit Kindergeld gezahlt wird, hängt davon ab, ob nach den obigen Kriterien, wie etwa die überwiegende freie Zeit bei den Eltern zu verbringen, der Wohnsitz in Deutschland weiter fortbesteht (FG Niedersachsen vom 7.1.2020, 5 K 168/17, Az. des BFH III R 11/21).

Studiert Ihr Kind außerhalb der EU/EWR und hat die Familienkasse das Kindergeld gestrichen? Dann vergessen Sie nicht, beim Finanzamt die kindbezogenen Steuervergünstigungen zu beantragen. Achten Sie darauf, dass das Finanzamt Ihnen die Freibeträge für Kinder gewährt, aber das Kindergeld nicht gegenrechnet. Denn darauf haben Sie ja keinen Anspruch.

Das Finanzamt ist in dieser Beziehung etwas großzügiger als die Familienkasse. Der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt Ihres Kindes spielt für die Gewährung der Freibeträge für Kinder keine Rolle. Allerdings werden die Freibeträge gekürzt, je nachdem, in welchem Staat Ihr Kind lebt.

Dies erfolgt anhand der Ländergruppeneinteilung.

Sprachaufenthalte

Zur Berufsausbildung gehört auch der Erwerb von Sprachfertigkeiten. Denn es ist davon auszugehen, dass gute Fremdsprachenkenntnisse sowohl für den Erwerb eines Ausbildungsplatzes als auch für die Berufsaufnahme und das spätere berufliche Fortkommen eine bessere Ausgangsposition schaffen (BFH-Urteil vom 9.6.1999, VI R 143/98, BStBl. 1999 II S. 710).

Allerdings muss der Erwerb der Fremdsprache die spätere Berufsmöglichkeit fördern. So ist die Tätigkeit als Fremdsprachenassistentin, die darin besteht, in Frankreich an einer Schule Deutschunterricht zu erteilen, bei einem Kind, das ein Studium der Politikwissenschaft aufnehmen will, nicht Teil der Berufsausbildung (BFH-Urteil vom 15.7.2003, VIII R 79/99, BStBl. 2003 II S. 843).

Im schulischen Bereich ist der erforderliche Bezug zu einem Beruf wegen der planmäßigen Ausbildung unproblematisch gegeben, zum Beispiel bei Fremdsprachenkursen im Ausland oder bei Austauschprogrammen.

Im nachschulischen Bereich werden Sprachaufenthalte im Ausland von der Verwaltung genauer geprüft, um sie von Urlaubsreisen abzugrenzen (BFH-Urteil vom 28.4.2010, III R 93/08, BStBl. 2010 II S. 1060). Ein Sprachaufenthalt im Ausland wird ohne Weiteres als Berufsausbildung anerkannt, wenn der Aufenthalt in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgegeben oder empfohlen ist (BFH-Urteil vom 9.6.1999, VI R 143/98, BStBl. 1999 II S. 710).

Die Verwaltung erkennt Sprachaufenthalte als Berufsausbildung an, wenn das Kind die Fremdsprachenkenntnisse nicht allein im Selbststudium erwirbt, sondern Ausbildungsinhalt und Ausbildungsziel von einer fachlich autorisierten Stelle vorgegeben werden. Hiervon geht sie aus, wenn der Sprachaufenthalt mit dem Besuch allgemeinbildender Schulen, eines College oder einer Universität verbunden ist (DA-KG A 15.9 Abs. 1).

In anderen Fällen, insbesondere bei Auslandsaufenthalten im Rahmen von Au-pair-Verhältnissen, wird eine Ausbildung nur dann angenommen, wenn das Kind an einem begleitenden theoretisch-systematischen Sprachunterricht teilnimmt. Der Au-pair-Aufenthalt als solcher stellt aber keine Ausbildung dar (BFH-Urteil vom 26.10.2012, VI R 102/10, BFH/NV 2013 S. 366).

Dies gilt selbst dann, wenn Ihr Kind bereits über ausreichende Fremdsprachenkenntnisse verfügt und daher nicht an einem Sprachkurs teilnimmt (BFH-Urteil vom 15.12.2011, III B 34/11, BFH/NV 2012 S. 728). Ein Auslandsaufenthalt ohne gründliche Sprachausbildung reicht auch dann nicht, wenn er Erfahrungen und Fähigkeiten vermittelt, die sich allgemein förderlich auf die Chancen auswirken, einen Ausbildungsplatz oder eine Beschäftigung zu erringen (BFH-Urteil vom 15.3.2012, III R 82/10, BFH/NV 2012 S. 1588).

Im Ausland muss Ihr Kind aber nicht unbedingt eine Schule besuchen. Auch die Unterweisung durch die Gasteltern kann zählen, selbst wenn diese über keine Lehrqualifikation verfügen. Allerdings gelten dann ganz strenge Regeln. Um überhaupt eine Chance auf Anerkennung zu haben, müssen Sie bzw. Ihr Kind ganz detaillierte Angaben machen können, etwa ob ein Lehrbuch systematisch durchgearbeitet wurde, in welchem Zusammenhang die Konversation stattgefunden hat und welche Vorbildung die Gasteltern haben (BFH-Urteil vom 15.3.2012, III R 58/08, BStBl. 2012 II S. 743).

Auch die Unterrichtszeit spielt eine Rolle: Sprachunterricht mit durchschnittlich mindestens zehn Unterrichtsstunden wöchentlich ist Berufsausbildung. Eine Unterrichtszeit von weniger als durchschnittlich zehn Wochenstunden wird als ausreichend angesehen

  • bei Einzelunterricht wegen der umfänglicheren Vor- und Nacharbeit (BFH-Urteil vom 9.6.1999, VI R 143/98, BStBl. 1999 II S. 710).

  • wenn neben dem Fremdsprachenunterricht zusätzliche fremdsprachenfördernde Aktivitäten unternommen werden und daher ein über die übliche Vor- und Nachbereitung hinausgehender zusätzlicher Zeitaufwand anfällt, zum Beispiel die Teilnahme an Vorlesungen (BFH-Urteil vom 9.6.1999, VI R 33/98, BStBl. 1999 II S. 701) oder fachlich orientierter Sprachunterricht wie beispielsweise Englisch für Juristen oder Vorträge des Kindes in der Fremdsprache (BFH-Urteil vom 15.3.2012, III R 58/08, BStBl. 2012 II S. 743).

  • bei Auslandsaufenthalten, die von einer Ausbildungs- oder Prüfungsordnung zwingend vorausgesetzt werden oder der Vorbereitung auf einen für die Zulassung zum Studium oder zu einer anderen Ausbildung erforderlichen Fremdsprachentest dienen (z.B. TOEFL oder IELTS). Diese können unabhängig vom Umfang des Fremdsprachenunterrichts als Berufsausbildung zu qualifizieren sein. Wichtig ist, dass das Kind beim Erwerb der Fremdsprachenkenntnisse nicht allein gelassen wird. Es reicht eine fortlaufende theoretische systematische Wissensvermittlung in der Landessprache (BFH-Urteil vom 22.2.2017, III R 3/16, BFH/NV 2017 S. 1304). Hingegen ist die Vorbereitung auf die Prüfung »ESOL Skills for Life« keine Berufsausbildung, weil die absolvierte Sprachprüfung für die Integration von Einwanderern konzipiert wurde (BFH-Urteil vom 15.3.2012, III R 58/08, BStBl. 2012 II S. 743).

  • für einzelne Monate, wenn sie durch intensiven, die Grenze von zehn Wochenstunden deutlich überschreitenden Unterricht geprägt werden, zum Beispiel Blockunterricht oder Lehrgänge (BFH-Urteil vom 15.3.2012, III R 58/08, BStBl. 2012 II S. 743; BFH-Beschluss vom 14.6.2016, III B 132/15, BFH/NV 2016 S. 1449). Dann bekommen Sie zumindest für diese Monate Kindergeld.

Der BFH betont, dass es keine festen Vorgaben gibt. Entscheidend seien die jeweiligen Umstände des Einzelfalls:

  • Jedenfalls reicht ein Geschichtskurs im Umfang von 2,5 Zeitstunden wöchentlich bei einem Auslandsaufenthalt im Rahmen eines Au-pair-Verhältnisses nicht. Die Anforderungen an einen Sprachunterricht werden damit weder in inhaltlicher noch in zeitlicher Hinsicht erfüllt (BFH-Urteil vom 19.2.2002, VIII R 83/00, BStBl. 2002 II S. 469). Selbst bei einem Geschichtskurs und einem Kurs mit allgemeinbildendem Inhalt (amerikanische Geschichte und Kultur) wird auch bei einem Zeitaufwand von zehn Wochenstunden (Unterricht einschließlich Vor- und Nachbereitungszeit) keine qualifizierte Sprachausbildung vermittelt (BFH-Urteil vom 26.10.2012, VI R 102/10, BFH/NV 2013 S. 366).

  • Ein Fernlehrgang während eines Au-pair-Aufenthalts in Frankreich, bei dem der Anbieter das »geschätzte wöchentliche Arbeitspensum« mit zehn Wochenstunden angegeben hat, wurde als ausreichender Sprachunterricht angesehen. Zudem war der Lehrgang mit Kosten von 1188,– € verbunden. Daraus schlossen die Richter, dass der Kurs nicht nur gebucht wurde, um das Kindergeld zu erhalten (FG Saarland vom 19.3.2009, 2 K 1141/08, EFG 2009 S. 1394).

  • 163 Stunden für vier Sprachkurse in zehn Monaten während eines Au-pair-Aufenthalts in den USA wurden als deutlich zu wenig eingestuft (FG Baden-Württemberg vom 26.2.2007, 10 K 181/06; BFH-Urteil vom 15.3.2012, III R 59/08, BFH/NV 2012 S. 1427).

  • Ebenfalls als zu wenig angesehen wurde bei einem halben Jahr Aufenthalt ein Unterricht von insgesamt 25 Unterrichtsstunden; zudem erfolgte der Unterricht durch einen einzigen Wochenendkurs, was keinen fortlaufenden Unterricht darstelle (Niedersächsisches FG vom 3.12.2010, 7 K 137/10, EFG 2011 S. 1261).

Nimmt Ihr Kind an einem »Work & Travel«-Programm teil, befindet es sich nicht in Berufsausbildung (BFH-Urteil vom 14.9.2009, III B 119/08, BFH/NV 2010 S. 34). Nimmt es aber gleichzeitig an einem Sprachkurs teil, der die obigen Voraussetzungen erfüllt, liegt doch eine Berufsausbildung vor.

Freiwilliger Wehrdienst

Zeiten, in denen Ihr Kind den freiwilligen Wehrdienst leistet, werden grundsätzlich nicht berücksichtigt. Der freiwillige Wehrdienst beginnt mit dem Tag des tatsächlichen Dienstbeginns. Für den Monat des Dienstbeginns wird damit regelmäßig noch ohne Weiteres Kindergeld bezahlt werden.

Kindergeld erhalten Sie während des freiwilligen Wehrdienstes Ihres Kindes, wenn

  • Ihr Kind neben dem Dienst eine Ausbildung ernsthaft und nachhaltig betreibt,

  • die Zeit des freiwilligen Wehrdienstes als Teil einer Ausbildung etwa zum Offizier oder Unteroffizier angesehen werden kann,

  • im Rahmen des Wehrdienstes eine Ausbildung zu einem zivilen Beruf erfolgt (BFH-Urteil vom 3.7.2014, III R 53/13, DStR 2014 S. 2280). Darunter fällt beispielsweise die Ausbildung als Rettungssanitäter oder zum Kraftfahrer der Fahrerlaubnisklasse CE, auch wenn diese im Mannschaftsdienstgrad erfolgt und eine zuvor zu durchlaufende allgemeine (militärische) Grundausbildung einschließt. Selbst wenn Ihr Kind keine Offiziers- oder Unteroffizierslaufbahn anstrebt, wird der Wehrdienst daher als Berufsausbildung für einen zivilen Beruf angesehen.

Wann beginnt und endet eine Ausbildung?

Die genaue Bestimmung von Anfang und Ende einer Ausbildung entscheidet, für welche Monate Ihr Kind bei Ihnen zu berücksichtigen ist.

Zudem kann wichtig sein, genau zu bestimmen, ob und wann Ihr Kind seine erstmalige Berufsausbildung, also eine Berufsausbildung oder ein Erststudium erfolgreich abgeschlossen hat. Denn nach einer abgeschlossenen ersten Ausbildung erhalten Sie nur dann weiterhin Kindergeld, wenn Ihr Kind keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht.

Ihr Kind hat eine erste Berufsausbildung bzw. ein erstes Studium erfolgreich beendet und befindet sich in einem weiteren Ausbildungsabschnitt, zum Beispiel einer (weiteren) Berufsausbildung oder einem Studium? Dann prüfen Sie, ob es sich um eine – einheitliche – sog. mehraktige Ausbildung handelt.

Unsere umfangreichen Erläuterungen zu dieser im Detail komplizierten Rechtsmaterie finden Sie in dem → Kapitel »Eine mehraktige Ausbildung ist keine neue Ausbildung«. Mehrere Ausbildungsabschnitte bilden dabei eine (!) Berufsausbildung. Da Ihr Kind in diesem Fall keine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen hat, muss nicht geprüft werden, ob es einer schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht → Kapitel »Erste Ausbildung abgeschlossen? Jetzt wird es kompliziert«.

Beginn einer Ausbildung

Die Schulausbildung beginnt mit dem offiziellen Beginn des Schuljahres, eine Hochschulausbildung mit dem offiziellen Semesterbeginn.

Ist das Kind zwar an einer Universität immatrikuliert, hat aber das Studium tatsächlich noch nicht aufgenommen, befindet es sich noch nicht in Ausbildung (BFH-Urteil vom 23.11.2001, VI R 77/99, BStBl. 2002 II S. 484). Fängt Ihr Kind bereits vor dem offiziellen Beginn der Studienzeit mit seiner Ausbildung an, etwa durch ein vorgezogenes Praktikum, kann der Beginn der Ausbildung aber auch schon früher liegen (Hessisches FG vom 23.7.2003, 13 K 4500/02, EFG 2006 S. 1483).

Eine Berufsausbildung beginnt nicht bereits mit der Bewerbung (FG München vom 11.5.1999, 16 K 5546/98, EFG 1999 S. 846). Damit zählt die Zeit zwischen Bewerbung und Beginn der Ausbildung etwa durch Aufnahme des Studiums, Beginn der Schule oder Aufnahme der berufsbezogenen Ausbildung nicht zur Berufsausbildung. Ihr Kind könnte für diesen Zeitraum aber als ausbildungsplatzsuchendes Kind berücksichtigt werden → Kapitel »Ihr Kind findet keinen Ausbildungsplatz«.

Liegen zwischen dem Ende der Schule und dem Beginn der Ausbildung oder des Studiums Ihres Kindes weniger als vier Monate, brauchen Sie sich keine Gedanken um den genauen Beginn der Ausbildung Ihres Kindes zu machen. Denn dann liegt eine begünstigte Übergangszeit vor → Kapitel »Ihr Kind befindet sich in einer Übergangszeit«.

Der Vorbereitungsdienst in der öffentlichen Verwaltung beginnt mit Aushändigung der Ernennungsurkunde. Eine praktische Ausbildung beginnt mit der Aufnahme der Tätigkeit, wobei sich der Beginn auch aus dem Ausbildungsvertrag ergibt.

Schnupperzeiten, also Zeiten, in denen sich Ihr Kind noch nicht endgültig entschieden hat, welchen beruflichen Weg es nach seinen Fähigkeiten und Neigungen einschlagen soll, zählen nicht (FG Saarland vom 23.9.1999, 2 K 85/99, EFG 2000 S. 19). Hier befindet sich Ihr Kind noch in der Berufsfindungsphase, also einer Phase vor der Ausbildung.

Ihr Kind hat die Schule verlassen und möchte sich erst einmal orientieren, welche Ausbildung es beginnen möchte? Hat es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet, achten Sie darauf, dass es sich bereits im Monat nach dem Ende der Schulausbildung bei der Agentur für Arbeit fortlaufend arbeitslos meldet. Dann kann es bei Ihnen als arbeitsloses Kind berücksichtigt werden und Sie erhalten das Kindergeld weiter.

Hat es das 21. Lebensjahr bereits vollendet, wird es etwas schwieriger. Dann kann es nur berücksichtigt werden, wenn es sich nachweisbar um einen Ausbildungsplatz bemüht → Kapitel »Ihr Kind muss sich um einen Ausbildungsplatz bemühen«.

Ende einer Ausbildung
Wann endet die Schule?

Die Schulausbildung endet mit Ablauf des offiziellen Schuljahres. Dies gilt auch, wenn Ihr Kind seine Abschlussprüfung, etwa das Abitur, bereits vor dem offiziellen Ende abgeschlossen hat. Das Kind ist damit bis zum Ende des offiziellen Schuljahres zu berücksichtigen.

Wenn Ihr Kind die Schule abbricht, ist damit die Schulausbildung ebenfalls beendet. Es sei denn, Ihr Kind bereitet sich weiter im Selbststudium ernsthaft auf einen Schulabschluss vor.

Wann endet die Berufsausbildung?

Eine Ausbildung im öffentlichen Dienst endet mit dem Ende der Vorbereitungszeit oder später mit der Aushändigung des Zeugnisses.

In Handwerksberufen endet die Ausbildung mit bestandener Gesellenprüfung, in anderen Lehrberufen mit bestandener Gehilfenprüfung. Eine Abschlussprüfung gilt als in dem Zeitpunkt bestanden, in dem das festgestellte Gesamtergebnis offiziell schriftlich mitgeteilt wird. Nimmt Ihr Kind nach der Prüfung, aber vor Bekanntgabe des Ergebnisses, eine Vollzeiterwerbstätigkeit auf, befindet es sich nicht mehr in Berufsausbildung (BFH-Urteil vom 19. 2. 2002, VIII R 90/01, BFH/NV 2002 S. 1023).

Dies gilt auch für Ausbildungsberufe. Wird Ihr Kind nach vorgezogener und bestandener Abschlussprüfung bereits nach dem normalen Tarif bezahlt, gibt es kein Kindergeld mehr (BFH-Beschluss vom 28.1.2010, III B 165/09, BFH/NV 2010 S. 876). Erhält das Kind jedoch noch bis zum Ende der vereinbarten Ausbildungszeit weiterhin eine Ausbildungsvergütung, weil das Ausbildungsende durch eine Rechtsvorschrift festgelegt ist, dauert die Ausbildung zum Beispiel als Heilerziehungspfleger noch an (BFH-Urteil vom 14.9.2017, III R 19/16, BStBl. 2018 II S. 131).

Diese Ausnahme lässt die Finanzverwaltung für die Ausbildung zum Gesundheits- und (Kinder-)Krankenpfleger nach dem KrPflG, zum Altenpfleger nach dem AltPflG sowie zur Hebamme und zum Entbindungspfleger ohnehin zu. Denn auch hier ist die Dauer der Ausbildung grundsätzlich auf drei Jahre festgesetzt. Weil die Dauer unabhängig vom Zeitpunkt der Abschlussprüfung ist, zahlt die Familienkasse für Ihr Kind auch nach bestandener Abschlussprüfung noch bis zum Ablauf der gesetzlich vorgeschriebenen Ausbildungsdauer Kindergeld (DA-KG A 15.10 Abs. 7).

Wann ist ein Studium zu Ende?

Eine Hochschulausbildung endet mit dem offiziellen Semesterende. Hierzu gehört auch die Zeit, in der Prüfungen abzulegen sind. Maßgebend ist, wann Ihr Kind die letzte nach der einschlägigen Prüfungsordnung erforderliche Prüfungsleistung erbracht hat und Ihrem Kind sämtliche Prüfungsergebnisse bekannt gegeben worden sind.

Die Bekanntgabe erfordert regelmäßig, dass Ihr Kind eine schriftliche Bestätigung über den erfolgreichen Abschluss und die erzielten Abschlussnoten erhalten hat (DA-KG A 15.10 Abs. 9). Es reicht aber schon aus, wenn Ihr Kind über ein Online-Portal der Hochschule eine entsprechende schriftliche Bestätigung selbst erstellen kann. Entscheidend ist dann, welcher Zeitpunkt früher war, der Zugang der Mitteilung der Hochschule oder die Möglichkeit der Erstellung durch ein Online-Portal (BFH-Urteil v. 7.7.2021, III R 40/19, DStR 2021 S. 2234).

Schließt sich an ein Studium noch ein nach der maßgebenden Ausbildungs- oder Prüfungsordnung vorgeschriebenes Dienstverhältnis oder Praktikum an, ist die Ausbildung noch nicht beendet (DA-KG A 15.10 Abs. 9). Dies gilt selbst dann, wenn das Prüfungsergebnis aufgrund eines Verschuldens der Universität verspätet mitgeteilt wird (Sächsisches FG vom 17.6.2015, 4 K 357/11 (Kg)). Die Ausbildung zum Arzt endet bereits mit dem Bestehen der »Ärztlichen Prüfung« und nicht erst mit der Erteilung der Approbation.

Hat Ihr Kind alle Prüfungsleistungen eines Universitätsstudiums erbracht und beginnt es bereits vor Bekanntgabe des Ergebnisses mit einem Vollzeiterwerb, endet die Berufsausbildung schon in diesem Zeitpunkt (DA-KG 15.10 Abs. 3). Die Vorbereitung Ihres Kindes auf sein Berufsziel ist dadurch abgeschlossen. Durch den Vollzeiterwerb wird vermutet, dass Ihr Kind sein Berufsziel erreicht hat. Zudem endet zu diesem Zeitpunkt die Belastung der Eltern in Form eines erhöhten Unterhaltsbedarfs (BFH-Urteil vom 24.5.2000, VI R 143/99, BStBl. 2000 II S. 473).

Wann genau eine Vollzeiterwerbstätigkeit beginnt, ist nicht immer klar. Jedenfalls bei einer Wochenarbeitszeit von regelmäßig 40 Stunden dürfte es keine Zweifel geben. Umgekehrt gilt dies auch bei einer Beschäftigung mit lediglich 15 Wochenarbeitsstunden (Sächsisches FG vom 17.6.2015, 4 K 357/11 (Kg)).

Findet Ihr Kind nach erfolgreichem Abschluss eines Studiums nicht direkt einen Arbeitsplatz, kann es sinnvoll sein, dass das Kind weiter immatrikuliert bleibt und an weiteren Qualifizierungsmaßnahmen im geprüften Studienfach teilnimmt. Achten Sie darauf, dass diese als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind und das Kind seine Weiterqualifizierung ernsthaft und nachhaltig betreibt. Dann befindet sich Ihr Kind noch weiter in Berufsausbildung (BFH-Urteil vom 24.2.2010, III R 80/08, BFH/NV 2010 S. 1431). Achten Sie hier aber auf eventuell entstehende Studiengebühren.

Bitten Sie Ihr Kind, äußerst detaillierte Nachweise zu führen, dass die weitere Teilnahme an Übungen und Vorlesungen im gleichen Studienfach zur Verbesserung der beruflichen Stellung geeignet ist. Gleiches gilt für den Nachweis der Ernsthaftigkeit seiner weiteren Ausbildungsmaßnahmen. Nur dann haben Sie eine Chance auf den weiteren Bezug des Kindergeldes.

Bricht Ihr Kind sein Studium ab und beginnt es keine andere Ausbildung, befindet es sich nicht mehr in Berufsausbildung. Dies gilt auch, wenn das Kind an der Universität noch immatrikuliert ist (BFH-Urteil vom 17.11.2004, VIII R 56/04, BFH/NV 2005 S. 693). Tritt das Kind zu einer Prüfung nicht an und führt dies letztlich zur Exmatrikulation, endet das Studium bereits im Zeitpunkt des Nichtantritts und nicht erst im späteren Zeitpunkt der Exmatrikulation (BFH-Urteil vom 27.11.2019, III R 65/18, BFH/NV 2020 S. 765). Denn ein Studium ist dann beendet, wenn es nicht mehr ernsthaft weiter betrieben wird (BFH-Urteil vom 26. 4. 2011, III B 191/10, BFH/NV 2011 S. 1139).

Spätestens mit der Exmatrikulation endet die Ausbildung. Für den Monat der Exmatrikulation wird noch Kindergeld gezahlt. Die Exmatrikulationsbescheinigung will die Familienkasse vorgelegt bekommen (DA-KG A 15.10 Abs. 11).

Die Exmatrikulation für sich allein beendet aber nicht unbedingt die Ausbildung Ihres Kindes. Ein exmatrikulierter Student kann eine (andere) Ausbildung trotz Aufnahme einer Vollzeiterwerbstätigkeit und fehlender Eingliederung in den Universitätsbetrieb fortführen (BFH-Urteil vom 26.4.2011, VIII B 191/10, BFH/NV 2011 S. 1139). Sie erhalten weiter Kindergeld, wenn Ihr Kind keine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen hat → Kapitel »Erste Ausbildung abgeschlossen? Jetzt wird des kompliziert«.

Bereitet sich Ihr Kind nach einem abgebrochenen Studium ohne regelmäßigen Besuch einer Ausbildungsstätte selbstständig auf Prüfungen vor, wird die Familienkasse jedoch die Ernsthaftigkeit der Vorbereitung intensiv prüfen und strenge Maßstäbe an deren Nachweis stellen (BFH-Urteil vom 24.9.2009, VIII R 70/07, BFH/NV 2010 S. 619).

Die Abschlussprüfung wird nicht bestanden

Wird die Abschlussprüfung nicht bestanden, befindet sich das Kind weiterhin in Ausbildung, wenn das Ausbildungsverhältnis auf seinen Wunsch (schriftlich oder auch nur mündlich) verlängert wird, es zur Prüfung erneut zugelassen wird und es den erfolgreichen Prüfungsabschluss weiterhin ernsthaft verfolgt (DA-KG A 15.10 Abs. 5).

Wird ein Ausbildungsverhältnis nicht verlängert und besucht das Kind auch nicht weiter die Berufsschule, ist es für das Kindergeld zu berücksichtigen, wenn es sich im Selbststudium ernsthaft auf die nächstmögliche Wiederholungsprüfung vorbereitet. In diesem Fall möchte die Verwaltung Nachweise haben, zum Beispiel die Anmeldung zur nächstmöglichen Wiederholungsprüfung. Wird diese erfolgreich bestanden, wird die Ernsthaftigkeit der weiteren Ausbildung ohne Weiteres angenommen.

Es gibt bei der Bundesagentur für Arbeit (www.arbeitsagentur.de) den Vordruck »Erklärung zum Ausbildungsverhältnis – KG 5b«, der auf betriebliche Ausbildungsverhältnisse abzielt. Hier muss zunächst der Ausbildungsbetrieb die Angaben bestätigen. Und Sie müssen Nachweise beifügen, aus denen hervorgeht, dass das Ausbildungsverhältnis Ihres Kindes noch nicht beendet wurde bzw. wann es endete.

Unterbrechung einer Ausbildung

Persönliche Gründe

Als Zeiten der Berufsausbildung zählen Unterbrechungszeiten wegen Erkrankung oder Mutterschaft während der Zeiten eines schwangerschaftsbedingten Beschäftigungsverbots und der Schutzfristen für Mütter (sechs Wochen vor und generell acht Wochen nach der Entbindung). Bei einer Erkrankung wird die Familienkasse auf eine ärztliche Bescheinigung bestehen. Hierbei sind die Erkrankung und nach Auffassung der Verwaltung auch das voraussichtliche Ende der Erkrankung nachzuweisen. Bei einer Erkrankung während eines Studiums zählen auch die Semesterferien, in denen Ihr Kind gehindert war, seinem Studium nachzugehen.

Wird eine Ausbildung wegen einer Erkrankung nicht nur unterbrochen, sondern abgebrochen, befindet sich das Kind nicht mehr in Ausbildung. Bei einer voraussichtlich vorübergehenden Erkrankung kommt eine weitere Berücksichtigung als ausbildungsplatzsuchendes Kind in Betracht (BFH-Urteil vom 31.8.2021, III R 41/19, NJW 2022 S. 718; → Kapitel »Ihr Kind findet keinen Ausbildungsplatz«).

Unterbrechungszeiten wegen Kinderbetreuung, zum Beispiel die Elternzeit während einer berufspraktischen Ausbildung, zählen dagegen nicht (BFH-Urteil vom 24.9.2009, III R 79/06, BFH/NV 2010 S. 614). Die entsprechende Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Urteil vom 13.4.2012, 2 BvR 1395/10).

Die Unterbrechung eines Studiums dient auch der Berufsausbildung, wenn zusätzliche Maßnahmen der Berufsausbildung durchgeführt werden sollen, zum Beispiel ein freiwilliges Praktikum eines Jurastudenten in einer Rechtsanwaltskanzlei, oder die Zeiten der Prüfungsvorbereitung dienen (DA-KG A 15.7 Abs. 3).

Eine Beurlaubung vom Studium oder eine Befreiung von der Teilnahme an Vorlesungen ohne einen der vorgenannten Gründe ist auch dann als Unterbrechung des Hochschulbesuchs anzusehen, wenn die Immatrikulation fortdauert. Für die Zeit der Unterbrechung liegt keine Berufsausbildung vor, zum Beispiel, wenn Ihr Kind vom Studium beurlaubt ist und ihm während der Beurlaubung nach hochschulrechtlichen Regelungen der Besuch von Vorlesungen und der Erwerb von Leistungsnachweisen nicht gestattet ist (BFH-Urteil vom 13.7.2004, VIII R 23/02, BStBl. 2004 II S. 999).

Auch eine Beurlaubung Ihres studierenden Kindes vom Studium wegen Mitarbeit in der studentischen Selbstverwaltung der Hochschule lässt weder die Verwaltung noch der BFH gelten (DA-KG A 15.7 Abs. 3; BFH-Urteil vom 4.2.2014, III B 87/13, BFH/NV 2014 S. 690). Dies gilt selbst dann, wenn eine Beurlaubung durchaus sinnvoll ist, weil dann die Semester bei der Bemessung der Regelstudienzeit nicht mitzählen und etwaige Studiengebühren vermieden werden können.

Wird ein in Ausbildung stehendes Kind in Untersuchungs- oder Strafhaft genommen, wird für diese Zeit Kindergeld weiter gezahlt, wenn die Ausbildung während der Haft fortgesetzt wird. Ist dies nicht der Fall, liegt eine kindergeldschädliche Unterbrechung der Ausbildung vor. Dies gilt auch, wenn in der Haftanstalt keine entsprechende Ausbildung absolviert werden kann (BFH-Urteil vom 23.1.2013, XI R 50/10, BStBl. 2013 II S. 916).

War das Kind hingegen zu Unrecht inhaftiert und setzt es nach der Untersuchungshaft seine Ausbildung fort, liegt keine schädliche Unterbrechung der Ausbildung vor. Denn im Fall eines Freispruchs hat das Kind die Unterbrechung nicht zu vertreten (BFH-Urteil vom 20. 7. 2006, III R 69/04, BFH/NV 2006 S. 2067; BFH-Urteil vom 18.1.2018, III R 16/17, BStBl. 2018 II S. 402).

Entscheidend ist also bei Kindern in Haft insbesondere, ob das Kind zu Recht oder zu Unrecht inhaftiert war. Naturgemäß ist darüber zu Beginn der Haft noch keine Entscheidung gefallen. Die Familienkasse zahlt daher zunächst das Kindergeld weiter. Wird das Kind nicht freigesprochen oder setzt es im Anschluss an die Untersuchungshaft seine Ausbildung nicht fort, fordert die Familienkasse das ausgezahlte Kindergeld rückwirkend zurück (DA-KG A 15.10 Abs. 8).

Ihr Kind arbeitet für einige Monate

Unterbricht Ihr Kind seine Ausbildung, um eine Zeit lang einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, werden diese Zeiten nicht als Berufsausbildung angesehen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn das Kind nach seiner Ausbildung im erlernten Beruf erst eine Zeit lang arbeitet, bevor es eine weiterführende Fachschule oder Meisterschule besucht.

Wenn Ihr Kind einen anderen Grund für die Berücksichtigung als Kind bei Ihnen erfüllt, zählen diese Zeiten zum Berücksichtigungszeitraum. Das gilt zum Beispiel, wenn die Übergangszeit zwischen der Ausbildung und dem Beginn der weiterführenden/anderen Ausbildung weniger als vier Monate beträgt oder die Zusage einer weiterführenden Schule vorliegt, aber die Schule erst einige Monate später beginnt.

Achtung: Hat Ihr Kind bereits eine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen, erhalten Sie nur dann weiterhin Kindergeld, wenn Ihr Kind in dieser Zwischenzeit keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht → Kapitel »Erste Ausbildung abgeschlossen? Jetzt wird es kompliziert«. So erhalten Sie Kindergeld nur noch dann, wenn die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit Ihres Kindes maximal 20 Stunden beträgt.

Beispiel:

Niklas hat im Jahr 2019 eine Berufsausbildung zum Werkzeugmechaniker abgeschlossen. Seitdem arbeitet er in Vollzeit im Ausbildungsbetrieb. Bereits während seiner Lehrzeit wird Niklas klar, dass dieser Beruf für ihn nicht das Richtige ist, und er beginnt sich für einen Studienplatz für Sozialpädagogik zu interessieren. Im Juli 2022 bekommt er die Zusage, dass er ab dem Wintersemester 2022 das Studium aufnehmen kann. Nach tatsächlicher Aufnahme am 1.10.2022 reduziert Niklas in Absprache mit seinem Arbeitgeber seine wöchentliche Arbeitszeit auf 20 Stunden.

Niklas wird ab März 2022 trotz seiner Erwerbstätigkeit als Kind ohne Ausbildungsplatz berücksichtigt. Weil er eine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen hat, wird die Familienkasse für die Monate April bis September 2022 kein Kindergeld zahlen, weil er einer schädlichen Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit nachgeht. Weil Niklas diese Bedingung durch die Reduzierung seiner Arbeitszeit ab Oktober wieder erfüllt, steht seinen Eltern ab diesem Monat wieder das Kindergeld zu.

Ihr Kind findet keinen Ausbildungsplatz

Wenn Ihr Kind keinen Ausbildungsplatz findet, kann es bei Ihnen berücksichtigt werden, wenn

  • es noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat,

  • die Ausbildung, die Ihr Kind absolvieren möchte, für Ihr Kind möglich ist und

  • Ihr Kind sich um einen Ausbildungsplatz bemüht.

Selbst wenn Ihr Kind die Voraussetzungen nur an einem einzigen Tag im Monat erfüllt, kann es für diesen Monat bereits berücksichtigt werden.

Für den Antrag auf Kindergeld gibt es bei der Bundesagentur für Arbeit (www.arbeitsagentur.de) den Vordruck »Erklärung für ein Kind ohne Ausbildungs- oder Arbeitsplatz, KG 11a«. Darin kann Ihr Kind auch seine Zustimmung für einen direkten Zugriff auf die für die Festsetzung des Kindergeldes relevanten Daten bei den zuständigen Trägern erteilen. Wird die Zustimmung verweigert, müssen Sie sich um eine Bescheinigung kümmern, dass Ihr Kind ausbildungsplatzsuchend ist.

3.4.1 Altersgrenze

Ihr Kind wird bis zum vollendeten 25. Lebensjahr berücksichtigt. Weitere Ausführungen zur Altersgrenze finden sich in → Kapitel »Schule, Studium und Berufsausbildung«.

3.4.2 Die Ausbildung muss für Ihr Kind möglich sein

Der Mangel eines Ausbildungsplatzes liegt vor, wenn

  • Ihr Kind eine Ausbildung nicht beginnen oder fortsetzen kann, weil es keinen Ausbildungsplatz findet, oder

  • Ihrem Kind ein Ausbildungsplatz zugesagt wurde, es diesen aber aus schul-, studien- oder betriebsorganisatorischen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt antreten kann, zum Beispiel weil das Ausbildungsjahr oder das Studium erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnt.

    Wichtig: Liegt der Beginn der zugesagten Ausbildung innerhalb des viermonatigen Übergangszeitraums, kann Ihr Kind bereits aus diesem Grund berücksichtigt werden.

Ob der Ausbildungsplatz im Inland oder Ausland liegt, ist egal. Ausbildungsplätze sind neben betrieblichen und überbetrieblichen insbesondere solche an Fach- und Hochschulen sowie Stellen, an denen eine in der Ausbildungs- oder Prüfungsordnung vorgeschriebene praktische Tätigkeit abzuleisten ist (R 32.7 Abs. 2 EStR).

Diese Definition der Verwaltung ist eindeutig zu eng. Schließlich zählen etwa auch Zeiten eines Praktikums zur Ausbildung, das nicht vorgeschrieben ist, also freiwillig erfolgt, zum Beispiel das Anwaltspraktikum eines Jurastudenten → Kapitel »Das ist Ausbildung«.

Jeder Ausbildungswunsch Ihres Kindes ist zu berücksichtigen. Welche Ausbildung Ihr Kind absolvieren möchte, ist also egal. Erfüllt das Kind aber die objektiven Voraussetzungen für einen Ausbildungsplatz nicht, liegt kein Mangel eines Ausbildungsplatzes vor. Eine Bewerbung wäre von vornherein aussichtslos. Ihr Kind muss die Zulassungsqualifikationen für die angestrebte Ausbildung erfüllen, zum Beispiel für den angestrebten Studiengang.

Ihr Kind kann ebenfalls nicht berücksichtigt werden, wenn es aus anderen Gründen am Antritt einer Ausbildungsstelle gehindert ist, zum Beispiel, weil es sich arbeitsvertraglich im Ausland gebunden hat.

3.4.3 Ihr Kind muss sich um einen Ausbildungsplatz bemühen

Was muss das Kind tun?

Ihr Kind wird für den Zeitraum berücksichtigt, in dem es auf einen Ausbildungsplatz wartet. Hier muss Ihr Kind aktiv werden und sich ernsthaft um einen (weiteren) Ausbildungsplatz bemühen. Dabei zählen nur Ausbildungsplätze, für die es objektiv geeignet ist (BFH-Urteil vom 15. 7. 2003, VIII R 71/99, BFH/NV 2000 S. 473).

Pauschale Angaben, Ihr Kind befinde sich auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz und sei ständig ausbildungsbereit, reichen nicht. Sie müssen die Familienkasse und das Finanzamt von den ernsthaften Bemühungen Ihres Kindes um einen Ausbildungsplatz belegbar überzeugen. Hierfür stehen zwei Wege offen:

  • die Meldung Ihres Kindes bei der Agentur für Arbeit als ausbildungsplatzsuchend und/oder

  • eigenes Bemühen.

Ihr Kind muss also ausbildungswillig sein, sonst »wartet« es nicht. Ihr Kind wird ab dem Zeitpunkt berücksichtigt, ab dem es sich bemüht. Wird Ihr Kind bisher berücksichtigt, etwa weil es eine Schul- oder berufsbezogene Ausbildung absolviert oder bereits abgeschlossen hat, muss es sich bereits im Folgemonat ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemühen, damit Sie durchgehend Kindergeld erhalten können (DA-KG A 17.2).

Ist abzusehen, dass Ihr Kind nicht innerhalb von vier Monaten seine Ausbildung fortsetzen kann, weil ein Studium nicht innerhalb dieser Zeit aufgenommen oder eine berufsbezogene Ausbildung begonnen werden kann? Dann sollte sich Ihr Kind spätestens im Monat nach dem Ende seiner Schulausbildung um den Studienplatz bzw. Ausbildungsplatz bemühen. Nur dann erhalten Sie lückenlos das Kindergeld → Kapitel »Ihr Kind befindet sich in einer Übergangszeit«.

Kann sich Ihr Kind nicht direkt nach dem Abitur um einen Studienplatz bewerben, weil das Verfahren für die Vergabe der Studienplätze durch die Stiftung für Hochschulzulassung erst später eröffnet wird, genügt der Familienkasse zunächst eine schriftliche Erklärung Ihres Kindes, sich so bald wie möglich bewerben zu wollen (DA-KG A 17.1 Abs. 1).

Beispiel:

David hat das Gymnasium im April mit dem Abitur abgeschlossen (offizielles Ende des Schuljahres in diesem Bundesland). Er beabsichtigt, ein Studium zu beginnen. Das Studium beginnt am 1. September. Um einen Studienplatz beworben hat er sich

Variante a) im April oder früher.

Variante b) im Mai.

Variante c) im Juni, weil er sich bis dahin orientierte.

Variante d) im Juli, weil das Verfahren zur Vergabe der Studienplätze erst im Juli eröffnet wurde.

In den Varianten a) und b) kann David durchgehend als Kind berücksichtigt werden.

In der Variante c) geht das Kindergeld bis zu dem Monat verloren, in dem er sich ernsthaft um den Studienplatz beworben hat. Hier würde das Kindergeld für Mai entfallen.

In der Variante d) ist David durchgehend zu berücksichtigen, weil das Verfahren zur Vergabe der Studienplätze erst ab Juli eröffnet wurde und er sich nicht früher bewerben konnte.

Wird Ihr Kind bei der ersten Bewerbung um einen Studienplatz abgelehnt, muss eine weitere Bewerbung Ihres Kindes zum nächstmöglichen Termin erfolgen, damit Sie durchgehend Kindergeld bekommen. Auch hier reicht der Familienkasse zunächst eine schriftliche Erklärung Ihres Kindes, sich so bald wie möglich wieder bewerben zu wollen (siehe unten).

Ihr Kind wird auch in den Zeiten berücksichtigt, in denen ihm ein Ausbildungsplatz bereits zugesagt wurde, es diesen aber aus schul-, studien- oder betriebsorganisatorischen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt antreten kann (BFH-Urteil vom 7.4.2011, III R 50/10, BFH/NV 2011 S. 1329).

Verschiebt das Kind den Ausbildungsbeginn auf eigenen Wunsch, wird es erst ab dem Zeitpunkt berücksichtigt, ab dem es die Ausbildung hätte beginnen können. Die Zeit vorher zählt nicht, weil das Kind in dieser Zeit noch nicht mit dem Studium beginnen will (BFH-Urteil vom 28. 5. 2013, XI R 38/11, BFH/NV 2013 S. 1774).

Beispiel:

Der nach seinem Abitur als Hilfskraft in Vollzeit arbeitende 19-jährige Lars bewirbt sich im Oktober für ein Studium ab dem nächsten Wintersemester (Beginn nächster September), obwohl ein Studienbeginn bereits ab dem nächsten Sommersemester (Beginn nächster März) möglich wäre. Er möchte sich zunächst noch ein kleines finanzielles »Polster« verdienen.

Lars hat sich auf eigenen Wunsch für einen späteren Beginn seiner weiteren Ausbildung entschieden. Dass es bis einschließlich März nicht zu einer Ausbildung gekommen ist, lag allein in seiner Hand. Als ausbildungswillig gilt er erst ab April; erst ab diesem Monat steht den Eltern von Lars das Kindergeld für ihn wieder zu.

Nimmt ein Kind einen zugesagten Studienplatz nicht an, weil es auf die Zusage einer anderen Hochschule hofft, ist es zumindest so lange weiter zu berücksichtigen, bis es die letzte Möglichkeit für den Beginn eines Studiums ungenutzt verstreichen lässt. Ab diesem Zeitpunkt ist es nur dann weiter zu berücksichtigen, wenn es sich für den nächsten möglichen Termin um eine Zusage bemüht (Niedersächsisches FG vom 8.2.2012, 9 K 49/10, EFG 2012 S. 1279; Az. der Revision XI R 14/12).

Während des freiwilligen Wehrdienstes bezahlt die Familienkasse grundsätzlich kein Kindergeld. Es wird aber ab dem Zeitpunkt gewährt, ab dem sich Ihr Kind ernsthaft um einen Ausbildungs- oder Studienplatz zum nächstmöglichen Zeitpunkt bemüht (BFH-Urteil vom 27.9.2012, III R 70/11, BFH/NV 2013 S. 128).

Beispiel:

Tobias hat sich nach Bestehen des Abiturs zur Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes verpflichtet, der mit Ablauf des 30. September endet. Bereits im März hat Tobias sich um einen Studienplatz beworben. Im Juni hat er die hierfür vorgeschriebene Aufnahmeprüfung bestanden. Zum nächstmöglichen Zeitpunkt im Oktober hat er das Studium aufgenommen.

Für Tobias ist ab März Kindergeld zu zahlen. Denn ab diesem Zeitpunkt hat er sich nachweislich um einen Ausbildungsplatz bemüht. Dass er noch den freiwilligen Wehrdienst zu Ende abzuleisten hat, spielt keine Rolle. Denn Tobias kann trotzdem wie geplant das Studium aufnehmen.

Bemüht sich Ihr Kind wegen der Betreuung eines eigenen Kindes nicht ernsthaft um einen Ausbildungsplatz, kann es nicht berücksichtigt werden (BFH-Urteil vom 24. 9. 2009, III R 83/08, BFH/NV 2010 S. 619).

Das Kind ist krank oder schwanger

Solange Ihr Kind vorübergehend krank ist oder einem Beschäftigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz unterliegt und es deswegen die Ausbildung nicht zum nächstmöglichen Zeitpunkt beginnen kann, wird es trotzdem berücksichtigt. Dies gilt auch dann, wenn Ihr Kind seine Bemühungen um einen Ausbildungsplatz nach dem Ende der Mutterschutzzeit nicht fortsetzt (BFH-Urteil vom 13.6.2013, III R 58/12, BFH/NV 2013 S. 1963). Eine Erkrankung ist durch eine Bescheinigung des behandelnden Arztes nachzuweisen, die nach Ablauf von sechs Monaten zu erneuern ist.

Allerdings darf die Erkrankung voraussichtlich nicht länger als sechs Monate dauern. Nur dann ist sie als vorübergehend anzusehen und Ihr Kind kann weiterhin als ausbildungsplatzsuchend anerkannt werden (BFH-Urteil vom 31.8.2021, III R 41/19, BFH/NV 2022 S. 385; BFH-Urteil vom 31.8.2021, III R 13/20, BFH/NV 2022 S. 343).

Nachzuweisen bleibt stets, dass Ihr Kind trotz vorübergehender Ausbildungsunfähigkeit weiterhin ausbildungswillig ist. Als Nachweis kommt die von der Verwaltung geforderte schriftliche Erklärung, sich unmittelbar nach Wegfall der gesundheitlichen Hinderungsgründe um eine Berufsausbildung zu bemühen, sie zu beginnen oder fortzusetzen, in Betracht (A 17.2 Abs. 1 Satz 4 und V 6.1 Abs. 1 Satz 8 DA-KG).

Eine schriftliche Erklärung Ihres Kindes lässt die Familienkasse erst ab dem Zeitpunkt des Eingangs der Erklärung gelten (DA-KG V 6.1 Abs. 1 Satz 8).

Diese Rechtsauffassung teilt der BFH nicht. Eine Absichtserklärung im Rahmen einer sog. mehraktigen Berufsausbildung kann nach dem BFH noch später berücksichtigt werden (BFH-Urteil vom 17.1.2019, III R 8/18, BFH/NV 2019 S. 815). Dies gilt entsprechend bei einer vorübergehenden Erkrankung des Kindes. Die Ausbildungswilligkeit des Kindes kann auch noch durch eine nachträgliche Erklärung des Kindes nachgewiesen werden (FG Hamburg vom 25.9.2019, 1 K 66/19, Az. der Revision III R 48/19).

Neben einer schriftlichen Erklärung Ihres Kindes gegenüber der Familienkasse sind auch andere Nachweise denkbar. Beispielsweise reicht es, wenn Ihr Kind während der Erkrankung in Kontakt mit der früheren Ausbildungseinrichtung tritt und sich konkret über die (Wieder-)Aufnahme der Ausbildung nach dem voraussichtlichen Ende der Krankheit informiert. Denkbar ist auch, dass Ihr Kind sich an eine neue Ausbildungseinrichtung oder die Ausbildungsvermittlung der Agentur für Arbeit oder des Jobcenters gewandt hat, um eine Ausbildung nach der Erkrankung aufzunehmen.

Nicht gut wäre, wenn Sie die Familienkasse nicht über den krankheitsbedingten Abbruch einer Ausbildung oder der Bemühungen um eine Ausbildungsstelle informieren. Denn dann hätte sie keine Möglichkeit, einen Nachweis der Ausbildungswilligkeit zeitnah anzufordern. In einem solchen Fall könnte die Familienkasse annehmen, dass das Kind während der Erkrankung seinen Ausbildungswillen aufgegeben und sich zum Beispiel für die Aufnahme einer regulären Erwerbstätigkeit entschieden hat (BFH-Urteil vom 31.8.2021, III R 42/19, BFH/NV 2022 S. 348).

Bei voraussichtlich länger als sechs Monate andauernder Erkrankung kommt möglicherweise eine Berücksichtigung als behindertes Kind in Betracht. Denn dann kann die Erkrankung nicht mehr als vorübergehend angesehen werden. Gleiches gilt, wenn das Ende der Erkrankung eines Kindes überhaupt nicht abzusehen ist (BFH-Urteil vom 12.11.2020, III R 49/18, BStBl. 2021 II S. 390; BFH-Urteil vom 18.2.2021, III R 35/19, BFH/NV 2021 S. 938; BFH-Urteil vom 31.8.2021, II R 41/19, BFH/NV 2022 S. 385; → Kapitel »Wenn Ihr Kind behindert ist: Sonderregelungen«).

Wenn ein schwangeres Kind sich wegen eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz nicht um eine Berufsausbildung bemüht, sie beginnt oder fortsetzt, muss die Familienkasse Kindergeld zahlen. Hat ein Arzt das Beschäftigungsverbot bestimmt, will die Familienkasse das ärztliche Zeugnis vorgelegt bekommen. Weiter zahlt die Familienkasse auch, wenn sich das Kind wegen unzulässiger Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen nach dem Mutterschutzgesetz nicht um den Ausbildungsplatz bewerben kann. Dies müssen Sie oder Ihr Kind der Familienkasse gegenüber glaubhaft machen. Die Schwangerschaft und der voraussichtliche Tag der Entbindung sind durch ein ärztliches Zeugnis oder das Zeugnis einer Hebamme oder eines Entbindungshelfers nachzuweisen.

Meldung bei der Agentur für Arbeit

Anders als bei einem arbeitssuchenden Kind ist eine Meldung Ihres Kindes bei der Agentur für Arbeit als ausbildungsplatzsuchendes Kind nicht zwingend. Eine Meldung wird hier jedoch als ernsthaftes Bemühen Ihres Kindes um einen Ausbildungsplatz akzeptiert.

Ihr Kind hat sich bei der Agentur für Arbeit als Bewerber für eine berufliche Ausbildungsstelle oder für eine Bildungsmaßnahme registrieren lassen? Dann achten Sie darauf, dass es zumindest alle drei Monate der Agentur sein weiterhin bestehendes Interesse an einem Ausbildungsplatz mitteilt.

Denn die Registrierung als Bewerber dient nicht zeitlich unbeschränkt als Nachweis (BFH-Urteil vom 19.6.2008, III R 66/05, BStBl. 2009 II S. 1005). Ohne erneute Meldung entfällt der Kindergeldanspruch. Gegenüber der Familienkasse benötigen Sie eine positive Bescheinigung der Agentur für Arbeit über die Registrierung Ihres Kindes als ausbildungssuchend. Hierfür gibt es den Vordruck »Erklärung für ein volljähriges Kind ohne Ausbildungs- oder Arbeitsplatz, KG 11a« bei der Agentur für Arbeit (www.arbeitsagentur.de).

Wichtig ist bei der Registrierung Ihres Kindes auch der Status »Bewerber«, denn diesen müssen Sie gegenüber der Familienkasse nachweisen. Der Status »ratsuchend« reicht nicht (BFH-Urteil vom 9.2.2012, III R 68/10, BStBl. 2012 II S. 686).

Achtung: Versäumt das Kind schuldhaft einen von der Ausbildungsvermittlung der Agentur für Arbeit festgesetzten Vorsprachetermin und wird deshalb aus der Bewerberliste gestrichen, entfällt die Indizwirkung der Registrierung schon vor Ablauf von drei Monaten (BFH-Urteil vom 17.7.2008, III R 106/07, BFH/NV 2009 S. 368). Das bedeutet, Ihnen geht ab dem Folgemonat der Pflichtverletzung das Kindergeld verloren.

Eine besondere Form für die Kontaktaufnahme ist nicht vorgeschrieben. Auch ein Telefonat kann genügen (BFH-Urteil vom 25.9.2008, III R 91/07, BStBl. 2010 II S. 47). Beachten Sie, dass im Zweifel das Telefonat nachgewiesen werden muss. Daher sollte Ihr Kind am besten eine Gesprächsnotiz anfertigen und Zeugen haben, die notfalls den Inhalt des Gesprächs bestätigen können.

Eine telefonische Kontaktaufnahme reicht zwar aus, bitten Sie Ihr Kind trotzdem, sich schriftlich mit der Agentur für Arbeit in Verbindung zu setzen. Damit können Sie die Meldung Ihres Kindes bei der Agentur eindeutig dokumentieren.

Eine für den Rentenversicherungsträger Ihres Kindes bestimmte Bescheinigung der Agentur für Arbeit, dass Ihr Kind mindestens einen Kalendermonat als ausbildungssuchend gemeldet war, ist nur Nachweis dafür, dass es sich zu Beginn des bescheinigten Zeitraums als arbeitssuchend gemeldet hat. Wird die Bescheinigung pauschal bis zum 30.9. eines Jahres ausgestellt, lässt die Familienkasse sie aber für drei Monate ab dem Tag der Anmeldung bei der Berufsberatung als Nachweis für das ernsthafte Bemühen des Kindes um einen Ausbildungsplatz gelten (DA-KG A 17.1 Abs. 2).

Sie können damit aber nicht nachweisen, dass es sich alle drei Monate erneut als Ausbildungssuchender gemeldet hat (BFH-Urteil vom 22.9.2011, III R 30/08, BStBl. 2012 II S. 411). Ihr Kind und Sie müssen darauf achten, die andauernden Bemühungen um einen Ausbildungsplatz fortlaufend eindeutig zu dokumentieren. Am besten gelingt Ihnen das mit der oben genannten positiven Bescheinigung der Agentur für Arbeit.

Eigene Bemühungen Ihres Kindes um einen Ausbildungsplatz reichen auch

Sie können das ernsthafte Bemühen Ihres Kindes um einen Ausbildungsplatz gegenüber der Familienkasse und dem Finanzamt auch anderweitig glaubhaft machen. Insbesondere gelingt Ihnen dies durch folgende nachweisbare Aktivitäten Ihres Kindes:

  • Suchanzeigen in der Zeitung;

  • direkte schriftliche Bewerbungen an Ausbildungsstätten und darauf erhaltene Zwischennachrichten oder Absagen;

  • Bewerbungen, Zwischennachrichten und Absagen per E-Mail;

  • durch telefonische Anfragen, aber nur im Einzelfall, wenn detailliert und glaubhaft dargelegt wird, mit welchen Firmen, Behörden usw. zu welchen Zeitpunkten (erfolglose) Gespräche geführt worden sind (BFH-Urteil vom 19.6.2008, III R 66/05, BStBl. 2009 II S. 1005);

  • die schriftliche Bewerbung bei der Stiftung für Hochschulzulassung;

  • die schriftliche Zusage einer Ausbildungsstelle. Hierbei zählt auch die schriftliche Zusage einer Ausbildungsstelle erst für das folgende Jahr (BFH-Urteil vom 7.8.1992, III R 20/92, BStBl. 1993 II S. 103).

Wichtig ist, dass Ihr Kind sich laufend bewirbt. Solange über die bisherigen Bewerbungen noch nicht entschieden ist, muss das Kind sich aber nicht weiter bewerben. Hat Ihr Kind aber bis zum Ablauf von drei Monaten noch keinen Bescheid über seine Bewerbung(en) erhalten, ist ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich eine Parallelbewerbung erforderlich (BFH-Urteil vom 19.6.2008, III R 66/05, BStBl. 2009 II S. 1005; BFH-Urteil vom 22.9.2011, III R 35/08, BFH/NV 2011 S. 232). Diese drei Monate sind allerdings mit Vorsicht zu genießen. In einem Fall wurde das Kindergeld abgelehnt, weil das Kind nicht von sich aus laufend – zumindest monatlich – schriftlich, mündlich oder persönlich seine Ausbildungswilligkeit gegenüber der Berufsberatung äußerte oder sich anderweitig um eine Ausbildungsstelle bemühte (BFH-Urteil vom 17.7.2008, III 109/07, BFH/NV 2009 S. 391).

Eine Ausnahme sieht der BFH, wenn Ihr Kind sich nur zu bestimmten Zeitpunkten bewerben kann, wie zum Beispiel bei einem Studium oder wenn Firmen nur zu bestimmten Terminen Auszubildende einstellen. Hat Ihr Kind für einen späteren Termin eine feste Zusage für einen Ausbildungsplatz, bedarf es ebenfalls keiner weiteren Bewerbungen, um seine Ausbildungswilligkeit glaubhaft zu machen.

Je weniger qualifiziert ein Kind ist, desto mehr muss es sich um einen Arbeitsplatz bemühen. So muss ein 20-jähriges Kind mit einem mehr als vier Jahre zurückliegenden Hauptschulabschluss eine Vielzahl von Bewerbungen absenden, Kontakte knüpfen und Arbeitgeber schriftlich, telefonisch oder mündlich ansprechen, um seine Chancen auf einen Ausbildungsplatz zu erhöhen. Eine Bewerbung einmal im Monat genügt hier nicht (FG Berlin-Brandenburg vom 3.12.2013, 6 K 6346/10, EFG 2014 S. 560).

3.4.4 Ihr Kind geht während der Ausbildungssuche arbeiten – diese Folgen müssen Sie bedenken

Geht Ihr Kind während der Suche nach einem Ausbildungsplatz oder während einer Wartezeit nach erfolgter Zusage für einen Ausbildungsplatz einer Erwerbstätigkeit nach, kann es trotzdem als Kind bei Ihnen berücksichtigt werden (BFH-Urteil vom 17.6.2010, III R 34/09, BStBl. 2010 II S. 982).

Handelt es sich bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz um eine erstmalige Berufsausbildung, erhalten Sie ohne weitere Voraussetzungen Kindergeld.

Geht Ihr Kind Vollzeit arbeiten, könnte die Familienkasse dies allerdings als Indiz gegen ein ernsthaftes Bemühen Ihres Kindes um einen Ausbildungsplatz ansehen.

Bitten Sie Ihr Kind, seine Bemühungen um einen Ausbildungsplatz nachvollziehbar zu dokumentieren. So können Sie Zweifel der Familienkasse an der Ausbildungswilligkeit Ihres Kindes schnell zerstreuen.

Unproblematisch ist, wenn Ihr Kind bereits einen Ausbildungs- oder Studienplatz sicher hat und in der Zwischenzeit zur Überbrückung Vollzeit arbeiten geht.

Beispiel:

Dennis (20 Jahre) hat im Juni sein Abitur bestanden. Bereits im Mai hat er eine Zusage für eine Ausbildungsstelle ab dem 1. September. Bis dahin jobbt er als Aushilfe in einem produzierenden Gewerbebetrieb. Für Juli und August bezieht er jeweils einen Bruttoarbeitslohn von 1.600,– €. Seine Ausbildungsvergütung ab September beträgt 500,– €.

Dennis kann durchgehend für das ganze Jahr als Kind berücksichtigt werden. Bis Juni befindet er sich in Schulausbildung, für Juli und August ist er als Kind ohne Ausbildungsplatz zu berücksichtigen. Ab September befindet er sich in einer berufsbezogenen Ausbildung. Weil Dennis noch keine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen hat, erhalten seine Eltern für das ganze Jahr das Kindergeld und die kindbezogenen steuerlichen Vergünstigungen. Die Höhe seiner Einkünfte und Bezüge spielt keine Rolle.

Hat Ihr Kind aber bereits eine erstmalige Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen, erhalten Sie nur dann Kindergeld, wenn Ihr Kind keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht → Kapitel »Erste Ausbildung abgeschlossen? Jetzt wird es kompliziert«.

Ihr Kind befindet sich in einer Übergangszeit

3.5.1 Altersgrenze

Ihr Kind wird bis zum vollendeten 25. Lebensjahr berücksichtigt. Weitere Ausführungen zur Altersgrenze finden sich in → Kapitel »Schule, Studium und Berufsausbildung«.

3.5.2 Diese Übergangszeiten zählen

Als Übergangszeiten gelten nur Zeiten

  • zwischen zwei Ausbildungsabschnitten, zum Beispiel zwischen

    • Schulausbildung und Studium oder einer berufsbezogenen Ausbildung,

    • Erstausbildung und Zweitausbildung,

    • Verlust einer Ausbildungsstelle und Beginn eines neuen Ausbildungsverhältnisses,

    • Abbruch einer Ausbildung und Beginn einer anderen Ausbildung.

  • zwischen einem Ausbildungsabschnitt und

    • einem freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahr,

    • einem Freiwilligendienst im Rahmen des EU-Programms »Erasmus+«, dem Programm der Union für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport,

    • einem entwicklungspolitischen Freiwilligendienst »weltwärts«,

    • einem Freiwilligendienst aller Generationen,

    • dem Internationalen Jugendfreiwilligendienst,

    • dem Bundesfreiwilligendienst,

    • dem freiwilligen Wehrdienst oder

    • einem Auslandsfreiwilligendienst nach § 5 Bundesfreiwilligendienstgesetz.

Darauf, ob Ihr Kind nach Leistung des Dienstes weiter ausgebildet wird oder nicht, kommt es nicht an. Ihr Kind muss sich also vorher nicht festlegen, ob es nach dem Dienst seine Ausbildung beginnt bzw. fortsetzt (BFH-Urteil vom 25.1.2007, III R 23/06, BStBl. 2008 II S. 664).

Wird die Ausbildung nach der Leistung des Dienstes erst begonnen, können ebenfalls Übergangszeiten von maximal vier Monaten berücksichtigt werden. Auch umgekehrt, wenn der Dienst erst nach abgeschlossener Ausbildung angetreten wird, sind Übergangszeiten bis zu vier Monate zu berücksichtigen.

3.5.3 Die Pause muss sich für Ihr Kind zwangsweise ergeben

Übergangszeiten ergeben sich als von Ihrem Kind nicht zu vermeidende Zwangspausen, zum Beispiel durch Rechtsvorschriften über den Ausbildungsverlauf, aus den festen Einstellungsterminen der Ausbildungsbetriebe oder den Einstellungsgewohnheiten staatlicher Ausbildungsinstitutionen. Wird die Ausbildung innerhalb der vier Monate fortgesetzt oder werden Wehr-, Zivil- oder ein anderer Dienst begonnen, kann das Kind durchgehend berücksichtigt werden.

Eine Übergangszeit liegt nicht vor, wenn das Kind sich nach einem Ausbildungsabschnitt oder einem anerkannten Dienst oder Tätigkeit nicht um einen Anschluss-Ausbildungsplatz bemüht, zum Beispiel wegen der Betreuung eines eigenen Kindes (DA-KG A 16 Abs. 4).

Ein typischer Fall ist die Übergangszeit zwischen dem Besuch einer allgemeinbildenden Schule und dem Beginn einer berufsbezogenen Ausbildung oder eines Studiums.

Beispiel:

Der 19 Jahre alte Jonas beendet im Juni 2019 seine Schulausbildung mit dem Abitur.

Variante a): Jonas beginnt zum 1.10.2019 eine Ausbildung.

Variante b): Jonas orientiert sich nach dem Abitur zunächst, informiert sich über seine beruflichen Möglichkeiten und die für ihn in Betracht kommenden Studiengänge. Zum 1.4.2020 beginnt er ein Studium. Um den Studienplatz beworben hat er sich im Dezember 2019.

Variante c): Jonas macht zwei Monate Urlaub und bewirbt sich nachweislich ab September 2019 um eine Lehrstelle. Im November 2019 erhält er eine Zusage für eine Ausbildung ab 1.3.2020.

Variante d): Jonas bewirbt sich unmittelbar nach seiner Schulausbildung um einen Studienplatz, kann aber erst zum 1.4.2020 ein Studium beginnen.

In Variante a) steht den Eltern für Jonas auch in der Übergangszeit Juli bis September Kindergeld zu.

In Variante b) beträgt die Übergangszeit mehr als vier Monate. Der erste Ausbildungsabschnitt endet im Juni 2019, der nächste beginnt am 1.4.2020. Kindergeld für Jonas steht den Eltern bis Juni 2019 zu, weil Jonas sich in Schulausbildung befindet. Ab Dezember 2019 erhalten sie Kindergeld, weil ab dann Jonas mangels Ausbildungsplatz seine Ausbildung nicht fortsetzen kann.

In Variante c) kann Jonas bis Juni 2019 wegen seiner Schulausbildung und ab September 2019 als Kind ohne Ausbildungsplatz berücksichtigt werden. Bei der Zeit dazwischen handelt es sich ebenfalls nicht um eine Übergangszeit, weil zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten Schule bis Juni 2019 und berufsbezogener Ausbildung ab 1.3.2020 mehr als vier Monate liegen. Dass Jonas sich innerhalb von vier Monaten nach seinem Schulabschluss um eine Lehrstelle gekümmert hat, hilft nicht. Denn dadurch ergibt sich keine begünstigte Übergangszeit.

In Variante d) kann Jonas durchgehend als Kind berücksichtigt werden. Bis Juni 2019 wegen seiner Schulausbildung und anschließend mangels Ausbildungsplatz.

Dauert die Übergangszeit Ihres Kindes wie in den Varianten b) und c) des Beispiels länger als vier Monate, verlieren Sie das Kindergeld für den gesamten Zeitraum, also auch für die ersten vier Monate. Der Gesetzgeber geht typisierend davon aus, dass volljährige, gesunde Kinder, die längere Übergangszeiten zu überbrücken haben, während dieser Zeit eine Erwerbstätigkeit (ggf. Aushilfstätigkeit) aufnehmen und sich gegenüber ihren Eltern nicht mehr in einer Unterhaltssituation befinden (BFH-Urteil vom 16.4.2015, III R 54/13, BFH/NV 2015 S. 1301).

Ihr Kind hat seine Schulausbildung beendet. Achten Sie darauf, dass Ihr Kind

  • innerhalb von vier Monaten die Ausbildung fortsetzt, zum Beispiel durch den Beginn einer berufsbezogenen Ausbildung, oder

  • sich spätestens im nächsten Monat nach dem Schulabschluss um einen Ausbildungsplatz bemüht. Beispielsweise kann es sich bei der Agentur für Arbeit als ausbildungsplatzsuchend melden. Am besten ist, Ihr Kind plant schon vor Ende seiner Schullaufbahn, welchen weiteren Weg es einschlagen will, oder

  • sich bei der Agentur für Arbeit als arbeitssuchend meldet, wenn es das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Nur so können Sie durchgehend das Kindergeld erhalten.

Geht Ihr Kind in einer zu berücksichtigenden Übergangszeit einer Erwerbstätigkeit nach, ist dies unproblematisch, wenn die sich an die Übergangszeit anschließende Ausbildung die erste für Ihr Kind ist.

Handelt es sich hingegen um eine weitere Ausbildung, auch in Form eines Studiums, weil Ihr Kind eine erstmalige Berufsausbildung bereits abgeschlossen hat, erhalten Sie nur dann für die Übergangszeit das Kindergeld, wenn Ihr Kind keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht → Kapitel »Erste Ausbildung abgeschlossen? Jetzt wird es kompliziert«.

3.5.4 Überschreiten des Vier-Monats-Zeitraums: Auf ein Verschulden kommt es nicht an

Auf die Gründe, warum die Vier-Monats-Frist überschritten wird, kommt es nicht an. Es muss sich nicht um einen abgeschlossenen Ausbildungsabschnitt gehandelt haben. Selbst wenn Ihr Kind einen vorangegangenen Ausbildungsplatz verloren oder abgebrochen hat, handelt es sich um eine Übergangszeit (DA-KG A 16 Abs. 2).

Ob die Überschreitung der Vier-Monats-Frist verschuldet war oder nicht, oder ob sie absehbar war oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Dies hat der BFH in zwei Entscheidungen betont (BFH-Urteil vom 22.12.2011, III R 5/07, BFH/NV 2012 S. 1024; BFH-Urteil vom 22.12.2011, III R 41/07, DStR 2012 S. 785).

Hat sich bei Ihrem Kind eine Übergangszeit von mehr als vier Kalendermonaten ergeben?

Dann bekommen Sie zwar kein Kindergeld mehr, aber wegen Ihren Unterstützungsleistungen in diesen Monaten für den normalen Lebensunterhalt Ihres Kindes können Sie den Unterhaltsfreibetrag beanspruchen. Aufwendungen für den besonderen Unterhalt können Sie darüber hinaus als außergewöhnliche Belastungen allgemeiner Art geltend machen.

So berechnen Sie den Vier-Monats-Zeitraum

Der Vier-Monats-Zeitraum ist keine Frist im eigentlichen Sinne. Er ist daher nicht taggenau zu berechnen. Vielmehr handelt sich um einen Zeitraum von vier vollen zusammenhängenden Kalendermonaten. Denn Ihr Kind wird in Monaten, in denen eine Berufsausbildung beginnt oder endet, berücksichtigt, sobald die Ausbildung mindestens an einem Tag stattfand. Angefangene Monate der Berufsausbildung zählen also mit.

Die Übergangszeit darf vier volle Kalendermonate ohne Berufsausbildung nicht überschreiten.

Der Vier-Monats-Zeitraum ist damit erst dann überschritten, wenn die Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder einem Ausbildungsabschnitt und einem Wehr-, Zivil- oder anderen Dienst mehr als vier volle Kalendermonate beträgt.

Beispiel:

Der 19-jährige Nils hat das Gymnasium im Juni mit dem Abitur abgeschlossen. Er beabsichtigt, einen Lehrberuf zu ergreifen.

Die berufsbezogene Ausbildung muss spätestens im November beginnen. Ob am 1.11. oder am 30.11. ist unerheblich. Der Übergangszeitraum umfasst die vier vollen Kalendermonate Juli, August, September und Oktober. Beginnt die Ausbildung bis zum 30.11., wird das Kindergeld für Nils durchgehend gewährt.

Dauert die Unterbrechung länger als vier Kalendermonate, kann eine Berücksichtigung Ihres Kindes möglicherweise als ausbildungsplatzsuchendes Kind in Betracht kommen. Dann bekommen Sie auch durchgehend Kindergeld.

Beispiel:

Die 19-jährige Lara hat das Gymnasium im Juni 2019 mit dem Abitur abgeschlossen. Sie beabsichtigt, einen Lehrberuf zu ergreifen. Sie bewirbt sich schon seit Januar 2019 laufend und erhält einen Ausbildungsplatz zum 1.1.2020.

Die Übergangszeit beträgt mehr als vier volle Kalendermonate (Juli bis Dezember = sechs Kalendermonate). Lara kann aber ab Juli als Kind ohne Ausbildungsplatz berücksichtigt werden. Daher wird das Kindergeld durchgehend gezahlt.

Beispiel:

Der 19-jährige Tim hat das Gymnasium im Juni 2019 mit dem Abitur abgeschlossen. Er beabsichtigt, einen Lehrberuf zu ergreifen. Weil er noch nicht genau weiß, was er beruflich machen will, informiert er sich im Juli und August allgemein. Ab September beginnt er sich zu bewerben. Er erhält eine Ausbildungsstelle zum

Variante a) 1.10.2019

Variante b) 1.1.2020.

In Variante a) liegt eine Übergangszeit von nicht mehr als vier Kalendermonaten vor. Aber: Die Familienkasse wird Tim für die Monate Juli und August nicht berücksichtigen. Weil er sich nicht beworben hat, befindet er sich (noch) nicht in einem Übergang (DA-KG A 16 Abs. 3). Das Kindergeld für diese Monate hätte gerettet werden können, wenn Tim sich direkt im Anschluss an das Abitur beworben hätte.

In Variante b) beträgt die Übergangszeit mehr als vier volle Kalendermonate (Juli bis Dezember). Erst ab September kann Tim wieder als Kind berücksichtigt werden, und zwar als Kind ohne Ausbildungsplatz.

Der Vier-Monats-Zeitraum kann auch in zwei Kalenderjahre fallen.

Beispiel:

Der 18-jährige Mika bricht seine Berufsausbildung zum Kfz-Mechatroniker zum 16.11.2019 ab. Am 1.4.2020 beginnt er eine neue Ausbildung als Schreiner.

Mika ist durchgehend als Kind zu berücksichtigen. Es liegen nur vier volle Monate ohne Berufsausbildung vor (Dezember 2019 bis März 2020).

Geht Ihr Kind während einer Übergangszeit von nicht mehr als vier Kalendermonaten einer Erwerbstätigkeit nach, ist für eine Berücksichtigung bei Ihnen entscheidend, ob es bereits eine erste Berufsausbildung oder ein Erststudium abgeschlossen hat.

Eine Erwerbstätigkeit Ihres Kindes während einer Übergangszeit von nicht mehr als vier vollen Kalendermonaten steht einer Berücksichtigung als Kind auf keinen Fall entgegen, wenn es sich um eine Übergangszeit zwischen Schule und erster Ausbildung oder erstem Studium handelt.

Handelt es sich hingegen um eine Übergangszeit zwischen

  • einer abgeschlossenen ersten Berufsausbildung oder einem ersten Studium

    und

  • einer weiteren Berufsausbildung oder einem weiteren Studium,

erhalten Sie nur dann das Kindergeld, wenn Ihr Kind keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht.

Beispiel:

Julia (20 Jahre alt) hat Ende Juni ihr Abitur bestanden. Ab Oktober studiert sie Medizin. In den Monaten Januar bis April war sie für 300,– € monatlich geringfügig beschäftigt. In den Monaten Juli bis September war sie in Vollzeit als Aushilfe in einem Produktionsbetrieb angestellt. Ihr Bruttogehalt betrug monatlich 1.500,– €. Ab Oktober geht sie wieder einer geringfügigen Beschäftigung für monatlich 400,– € nach.

Julia kann durchgehend als Kind berücksichtigt werden, denn sie hat bisher noch keine Berufsausbildung abgeschlossen.

Beispiel:

Felix (19 Jahre) hat seine erste Ausbildung zum 31. März abgeschlossen. Bereits im März hat er die Zusage eines anderen Betriebs für eine weitere Ausbildung in einem anderen Berufsbild. Dort beginnt er am 1. Juni. In den Monaten April und Mai hat Felix bei seinem ersten Ausbildungsbetrieb in Vollzeit gearbeitet.

Felix ist bis März und ab Juni als Kind in Ausbildung und in den Monaten April bis August als Kind in einer Übergangszeit – und damit dem Grunde nach das ganze Jahr – zu berücksichtigen. Weil er aber zum 31. März eine erstmalige Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen hat, wird die Familienkasse ab April nur noch dann Kindergeld zahlen, wenn er keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht. Damit steht den Eltern von Felix für die Monate April und Mai kein Kindergeld zu. Erst ab Juni erhalten sie dieses wieder, weil Felix ab dann in einem »unschädlichen« Ausbildungsdienstverhältnis steht.

Die Übergangszeit beginnt auch dann mit Abschluss des vorangegangenen Ausbildungsabschnitts oder Dienstes, wenn das Kind zu diesem Zeitpunkt das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (BFH-Urteil vom 16.4.2015, III R 54/13, BStBl. 2016 II S. 25).

Beispiel:

Daniel vollendet im Juli sein 18. Lebensjahr. Sein Ausbildungsverhältnis zum Gärtner wurde ihm vom Ausbildungsbetrieb zum 30. April gekündigt. Zum 1. Oktober beginnt er seinen freiwilligen Wehrdienst. In den fünf Monaten dazwischen (Mai–September) hat er sich nicht ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht.

Die Übergangszeit beträgt mehr als vier Kalendermonate. Für die Monate August und September, in denen Daniel bereits volljährig war, wird die Familienkasse kein Kindergeld zahlen. Anders wäre es, wenn Daniel sich nachweisbar um einen Ausbildungsplatz bemüht hätte.

3.5.6 Übergangszeit nach abgeschlossener erstmaliger Berufsausbildung

Befindet sich Ihr Kind in einer Übergangszeit von nicht mehr als vier Monaten, steht Ihnen das Kindergeld auch für diese Zeit zu. Voraussetzung: Ihr Kind geht keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nach → Kapitel »Was ist eine schädliche Erwerbstätigkeit?«. Ein Minijob ist beispielsweise unschädlich.

Beispiel:

Die 22 Jahre alte Luisa hat ihre Ausbildung zur Bankkauffrau im Juni beendet. Von ihrem Ausbildungsbetrieb wurde sie nicht übernommen. Zudem hat sich der Berufswunsch von Luisa geändert. Um die Zeit bis zum Beginn ihres Biologie-Studiums am 1. Oktober sinnvoll zu überbrücken, arbeitet sie vom 1. Juli bis 31. August für einen Vermögensberater auf Basis eines Minijobs.

Luisa ist das ganze Jahr als Kind zu berücksichtigen. Bis zum Juni und ab Oktober befindet sie sich in Ausbildung. In den Monaten Juli bis September befindet sie sich in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten von maximal vier Monaten.

Die Eltern von Luisa erhalten durchgehend Kindergeld, und zwar auch für die Übergangszeit, in der Luisa einem Minijob nachging. Denn dabei handelt es sich um eine unschädliche Erwerbstätigkeit.

Beispiel:

Der 19-jährige Sebastian hat im April das Gymnasium mit dem Abitur abgeschlossen. Bis zum Beginn seiner betrieblichen Ausbildung zu einem Handwerksberuf am 1. August arbeitet er in Vollzeit als Aushilfe bei einem Bauunternehmen.

Sebastian ist das ganze Jahr als Kind zu berücksichtigen. Bis April und ab August befindet er sich in Ausbildung. Dazwischen ist er als Kind in einer Übergangszeit zu berücksichtigen. Weil die Schulausbildung keine abgeschlossene erstmalige Berufsausbildung darstellt, ist seine anschließende Erwerbstätigkeit unschädlich.

Dauert die Unterbrechung länger als vier Monate, befindet sich Ihr Kind nicht mehr in einer Übergangszeit. Für diese Monate gibt es dann kein Kindergeld mehr.

Dauert die Übergangszeit länger als vier Monate, können Sie trotzdem Kindergeld erhalten, wenn Ihr Kind sich arbeitslos meldet (bis zum vollendeten 21. Lebensjahr möglich) oder sich um einen Ausbildungsplatz bemüht.

Freiwillige soziale und ökologische Dienste

3.6.1 Altersgrenze

Ihr Kind wird bis zum vollendeten 25. Lebensjahr berücksichtigt. Weitere Ausführungen zur Altersgrenze finden Sie in → Kapitel »Schule, Studium und Berufsausbildung«.

3.6.2 Nur diese Dienste sind begünstigt

Leistet Ihr Kind einen Freiwilligendienst, bekommen Sie für die Dauer des Dienstes Kindergeld. Beachten Sie, dass nicht jedes freiwillige Engagement zum weiteren Bezug des Kindergeldes berechtigt. Der Dienst muss genau die jeweiligen Voraussetzungen erfüllen (BFH-Urteil vom 18.6.2014, III B 19/14, BFH/NV 2014 S. 1541). So zählt etwa die Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nicht (BFH-Urteil vom 3.7.2014, III R 53/13, BStBl. 2015 II S. 282).

Bei welchen Diensten es weiterhin Kindergeld gibt

Nur wenn Ihr Kind einen der folgenden Dienste leistet, erhalten Sie für die Dauer des Dienstes das Kindergeld:

  • freiwilliges soziales Jahr oder ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstgesetzes (JFDG);

  • Freiwilligenaktivität im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps (u.a. der Europäische Freiwilligendienst);

  • Auslandsfreiwilligendienst nach § 5 Bundesfreiwilligendienstgesetz;

  • entwicklungspolitischer Freiwilligendienst »weltwärts«;

  • Freiwilligendienst aller Generationen;

  • Internationaler Jugendfreiwilligendienst;

  • Bundesfreiwilligendienst.

Möchte Ihr Kind einen Freiwilligendienst leisten, sollte vor Vertragsunterschrift genauestens geprüft werden, ob es sich um einen begünstigten Dienst handelt. Im Zweifel setzen Sie sich mit der Familienkasse in Verbindung und lassen sich dies bestätigen. Es erfolgt keine analoge Anwendung der Regelung auf andere Dienste!

Erfüllt der Dienst, den Ihr Kind leistet, nicht die Voraussetzungen, könnte es sich möglicherweise um ein Praktikum handeln (DA-KG A 17.1 Abs. 2). Allerdings erfordert dies einen hinreichenden Zusammenhang zwischen dem von Ihrem Kind abgeleisteten Dienst und dem von diesem angestrebten Beruf (BFH-Urteil vom 7.4.2011, III R 11/09, BFH/NV 2011 S. 1325).

Nur dann liegt eine Berufsausbildung vor. Beispielsweise könnte ein freiwilliges Jahr bei einem nicht anerkannten Träger als Vorpraktikum eines Studiums im Sozialbereich anerkannt sein. Prüfen Sie dies konkret anhand der Regelungen für den Studiengang.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, während der Ableistung eines nicht anerkannten Dienstes im Ausland an einem Sprachunterricht teilzunehmen. Allerdings muss dieser gewisse Mindeststandards erfüllen, vor allem regelmäßig mehr als zehn Wochenstunden Unterrichtszeit (BFH-Urteil vom 9.2.2012, III R 78/09, BFH/NV 2012 S. 940) → Kapitel »Das ist Ausbildung«.

Probleme gibt es, wenn Ihr Kind den Freiwilligendienst in einem Staat außerhalb der EU bzw. EWR leisten will. Bei einer von vornherein geplanten Aufenthaltsdauer des Kindes von mehr als einem Jahr wird generell angenommen, dass es keinen Inlandswohnsitz mehr hat. Die Folge: Es gibt kein Kindergeld mehr. Hier gelten dieselben Regeln wie für Kinder, die sich zu Ausbildungszwecken in solchen Staaten aufhalten (BFH-Urteil vom 13.7.2016, XI R 8/15, BStBl. 2016 II S. 952) → Kapitel »Das ist Ausbildung«.

Freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr

Die Mindestdauer beträgt sechs Monate, längstens können diese Dienste 24 Monate (ggf. auch kombiniert) dauern. In der Regel werden zwölf zusammenhängende Monate geleistet. Eine Entsendung in das Ausland ist auf höchstens zwölf Monate beschränkt. Als Träger des freiwilligen sozialen Jahres im Inland sind zugelassen:

  • die Verbände, die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossen sind, und ihre Untergliederungen,

  • die staatlich anerkannten Kirchen und

  • die Gebietskörperschaften sowie nach näherer Bestimmung der Länder sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts.

Die Landesbehörden können weitere geeignete Einrichtungen als Träger des freiwilligen sozialen Jahres und des ökologischen Jahres im Inland als auch im Ausland zulassen. Bei Diensten im Ausland muss der Träger eine juristische Person mit Sitz im Inland sein.

Der Nachweis über die Leistung des freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahres ist zu erbringen durch

  • die zwischen Ihrem Kind und dem Träger vor Beginn des Freiwilligendienstes geschlossene schriftliche Vereinbarung oder

  • eine vom Träger nach Abschluss des Dienstes ausgestellte Bescheinigung.

Freiwilligenaktivität

Der Europäische Freiwilligendienst war bis zum 4.10.2018 Teil des EU-Programms »Erasmus+«. Am 5.10.2019 trat das Europäische Solidaritätskorps in Kraft. Dieses beinhaltet u.a. auch den bisherigen Europäischen Freiwilligendienst. Der Dienst dauert maximal zwölf Monate. Es wird ein Vertrag abgeschlossen zwischen Ihrem Kind, der Entsendeorganisation (die sich Ihr Kind suchen muss), der Aufnahmeorganisation und der die Förderung bewilligenden Stelle (i. d. R. die deutsche Nationalagentur »Jugend für Europa« in Bonn).

Der Nachweis über die Leistung des Dienstes ist zu erbringen durch die Bescheinigung, die die deutsche Nationalagentur oder die Entsendeorganisation Ihrem Kind vor oder nach Abschluss der Tätigkeit ausstellt mit Angaben zu den Beteiligten, der Dauer des Dienstes und der Projektnummer.

Weiterführende Informationen erhalten Sie unter www.erasmusplus.de und www.solidaritaetskorps.de.

Anderer Dienst im Ausland/Auslandsfreiwilligendienst

Begünstigt sind Dienste im Ausland, die

  • das friedliche Zusammenleben der Völker fördern und

  • von einem anerkannten Träger durchgeführt werden.

Anerkannt werden von der Familienkasse auch Dienstzeiten von über zwölf Monaten.

Der Nachweis über die Leistung des Dienstes ist zu erbringen durch

  • die mit dem Träger vor Beginn des Dienstes durch Ihr Kind geschlossene Vereinbarung und

  • die nach Abschluss des Dienstes erteilte Bescheinigung des Bundesamtes für den Zivildienst oder des Trägers.

Freiwilligendienst »weltwärts«

Der Freiwilligendienst »weltwärts« ist ein entwicklungspolitischer Freiwilligendienst des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Hier kann sich Ihr Kind für eine Dauer von sechs bis 24 zusammenhängenden Monaten in einem Entwicklungsland engagieren. Es schließt dabei einen Vertrag mit zumindest der Entsendeorganisation.

Der Nachweis über die Leistung des Dienstes ist zu erbringen durch

  • die mit dem Träger vor Beginn des Dienstes geschlossene Vereinbarung und

  • die nach Abschluss des Dienstes erteilte Bescheinigung des Trägers.

Freiwilligendienst aller Generationen

Der Freiwilligendienst aller Generationen ist ein Projekt des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Ihr Kind schließt mit einem geeigneten Träger eine schriftliche Vereinbarung, unentgeltlich im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten Dienst zu leisten.

Als Träger geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts (z.B. eine Kommune) oder gemeinnützige Körperschaften (z.B. im Bereich der Jugendarbeit oder der Altenhilfe). Hierunter fallen auch die zeitweise vom BMFSFJ geförderten sogenannten Leuchtturmprojekte in Deutschland. Die Einsatzstellen der geförderten Leuchtturmprojekte sind als Träger anerkannt.

Der Nachweis über die Leistung des Dienstes ist zu erbringen durch

  • die mit dem Träger vor Beginn des Dienstes geschlossene Vereinbarung und

  • die nach Abschluss des Dienstes erteilte Bescheinigung des Trägers.

Internationaler Jugendfreiwilligendienst

Der Internationale Jugendfreiwilligendienst richtet sich an Menschen, die bei Dienstantritt das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Ihr Kind schließt mit einem geeigneten Träger eine schriftliche Vereinbarung und verrichtet im Ausland einen mindestens sechs Monate und längstens 18 Monate dauernden ganztägigen Dienst. In der Regel soll die Dienstzeit zwölf Monate dauern.

Als Träger kommen juristische Personen mit Sitz in Deutschland in Betracht, die vor allem als gemeinnützig anerkannt sind und vom BMFSFJ zugelassen sind.

Der Nachweis über die Leistung des Dienstes ist zu erbringen durch

  • die mit dem Träger vor Beginn des Dienstes geschlossene Vereinbarung und

  • die nach Abschluss des Dienstes erteilte Bescheinigung des Trägers.

Bundesfreiwilligendienst

Der Bundesfreiwilligendienst richtet sich an Menschen jeden Alters, die ohne Erwerbsabsicht einen freiwilligen Dienst etwa in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, in Einrichtungen der Wohlfahrts-, Gesundheits- und Altenpflege, der Behindertenhilfe oder des Zivil- und Katastrophenschutzes leisten möchten. Nur bei Menschen, die das 27. Lebensjahr vollendet haben, ist eine Dienstleistung auch in Teilzeit von mehr als 20 Stunden möglich.

Aufgrund einer schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Bund und Ihrem Kind verrichtet dieses einen solchen Dienst in einer anerkannten Einsatzstelle für eine Zeit von mindestens sechs und höchstens 24 Monaten. In der Regel soll der Dienst für zwölf Monate geleistet werden.

Der Nachweis über die Leistung des Dienstes ist zu erbringen durch

  • die mit dem Bund vor Beginn des Dienstes geschlossene Vereinbarung und

  • die nach Abschluss des Dienstes erteilte Bescheinigung der Einsatzstelle.

3.7 Wehrdienst, Zivildienst, Ersatzdienst als Entwicklungshelfer

Für Zeiten, in denen ein Kind den gesetzlichen Grundwehr-/Zivildienst, einen freiwilligen Wehrdienst oder einen Ersatzdienst als Entwicklungshelfer leistete, wurden die Altersgrenzen (21. Lebensjahr; 25. Lebensjahr) für die Berücksichtigung als Kind höchstens um die Zeit des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes hinausgeschoben. In einem Staat außerhalb der EU bzw. EWR geleisteter gesetzlicher Grundwehrdienst, Zivildienst oder Entwicklungshilfedienst zählte auch. Kindergeld konnte demnach länger bezogen werden (§ 32 Abs. 5 EStG).

Der Dienst muss vor dem 1.7.2011 begonnen worden sein, denn seitdem ist die Wehrpflicht in Deutschland ausgesetzt. Nach dem 1.7.2011 freiwillig begonnene Dienste zählen hier nicht. Die Regelung ist damit faktisch ausgelaufen.

Ihr Kind ist erwerbstätig: Das ist zu beachten

4.1 Einkommen und Vermögen sind egal

Die Einkünfte und Bezüge Ihres Kindes spielen keine Rolle.

Egal wie hoch also das Einkommen Ihres Kindes ist, stehen Ihnen Kindergeld und die steuerlichen Vergünstigungen für Kinder zu. Auch die Höhe des Vermögens Ihres Kindes spielt keine Rolle.

Voraussetzung: Ihr volljähriges Kind ist dem Grunde nach bei Ihnen zu berücksichtigen, weil es

  • das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, arbeitslos ist und eine Arbeit sucht,

  • das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sich in der Schule, in Berufsausbildung oder im Studium befindet, keinen Ausbildungsplatz findet, sich in einer Übergangszeit befindet oder einen Freiwilligendienst leistet.

4.2 Wenn die erste Ausbildung noch nicht abgeschlossen ist

4.2.1 Kindergeld und Freibeträge – Ausnahmsweise einfach

Hat Ihr Kind noch keine erstmalige Berufsausbildung oder Erststudium erfolgreich abgeschlossen, stehen Ihnen ohne weitere Voraussetzungen das Kindergeld von der Familienkasse und die steuerlichen Vergünstigungen vom Finanzamt zu!

Eine neben der Berufsausbildung oder dem Studium ausgeübte Erwerbstätigkeit spielt keine Rolle. Eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium ist zum Beispiel noch nicht abgeschlossen, wenn Ihr Kind

  • noch zur Schule geht,

  • sich in einer ersten Berufsausbildung befindet,

  • nach der Schule ohne vorherige Berufsausbildung direkt studiert,

  • sich während seiner ersten Berufsausbildung umorientiert, diese Ausbildung abgebrochen und eine andere begonnen hat,

  • sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen Schule und erster Ausbildung befindet.

Sie erhalten Kindergeld, weil Ihr volljähriges Kind dem Grunde nach bei Ihnen zu berücksichtigen ist.

Hat Ihr Kind eine Berufsausbildung begonnen, möchte aber etwas anderes machen, zum Beispiel studieren? Nach der derzeitigen Rechtslage kann es vorteilhafter sein, die Berufsausbildung abzubrechen statt sie erfolgreich zu beenden. Denn Sie erhalten Kindergeld und die Freibeträge für Kinder auf jeden Fall weiter, auch wenn Ihr Kind beispielsweise neben einem Studium mehr als 20 Stunden wöchentlich arbeitet.

Auch die Art einer Ausbildung ist völlig unerheblich. Es ist also ohne Bedeutung, ob Ihr Kind beispielsweise

  • ein Praktikum absolviert;

  • ein Ausbildungsdienstverhältnis eingegangen ist;

  • an einer Universität studiert;

  • ein duales Studium absolviert.

Egal, wie hoch die Einkünfte und Bezüge eines sich in einer ersten Ausbildung oder Erststudium befindlichen Kindes sind: Für das Kind ist Kindergeld zu zahlen und die Freibeträge für Kinder sind zu gewähren! Es spielt keine Rolle, ob die Einkünfte und Bezüge aufgrund eines Ausbildungsdienstverhältnisses oder auf anderem Weg erzielt werden.

Beispiel:

Der 19-jährige Jens hat im April sein Abitur abgelegt. Zum 1.  September beginnt er mit dem Studium an einer Universität. Aufgrund einer großen Erbschaft von seinem Großvater bezieht Jens Einkünfte aus Kapitalvermögen durch Dividenden und festverzinsliche Wertpapiere von ca. 12. 000,– € jährlich. Sein Vermögen beträgt ca. 500 .000,– €.

Bis April und ab September ist Jens bei seinen Eltern als Kind in Ausbildung zu berücksichtigen. In den Monaten dazwischen befindet er sich in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten, die nicht länger als vier volle Kalendermonate dauert. Weil Jens noch keine erstmalige Berufsausbildung oder Studium abgeschlossen hat, steht den Eltern von Jens damit für das ganze Jahr Kindergeld zu.

Beispiel:

Die 20-jährige Andrea hat im April ihr Abitur abgelegt. Zum 1.  Oktober beginnt sie mit einem Studium an einer Fachhochschule. Um den Studienplatz hat sie sich unmittelbar nach der Schule bemüht. Um sich ein finanzielles Polster für das Studium zuzulegen, jobbt Andrea von Mai bis September in einem produzierenden Gewerbebetrieb. Ihr monatlicher Bruttoarbeitslohn beträgt 1. 600,– €.

Andrea ist bis April und ab Oktober als Kind in Ausbildung zu berücksichtigen. Auch von Mai bis September erhalten die Eltern Kindergeld. Zwar beträgt die Übergangszeit fünf und damit mehr als die zulässigen vier Kalendermonate. Trotzdem ist Andrea auch für diese Zeit zu berücksichtigen, und zwar als Kind ohne Ausbildungsplatz. Entscheidend ist: Sie hat sich unmittelbar nach der Schule um einen Studienplatz bemüht. Dann spielt auch keine Rolle, ob und in welcher Höhe sie in diesen Monaten Einkünfte erzielt.

Beispiel:

Der 18-jährige Kevin hat im Juni 2019 die Mittlere Reife erworben. Obwohl er sich nachweislich laufend beworben hat, konnte er erst zum 1.4.2020 eine passende Ausbildungsstelle für seinen Wunschberuf finden. Erfreulicherweise wurde ihm aber eine Arbeit als Aushilfe in einer ortsansässigen Fabrik für Dosenherstellung angeboten. Dort arbeitet er seit dem 1.9.2019 in Vollzeit.

Kevin kann bis Juni 2019 und ab 1.4.2020 als Kind in Ausbildung berücksichtigt werden. Auch in der Zwischenzeit ist eine Berücksichtigung als Kind ohne Ausbildungsplatz möglich. Entscheidend ist, dass Kevin sich laufend um eine Ausbildung bemüht hat. Seine Vollzeittätigkeit stört nicht, weil er noch keine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen hat.

Beispiel:

Der 18-jährige Fabian hat im Juni 2019 die Mittlere Reife erworben. Zum 1. 9. 2019 hat er mit einer Ausbildung zum Landschafts- und Gartenbauer begonnen. Am 15. 6. 2020 bricht er diese ab. Er möchte stattdessen an der Abendschule sein Abitur nachholen und anschließend eine Ausbildung im gehobenen nichttechnischen Dienst einer Kommunalverwaltung absolvieren. Am 1. 7. 2020 beginnt er damit. Um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, arbeitet er in Vollzeit als Aushilfe im Baugewerbe.

Fabian wird das ganze Jahr 2020 als Kind in Ausbildung berücksichtigt. Auch ab Juli steht seinen Eltern das Kindergeld zu, weil er noch keine erstmalige Ausbildung abgeschlossen hat.

4.2.2 Vermeiden Sie Probleme bei der Sozialversicherung!

Auch wenn die Berücksichtigung des Kindes bei Familienkasse und Finanzamt unproblematisch ist, können bei der Sozialversicherung Schwierigkeiten auftauchen.

Beispiel:

Der 20-jährige Sebastian hat im März sein Abitur abgelegt. Im April nimmt er ein Universitätsstudium auf. Um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, geht er ab April einem Teilzeitjob von 25 regelmäßigen Wochenstunden nach. Sein Bruttoarbeitslohn beträgt 1.300,– €.

Sebastian wird das ganze Jahr als Kind in Ausbildung berücksichtigt. Weil er noch keine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium abgeschlossen hat, steht seinen Eltern ohne weitere Voraussetzungen das Kindergeld zu.

Ihr Kind sollte vor Aufnahme einer Beschäftigung prüfen, ob es eine Sozialversicherungspflicht vermeiden kann. Entweder Ihr Kind arbeitet maximal 20 Stunden pro Woche oder weist den Sozialversicherungsträgern nach, dass die Beschäftigung gegenüber dem Studium nachrangig ist, obwohl es mehr als 20 Stunden pro Woche arbeitet.

Ist ein »ordentlich Studierender« (das sind an einer Hochschule immatrikulierte Studenten oder für ihre berufliche Ausbildung eine Schule besuchende Fachschüler) als Arbeitnehmer beschäftigt, besteht grundsätzlich Rentenversicherungspflicht. Versicherungsfreiheit besteht nur bei einem geringfügig entlohnten Beschäftigungsverhältnis oder bei einer kurzfristigen Beschäftigung.

Bei der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung ist es nicht so übersichtlich. Hier gibt es die sog. »Werkstudentenregelung«. Es gilt eine 20-Stunden-Grenze. Arbeitet Ihr Kind mehr als 20 Stunden die Woche, studiert Ihr Kind aus Sicht der Sozialversicherung nicht mehr »ordentlich«. Denn das Arbeitsverhältnis überwiegt. Wie hoch das Arbeitsentgelt ist, spielt keine Rolle.

Trotz Überschreiten der 20-Stunden-Grenze kann Ihr Kind die Versicherungsfreiheit in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung erreichen. Denn wird Zeit und Arbeitskraft Ihres Kindes trotz seiner Beschäftigung überwiegend durch sein Studium in Anspruch genommen, gilt es als ordentlicher Student. Dies wird vornehmlich bei Beschäftigungen am Wochenende sowie in den Abend- und Nachtstunden möglich sein.

Besonderheiten bestehen, wenn

  • Ihr Kind regelmäßig maximal 20 Stunden pro Woche arbeitet, und nur in der vorlesungsfreien Zeit die 20-Stunden-Grenze überschreitet. Die Überschreitung der 20-Stunden-Grenze ist dann zunächst unschädlich.

  • Ihr Kind kurzfristig beschäftigt ist. Auch dann darf mehr als 20 Stunden pro Woche gearbeitet werden.

Beachten Sie: Übt Ihr Kind in einem »Zeitjahr« (also nicht Kalenderjahr, sondern 365 Tage hintereinander)

  • mehrere befristete Beschäftigungen mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden aus

    oder

  • ist es im Rahmen einer durchgehenden Beschäftigung – mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden – befristet mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden beschäftigt, etwa in den Semesterferien,

muss noch zusätzlich eine 26-Wochen-Grenze (oder 182 Tage) beachtet werden. Zeitlich für ein Jahr zurückgerechnet wird ab dem Ende der aktuellen Beschäftigung. Hat Ihr Kind während des letzten Zeitjahres länger als 26 Wochen in Jobs mit mehr als 20 Stunden pro Woche gearbeitet, wird es als Arbeitnehmer angesehen. Die Folge ist eine Versicherungspflicht der aktuellen Beschäftigung in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung!

Erste Ausbildung abgeschlossen? Jetzt wird es kompliziert!

4.3.1 Unter welchen Voraussetzungen es weiter Kindergeld gibt

Hat Ihr Kind eine erstmalige Berufsausbildung in Form einer ersten Berufsausbildung oder eines Erststudiums erfolgreich abgeschlossen, geht der Gesetzgeber zunächst einmal davon aus, dass es jetzt in der Lage ist, sich aufgrund der gewonnenen Fähigkeiten und Erkenntnisse selbst zu unterhalten. Übrigens: Ein Erststudium stellt einen Unterfall des Oberbegriffs »erstmalige Berufsausbildung« dar (BFH-Urteil vom 3.7.2014, III R 52/13, BStBl. 2015 II S. 152).

Hat Ihr Kind bereits eine erste Berufsausbildung oder ein Erststudium erfolgreich abgeschlossen, sein angestrebtes Berufsziel mit dem ersten erlangten Abschluss jedoch nicht erreicht und setzt seine Ausbildung daher fort? Dann prüfen Sie, ob eine sog. mehraktige Ausbildung vorliegt.

Setzt ein Kind nach erfolgreichem Abschluss eines Ausbildungsgangs seine Ausbildung fort, kann diese Fortsetzung Teil einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums sein. Hierzu müssen die Ausbildungsabschnitte insbesondere in einem engen sachlichen Zusammenhang zueinander stehen und in einem engen zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden → Kapitel »Eine mehraktige Ausbildung ist keine neue Ausbildung«.

Ist die erstmalige Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen, erhalten Sie nur noch dann Kindergeld, wenn Ihr Kind

  • bei Ihnen dem Grunde nach zu berücksichtigen ist (25. Lebensjahr noch nicht vollendet und zum Beispiel weitere Berufsausbildung) und

  • keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht (§ 32 Abs. 4 Satz 2 und 3 EStG).

Hierbei spielt keine Rolle, ob Ihr Kind sich aufgrund seiner Erwerbstätigkeit selbst unterhalten kann oder ob Ihre finanzielle Leistungsfähigkeit durch zum Beispiel eine weitere Ausbildung Ihres Kindes eingeschränkt wird. Aber eigentlich wird Kindergeld genau aus diesem Zweck gezahlt!

Beispiel:

Die 21-jährige Julia hat in 2021 ihre Lehre erfolgreich abgeschlossen. Ihr Ausbildungsbetrieb hat sie übernommen, sie arbeitet dort seitdem in Vollzeit. Seit 1.7.2021 hat sie begonnen, an einer Abendschule ihr Abitur nachzuholen. Ihr Ziel ist ein Studium, welches in keinem engen sachlichen Zusammenhang mit ihrer Ausbildung steht.

Julia ist zwar dem Grunde nach das ganze Jahr als Kind in Ausbildung zu berücksichtigen. Die Familienkasse wird jedoch ab Juli 2021 kein Kindergeld mehr zahlen. Denn Julia hat ihre Erstausbildung abgeschlossen und darf daher während ihrer weiteren Ausbildung keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgehen.

Dass die Höhe des Einkommens eines Kindes keine Rolle spielt, aber eine Erwerbstätigkeit etwa zum Verdienen des Lebensunterhalts schädlich sein kann, ist nicht unproblematisch und führt sogar zu sozial ungerechten Ergebnissen.

Beispiel:

Die 21-jährige Sabine hat im Juni 2020 ihre Lehre erfolgreich abgeschlossen. Ihr Ausbildungsbetrieb hat sie übernommen, sie arbeitet dort seitdem in Vollzeit. Seit 1.3.2021 hat sie mit einem Fernstudium begonnen, welches in keinem engen sachlichen Zusammenhang mit ihrer Ausbildung steht.

Ihr Freund, der 22-jährige Mark, der ebenfalls eine Lehre erfolgreich abgeschlossen hat, studiert seit 1.3.2021 an der Fernuniversität. Das Studium steht in keinem engen sachlichen Zusammenhang mit der Ausbildung. Mark muss nicht arbeiten gehen. Denn er hat von seiner vermögenden Familie genügend Vermögen übertragen bekommen. Er erzielt mehr Einkünfte aus Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung, als Sabine an Bruttoarbeitslohn erhält.

Sabine und Mark sind beide ab 1.3.2021 als Kind in Ausbildung zu berücksichtigen. Die Familienkasse wird für Sabine jedoch kein Kindergeld zahlen. Denn sie hat ihre erste Berufsausbildung abgeschlossen und darf daher während ihrer weiteren Ausbildung keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgehen.

Eine Erwerbstätigkeit Ihres Kindes ist nach erfolgreichem Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums nur unschädlich, wenn

  • die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nicht mehr als 20 Stunden beträgt,

  • ein (weiteres) Ausbildungsdienstverhältnis vorliegt oder

  • es sich um einen Minijob handelt.

Entsprechendes gilt, wenn Ihr Kind

  • sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Kalendermonaten befindet,

  • keinen weiteren Ausbildungsplatz findet,

  • einen Freiwilligendienst leistet.

Ist Ihr Kind bei Ihnen zu berücksichtigen, weil es das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, arbeitslos ist und eine Arbeit sucht, dann gilt die Einschränkung nach dem Gesetzeswortlaut nicht. Allerdings ist ein Nebeneinander von Arbeitssuche und Erwerbstätigkeit faktisch ausgeschlossen.

Keine Rolle spielt, ob Ihr arbeitssuchendes Kind Einkünfte beispielsweise aus Kapitalvermögen oder Vermietung und Verpachtung erzielt. Damit erhalten Sie für Ihr arbeitssuchendes Kind Kindergeld, auch wenn dieses über höhere Einkünfte oder Vermögen verfügt.

Ihr Kind befindet sich in einer weiterführenden Maßnahme einer mehraktigen Ausbildung, zum Beispiel einem Masterstudium, und geht einer schädlichen Erwerbstätigkeit nach?

Für Sie gibt es weiterhin Kindergeld und Ihr Kind kann die anfallenden Kosten als Werbungskosten geltend machen!

Es gibt keinen Gleichklang bei der Frage, ob noch eine – für das Kindergeld günstige – erstmalige Berufsausbildung vorliegt oder es sich für den Abzug von Werbungskosten schon um eine bereits abgeschlossene Erstausbildung nach § 9 Abs. 6 EStG handelt (BFH-Urteil vom 16.6.2015, BFH/NV 2015 S. 1378). Die Verwaltung hat dieselbe Rechtsauffassung (BMF-Schreiben vom 8.2.2016, BStBl. 2016 I S. 226).

Beispiel:

Der 23-jährige Tobias hat nach dem Abitur Bio- und Chemieingenieurwissenschaften studiert und in 2021 mit dem Bachelor abgeschlossen. Direkt im Anschluss beginnt er mit dem entsprechenden Masterstudiengang. Zur Finanzierung seines weiteren Studiums arbeitet er 25 Wochenstunden als Fitnesstrainer in einem Fitnessstudio, hauptsächlich am Abend und an Wochenenden.

Tobias kann die Kosten für seinen Masterstudiengang als Werbungskosten geltend machen. Ein Masterstudium stellt diesbezüglich ein weiteres Studium dar (BMF-Schreiben vom 22.9.2010, BStBl. 2010 I S. 721). Auch die Eltern von Tobias dürfen sich freuen. Sie erhalten weiterhin Kindergeld, weil es sich im Rahmen des Kindergeldes um eine mehraktige Berufsausbildung in Form eines Erststudiums handelt.

4.3.2 Wann liegt eine abgeschlossene Berufsausbildung vor?

Fähigkeit zur Berufsausübung

Eine Berufsausbildung liegt vor, wenn durch eine berufliche Ausbildungsmaßnahme (außerhalb eines Studiums) die notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse erworben werden, die zur Aufnahme eines Berufs befähigen (DA-KG A 20.2.1 Abs. 1). Voraussetzung ist, dass der Beruf

  • durch eine Ausbildung im Rahmen eines öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgangs (oder einer gleichgestellten Bildungsmaßnahme) erlernt wird und

  • durch eine Prüfung abgeschlossen wird (BMF-Schreiben vom 8.2.2016, BStBl. 2016 I S. 226, Rz. 3).

Es ist zwischen »für einen Beruf ausgebildet werden« und einer »Berufsausbildung« zu unterscheiden!

Deutlich wird der Unterschied am Beispiel eines anzuerkennenden Sprachaufenthalts im Ausland. Ihr Kind qualifiziert sich für einen Beruf, aber der Aufenthalt führt in aller Regel nicht zum Erwerb von Fertigkeiten und Kenntnissen, die zur Aufnahme eines Berufs befähigen. Damit führt ein solcher Sprachaufenthalt nicht zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Hat Ihr Kind keine anderweitige Berufsausbildung abgeschlossen, erhalten Sie ohne weitere Voraussetzungen weiterhin das Kindergeld.

Beispiel:

Die 20-jährige Sarah hat ihr Abitur 2020 abgelegt. Seit Ende 2020 hält sie sich zu einem Sprachaufenthalt im Ausland auf. Dort absolvierte sie bis zum 30. 6.2021 mit Erfolg einen Sprachkurs. Zugleich arbeitete sie im Ausland in Vollzeit. Seit 1.10.2021 studiert sie an einer Universität in Deutschland »Dolmetschen, Übersetzen (Bachelor)«. Nebenbei arbeitet Sarah als Teilzeitkraft in einem Dolmetscherbüro. Ihre durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit liegt bei über 20 Stunden.

Sarah ist das ganze Jahr 2021 als Kind zu berücksichtigen. Für die Zeit ihres Auslandsaufenthalts bildet sie sich für einen Beruf aus. Allerdings erlangt sie dadurch keinen Berufsabschluss. Weil sie damit noch über keine erstmalige Berufsausbildung verfügt, ist ihre Erwerbstätigkeit sowohl während des Sprachaufenthalts als auch während des Studiums unerheblich.

Es ist also entscheidend, ob die Ausbildung Ihres Kindes zu einem Abschluss führt, der es zur Ausübung eines Berufes befähigt. Auch bei einem berufsbezogenen Praktikum befindet sich Ihr Kind zwar in Ausbildung, jedoch ist es dadurch nicht befähigt, einen Beruf auszuüben. Demnach ist jegliche Erwerbstätigkeit Ihres Kindes unerheblich, wenn es keine anderweitige Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen hat.

Beispiel:

Die 19-jährige Sandra absolviert nach ihrem Abitur im Mai 2021 im Hinblick auf ihre später beabsichtigte Berufswahl ein drei Monate dauerndes Praktikum. Anschließend sucht sie vergebens einen Ausbildungsplatz. Zur Überbrückung arbeitet sie als Aushilfe in einem Supermarkt mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden.

Sandra ist das ganze Jahr 2021 als Kind zu berücksichtigen. Sie befindet sich auch während der Zeit des Praktikums in Ausbildung. Durch das Praktikum wird jedoch kein Berufsabschluss erreicht. Daher steht den Eltern von Sarah auch während der anschließenden Zeit Kindergeld zu, wenn sie als Kind ohne Ausbildungsplatz zu berücksichtigen ist.

Ob sogar ein aus mehreren Praktika bestehendes notwendiges Praxisjahr Teil einer mehraktigen Berufsausbildung sein kann, lesen Sie im → Kapitel »Eine mehraktige Berufsausbildung ist keine neue Ausbildung«.

Muss es ein geordneter Ausbildungsgang sein?

Nach Auffassung der Finanzverwaltung muss der Beruf im Rahmen eines öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgangs erlernt werden (DA-KG A 20.2.1 Abs. 1). Nicht jede berufsqualifizierende Maßnahme soll zum »Verbrauch« der erstmaligen Berufsausbildung führen.

Der BFH ist anderer Meinung. Entscheidend ist, dass die Ausbildung berufsbezogen ist, der Beruf als Vollerwerbstätigkeit ausgeübt werden kann und die Ausbildung zur Erzielung von Einkünften befähigt. So ist bereits eine sechsmonatige Ausbildung zur Flugbegleiterin dann ausreichend, wenn sie »nur« als betriebsinterne Schulung durchgeführt wird (BFH-Urteil vom 28.2. 2013, VI R 6/12, BStBl. 2015 II S. 180).

Gleiches gilt für die Ausbildung zum Rettungssanitäter. Der Beruf des Rettungssanitäters, der regelmäßig als Vollerwerbstätigkeit ausgeübt wird, setzt eine mehrmonatige, landesrechtlich geregelte Ausbildung voraus (BFH-Urteil vom 27. 10. 2011, VI R 52/10, BStBl. 2012 II S. 825). Wurde diese Ausbildung erfolgreich abgeschlossen, liegt eine erstmalige Berufsausbildung vor.

In beiden Klageverfahren waren die Entscheidungen für die Kläger, also die Kinder, positiv. Denn sie konnten die Kosten für ihre nachfolgende Pilotenausbildung ohne Abzugsbeschränkung als Werbungskosten – statt als Sonderausgaben – abziehen. Nach einer Gesetzesänderung geht dies zwischenzeitlich nicht mehr (§ 9 Abs. 6 Satz 2 EStG).

Für Ihr Kindergeld sind die Entscheidungen allerdings nicht gut: Weil dadurch abgeschlossene Berufsausbildungen vorliegen, wird Kindergeld bei einer weiteren Berufsausbildung oder Studium eines Kindes nur dann gezahlt, wenn das Kind keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht.

Allerdings muss nicht die gesamte Ausbildung öffentlich-rechtlich geordnet sein. Eine Ausbildung kann neben öffentlich-rechtlich geordneten auch nicht öffentlich-rechtlich geordnete Ausbildungsmaßnahmen umfassen (BFH-Urteil vom 21.3.2019, III R 17/18, BStBl. 2019 II S. 772).

Erfolgreicher Abschluss

Ohne bestandene Prüfung ist eine Berufsausbildung nicht abgeschlossen. Entscheidet sich Ihr Kind beispielsweise während der ersten Berufsausbildung noch vor der Prüfung um und fängt eine weitere Ausbildung (Schule, Beruf, Studium) an, erhalten Sie ohne weitere Voraussetzungen weiterhin Kindergeld. Nur das 25. Lebensjahr darf Ihr Kind noch nicht vollendet haben.

Beispiel:

Der 22-jährige Benjamin hat seine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker abgebrochen, nachdem er sein Abitur an einer Abendschule erfolgreich abgelegt hat. Seit 1. 7. studiert er an einer Fachhochschule.

Benjamin wird ohne Weiteres durchgehend als Kind in Ausbildung berücksichtigt. Beim Fachhochschulstudium handelt es sich durch den Abbruch der Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker immer noch um eine erstmalige Berufsausbildung.

Um zu klären, wann eine Berufsausbildung abgeschlossen ist, kann auf die allgemeinen Grundsätze zurückgegriffen werden. Denn dieser Zeitpunkt ist entscheidend. Schließlich gibt es bis dahin Kindergeld und die steuerlichen Vergünstigungen für Kinder ohne weitere Voraussetzungen! So endet in Handwerksberufen die Ausbildung mit bestandener Gesellenprüfung, in anderen Lehrberufen mit bestandener Gehilfenprüfung (BMF-Schreiben vom 8.2.2016, BStBl. 2016 I S. 226, Rz. 4).

Grundsätzlich kommt es dabei auf den Zeitpunkt der schriftlichen Bekanntgabe des Ergebnisses einer Abschlussprüfung an. Bei bestimmten Berufen, wie etwa zum Altenpfleger, ist jedoch stets auf die Dauer der Ausbildung abzustellen (DA-KG A 15.10 Abs. 7).

Der Besuch einer Fachschule setzt grundsätzlich eine berufliche Erstausbildung voraus und stellt eine Zweitausbildung dar. In diesem Fall bekommen Sie weiter Kindergeld, wenn Ihr Kind keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht. Etwas anderes gilt, wenn der Besuch der Fachschule Teil einer mehraktigen Ausbildung Ihres Kindes ist. Dann ist der Besuch Teil der Erstausbildung und eine Erwerbstätigkeit neben der Ausbildung spielt keine Rolle (BMF-Schreiben vom 8. 2. 2016, BStBl. 2016 I S. 226, Rz. 13).

4.3.3 Wann liegt ein abgeschlossenes Studium vor?

Durch den Abbruch eines Studiums liegt keine abgeschlossene Berufsausbildung vor. Damit erhalten Sie das Kindergeld weiter bzw. wieder, sobald Ihr Kind dasselbe Studium wieder oder ein anderes Studium aufnimmt oder eine Berufsausbildung beginnt. Die einzige Voraussetzung ist die Altersgrenze (25.  Lebensjahr).

Bleibt Ihr Kind nach erfolgreichem Abschluss eines Studiums weiter immatrikuliert, weil es nicht direkt einen Arbeitsplatz erhält, bekommen Sie nur dann weiterhin Kindergeld, wenn Ihr Kind

  • ernsthaft und nachhaltig an weiteren Qualifizierungsmaßnahmen im geprüften Studienfach teilnimmt, und sich damit weiterhin in Ausbildung befindet, und

  • keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht. Da der Eintritt in einen der akademischen Ausbildung entsprechenden Beruf grundsätzlich schon mit erfolgreichem Abschluss des Studiums möglich ist, hat Ihr Kind ein Erststudium abgeschlossen (BFH-Urteil vom 24. 2. 2010, III R 80/08, BFH/NV 2010 S. 1431).

Erfolgt eine Exmatrikulation nach der Einschreibeordnung der Universität zum Ablauf des Semesters, ist die Ausbildung nicht unbedingt beendet. Ein exmatrikulierter Student kann eine Berufsausbildung trotz Aufnahme einer Vollzeiterwerbstätigkeit und fehlender Eingliederung in den Universitätsbetrieb fortführen (BFH-Urteil vom 26.4.2011, III B 191/10, BFH/NV 2011 S. 1139).

4.3.4 Eine mehraktige Ausbildung ist keine neue Ausbildung

Wann liegt eine mehraktige Ausbildung vor?

Bis sie ihr Berufsziel erreicht haben, können Kinder mehrere Ausbildungen durchlaufen, zum Beispiel:

  • Berufsausbildung und Studium,

  • Lehre und Technikerschule,

  • Lehre, Fachoberschule und Studium,

  • Lehre und Hochschule.

Selbst wenn ein berufsqualifizierender Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang vorliegt, muss dies daher nicht zwangsläufig bedeuten, dass Ihr Kind bereits seine Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen hat. Diese erfolgreiche Berufsausbildung kann integrativer Bestandteil einer einheitlichen Erstausbildung sein.

Eine einheitliche Erstausbildung kann demnach aus mehreren Ausbildungsabschnitten bestehen. Der BFH spricht von einer »mehraktigen Berufsausbildung« (BFH-Urteil vom 3. 7. 2014, III R 52 / 13, BStBl. 2015 II S. 152; BFH-Urteil vom 15.4.2015, V R 27/14, BStBl. 2016 II S. 163).

Maßgebend ist, welches Berufsziel Ihr Kind letztlich anstrebt. Allerdings ist der »Gesamtplan« Ihres Kindes nicht das allein maßgebliche Kriterium für die Annahme einer einheitlichen Erstausbildung (BFH-Urteil vom 14.4.2021, III R 50/20).

Die Voraussetzungen für eine mehraktige Berufsausbildung sind:

  • Aufgrund objektiver Beweisanzeichen ist erkennbar, dass Ihr Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat.

  • Die Teilakte der Ausbildung stehen in einem engen sachlichen Zusammenhang zueinander.

  • Die Teilakte werden in einem engen zeitlichen Zusammenhang durchgeführt.

  • Die Ausbildungsmaßnahme in einem weiteren Ausbildungsabschnitt darf im Verhältnis zu einer parallelen Erwerbstätigkeit nicht zur »Nebensache« werden (BFH-Urteil vom 11.12.2018, III R 32/17, BFH/NV 2019 S. 691).

Die Finanzkasse prüft die komplexe Rechtsfrage, ob eine mehraktige Erstausbildung oder eine weitere eigenständige Ausbildung vorliegt, in der folgenden aus der o.g. Rechtsprechung entwickelten Reihenfolge (BZSt-Schreiben vom 26.2.2020, BStBl. 2020 I S. 251):

Prüfungsreihenfolge bei einer mehraktigen Ausbildung

  1. Ist ein objektives Beweisanzeichen gegeben, dass das Kind sein Berufsziel noch nicht erreicht hat?

  2. Liegt ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Ausbildungsmaßnahmen vor?

  3. Liegt ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den Ausbildungsmaßnahmen vor?

  4. Ist die Aufnahme des weiteren Ausbildungsabschnittes ohne berufspraktische Erfahrung möglich?

Alle vier Kriterien müssen erfüllt sein.

Ist dies der Fall, prüft die Familienkasse in einem zweiten Schritt, ob gegenüber einer daneben durchgeführten Erwerbstätigkeit die Ausbildungsmaßnahmen im weiteren Ausbildungsabschnitt im Vordergrund stehen. Nur dann gibt es weiter Kindergeld.

Insbesondere bei folgenden Kriterien nimmt die Familienkasse an, dass die Ausbildung gegenüber der Erwerbstätigkeit in den Hintergrund tritt:

  • Erwerbstätigkeit im erlernten Beruf,

  • unbefristetes bzw. mehr als 26 Wochen befristetes Beschäftigungsverhältnis in Vollzeit oder nahezu Vollzeit,

  • höherer zeitlicher Umfang der Erwerbstätigkeit im Verhältnis zur Ausbildungsmaßnahme,

  • Durchführung der Ausbildungsmaßnahme ordnet sich der Erwerbstätigkeit zeitlich unter und findet zum Beispiel nur am Abend bzw. an den Wochenenden statt.

Objektive Beweisanzeichen

Dass Ihr Kind das von ihm angestrebte Berufsziel noch nicht erreicht hat und seine Ausbildung fortsetzen möchte, müssen Sie der Familienkasse glaubhaft machen.

Eine Bewerbung ist ein objektives Beweisanzeichen. Keine Diskussionen mit der Familienkasse gibt es, wenn diese unmittelbar nach Abschluss des ersten Ausbildungsabschnitts für den nächstmöglichen weiteren Ausbildungsabschnitt erfolgt (DA-KG A 17.1 Abs. 1). Neben Bewerbungen akzeptiert die Familienkasse auch die Korrespondenz mit dem Arbeitgeber oder andere schriftliche Unterlagen, welche die Absicht zur Aufnahme einer weiteren Ausbildungsmaßnahme widerspiegeln.

Wichtig ist, dass die objektiven Beweisanzeichen spätestens zwischen dem Abschluss des ersten Ausbildungsabschnitts und dem nächstmöglichen Beginn des folgenden Ausbildungsabschnitts entstanden sind. Dann sind sie für die Familienkasse glaubhaft.

Solche objektiven Beweisanzeichen sollten Sie der Familienkasse am besten mit Ihrem Antrag auf Weiterzahlung des Kindergeldes einreichen. Dann hat sie die Unterlagen im Zeitpunkt ihrer Prüfung zu berücksichtigen. War Ihnen das nicht möglich oder haben Sie es schlicht vergessen, muss die Familienkasse die objektiven Beweisanzeichen aber auch noch gelten lassen, wenn Sie gegen einen ablehnenden Bescheid Einspruch einlegen und die Unterlagen erst im Einspruchsverfahren nachreichen.

Können Sie keine objektiven Beweisanzeichen vorlegen, gibt es nur noch eine Möglichkeit: Ihr volljähriges Kind muss der Familienkasse eine schriftliche Absichtserklärung vorlegen. Diese muss der Familienkasse spätestens im Folgemonat nach Abschluss des vorangegangenen Ausbildungsabschnitts vorliegen.

Ob diese Rechtsauffassung mit der BFH-Rechtsprechung im Einklang steht, ist zumindest zweifelhaft. Entscheidend ist unseres Erachtens nicht der Zeitpunkt des Eingangs der Erklärung, sondern ob Ihr Kind den Willen zur Fortsetzung der Ausbildung im Zeitpunkt des Abschlusses des ersten Ausbildungsabschnitts oder kurz danach hatte (BFH-Urteil vom 11.12.2018, III R 32/17, BFH/NV 2019 S. 691; BFH-Urteil vom 17.1.2019, III R 8/18, BFH/NV 2019 S. 815; BFH-Urteil vom 20.2.2019, III R 42/18, BStBl. 2019 II S. 769; BFH-Urteil vom 21.3.2019, III R 50/18, BFH/NV 2019 S. 1092; BFH-Urteil vom 10.4.2019, III R 51/18, BFH/NV 2019 S. 1107; BFH-Urteil vom 22.5.2019, III R 69/18, BFH/NV 2019 S. 1231).

Aber klar ist: Je länger der Zeitpunkt des Abschlusses des ersten Ausbildungsabschnitts im Zeitpunkt der Abgabe der Absichtserklärung Ihres Kindes bei der Familienkasse zurückliegt, desto schwerer wird es Ihnen fallen, die Behörde vom damaligen weiter bestehenden Ausbildungswillen Ihres Kindes zu überzeugen.

Ist im ersten Folgemonat nach Abschluss des ersten Ausbildungsabschnitts für Ihr Kind eine Bewerbung noch nicht möglich, sollte es gegenüber der Familienkasse die Absichtserklärung abgeben.

Dies dokumentiert gegenüber der Familienkasse auf jeden Fall den Willen Ihres Kindes, die Ausbildung fortsetzen zu wollen. Eine solche Absichtserklärung kann unseres Erachtens sogar schon vor Abschluss des ersten Ausbildungsabschnitts abgegeben werden. Ein eigenes Formular gibt es dafür nicht, aber im Vordruck »Erklärung zu den Verhältnissen eines volljährigen Kindes, KG 5d« bei der Agentur für Arbeit (www.arbeitsagentur.de) können Sie ein vom ersten Berufsabschluss/Studienabschluss abweichendes Berufsziel angeben. Ihr Kind kann auch ein eigenes formloses Schreiben an die Familienkasse richten.

Enger sachlicher Zusammenhang

Ein enger sachlicher Zusammenhang ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der nachfolgende Ausbildungsabschnitt dieselbe Berufssparte oder denselben fachlichen Bereich betrifft. Hierbei kommt es auf die Übereinstimmung der Ausbildungsinhalte an. Ob beispielsweise ein Bachelorabschluss und der nachfolgende Masterabschluss jeweils denselben Zusatz (z.B. Science oder Arts) führen, ist nicht ausschlaggebend (BFH-Urteil vom 11.12.2018, III R 26/18, BStBl. 2019 II S. 765).

Orientiert sich Ihr Kind nach dem Ende des ersten Ausbildungsabschnitts um, stellt dies nicht unbedingt eine schädliche Zäsur dar. Entscheidend ist, dass ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten besteht. So ist beispielsweise nach einer Banklehre die Umorientierung vom Bankkolleg mit dem Ziel des Abschlusses als Bankfachwirt hin zu einem Onlinestudiengang Betriebswirtschaftslehre kein Problem. Denn zwischen der Banklehre und dem Betriebswirtschaftsstudium besteht ein enger sachlicher Zusammenhang (BFH-Urteil vom 23.10.2019, III R 14/18, BFH/NV 2020 S. 539).

Enger zeitlicher Zusammenhang

Ein enger zeitlicher Zusammenhang liegt vor, wenn Ihr Kind nach Abschluss des ersten Ausbildungsabschnitts die weitere Ausbildung zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufnimmt oder sich bei mangelndem Ausbildungsplatz zeitnah zum nächstmöglichen Zeitpunkt für die weiterführende Ausbildung bewirbt.

Eine Bewerbung, zum Beispiel um einen Studienplatz, muss aber nicht unbedingt im ersten Monat nach Abschluss des ersten Ausbildungsabschnitts erfolgen (BFH-Urteil vom 21.3.2019, BStBl. 2019 II S. 772). Selbst eine Anmeldung für den nächstmöglichen Meisterkurs erst Monate nach der bestandenen Gesellenprüfung hält der BFH für unproblematisch (BFH-Urteil vom 11.12.2018, III R 32/17, BFH/NV 2019 S. 691).

Ihr Kind strebt eine weiterführende Ausbildung in derselben Berufssparte bzw. in demselben fachlichen Bereich an? Dann sollte es sich möglichst unmittelbar nach Ende des ersten Berufsabschlusses bzw. Studienabschlusses um die weitere Ausbildung bemühen und ohne schuldhafte Verzögerungen zum nächstmöglichen Zeitpunkt den nächsten Teilakt seiner Ausbildung aufnehmen.

Problematisch ist, wenn Ihr Kind den weiteren Ausbildungsabschnitt nicht zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufnimmt, obwohl es die Möglichkeit hierzu hatte. Unschädlich sind hingegen Verzögerungen, die zum Beispiel aus einem zunächst fehlenden Ausbildungsplatz oder einem aus schul-, studien- oder betriebsorganisatorischen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt verfügbaren Ausbildungsplatz resultieren (DA-KG A 20.2.4 Abs. 2).

Nimmt Ihr Kind auf Basis des erworbenen Berufsabschlusses bzw. Studienabschlusses eine Erwerbstätigkeit auf, ist dies für das Kindergeld schädlich. In diesem Fall wird der erste berufsqualifizierende Abschluss genutzt, um im Rahmen einer regulären Erwerbstätigkeit ohne Ausbildungscharakter Einkünfte zu erzielen – und damit ist die Erstausbildung abgeschlossen. Hier hilft es auch nicht mehr, sich zwar noch zeitnah nach Aufnahme der Erwerbstätigkeit bei einer weiterführenden (Fach-)Schule anzumelden, aber dann nicht zum nächstmöglichen Zeitpunkt den weiteren Ausbildungsabschnitt dort zu beginnen. Wird nicht die nächste Möglichkeit zur weiteren Ausbildung genutzt, kommt es zu einer zeitlichen Zäsur zwischen zwei hierdurch verselbstständigten Ausbildungen (BFH-Urteil vom 11.4.2018, III R 18/17, BStBl. 2018 II S. 548).

Kindergeld steht Ihnen zu, wenn Ihr Kind nur zwecks zeitlicher Überbrückung eine Erwerbstätigkeit aufnimmt (BFH-Urteil vom 4.2.2016, III R 14/15, BStBl. 2016 II S. 615). Setzt Ihr Kind seine Ausbildung erst nach mehrjähriger Berufstätigkeit fort, ist die erstmalige Berufsausbildung als abgeschlossen anzusehen. Eine zeitliche Überbrückung liegt dann nicht mehr vor. Wo genau die zeitliche Grenze liegt, ist unklar. Jedenfalls ist ein Zeitraum von 18 Monaten zu lang (BFH-Urteil vom 9.9.2020, III R 2/19, BFH/NV 2021 S. 554).

Beispiel:

Der 22-jährige Nico befand sich bis Februar 2020 in Ausbildung als Elektroniker für Betriebstechnik. Währenddessen entwickelte er den Wunsch, Elektroingenieur zu werden. Nach erfolgreichem Abschluss bewarb er sich noch im selben Monat für einen Platz an einer Fachoberschule für Technik. Bis zum Beginn des einjährigen Vollzeitunterrichts an der Fachoberschule (Voraussetzung für das nachfolgende Studium) ab Mitte August 2020 arbeitete Nico in den Monaten März bis Juli 2020 in seinem erlernten Beruf in Vollzeit. Ab September 2021 begann das Studium an einer Fachhochschule.

Nicos Eltern erhalten durchgehend Kindergeld. Dies gilt insbesondere auch für die Monate März bis Juli 2020. Denn für Nico ist seine Berufsausbildung mit dem Abschluss als Elektroniker noch nicht abgeschlossen. Lediglich aus schulorganisatorischen Gründen kann er seine Erstausbildung erst im August 2020 fortsetzen.

Sind berufspraktische Erfahrungen notwendig?

Dient eine Tätigkeit, die zwischen erstmaliger Berufsausbildung und einer weiteren Ausbildungsmaßnahme ausgeübt wird, lediglich einer zeitlichen Überbrückung, ist dies für das Kindergeld stets unschädlich, solange der enge zeitliche Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten dadurch nicht entfällt (BFH-Urteil vom 4.2.2016, III R 14/15, BStBl. 2016 II S. 615; BFH-Urteil vom 23.1.2020, III R 62/18, BFH/NV 2020 S. 879).

Wird für die Aufnahme einer weiteren Ausbildungsmaßnahme eine berufliche Erfahrung vorausgesetzt, führt dies zu einer schädlichen Zäsur. Die Tätigkeit im erlernten Beruf lässt den engen zeitlichen Zusammenhang entfallen. Die erste erfolgreiche Ausbildung und die nach der Berufstätigkeit aufgenommene zweite Ausbildungsmaßnahme können nicht mehr zu einer mehraktigen Ausbildung zusammengefasst werden. Die weitere Ausbildungsmaßnahme wird als eine die berufliche Erfahrung berücksichtigende Weiterbildung betrachtet.

Hingegen liegt eine einheitliche mehraktige und damit erstmalige Berufsausbildung vor, wenn Berufserfahrung oder eine laufende Berufstätigkeit nicht für die Aufnahme des weiteren Ausbildungsabschnitts, sondern Voraussetzung für das Ablegen der Abschlussprüfung im weiteren Ausbildungsabschnitt ist. Dies lässt den notwendigen Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten nicht entfallen (BFH-Urteil vom 20.2.2019, III R 42/18, BStBl. 2019 II S. 769; BFH-Urteil vom 10.4.2019, III R 51/18, BFH/NV 2019 S. 1107).

Eine einheitliche erstmalige Berufsausbildung ist auch anzunehmen, wenn die für den Abschluss des zweiten Ausbildungsabschnitts erforderliche berufspraktische Erfahrung bereits durch eine vor oder während des ersten Ausbildungsabschnitts durchgeführte Tätigkeit erfüllt werden kann (BFH-Urteil vom 20.2.2019, III R 27/18, BFH/NV 2019 S. 822; BFH-Urteil vom 20.2.2019, III R 42/18, BStBl. 2019 II S. 769; BFH-Urteil vom 9.9.2020, III R 10/19, BFH/NV 2021 S. 541).

Ist eine Berufstätigkeit Bedingung für die Zulassung zur Abschlussprüfung im weiteren Ausbildungsgang, ist eine einheitliche erstmalige Berufsausbildung immer noch anzunehmen, wenn bereits die Aufnahme eines Studiums eine parallel dazu ausgeübte Berufstätigkeit voraussetzt, die durch eine Berufsausbildung oder eine Teilzeittätigkeit erfüllt werden kann. In einem solchen Fall kann aus dieser Zulassungsvoraussetzung nicht zwingend abgeleitet werden, dass ein reguläres Arbeitsverhältnis in den Vordergrund und die Berufsausbildung in den Hintergrund der gesamten Tätigkeit des Kindes getreten ist (BFH-Urteil vom 23.1.2020, III R 72/18, BFH/NV 2020 S. 692).

Ob ein Praxisjahr, das aufgenommen wird, um die für eine weitere berufliche Ausbildung erforderliche berufspraktische Eignung zu sammeln, als Ausbildung anzusehen ist, wenn während des Praxisjahres praktische Erfahrungen in unterschiedlichen Betrieben gesammelt werden, ohne dass Ausbildungsmaßnahmen im Vordergrund stehen, oder ob ein Ausbildungsverhältnis besteht oder die Anforderungen an ein berücksichtigungsfähiges Praktikum vorliegen, ist umstritten (FG Münster vom 8.8.2019, 4 K 3925/17 Kg, Az. der Revision III R 41/20).

Ist die Ausbildung »Hauptsache« oder nur «Nebensache» zur Erwerbstätigkeit?

Wird eine Berufstätigkeit parallel zur weiteren Ausbildungsmaßnahme ausgeübt, gefährdet dies den notwendigen Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten nicht, wenn die gesetzliche Grenze von regelmäßig 20 Wochenstunden dabei nicht überschritten wird und die in einem weiteren Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen gegenüber der Erwerbstätigkeit nicht in den Hintergrund treten (BZSt-Schreiben vom 26.2.2020, BStBl. 2020 I S. 251).

Stehen die Ausbildungsmaßnahmen im Vordergrund, ist von einer mehraktigen Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit auszugehen. Steht dagegen die Erwerbstätigkeit im Vordergrund, liegt eine berufsbegleitend durchgeführte Weiterbildung vor. Dann handelt es sich um eine Zweitausbildung (BFH-Urteil vom 11.12.2018, III R 26/18, BStBl. 2019 II S. 765; BFH-Urteil vom 11.12.2018, III R 22/18, BFH/NV 2019 S. 699; BFH-Urteil vom 20.2.2019, III R 42/18, BStBl. 2019 II S. 769; BFH-Urteil vom 17.3.2020, III R 31/19, BFH/NV 2021 S. 38; BFH-Urteil vom 17.3.2020, III R 32/19, BFH/NV 2021 S. 40).

Es ist eine Gesamtwürdigung der Verhältnisse vorzunehmen. Folgende Kriterien sind von Bedeutung:

  • Für das Arbeitsverhältnis wird die erste Qualifikation genutzt. Die Erwerbstätigkeit Ihres Kindes basiert auf dem ersten Ausbildungsabschluss. Wird zum Beispiel ein Geselle oder Kaufmann von seinem Ausbildungsbetrieb im erlernten Beruf übernommen oder nimmt ein Bachelor eine durch diesen Abschluss eröffnete Stelle an, kann dies Indiz dafür sein, dass die Berufstätigkeit gegenüber einer daneben weiteren Ausbildung im Vordergrund steht. Ein Master-Studium neben einem Vollzeit-Job spricht für eine berufliche Weiterbildungsmaßnahme und nicht für eine weitere Ausbildung. Hingegen wäre etwa eine Aushilfstätigkeit in Gastronomie und Handel stets unproblematisch, weil diese Tätigkeiten ohne den erlangten Abschluss möglich sind. Ebenfalls für eine weitere Berufsausbildung spricht, wenn es sich bei der Erwerbstätigkeit typischerweise um keine dauerhafte Berufstätigkeit handelt (z.B. wissenschaftliche Hilfskraft mit wöchentlich 19 Arbeitsstunden und drei Nachhilfestunden).

  • Das Kind bindet sich längerfristig an einen Arbeitgeber, indem es etwa ein zeitlich unbefristetes oder jedenfalls mehr als 26 Wochen befristetes Beschäftigungsverhältnis mit einer regelmäßigen vollzeitigen oder nahezu vollzeitigen Wochenarbeitszeit eingeht. Ist das Beschäftigungsverhältnis dagegen bis zum Beginn des nächsten Ausbildungsabschnitts befristet oder überschreitet die regelmäßige Wochenarbeitszeit die 20-Stunden-Grenze allenfalls geringfügig, kann dies für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung sprechen.

  • Weiterhin kommt es darauf an, in welchem zeitlichen Verhältnis die Arbeitstätigkeit und die Ausbildungsmaßnahmen zueinander stehen. Da die Summe aus Arbeits- und Ausbildungszeit nicht selten über 40 Wochenstunden liegt, kann allein eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von über 20 Stunden noch nicht den Ausschlag geben. Studiert das Kind etwa neben einer Wochenarbeitszeit von 22 Stunden in Vollzeit, kann weiter der Ausbildungscharakter im Vordergrund stehen.

  • Die Ausbildungsmaßnahmen im weiteren Ausbildungsabschnitt werden lediglich »neben der Berufstätigkeit« durchgeführt und damit der Erwerbstätigkeit untergeordnet. Arbeitet das Kind annähernd vollzeitig und werden die Ausbildungsmaßnahmen nur am Abend und am Wochenende durchgeführt, spricht dies für eine Unterordnung. Wird hingegen eine Teilzeittätigkeit von zum Beispiel regelmäßig 22 Wochenstunden so verteilt, dass sie sich dem jeweiligen Ausbildungsplan anpasst, ist das ein Indiz für eine im Vordergrund stehende Ausbildung. Die Ausbildung steht auch im Vordergrund, wenn das Kind während des Semesters maximal 20 Wochenstunden arbeitet, durch eine während der Semesterferien erhöhte Wochenstundenzahl aber auf eine durchschnittliche Arbeitszeit von mehr als 20 Wochenstunden kommt (BFH-Urteil vom 11.12.2018, III R 47/17, BFH/NV 2019 S. 694; BFH-Urteil vom 11.12.2018, III R 2/18, BFH/NV 2019 S. 696).

Beispiel:

Die 23-jährige Jana schloss im Januar 2021 nach dem Abitur eine Ausbildung zur Kauffrau im Gesundheitswesen ab. Anschließend arbeitete sie bis zum August 2021 als Angestellte in der Klinik eines anderen Arbeitgebers. Im Mai 2021 bewarb sie sich erstmals um einen Studienplatz. Nach einem entsprechenden Angebot Ihres neuen Arbeitgebers nahm sie mit einer Sondergenehmigung ab September 2021 ein berufsbegleitendes Studium an einer Verwaltungsakademie mit der Fachrichtung Betriebswirt (VWA) auf, obwohl für diesen Studiengang eigentlich eine einjährige Berufstätigkeit Voraussetzung war. Jana reduzierte ab Beginn des Studiums ihre wöchentliche Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden.

Die kaufmännische Ausbildung und das Studium stellen keine einheitliche Erstausbildung dar. Im Zeitpunkt des Abschlusses des ersten Ausbildungsabschnitts hatte Jana nicht den Willen, ihre Ausbildung fortzusetzen. Dies zeigt sich daran, dass sie sich erst im Mai 2021 um einen Studienplatz beworben hat. Zudem ist die zweite Ausbildungsphase durch die Arbeitstätigkeit geprägt. Jana arbeitet deutlich mehr als 20 Wochenstunden. Ab Februar 2021 erhalten die Eltern von Jana kein Kindergeld mehr.

Besonderheiten bei einem Studium oder anderen akademischen Ausbildungen

Ein Studium stellt nach Auffassung der Verwaltung eine Erstausbildung dar, wenn ihm kein anderes, durch einen berufsqualifizierenden Abschluss beendetes Studium oder keine andere abgeschlossene nichtakademische Berufsausbildung vorangegangen ist (DA-KG A 20.2.3 Abs. 2).

Beispiel:

Der 22-jährige Jonas hat nach seinem Abitur zum 30. 6.  eine Ausbildung als Elektroniker erfolgreich abgeschlossen. Seit 1. 9.  studiert er Soziologie. Um sich seinen Lebensunterhalt weitgehend selbst zu verdienen, arbeitet er seit 1. 7.  in seinem Ausbildungsberuf. Jonas arbeitet regelmäßig pro Woche

Variante a) 20 Stunden

Variante b) 25 Stunden.

Jonas ist das ganze Jahr als Kind zu berücksichtigen. Bis 30.6. und ab 1. 9.  als Kind in Ausbildung. In der Zeit dazwischen befindet er sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Kalendermonaten. Fraglich ist, ob die Eltern von Jonas ab 1. 7.  das Kindergeld erhalten.

In Variante a) erhalten die Eltern von Jonas das Kindergeld. Jonas geht keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nach, weil er die 20-Stunden-Grenze einhält.

In Variante b) wird der Fleiß von Jonas nicht honoriert. Die Eltern von Jonas erhalten kein Kindergeld, weil Jonas die 20-Stunden-Grenze nicht einhält.

Beispiel:

Der 22-jährige Christoph hat seine Ausbildung zum Bankkaufmann zum 30. 6.  abgeschlossen. Sein Ausbildungsbetrieb hat ihn nicht übernommen. Außerdem hat er gemerkt, dass er lieber in der Baubranche arbeiten möchte, und hat daher zum 1. 9. mit einem Studium zum Architekten begonnen. Neben seinem Studium jobbt er bei einem Anlageberater. Seine Wochenarbeitszeit beträgt 25 Stunden.

Christoph ist das ganze Jahr als Kind zu berücksichtigen. Bis 30.6. und ab 1.9. befindet er sich in Ausbildung. Die Zeit dazwischen beträgt weniger als vier volle Kalendermonate. Weil es sich um eine Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten handelt, zählt auch diese Zeit.

Unstreitig steht den Eltern von Christoph das Kindergeld bis August zu. Denn bis dahin geht er keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nach. Ab 1.9. wird die Familienkasse das Kindergeld verweigern, weil Christoph bereits eine Ausbildung abgeschlossen hat.

Der Bachelor- oder Bakkalaureus-Grad einer inländischen Hochschule ist ein berufsqualifizierender Abschluss. Ein nachfolgendes Studium ist daher grundsätzlich als weiteres Studium anzusehen. Allerdings kann ein nachfolgendes Masterstudium integrativer Teil einer mehraktigen Erstausbildung sein. Bei sog. konsekutiven Masterstudiengängen, die auf einem Bachelorstudiengang aufbauen, geht die Verwaltung stets von einem engen sachlichen Zusammenhang aus (DA-KG A 20.2.4 Abs. 6).

Ihr Kind möchte ein Masterstudium in derselben Berufssparte bzw. im selben fachlichen Bereich absolvieren? Dann sollte Ihr Kind noch während des Bachelorstudiengangs oder nach dessen Abschluss zum ersten möglichen Zeitpunkt mit dem Masterstudiengang beginnen.

Beginnt Ihr Kind nach dem Bachelorstudiengang nicht so bald wie möglich mit dem Masterstudium, wird es sehr wahrscheinlich Schwierigkeiten geben. Die Familienkasse wird hinterfragen, ob der erforderliche enge zeitliche Zusammenhang gegeben ist. Dann müssen Sie bzw. Ihr Kind gute Gründe anführen können.

Eine Promotion kann auch noch Teil einer einheitlichen Erstausbildung sein. Dem Promotionsstudium und der Promotion durch die Hochschule geht regelmäßig ein abgeschlossenes Studium voran, sodass die erstmalige Berufsausbildung grundsätzlich bereits abgeschlossen ist. Wird die Vorbereitung auf die Promotion jedoch in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Erststudium durchgeführt, ist sie noch Teil der erstmaligen Ausbildung (BMF-Schreiben vom 8.2.2016, BStBl. 2016 I S. 226, Rz. 20a).

Bei dualen Studiengängen mit integrierten Ausbildungen zahlt die Familienkasse bis zum Ende des Studiums Kindergeld. Ein duales Studium ist nicht mit dem Abschluss der darin integrierten Berufsausbildung beendet, wenn Ihr Kind sein parallel zur Ausbildung betriebenes Bachelorstudium planmäßig und nahtlos fortsetzt. Erst wenn der mit dem Studium angestrebte Abschluss als Bachelor erreicht wird, ist die Berufsausbildung abgeschlossen. Der BFH geht von einer einheitlichen Erstausbildung aus, weil ein enger sachlicher Zusammenhang vorliegt (BFH-Urteil vom 3. 7. 2014, III R 52 / 13, BStBl. 2015 II S. 152; BFH-Urteil vom 16. 6. 2015, XI R 1 / 14, BFH / NV 2015 S. 1378).

Wird nach einem Fachhochschulstudium ein Universitätsstudium begonnen, ist das Universitätsstudium grundsätzlich als Zweitstudium anzusehen (BMF-Schreiben vom 8.2.2016, BStBl. 2016 I S. 226, Rz. 16). Denn bereits das Fachhochschulstudium befähigt zur Ausübung eines Berufs. Geht Ihr Kind während des Universitätsstudiums einer Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Wochenstunden nach, erhalten Sie während dieser Zeit nur dann weiter Kindergeld, wenn das Universitätsstudium Teil einer mehraktigen Ausbildung ist.

Beispiel:

Der 22-jährige Markus hat durch ein Studium an einer Hochschule für öffentliche Verwaltung einen Bachelor-Abschluss erworben. Anschließend arbeitet er als Beamter im gehobenen Dienst einer Gemeindeverwaltung. Markus hatte jedoch von Anfang an vor, Rechtswissenschaften zu studieren, um die Befähigung für den höheren Verwaltungsdienst zu erwerben. Daher hat er unmittelbar nach dem Bachelor-Abschluss mit dem Universitätsstudium begonnen. Um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, arbeitet Markus während des Studiums bei der Gemeinde in Teilzeit von 60 % (entspricht 24 Stunden).

Es liegt eine einheitliche, mehraktige Berufsausbildung vor. Die parallel zur Ausbildung ausgeübte Erwerbstätigkeit spielt daher keine Rolle. Studiert Markus solange, wird die Familienkasse bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres Kindergeld zahlen.

Variante: Markus hat vor seinem Studium eine Ausbildung als Handelskaufmann absolviert.

Hier sieht es ganz anders aus. Durch den Bachelor-Abschluss liegt eine abgeschlossene Berufsausbildung vor. Zwischen dieser und dem Studium besteht kein enger sachlicher Zusammenhang (andere Berufssparte, anderer fachlicher Bereich). Die Eltern von Markus erhalten kein Kindergeld! Markus sollte dringend überlegen, seine Arbeitszeit auf die Höchstgrenze von 20 Wochenstunden zu reduzieren. Das Kindergeld und mögliche Verdienstvorteile bei seinen Eltern (zum Beispiel Kinderzuschlag) könnten sogar seinen Einkommensverlust kompensieren.

Das erste juristische Staatsexamen stellt einen berufsqualifizierenden Abschluss dar. Damit ist das (Erst-)Studium abgeschlossen. Denn durch den abgeschlossenen Studiengang wird die fachliche Eignung für einen beruflichen Vorbereitungsdienst oder eine berufliche Einführung vermittelt. Wird in einem engen zeitlichen Zusammenhang das Referendariat zur Vorbereitung auf das zweite Staatsexamen aufgenommen, zählt dies noch als Teil der erstmaligen Berufsausbildung (DA-KG A 20.2.4 Abs. 9).

Besucht Ihr Kind eine Berufsakademie oder eine andere Ausbildungseinrichtung, ist entscheidend, ob ein erfolgreich absolvierter Ausbildungsgang nach Landesrecht einem abgeschlossenen Studium an einer Fachhochschule gleichwertig ist und die gleichen Berechtigungen verleiht. Dann stellt der Besuch einer solchen Einrichtung ein Studium dar.

Hat das Kind im Ausland studiert und dort einen Abschluss erworben, legt die Familienkasse die Bewertungsvorschläge in der Datenbank »anabin« der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen beim Sekretariat der Kultusministerkonferenz unter www.anabin.kmk.org zugrunde. Danach wird entschieden, ob die Studien- und Prüfungsleistungen inländischen gleichzustellen sind.

Übergangszeiten und Wartezeiten zählen mit

Ganz oft wird sich der weitere Ausbildungsabschnitt nicht bereits im Folgemonat nach der ersten, erfolgreichen Berufsausbildung anschließen. Möglicherweise muss Ihr Kind eine Übergangszeit überbrücken oder es bemüht sich noch um einen weiteren Ausbildungs- oder Studienplatz. Dann stellt sich die Frage, wie diese Zeiträume für die Bewertung, ob der weitere Ausbildungsabschnitt Teil einer mehraktigen Erstausbildung ist, zu behandeln sind.

Die Familienkasse beurteilt dies anhand der oben erläuterten Kriterien »objektive Beweisanzeichen«, »enger sachlicher Zusammenhang«, »enger zeitlicher Zusammenhang« und »berufspraktische Erfahrung« mittels einer Prognoseentscheidung. Kommt sie zu einer positiven Entscheidung, zahlt sie das Kindergeld – zunächst – für die Zwischenzeit weiter.

Spätestens nach Ablauf von drei Monaten seit Beginn der weiteren Ausbildungsmaßnahme prüft sie rückwirkend, ob die Entscheidung bestehen bleiben kann. Hierbei wird sie neben den vorgenannten vier Kriterien auch prüfen, ob bei einer daneben durchgeführten Erwerbstätigkeit die weiteren Ausbildungsmaßnahmen im Vordergrund stehen. Liegt eine mehraktige Berufsausbildung vor, können Sie das gezahlte Kindergeld behalten. Ansonsten wird die Familienkasse das Kindergeld für den Zwischenzeitraum zurückfordern.

Was ist eine schädliche Erwerbstätigkeit?

Nur aktive Einkünfte zählen

Als Erwerbstätigkeit ist eine auf die Erzielung von Einkünften gerichtete Beschäftigung zu verstehen, die den Einsatz der persönlichen Arbeitskraft erfordert und den Lebensunterhalt Ihres Kindes (und ggf. seiner Familie) sicherstellen soll (BFH-Urteil vom 16. 5. 1975, VI R 143/73, BStBl. 1975 II S. 537). Dazu zählen:

  • nichtselbstständige Arbeit,

  • gewerbliche Tätigkeit,

  • selbstständige Tätigkeit,

  • Land- und Forstwirtschaft.

Die Verwaltung eigenen Vermögens (Vermögensverwaltung) durch Vermietung und Verpachtung oder Kapitalvermögen stellt keine Erwerbstätigkeit dar. Dasselbe gilt für den Bezug einer Rente oder für die sog. »Liebhaberei«. Auch ein Au-pair-Verhältnis sieht die Verwaltung nicht als Erwerbstätigkeit an. Für ebenfalls unschädlich hält sie eine Erwerbstätigkeit im Rahmen eines geregelten Freiwilligendienstes, zum Beispiel des Bundesfreiwilligendienstes (DA-KG A 20.3).

Ob sonstige Leistungen, wie gelegentliche Vermittlungsleistungen oder Engagement als Amateurmusiker, zählen, ist nicht klar. Unseres Erachtens ist dies zu verneinen, weil mit diesen Tätigkeiten vordergründig nicht der Lebensunterhalt bestritten werden soll.

Auch ein der Berufsausbildung Ihres Kindes dienendes Praktikum zählt nicht. Denn Ihr Kind will damit nicht seinen Lebensunterhalt sicherstellen, sondern hier steht der Ausbildungszweck im Mittelpunkt. Daher ist es auch unerheblich, wenn die wöchentliche Arbeitszeit mehr als 20 Stunden oder die Vergütung mehr als die Geringfügigkeitsgrenze beträgt.

20 Stunden wöchentlich sind unschädlich

Nach dem Gesetz ist eine Erwerbstätigkeit bis zu einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 20 Stunden unschädlich. Hierbei ist nach Auffassung der Verwaltung die mit Ihrem Kind vertraglich vereinbarte Arbeitszeit entscheidend.

Beachten Sie: Wie die Verwaltung die 20-Stunden-Grenze bei einer Tätigkeit Ihres Kindes im Bereich der Land- und Forstwirtschaft bzw. der gewerblichen oder der selbstständigen Tätigkeit prüfen will, ist völlig offen!

Die Finanzverwaltung akzeptiert bei einer nichtselbstständigen Tätigkeit eine Ausweitung der Beschäftigung auf über 20 Stunden pro Woche für eine vorübergehende Zeit von höchstens zwei Monaten. Beträgt während der Zeit innerhalb eines Kalenderjahres, während der das Kind dem Grunde nach zu berücksichtigen ist (Begünstigungszeitraum), die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit Ihres Kindes nicht mehr als 20 Stunden, steht Ihnen für den gesamten Begünstigungszeitraum das Kindergeld zu.

Die Verwaltung berechnet dabei den Durchschnitt der wöchentlichen Stunden innerhalb des Begünstigungszeitraums eines Kalenderjahres.

Und so wird bei zwei unterschiedlichen wöchentlichen Arbeitszeiten innerhalb des Begünstigungszeitraums eines Kalenderjahres gerechnet:

1. Tätigkeit

2. Tätigkeit

(

Anzahl der
Wochen der
1. Tätigkeit


×

Anzahl der
Stunden pro
Woche

)


+

(

Anzahl der
Wochen der
2. Tätigkeit


×

Anzahl der
Stunden pro
Woche

)



=


durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit

Wochen des Begünstigungszeitraums

Bei noch mehr unterschiedlichen Wochenarbeitszeiten erweitert sich der Zähler entsprechend. Bei der Anzahl der Wochen rechnet die Verwaltung nur mit vollen Kalenderwochen mit gleicher Arbeitszeit. Feiertage, zum Beispiel Weihnachten, werden nicht berücksichtigt, weil auf die individuelle vertragliche Arbeitszeit abgestellt wird. Ebenso bleiben »angebrochene« Wochen, in denen Ihr Kind nicht die ganze Woche, sondern nur an einzelnen Tagen gearbeitet hat, außen vor.

Beispiel:

Der 23-jährige Sven hat nach dem Abitur eine Berufsausbildung abgeschlossen und studiert. Januar bis März war er ohne Beschäftigung. Nach seinem Arbeitsvertrag hat er ab dem 1.  April eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden zu leisten. In den Semesterferien arbeitet er im August und im September in Vollzeit mit 40 Stunden. Im Oktober war Sven beschäftigungslos. Ab dem 1.  November  arbeitet er mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 15 Wochenstunden.

Sven ist das ganze Jahr wegen seines Studiums dem Grunde nach als Kind zu berücksichtigen. Weil er bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen hat, zahlt die Familienkasse aber nur noch dann Kindergeld, wenn er keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht. Hierbei gilt die 20-Stunden-Grenze. Die Ausweitung der Arbeitszeit liegt im zulässigen Rahmen von zwei Monaten. Entscheidend ist daher, ob im Begünstigungszeitraum die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit nicht mehr als 20 Stunden pro Woche beträgt.

Weil Sven das ganze Jahr als Kind zu berücksichtigen ist, beträgt der Begünstigungszeitraum 52 Wochen. In der Zeit vom 1. April bis 31. Juli hat er 17 volle Wochen eine Arbeitszeit von 20 Stunden, in der Zeit vom 1. August bis 30. September sind es acht Wochen mit 40Stunden und vom 1. November bis 31. Dezember hat er während acht Wochen eine Arbeitszeit von 15 Stunden.

(17 W. × 20 Std.)

+

(8 W. × 40 Std.)

+

(8 W. × 15 Std.)

=

15 Std.
durchschnittlich

52 Wochen

Weil die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von Sven 20 Stunden nicht übersteigt, erhalten die Eltern von Sven das ganze Jahr das Kindergeld.

Dauert die Ausweitung der Beschäftigung nicht länger als zwei Monate und beträgt durch die Ausweitung der Arbeitszeit die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit im gesamten Begünstigungszeitraum mehr als 20 Stunden, betrachtet die Familienkasse nur den Zeitraum der Ausweitung als schädlich (DA-KG A 20.3.1 Abs. 3). Das Kindergeld wird dann für maximal zwei Monate nicht gezahlt.

Beispiel:

Die 23-jährige Andrea hat nach dem Abitur eine Berufsausbildung abgeschlossen und studiert. Nach ihrem Arbeitsvertrag arbeitet sie während des ganzen Jahres grundsätzlich mit einer Wochenarbeitszeit von 20 Stunden. Nur in den Semesterferien arbeitet sie im Juli und August in Vollzeit mit 40 Stunden.

Andrea ist wegen ihres Studiums das ganze Jahr dem Grunde nach als Kind zu berücksichtigen. Die vorübergehende Ausweitung der Arbeitszeit liegt mit zwei Monaten im zulässigen Rahmen. Jedoch erhöht sich dadurch die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit auf über 20 Stunden. Daher zahlt die Familienkasse für den Zeitraum der Ausweitung, Juli und August, kein Kindergeld. Für die restlichen zehn Monate können die Eltern von Andrea das Kindergeld jedoch beanspruchen.

Dauert die Ausweitung der Beschäftigung länger als zwei Monate, gilt Folgendes:

  • Beträgt die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit während des Begünstigungszeitraums trotz der Ausweitung weniger als 20 Stunden, zahlt die Familienkasse »nur« für Monate der Ausweitung kein Kindergeld. Wegen des sog. Monatsprinzips wird das Kindergeld aber nur für »volle« Monate verweigert – also Monate, in denen die vertragliche Vereinbarung über die schädliche Erwerbstätigkeit den gesamten Monat umfasst (DA-KG A 20.3.1 Abs. 2, Variante des Beispiels).

  • Beträgt die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit während des Begünstigungszeitraums wegen der Ausweitung mehr als 20 Stunden, darf die Familienkasse unseres Erachtens ebenfalls nur für den Zeitraum der Ausweitung kein Kindergeld zahlen. Denn schließlich gilt beim Kindergeld das Monatsprinzip. Damit steht Ihnen zumindest für den restlichen Begünstigungszeitraum das Kindergeld zu.

Beispiel:

Der 23-jährige Stefan hat nach dem Abitur eine Berufsausbildung abgeschlossen und studiert. Januar bis März war er ohne Beschäftigung. Nach seinem Arbeitsvertrag hat er ab dem 1. April eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden zu leisten. In den Semesterferien arbeitet er von Juli bis September in Vollzeit mit 40 Stunden. Im Oktober war Stefan beschäftigungslos. Ab dem 1. November arbeitet er mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 15 Wochenstunden.

Stefan ist das ganze Jahr wegen seines Studiums dem Grunde nach als Kind zu berücksichtigen. Weil er bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen hat, darf die wöchentliche Arbeitszeit seiner Erwerbstätigkeit höchstens 20 Stunden betragen. Die Ausweitung der Arbeitszeit liegt nicht mehr im zulässigen Rahmen von zwei Monaten. Daher wird die Familienkasse für die drei Monate Juli, August und September kein Kindergeld zahlen.

Für den Begünstigungszeitraum beträgt die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von Stefan nicht mehr als 20 Stunden pro Woche. Weil er das ganze Jahr als Kind zu berücksichtigen ist, beträgt der Begünstigungszeitraum 52 Wochen. In der Zeit vom 1. April bis 30. Juni hat er 13 volle Wochen eine Arbeitszeit von 20 Stunden, in der Zeit vom 1. Juli bis 30. September sind es 13 Wochen mit 40 Stunden und vom 1. November bis 31. Dezember hat er während acht Wochen eine Arbeitszeit von 15 Stunden.

(13 W. × 20 Std.)

+

(13 W. × 40 Std.)

+

(8 W. × 15 Std.)

=

17,31 Std.
durchschnittlich

52 Wochen

Damit erhalten die Eltern von Stefan auf jeden Fall für die Monate Januar bis Juni und Oktober bis Dezember Kindergeld.

Beispiel:

Der 23-jährige Johannes hat nach dem Abitur eine Berufsausbildung abgeschlossen und studiert. Während des ganzen Jahres hat er eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden. In den Semesterferien arbeitet er von Juli bis September in 13 Wochen mit 40 Stunden in Vollzeit.

Johannes ist das ganze Jahr wegen seines Studiums dem Grunde nach als Kind zu berücksichtigen. Weil er bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen hat, darf die wöchentliche Arbeitszeit seiner Erwerbstätigkeit höchstens 20 Stunden betragen. Die Ausweitung der Arbeitszeit liegt nicht mehr im zulässigen Rahmen von zwei Monaten. Daher wird die Familienkasse zumindest für den Zeitraum der Ausweitung, hier die drei Monate Juli, August und September, kein Kindergeld zahlen.

Für die restlichen Monate ist unseres Erachtens jedoch Kindergeld zu zahlen. Denn es gilt das Monatsprinzip, auch wenn im gesamten Begünstigungszeitraum – hier alle zwölf Monate – die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit mehr als 20 Stunden pro Woche beträgt.

(39 W. × 20  Std.)

+

(13 W. × 40 Std.)

=

25 Std.
durchschnittlich

52 Wochen

Beispiel:

Die 23-jährige Julia hat nach dem Abitur eine Berufsausbildung abgeschlossen und studiert. In den Semesterferien arbeitet sie vom 16. Juli bis 28. September mit 40 Stunden in Vollzeit. Ansonsten geht sie im Kalenderjahr keiner Erwerbstätigkeit nach.

Weil Julia bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen hat, darf die wöchentliche Arbeitszeit ihrer Erwerbstätigkeit durchschnittlich höchstens 20 Stunden betragen. Die Ausweitung der Arbeitszeit liegt nicht mehr im zulässigen Rahmen von zwei Monaten. Daher wird die Familienkasse für den »vollen« Monat August kein Kindergeld zahlen. Für die »Teilmonate« Juli und September muss sie jedoch wegen des Monatsprinzips zahlen!

Weil die Verwaltung auf die vertragliche Arbeitszeit abstellt, mindert sie diese nicht wegen Fehlzeiten, in denen Ihr Kind wegen Krankheit oder Urlaub tatsächlich nicht oder weniger gearbeitet hat.

Beispiel:

Der 23-jährige Florian ist im ganzen Jahr Student im Zweitstudium. Am 13.  Februar beginnt er eine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Seine wöchentliche Arbeitszeit beträgt 20 Stunden (38 volle Arbeitswochen). Davon ist er fünf Wochen in Urlaub und hat sich währenddessen ausschließlich um sein Studium gekümmert. In den Semesterferien arbeitet er für zwei Monate (acht volle Wochen) 40 Stunden.

So sieht die Rechnung der Familienkasse aus:

(38 W. × 20 Std.)

+

(8 W. × 40 Std.)

=

20,77 Std. durchschnittlich

52 Wochen

Damit zahlt die Familienkasse für zwei Monate (Zeitraum der Ausweitung) kein Kindergeld.

Würden die Urlaubszeiten mindernd berücksichtigt, sähe die Rechnung so aus:

(33 W. × 20 Std.)

+

(8 W. × 40 Std.)

=

18,85 Std. durchschnittlich

52 Wochen

Danach wäre für das ganze Jahr Kindergeld zu zahlen. Die Eltern von Florian sollten gegen einen Ablehnungsbescheid der Familienkasse Einspruch einlegen und die Berücksichtigung der Urlaubszeit fordern. Denn schließlich ist Florian in dieser Zeit seinem Studium nachgegangen. Allerdings gibt es in dieser Frage bisher kein Musterverfahren bei den Finanzgerichten.

Die Ausweitung der Arbeitszeit auf über 20 Stunden pro Woche und ihre Folgen im Überblick:

aav_s03c_12_22.jpg

Ausbildungsdienstverhältnis

Befindet sich Ihr Kind in einem Ausbildungsdienstverhältnis, bekommen Sie immer Kindergeld, solange es noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat. Dies gilt selbst dann, wenn das Kind vorher bereits eine andere Ausbildung oder ein Studium erfolgreich abgeschlossen hat.

Ein Ausbildungsdienstverhältnis liegt vor, wenn die Ausbildungsmaßnahme im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet. Die Teilnahme an der Ausbildung muss Gegenstand des Arbeitsvertrags und für den Auszubildenden verbindlich sein, zum Beispiel:

  • Lehrling (Ausbildung in Betrieb und Berufsschule);

  • Praktikant und Volontär;

  • duale Studiengänge, bei denen der Arbeitgeber Ihr Kind für ein Studium an einer Berufsakademie, Fachhochschule oder Universität freistellt und ihm weiter Lohn bezahlt. Dies gilt sogar für eine Promotion im Rahmen eines Dienstverhältnisses (BFH-Urteil vom 7. 8. 1987, VI R 60/84, BStBl. 1987 II S. 780). Allerdings muss ein sachlicher Zusammenhang zwischen Promotion und Dienstverhältnis bestehen. Eine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter einer Universität reicht jedenfalls dann nicht, wenn lediglich im Rahmen der Dienstaufgaben die Gelegenheit eingeräumt wird, die Promotion vorzubereiten (FG Münster vom 12. 9. 2014, 4 K 2950/13 Kg, EFG 2014 S. 2051);

  • Referendar für das zweite Staatsexamen (BFH-Urteil vom 22. 1. 1972, VI R 337/70, BStBl. 1972 II S. 251), ebenso Lehramtsreferendar;

  • Pharmazeut im Praktikum;

  • Beamtenanwärter (BFH-Urteil vom 21. 1. 1972, VI R 337/70, BStBl. 1972 II S. 261).

Auch als Soldat der Bundeswehr kann sich Ihr Kind in einem Ausbildungsdienstverhältnis befinden. Die zu absolvierenden Lehrgänge müssen Ziel und wesentlicher Inhalt des Dienstverhältnisses sein. Dafür müssen durchgehend zielgerichtete Lehrgänge durchlaufen werden. In folgenden Fällen ist dies beispielsweise der Fall:

  • eine ca. achtmonatige Ausbildung zum Kraftfahrer der Fahrerlaubnisklasse CE mit dreimonatiger Grundausbildung, anschließender Dienstpostenausbildung zum Kraftfahrer und erfolgreich bestandener Fahrerlaubnisprüfung (BFH-Urteil vom 16. 9. 2015, III R 6 / 15, BStBl. 2016 II S. 281);

  • (Berufs-)Soldat, der an einer Bundeswehrhochschule unter Fortzahlung der Dienstbezüge studiert (BFH-Urteil vom 7. 11. 1980, VI R 50/79, BStBl. 1981 II S. 216);

  • (Zeit-)Soldat, der durch Lehrgänge der Bundeswehrfachschule die Mittlere Reife erlangen will (BFH-Urteil vom 28. 9. 1984, VI R 144/83, BStBl. 1985 II S. 89);

  • (Zeit-)Soldat, der zum Offizier ausgebildet wird (BFH-Urteil vom 16. 4. 2002, VIII R 58/01, BStBl. 2002 II S. 523). Je nach Ausgestaltung kann bereits die Zeit des freiwilligen Wehrdienstes als Heranführung an die Offiziers- oder Unteroffizierslaufbahn dienen (BFH-Urteil vom 3. 7. 2014, III 53/13, DStR 2014 S. 2280);

  • (Zeit-)Soldat im Mannschaftsdienst während seiner dreimonatigen Grundausbildung (FG Münster vom 13. 11. 2014, 11 K 2284 / 13 kg, EFG 2015 S. 307);

  • (Zeit-)Soldat während seiner Zeit als Feldwebelanwärter. Mit Bestehen der Feldwebelprüfung ist die Ausbildung beendet. Feldwebel ist als berufsqualifizierender Abschluss anzusehen (BFH-Urteil vom 23. 6. 2015, III R 37 / 14, BFH / NV 2015 S. 1622);

  • eine einem eigentlichen Masterstudium vorangehende Unternehmensphase, sog. PreMaster-Programm (FG Baden-Württemberg vom 4. 12. 2013, 1 K 775/13).

Wird keine andere Ausbildung absolviert, ist mit Erreichen einer Laufbahnbefähigung, zum Beispiel der Feldwebellaufbahn, das Ausbildungsdienstverhältnis eines Kindes beendet. Spätere Fort- und Ausbildungslehrgänge, um Berufssoldat zu werden, zählen nicht mehr dazu (BFH-Urteil vom 23. 6. 2015, III R 37 / 14, BFH / NV 2015 S. 1622). Auch anschließende Verwendungslehrgänge begründen regelmäßig kein (weiteres) Ausbildungsdienstverhältnis (BFH-Beschluss vom 21.6.2016, III B 133/15, BFH/NV 2016 S. 1450).

Hat Ihr Kind sein Ausbildungsdienstverhältnis und damit seine Erstausbildung abgeschlossen und Sie erhalten kein Kindergeld mehr? Dann kann Ihr Kind seine Aufwendungen für weiterführende Aus- und Fortbildung als Werbungskosten geltend machen (§ 9 Abs. 6 EStG).

Bei berufsbegleitenden und berufsintegrierten dualen Studiengängen ist Vorsicht geboten. Nach Ansicht der Verwaltung ist die Tätigkeit für den Arbeitgeber häufig nicht auf den Inhalt des Studiums ausgerichtet, sodass in solchen Fällen ein Ausbildungsdienstverhältnis ausscheidet (DA-KG A 20.3.2 Abs. 2).

Ihr Kind hat nach einer ersten Ausbildung oder Studium einen dualen Studiengang begonnen? Legen Sie gegenüber der Familienkasse die Verknüpfungen zwischen Studium und praktischer Tätigkeit dar, die über eine bloße thematische Verbindung zwischen der Fachrichtung des Studiengangs und der in dem Unternehmen ausgeübten Tätigkeit oder eine rein organisatorische Verzahnung hinausgehen.

Nur dann haben Sie eine Chance auf das Kindergeld. Gelingen wird Ihnen das beispielsweise durch Vorlage der Studienordnung oder der Kooperationsvereinbarung zwischen Unternehmen und Hochschule.

Kein Problem ist, wenn Ihr Kind im Rahmen eines dualen Studiums eine möglicherweise darin integrierte Berufsausbildung vor Abschluss des Studiums abgeschlossen hat. Auch für die Zeit nach dem Berufsabschluss gibt es Kindergeld.

Kein Ausbildungsverhältnis liegt vor, wenn ein Arbeitgeber die Berufsausbildung oder das Studium Ihres Kindes lediglich unterstützt, beispielsweise durch einen einmaligen Zuschuss oder ein laufendes Stipendium.

Beispiel:

Der 21-jährige Jan hat seine Lehre abgeschlossen. Sein Ausbildungsbetrieb hat ihn übernommen, dort arbeitet er seit mehreren Jahren und auch im aktuellen Jahr in Vollzeit. Abends und am Wochenende besucht er seit dem 1. Juli eine Meisterschule. Sein Arbeitgeber möchte dies fördern und zahlt ihm monatlich zweckgebunden 200,– €.

Jan ist ab 1.  Juli durch den Besuch der Meisterschule dem Grunde nach als Kind zu berücksichtigen. Durch die abgeschlossene Lehre verfügt er bereits über eine Berufsausbildung. Die Familienkasse zahlt Kindergeld nur dann, wenn er keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht. Durch die monatliche Zahlung liegt aber kein Ausbildungsdienstverhältnis vor. Demnach gilt die 20-Stunden-Grenze, die durch die Vollzeittätigkeit von Jan überschritten wird. Daher wird die Familienkasse für ihn kein Kindergeld zahlen.

Ob neben einem Ausbildungsdienstverhältnis noch eine andere Erwerbstätigkeit bis zur 20-Stunden-Grenze ausgeübt werden kann, ist nicht geklärt. Wird neben einem Ausbildungsdienstverhältnis ein Minijob ausgeübt, hat die Verwaltung keine Bedenken.

Beispiel:

Der 24-jährige Sebastian hat sein Studium zum Journalisten zum 30.  April abgeschlossen. Im Anschluss hat ein Verlag ihn als Volontär im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses angestellt. Daneben

Variante a) geht er einem Minijob als Kellner nach.

Variante b) verfasst er Beiträge für regionale Tageszeitungen (selbstständige Tätigkeit).

Sebastian ist das ganze Jahr dem Grunde nach als Kind in Ausbildung zu berücksichtigen. Weil er mit dem Studium seine erste Ausbildung abgeschlossen hat, bekommen seine Eltern nur dann Kindergeld, wenn er keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht. Das Ausbildungsdienstverhältnis als Volontär ist unschädlich.

Variante a) Auch der daneben ausgeübte Minijob wird von der Verwaltung als noch unschädlich angesehen.

Variante b) Hierzu äußert sich die Verwaltung nicht. Als unschädlich dürfte dies u. E. dann anzusehen sein, wenn die 20-Stunden-Grenze nicht überschritten wird. Allerdings stellt sich die Frage, wie die Familienkasse die zeitliche Grenze bei einer selbstständigen Tätigkeit überprüfen will!

Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse – der sog. »Minijob«

Hierzu zählen die geringfügig entlohnte Beschäftigung und die sogenannte kurzfristige Beschäftigung.

Ob ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, prüfen die Familienkassen und Finanzämter grundsätzlich nicht selbst. Generell maßgeblich ist die Einstufung des Arbeitgebers. Daher bietet sich eine Bescheinigung des Arbeitgebers Ihres Kindes als Nachweis gegenüber der Behörde an.

Wird ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis neben einem Ausbildungsdienstverhältnis ausgeübt, gelten keine Einschränkungen. Wird ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis neben einer Teilzeittätigkeit ausgeübt, ist dies nur unschädlich, wenn insgesamt die 20-Stunden-Grenze an regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit nicht überschritten wird (DA-KG A 20.3.1 Abs. 4).

Beispiel:

Der 24-jährige Christian hat nach dem Abitur eine Lehre als Bankkaufmann erfolgreich abgeschlossen und studiert ab dem 1. September Lehramt. Bei dem Kreditinstitut ist er weiterhin in Teilzeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden beschäftigt. Daneben arbeitet er durchschnittlich vier Wochenstunden im Rahmen einer geringfügig entlohnten Beschäftigung an Wochenenden als Bedienung in einer Diskothek.

Christian ist das ganze Jahr dem Grunde nach als Kind in Ausbildung zu berücksichtigen. Weil er bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen hat, zahlt die Familienkasse das Kindergeld ab September nur dann weiter, wenn er keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht. Zusammen mit dem Minijob überschreiten seine Tätigkeiten die Grenze von 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit. Die Familienkasse zahlt daher kein Kindergeld mehr.

Zusammen mit seinen Eltern sollte Christian überlegen, ob es nicht sinnvoll ist, auf den Minijob zu verzichten, damit seine Eltern Kindergeld für ihn erhalten.

Wird die Grenze für eine geringfügig entlohnte Beschäftigung überschritten und kann dadurch die 20-Stunden-Grenze nicht eingehalten werden, wird das Kind ab dem der Überschreitung folgenden Monat so lange nicht mehr berücksichtigt, wie die Grenze überschritten bzw. die Tätigkeit ausgeübt wird.

Beispiel:

Die 23-jährige Katja hat nach dem Abitur ein verwaltungsinternes Bachelor-Studium »Bachelor of Arts« erfolgreich abgeschlossen. Weil sie sich jedoch beruflich neu orientieren möchte, hat sie zum 1.  September ein Bachelor-Studium »Bachelor of Education« begonnen. Nebenher jobbt sie als Aushilfe im Rahmen einer geringfügig entlohnten Beschäftigung. Sie arbeitet wöchentlich zehn Stunden und erhält einen Stundenlohn von 10,– €. Ab 1. Oktober möchte ihr Arbeitgeber, dass Katja wöchentlich 15 Stunden arbeitet.

Katja ist dem Grunde nach das ganze Jahr als Kind in Ausbildung zu berücksichtigen. Durch das erste Bachelor-Studium verfügt sie bereits über eine abgeschlossene Berufsausbildung. Ihre Eltern bekommen für die Zeit des zweiten Studiums nur dann weiterhin Kindergeld, wenn Katja keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht. Bis September ist dies unproblematisch, weil Katja lediglich einem Minijob nachgeht.

Ab Oktober sieht es anders aus. Es liegt kein Minijob mehr vor. Die Verdienstgrenze von monatlich 450,– € wird überschritten. Weil aber die 20-Stunden-Grenze nicht überschritten wird, ist weiterhin Kindergeld zu zahlen.

Dauert eine kurzfristige Beschäftigung länger als zulässig, zahlt die Familienkasse bei einem Überschreiten des 3-Monats-Zeitraums erst ab dem folgenden Monat so lange kein Kindergeld mehr, wie die kurzfristige Beschäftigung ausgeübt wird. Denn liegen an mindestens einem Tag in einem Kalendermonat die Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Kindes vor, ist für diesen Monat Kindergeld zu zahlen.

Beispiel:

Die 24-jährige Christin hat nach dem Abitur im Vorjahr eine Lehre erfolgreich abgeschlossen und zum 1. März ein Studium begonnen. In den Semesterferien arbeitet sie auf Basis eines kurzfristigen Beschäftigungsverhältnisses als Urlaubsvertretung zunächst für drei Monate, nämlich vom 16.  Juni bis 14.  September, in Vollzeit mit 40 Stunden. Aufgrund der Erkrankung eines Arbeitnehmers arbeitet Christin in Vollzeit noch weiter bis zum 12. Oktober.

Christin ist dem Grunde nach ab dem 1.  März als Kind in Ausbildung zu berücksichtigen. Sie hat bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen. Damit weiterhin für sie Kindergeld gezahlt wird, darf sie keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgehen. Unschädlich ist eine kurzfristige Beschäftigung, die aufgrund der im Voraus vertraglich vereinbarten Begrenzung vorliegt.

Ab dem 15.  September liegt jedoch keine geringfügige Beschäftigung, sondern eine regelmäßige Beschäftigung vor. Die wöchentliche Arbeitszeit überschreitet die 20-Stunden-Grenze. Daher ist die Tätigkeit für das Kindergeld als schädlich anzusehen. Eigentlich kann Christin daher ab Oktober nicht mehr berücksichtigt werden (BMF-Schreiben vom 8.2. 2016, BStBl. 2016 I S. 226 Rz. 29). Weil die Beschäftigung aber am 12.  Oktober endet, ist Christin ab dem 13.  Oktober und damit mindestens an einem Tag im Oktober als Kind zu berücksichtigen. Damit ist das Kindergeld für Christin auch für Oktober und damit durchgehend von März bis Dezember zu gewähren.

Kindergeld gestrichen? Was Sie tun müssen

Mit Vollendung des 18. Lebensjahres wird Ihr Kind nicht mehr automatisch bei Ihnen als Kind berücksichtigt. Daher müssen Sie einen schriftlichen Neuantrag für das Kindergeld stellen (DA-KG V 5.4).

Lehnt die Familienkasse einen Antrag ab, können Sie gegen einen solchen Bescheid Einspruch einlegen. Dadurch muss die Familienkasse ihre Entscheidung noch einmal insgesamt überdenken. Bleibt sie bei ihrer ablehnenden Haltung, bekommen Sie eine abschließende ablehnende Entscheidung, die sog. Einspruchsentscheidung.

Hiergegen können Sie innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage beim zuständigen Finanzgericht erheben.

5.1 Die Verhältnisse ändern sich

Ändern sich die Verhältnisse für die Gewährung des Kindergeldes, zum Beispiel, weil Ihr Kind die Ausbildung beendet, müssen Sie dies der Familienkasse unverzüglich mitteilen. Die Familienkasse prüft dann, ob sie den Bescheid nach § 70 Abs. 2 EStG aufhebt. Dies gilt auch umgekehrt, etwa wenn Ihr Kind seine Berufsausbildung wieder fortsetzt.

Die Änderung des Kindergeldes erfolgt mit Wirkung ab dem Monat, der dem Monat der Veränderung folgt. Hat Ihr Kind zum Beispiel die Ausbildung zum 15.8. beendet, wird das Kindergeld mit Wirkung ab September aufgehoben.

5.2 Die Einspruchsfrist ist abgelaufen

5.2.1 Korrektur des fehlerhaften Bescheides für die Vergangenheit

Auf den Kindergeldbescheid werden die Regeln für Steuerbescheide und damit auch die Korrekturvorschriften der Abgabenordnung angewandt. Ist eine Korrekturvorschrift anwendbar, kann die Kindergeldfestsetzung mit Wirkung für die Vergangenheit geändert werden. Nur dann kann ohne Einspruch der fehlerhafte Bescheid für die Vergangenheit geändert werden.

Vor allem die Anwendung folgender Vorschriften ist denkbar:

  • § 129 AO: die Berichtigung eines Kindergeldbescheids wegen eines Schreibfehlers, Rechenfehlers oder einer ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit. Hat der Bearbeiter etwas in Ihrem Antrag übersehen? Und ist ein Rechtsanwendungsfehler ausgeschlossen? Dann kann der Bescheid geändert werden.

  • § 173 AO: Nach Bekanntgabe des Kindergeldbescheids wird der Familienkasse eine neue Tatsache bekannt. Wirkt die Tatsache zu Ihren Gunsten, darf Sie allerdings kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden treffen.

Beispiel:

Für die studierende 20-jährige Nele hat Herr Hilbert Anfang des Jahres Kindergeld beantragt. Mit Bescheid vom 18.3. setzt die Familienkasse das Kindergeld entsprechend fest. Im Juni erfährt die Familienkasse, dass Nele ihr Studium bereits Mitte Februar abgebrochen hat.

Die Familienkasse wird wegen dieser für sie neuen Tatsache den Bescheid vom 18.3. aufheben und das zu Unrecht gezahlte Kindergeld zurückfordern.

Beispiel:

Frau Meinel hat für ihren 19-jährigen Sohn David am 19.9. Kindergeld beantragt. Nach einer Orientierungsphase, in der David nach dem Abitur als Hilfskraft gearbeitet hat, befindet er sich seit 1.7. in Berufsausbildung. Vor lauter Freude ist Frau Meinel beim Ausfüllen des Formulars ein Flüchtigkeitsfehler unterlaufen. Als Beginn der Berufsausbildung hat sie den 1.9. eingetragen. Die Familienkasse setzt das Kindergeld mit Bescheid vom 14.10. antragsgemäß fest. Den Fehler stellt Frau Meinel erst fest, nachdem die Einspruchsfrist abgelaufen ist.

Frau Meinel kann hier einen Antrag auf Änderung des Bescheids stellen. Denn der frühere Beginn der Ausbildung ist für die Familienkasse eine neue Tatsache. Ein Flüchtigkeitsfehler ist nicht als grobes Verschulden anzusehen. Die Familienkasse hat das Kindergeld rückwirkend ab 1.7. festzusetzen und auszuzahlen.

5.2.2 Fehler beseitigen für die Zukunft

Wendet die Familienkasse das Recht falsch an oder legt sie irrtümlich einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde, liegt ein »materieller Fehler« vor. Solche Fehler können nur dann für die Vergangenheit beseitigt werden, wenn Sie rechtzeitig Einspruch einlegen.

Haben Sie das nicht getan, können Sie eine Auszahlung des Kindergelds nur mit Wirkung ab dem auf die Bekanntgabe des fehlerhaften Bescheids folgenden Monat erreichen. Für die Zeit vorher ist das Kindergeld verloren. Wer den Fehler verschuldet hat, ist unerheblich.

Hat sich die Familienkasse zu Ihren Gunsten geirrt, kann sie den fehlerhaften Bescheid ebenfalls nur mit Wirkung ab dem auf die Bekanntgabe des fehlerhaften Bescheids folgenden Monat vornehmen. Das vorher an Sie ausgezahlte Kindergeld können Sie behalten.

Beispiel:

Herr Schäfer hat für seinen 20-jährigen Sohn Carsten, der sich seit 1.4. in Ausbildung befindet, am 5.6. Kindergeld ab April beantragt. Die Familienkasse setzt mit Bescheid vom 10.6. Kindergeld irrtümlicherweise nicht erst ab April, sondern bereits ab Januar fest.

Der Familienkasse ist ein materieller Fehler unterlaufen. Für einen solchen Fall gibt es keine Korrekturvorschrift. Und gemäß § 70 Abs. 3 EStG könnte sie den Bescheid erst mit Wirkung ab Juli ändern, denn das ist der auf die Bekanntgabe des fehlerhaften Bescheids folgende Monat. Somit bleibt es beim fehlerhaften Kindergeld für die Monate Januar bis März.

5.3 Machen Sie die Kosten eines Einspruchs geltend

Die Familienkasse kann von Ihnen für die Bearbeitung eines Einspruchs keine Gebühren beanspruchen, das ist nicht vorgesehen. Umgekehrt können Sie aber Ihre Kosten geltend machen (§ 77 EStG).

5.3.1 Kostenentscheidung

Zunächst entscheidet die Familienkasse durch einen eigenen Verwaltungsakt darüber, ob die notwendigen Aufwendungen ganz, teilweise oder gar nicht erstattet werden (sog. Kostenentscheidung). Dies hängt davon ab, in welchem Umfang Ihr Einspruch Erfolg hat. Für diese Entscheidung brauchen Sie keinen Antrag stellen.

Die Entscheidung wird von der Familienkasse in Zehntel-Schritten getroffen, wobei zu Ihren Gunsten aufzurunden ist (DAFamRb Nr. 20 Abs. 4). Die Entscheidung kann verbunden mit der eigentlichen Entscheidung, aber auch gesondert ergehen. Sie sollten Einspruch einlegen, wenn Sie der Meinung sind, der festgesetzte Anteil der Aufwendungen sei zu niedrig.

Haben Sie einen Bevollmächtigten oder Beistand, beispielsweise einen Rechtsanwalt oder Steuerberater, hinzugezogen, wird auch entschieden, ob die dadurch entstandenen Kosten notwendig waren. Notwendig ist eine Hinzuziehung einer rechtskundigen Person, wenn es sich um eine »komplizierte« Rechtsauslegung handelt. Was kompliziert ist, muss von Fall zu Fall entschieden werden. Nicht notwendig ist jedenfalls eine Hinzuziehung, wenn es nur um das Einreichen von Belegen geht. Hierfür wird nicht die Hilfe einer anderen Person benötigt.

Haben Sie die Aufwendungen verschuldet, bekommen Sie keine Erstattung. Sie bekommen Ihre Aufwendungen zum Beispiel nicht ersetzt, wenn

  • Sie Erklärungen oder Unterlagen erst im Einspruchsverfahren abgeben,

  • Sie den Sachverhalt irreführend darstellen,

  • die Familienkasse von einem offensichtlich unzutreffenden Sachverhalt ausgeht und Sie den Irrtum nicht beseitigen,

  • Sie für das Kindergeld relevante Änderungen der Verhältnisse nicht mitteilen.

Haben Sie Einspruch eingelegt und erhalten Sie erst im Einspruchsverfahren eine Begründung von der Familienkasse für deren zutreffende ungünstige Entscheidung, hat Ihr Einspruch zwar keinen Erfolg. Trotzdem bekommen Sie in diesem Sonderfall die Aufwendungen ersetzt (§ 77 Abs. 1 Satz 3 EStG).

5.3.2 Kostenfestsetzung

Die Kostenentscheidung ist Grundlage einer Kostenfestsetzung. Hierfür müssen Sie einen Antrag stellen. Das geschieht formlos, einen Vordruck hierfür gibt es nicht. Vor allem folgende Kosten sind notwendig und können von Ihnen geltend gemacht werden:

  • Portokosten,

  • Telefonkosten,

  • Kopierkosten, auch bei Akteneinsicht,

  • Fahrtkosten für einen Erörterungstermin. Angesetzt werden können die notwendigen tatsächlichen Kosten, ersatzweise der für Dienstreisen geltende pauschale Betrag von 0,30 € pro gefahrenen Kilometer.

Auch gegen die Kostenfestsetzung können Sie Einspruch einlegen, wenn die Familienkasse nicht alle von Ihnen beanspruchten Aufwendungen erstattet hat.

6. Das Finanzamt verweigert die Freibeträge?

6.1 Einspruch und Klage

Gegenüber dem Kindergeldverfahren ist das Verfahren beim Finanzamt etwas einfacher. Eine Prognoseentscheidung gibt es nicht. Ob Sie die Freibeträge für Kinder bekommen, zeigt sich in Ihrem Einkommensteuerbescheid.

Bedenken Sie aber, dass die Freibeträge für Kinder erst dann bei der Ermittlung Ihres zu versteuernden Einkommens abgezogen werden, wenn der Abzug zu einer höheren Steuerminderung führt als der Betrag, den Sie als Kindergeld beanspruchen können.

Auf jeden Fall können Sie am Abzug der Freibeträge bei der Berechnung des Solidaritätszuschlags und ggf. der Kirchensteuer erkennen, ob Ihre Kinder berücksichtigt wurden. Hier werden die Freibeträge nämlich ohne Gegenrechnung des Kindergeldes berücksichtigt.

Gegen den Einkommensteuerbescheid können Sie innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Einspruch einlegen. Bleibt das Finanzamt bei seiner ablehnenden Haltung, bekommen Sie eine Einspruchsentscheidung. Gegen diese können Sie innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage erheben.

Hat das Finanzamt die Freibeträge für Kinder nicht berücksichtigt und würden sich diese wegen der Günstigerprüfung nur auf die Höhe des Solidaritätszuschlags und ggf. der Kirchensteuer auswirken? Dann müssen Sie gegen den Bescheid über den Solidaritätszuschlag und ggf. gegen den Kirchensteuerbescheid Einspruch einlegen!

Ein Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid genügt nicht. Im Zweifel wenden Sie sich in Ihrem Einspruchsschreiben einfach gegen alle Bescheide.

Denn haben Sie »nur« gegen den Einkommensteuerbescheid Einspruch eingelegt, werden der Bescheid über den Solidaritätszuschlag und der Kirchensteuerbescheid nicht automatisch geändert. Der Einkommensteuerbescheid ist nämlich insoweit kein sog. Grundlagenbescheid (BFH-Urteil vom 27.1.2011, III R 90/09, BStBl. 2011 II S. 543).

Anders als bei einem Einspruch gegen einen ablehnenden Bescheid der Familienkasse können Sie wegen eines Einspruchs gegen den Einkommensteuerbescheid keine Aufwendungen geltend machen. Eine Kostenerstattung ist beim Finanzamt nicht vorgesehen.

6.2 Korrekturvorschriften

Haben Sie keinen Einspruch gegen Ihren Einkommensteuerbescheid eingelegt, wird dieser bestandskräftig. Damit ist er für beide Seiten bindend. Möglich ist eine Änderung nur, wenn die Voraussetzungen einer Korrekturvorschrift vor allem der Abgabenordnung vorliegen.

Der Kindergeldbescheid ist kein Grundlagenbescheid für den Einkommensteuerbescheid. Wird dem Finanzamt aber nachträglich bekannt, also nach Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheids, dass ein Anspruch auf Kindergeld nicht in der bisher angenommenen Höhe bestanden hat, kommt eine Änderung des Steuerbescheids nach § 173 AO wegen neuer Tatsachen in Betracht.

Wird der Anspruch auf Kindergeld durch die Familienkasse nachträglich bejaht oder verneint, ist der Einkommensteuerbescheid, wenn sich eine Änderung der Steuerfestsetzung ergibt, aufgrund dieses rückwirkenden Ereignisses nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern (R 31 Abs. 5 EStR 2008).

6.3 Übertragung der Freibeträge – Besonderheiten bei getrennten Eltern

Für die Übertragung des Kinderfreibetrags für volljährige Kinder bei geschiedenen und getrennt lebenden Eltern gelten dieselben Regeln wie bei minderjährigen Kindern. Um den Kinderfreibetrag beanspruchen zu können, der dem anderen Elternteil zusteht, müssen Sie einen Antrag auf Übertragung stellen und es müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Der andere Elternteil ist unterhaltspflichtig und kommt dieser Verpflichtung für das Kalenderjahr nicht im Wesentlichen nach, oder

  • der andere Elternteil ist mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig und der Staat zahlt keine Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.

Ob auch der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf bei Volljährigen übertragen werden kann, war bis Veranlagungszeitraum 2020 unklar. Nach früherer Auffassung der Finanzverwaltung wurde dieser Freibetrag stets automatisch mit übertragen, wenn der Kinderfreibetrag übertragen wurde (BMF-Schreiben vom 28.6.2013, BStBl. 2013 I S. 845, Rz. 5).

Der BFH hat dem widersprochen. Anders als bei minderjährigen Kindern ist eine Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf bei volljährigen Kindern nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nicht vorgesehen. Die Regelungen zur Übertragung des Kinderfreibetrags sind nicht an die Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf gekoppelt (BFH-Urteil vom 22.4.2020, III R 61/18, BFH/NV 2021 S. 56; BFH-Urteil vom 22.4.2020, III R 25/19, BFH/NV 2021 S. 80).

Für denjenigen, der den Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf sozusagen behält, ist dies günstig. Denn am Kinderfreibetrag hängt die Gegenrechnung des Kindergeldes. Wird also lediglich der Kinderfreibetrag auf den anderen Elternteil übertragen, wird bei der Günstigerprüfung des Finanzamts das (hälftige) Kindergeld nicht gegengerechnet.

Beispiel:

Die Eheleute Schröder sind seit zwei Jahren geschieden. Der gemeinsame volljährige Sohn Lars wohnt im Jahr 2020 bei Frau Schröder und ist auch bei ihr gemeldet. Weil Herr Schröder seiner Unterhaltspflicht nicht im gebotenen Umfang nachkommt, beantragt Frau Schröder die Übertragung sowohl des grundsätzlich Herrn Schröder zustehenden Kinderfreibetrags als auch des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.

Der Kinderfreibetrag für den Veranlagungszeitraum 2020 wird auf Frau Schröder übertragen. Der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf wird hingegen nicht übertragen, weil Lars volljährig ist. Da Frau Schröder nunmehr den gesamten Kinderfreibetrag beansprucht, wird bei der Günstigerprüfung auch das gesamte Kindergeld berücksichtigt.

Wäre Lars noch minderjährig und weil er bei Frau Schröder gemeldet ist, hätte Frau Schröder die Wahl gehabt, beide Freibeträge auf sich übertragen zu lassen oder nur den Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf. In bestimmten Fällen kann für die Günstigerprüfung des Finanzamts nur die Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf besser sein.

Mit Wirkung ab Veranlagungszeitraum 2021 hat der Gesetzgeber auf die Rechtsprechung des BFH reagiert. Er hat die frühere Verwaltungsauffassung gesetzlich festgeschrieben. Die Übertragung des Kinderfreibetrags führt damit stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.

Beispiel:

Auch im Jahr 2021 wohnt Lars, der Sohn der Eheleute Schröder aus dem vorigen Beispiel, bei Frau Schröder. Weil Herr Schröder weiterhin seinen Unterhaltspflichten leider nicht nachkommt, beantragt Frau Schröder auch für den Veranlagungszeitraum 2021 die Übertragung sowohl des grundsätzlich Herrn Schröder zustehenden Kinderfreibetrags als auch des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.

Sowohl Kinderfreibetrag als auch der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf werden auf Frau Schröder übertragen. Bei der Günstigerprüfung wird bei Frau Schröder das gesamte Kindergeld berücksichtigt.

Kinder – verheiratet oder mit eigenen Kindern

Ist Ihr Kind verheiratet oder ist es eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen, liegt die vorrangige Unterhaltsverpflichtung nicht mehr bei Ihnen als Eltern, sondern beim Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner Ihres Kindes (§ 1608 BGB). Trotzdem können Sie weiterhin Kindergeld erhalten.

Erfüllt ein verheiratetes oder in einer eingetragenen Partnerschaft lebendes Kind die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach, etwa weil es sich in Berufsausbildung befindet, haben die Eltern Anspruch auf Kindergeld.

Weitere Voraussetzungen enthält das Gesetz nicht. So zählen weder die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes noch die vom Ehegatten (BFH-Urteil vom 17.10.2013, III R 22/13, BStBl. 2014 II S. 257).

Auch die Verwaltung hat sich nach kurzem Zögern dieser Rechtsauffassung angeschlossen. Sie hat ihre Meinung aufgegeben, dass Kindergeld nur dann zu zahlen ist, wenn ein sog. »Mangelfall« vorliegt, wenn also die Einkünfte des Partners Ihres Kindes nicht für dessen vollständigen Unterhalt ausreichen und Ihr Kind ebenfalls nicht über ausreichende eigene Mittel für den Unterhalt verfügt (Erlass des Bundeszentralamtes für Steuern vom 5.3.2014, BStBl. 2014 I S. 553).

Entsprechendes gilt, wenn Ihr alleinstehendes Kind selbst ein Kind hat. Soweit Ihre Tochter aus Anlass der Geburt des unehelichen Kindes gegenüber dem Kindesvater einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch (§ 1615l BGB) hat, ist dieser gegenüber Ihrer Unterhaltsverpflichtung als Eltern vorrangig. Soweit Ihr Sohn ein Kind betreut, hat er einen entsprechenden Anspruch gegenüber der Kindesmutter (§ 1615l Abs. 4 BGB).

Trotzdem kann Ihnen auch in einem solchen Fall das Kindergeld zustehen. Entscheidend ist, dass Ihr Kind die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach erfüllt, beispielsweise sich noch in (erstmaliger) Ausbildung befindet. Der Anspruch gegenüber dem anderen Elternteil ist ohne Bedeutung (BFH-Urteil vom 3.7.2014, III R 37/13, BFH/NV 2014 S. 1832).

Wenn Ihr Kind eine Behinderung hat: Sonderregelungen

Kindergeld gibt es für ein volljähriges Kind nur, wenn ein bestimmter Grund wie zum Beispiel eine Berufsausbildung vorliegt. Hat das Kind eine Behinderung, gelten steuerlich großzügigere Regelungen. Eine Berücksichtigung Ihres Kindes wegen seiner Behinderung hängt davon ab, ob

  • die Behinderung vor Eintritt der Altersgrenze eingetreten ist,

  • die Behinderung nachgewiesen wurde,

  • die Behinderung ursächlich dafür ist, dass sich Ihr Kind nicht selbst unterhalten kann und

  • die finanziellen Mittel Ihres Kindes zum Selbstunterhalt nicht reichen.

Als Anlage für Ihren Antrag auf Kindergeld gibt es bei der Familienkasse einen eigenen Vordruck: »Erklärung zu den Verhältnissen eines volljährigen Kindes mit Behinderung« (KG 4 e). Diesen finden Sie zum Download auf der Website der Bundesagentur für Arbeit (www.arbeitsagentur.de).

8.1 Altersgrenze

8.1.1 Die Behinderung muss vorher eingetreten sein

Für ein volljähriges Kind mit Behinderung wird Kindergeld gezahlt, wenn die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.

Wegen der Absenkung der Altersgrenze vom 27. auf das 25. Lebensjahr gibt es eine Übergangsregelung: Ist die Behinderung Ihres Kindes vor dem 1.1.2007 eingetreten, wird es berücksichtigt, wenn die Behinderung vor dem vollendeten 27. Lebensjahr eingetreten ist.

Die Altersgrenze wird nicht rausgeschoben, wenn Ihr Kind in Jahren vor dem Entstehen seiner Behinderung den gesetzlichen Grundwehr- oder Zivildienst oder Ersatzdienst geleistet hat. Die Verlängerungstatbestände für arbeitslose Kinder oder Kinder in Berufsausbildung sind bei Kindern mit Behinderung nicht anwendbar (BFH-Urteil vom 2.6.2005, III R 86/03, BStBl. 2005 II S. 756).

Bei der Berücksichtigung von Kindern mit Behinderung gibt es zu den anderen Berücksichtigungsgründen für volljährige Kinder einen ganz wichtigen Unterschied: Während eine Berücksichtigung aus anderen Gründen nur bis zum vollendeten 21. bzw. 25. Lebensjahr möglich ist, wird ein volljähriges Kind mit Behinderung ohne altersmäßige Begrenzung und damit über die Altersgrenze hinaus als Kind berücksichtigt, wenn die Behinderung vor dem 25. bzw. 27. Lebensjahr eingetreten ist.

Beispiel:

Sebastian ist am 5.10.1980 geboren. Seit er mit seinem Motorrad schwer verunglückt ist, ist er schwerstbehindert.

Variante a) Der Unfall ereignete sich im November 2006.

Variante b) Der Unfall ereignete sich im Februar 2007.

In Variante a) ist die Behinderung vor dem 1.1.2007 eingetreten. Als Altersgrenze, bis zu der die Behinderung eingetreten sein muss, gilt das vollendete 27. Lebensjahr. Dies vollendet Sebastian mit Ablauf des 4.10.2007. Sebastian kann als Kind berücksichtigt werden. Seine Eltern haben zeitlich unbeschränkt Anspruch auf Kindergeld und die kindbezogenen Steuervergünstigungen.

In Variante b) ist die Behinderung nach dem 31.12.2006 eingetreten. Als Altersgrenze, bis zu der die Behinderung eingetreten sein muss, gilt das vollendete 25. Lebensjahr. Dies hat Sebastian mit Ablauf des 4.10.2005 vollendet. Er kann damit nicht als Kind mit Behinderung berücksichtigt werden.

Für das Merkmal »Behinderung« gibt es eine gesetzliche Definition. Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).

Der Behinderungsbegriff ist somit dreigliedrig und besteht aus:

  • einer für das Lebensalter untypischen gesundheitlichen Situation,

  • die mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert und

  • kausal zu einer Teilhabebeeinträchtigung führt.

Die dauerhaft altersuntypische Gesundheitsbeeinträchtigung ist medizinisch zu verstehen. Sie kann sich auf körperliche Funktionen, geistige Fähigkeiten oder die seelische Gesundheit beziehen. Weil der altersuntypische Gesundheitszustand mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauern muss, sind vorübergehende Gesundheitsstörungen nicht erfasst. Für die Frage, ob kausal die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist, kommt es auf das Ausmaß und den Grad der Gesundheitsbeeinträchtigung an. Entscheidend ist, ob die Beeinträchtigung nach Breite, Tiefe und Dauer so intensiv ist, dass sie die Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigt.

Alle drei vorgenannten Tatbestandsmerkmale müssen vor Vollendung des 25. bzw. 27. Lebensjahres eingetreten sein. Eine drohende Behinderung erfüllt diese Voraussetzung nicht. Relevant ist dies etwa bei einem angeborenen Gendefekt. Dieser stellt als solcher keine Behinderung dar. Es muss vielmehr medizinisch festgestellt werden, dass der Gendefekt infolge seiner Verlaufsform bereits vor Erreichen der Altersgrenze zu einer körperlichen, geistigen oder seelischen Funktionsstörung geführt hat. Und ebenfalls vor Erreichen der Altersgrenze muss bereits eine Teilhabebeeinträchtigung vorgelegen haben (BFH-Urteil vom 27.11.2019, III R 44/17, BStBl. 2020 II S. 558).

Bei Ihrem Kind wurde die Diagnose einer Behinderung erst nach dem vollendeten 25. bzw. 27. Lebensjahr gestellt? Weisen Sie nach, dass die Behinderung bereits vor Erreichen der Altersgrenze vorgelegen hat!

Lassen Sie sich medizinisch bescheinigen, dass früher tatsächlich aufgetretene Symptome bereits zu einer dauerhaften Funktionsstörung geführt haben und dadurch eine Teilhabebeeinträchtigung vorlag. Wichtig: Sowohl die Funktionsstörung als auch die Teilhabebeeinträchtigung müssen vor Erreichen der Altersgrenze vorgelegen haben. Das muss aus der Bescheinigung bzw. einem Gutachten eindeutig hervorgehen.

8.1.2 Muss die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt auch vorher eingetreten sein?

Die Behinderung muss vor Vollendung des 25. bzw. 27. Lebensjahres eingetreten sein, aber nicht die Ursächlichkeit oder Unfähigkeit zum Selbstunterhalt (DA-KG A 19.1 Abs. 4). Voraussetzung für die Berücksichtigung ist damit nicht, dass das Kind bereits vor Eintritt der Altersgrenze außerstande gewesen ist, sich selbst zu unterhalten. Die Auffassung der Verwaltung hat der BFH bestätigt (BFH-Urteil vom 9.6.2011, III R 61/08, BStBl. 2012 II S. 141; BFH-Urteil vom 4.8.2011, III R 24/09, BFH/NV 2012 S. 199).

Dies ist dann bedeutsam, wenn der Grund für die Behinderung Ihres Kindes vor Eintritt der Altersgrenze eintritt, es zunächst zum Selbstunterhalt in der Lage war, dies aber wegen der Verschlechterung des Gesundheitszustands später nicht mehr ist (FG Nürnberg vom 13.6.2002, VII 290/2000, EFG 2003 S. 867).

8.2 Die übrigen Berücksichtigungsgründe zählen auch

Die Familienkasse prüft zunächst, ob Ihr Kind bereits wegen einer Berufsausbildung oder fehlenden Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes berücksichtigt werden kann. Hier gelten die allgemeinen Regeln, also kann zum Beispiel Ihr Kind wegen fehlenden Arbeitsplatzes bis zum vollendeten 21. bzw. wegen einer Berufsausbildung bis zum vollendeten 25. Lebensjahr berücksichtigt werden.

Was unter Berufsausbildung zu verstehen ist, wird weit gefasst. Ein Kind mit Behinderung befindet sich auch dann in Berufsausbildung, wenn es durch gezielte Maßnahmen auf eine – wenn auch einfache – Erwerbstätigkeit vorbereitet wird, die nicht spezifische Fähigkeiten oder Fertigkeiten erfordert.

Unter diesem Gesichtspunkt kann zum Beispiel auch der Besuch einer Schule für behinderte Menschen oder einer Heimsonderschule, das Arbeitstraining in einer Anlernwerkstatt oder die Förderung im Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen eine Berufsausbildung darstellen (DA-KG A 15.4). Auch Maßnahmen zur Teilnahme am Arbeitsleben können für einen Beruf ausbilden.

Die Berufsausbildung ist beendet, wenn Ihrem Kind eine seinen Fähigkeiten angemessene Beschäftigung möglich ist (DA-KG A 15.10 Abs. 3).

8.3 Nachweis der Behinderung

Die Berücksichtigung Ihres Kindes erfolgt wegen seiner Behinderung, wenn

  • kein anderer Berücksichtigungsgrund vorliegt, zum Beispiel eine Berufsausbildung;

  • die Altersgrenze (vollendetes 21. bzw. 25. Lebensjahr) für einen anderen Berücksichtigungsgrund überschritten ist;

  • ein anderer Berücksichtigungsgrund vorliegt, aber Ihr Kind eine erste Berufsausbildung abgeschlossen hat und möglicherweise wegen einer schädlichen Erwerbstätigkeit nicht berücksichtigt werden kann.

Ist die Behinderung ursächlich, werden die Familienkasse und das Finanzamt prüfen, ob das Einkommen Ihres Kindes seinen notwendigen Lebensbedarf einschließlich eines behinderungsbedingten Mehrbedarfs decken kann → Kapitel »Reichen die finanziellen Mittel Ihres Kindes?«.

Diese Prüfung wird grundsätzlich alle fünf Jahre durchgeführt, wenn der Familienkasse ein Schwerbehindertenausweis vorgelegt wurde oder das Kind auf Dauer voll- oder teilstationär untergebracht ist. Dies gilt auch bei Einstufung des Kindes in den Pflegegrad 4 oder 5. Fälle, in denen der notwendige Lebensbedarf des Kindes dessen finanziellen Mittel um nicht mehr als 1.000,– € – also nur knapp – übersteigt, prüft die Familienkasse jedoch jährlich (DA-KG A 19.1 Abs. 8).

Nachweisen können Sie die Behinderung Ihres Kindes wie folgt:

  • bei einem GdB von mindestens 50 durch einen Ausweis nach dem SGB IX (Schwerbehindertenausweis) oder durch einen Feststellungsbescheid der für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörde.

  • bei einem GdB von weniger als 50, aber mindestens 25

    • durch eine Bescheinigung der für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörde aufgrund eines Feststellungsbescheids nach § 69 Abs. 1 SGB IX, die eine Äußerung darüber enthält, ob die Behinderung zu einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt hat oder auf einer typischen Berufskrankheit beruht.

    • durch den Rentenbescheid oder einen entsprechenden Bescheid, wenn Ihr Kind wegen seiner Behinderung eine gesetzliche Rente oder andere laufende Bezüge bezieht.

  • bei einer Einstufung als schwerstpflegebedürftige Person in den Pflegegrad 4 oder 5 durch den entsprechenden Bescheid.

Der Nachweis der Behinderung kann auch durch eine Bescheinigung bzw. ein Zeugnis des behandelnden Arztes erfolgen (BFH-Urteil vom 9.2.2012, III R 47/08, BFH/NV 2012 S. 939). Denn zu einer Behinderung können auch Suchtkrankheiten (z.B. Drogenabhängigkeit, Alkoholismus) führen (BFH-Urteil vom 16.4.2002, VIII R 62/99, BStBl. 2002 II S. 738). Aus der Bescheinigung muss hervorgehen:

  • Umfang der Behinderung,

  • Beginn der Behinderung, soweit das Kind das 25. Lebensjahr vollendet hat, und

  • Auswirkungen der Behinderung auf die Erwerbstätigkeit des Kindes.

Ebenso muss sich ergeben, dass Ihr Kind an einer Gesundheitsstörung leidet, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit über länger als sechs Monate erstreckt. Denn nur dann liegt eine Behinderung vor (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Entscheidend ist dabei nicht die seit Beginn der Erkrankung oder seit ihrer erstmaligen ärztlichen Feststellung tatsächlich abgelaufene Zeit, sondern die ihrer Art nach zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung. Zur Beurteilung dieser Frage sollten Sie den Arzt ggf. bitten, eine entsprechende Prognose zur weiteren Entwicklung der Funktionsbeeinträchtigung anzustellen (BFH-Urteil vom 19.1.2017, III R 44/14, BFH/NV 2017 S. 735).

Stellen Sie sich darauf ein, dass Sie Ihren Arzt einmal pro Jahr wiederkehrend um eine Bescheinigung bzw. ein Zeugnis bitten müssen. Denn die Familienkasse prüft in diesem Fall die Anspruchsvoraussetzungen jährlich (DA-KG A 19.1 Abs. 8). Für die Bescheinigung gibt es den Vordruck »Ärztliche Bescheinigung über das Vorliegen einer Behinderung, KG 4i«, den sie auf der Homepage der Agentur für Arbeit (www.arbeitsagentur.de) finden.

8.4 Die Ursächlichkeit der Behinderung ist entscheidend

Ihr Kind muss wegen seiner Behinderung unfähig zum Selbstunterhalt sein. Die Behinderung muss in erheblichem Umfang mitursächlich sein, also die unmittelbare Hauptursache für die Unfähigkeit darstellen. Allein die Feststellung eines hohen Grades der Behinderung ist für die Familienkassen noch nicht entscheidend. Kindergeld wird nicht gezahlt, wenn ausschließlich andere Gründe als die Behinderung ursächlich für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt sind, zum Beispiel wenn Ihr Kind wegen einer allgemein ungünstigen Situation auf dem Arbeitsmarkt oder wegen anderer Umstände, wie etwa mangelnder Mitwirkung bei der Arbeitsvermittlung oder der Ablehnung von Stellenangeboten, arbeitslos ist.

8.4.1 In diesen Fällen wird die Ursächlichkeit angenommen

Die Familienkasse nimmt die Ursächlichkeit von sich aus an, wenn

  • Ihr Kind in einer Werkstatt für behinderte Menschen, einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 SGB IX oder in einer Tagesförderstätte betreut wird;

  • Ihr Kind vollstationär in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung untergebracht ist;

  • Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII bezogen werden;

  • der GdB mindestens 50 beträgt und Ihr Kind für einen Beruf ausgebildet wird;

  • im Ausweis Ihres Kindes für die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch das Merkzeichen »H« (hilflos) eingetragen ist oder im Feststellungsbescheid festgestellt ist, dass die Voraussetzungen für das Merkzeichen »H« vorliegen;

  • Ihrem Kind eine volle Erwerbsminderungsrente bewilligt wurde;

  • Ihr Kind in Pflegegrad 4 oder 5 eingestuft wurde.

8.4.2 Ersatzweise brauchen Sie eine Bescheinigung des Arztes

Liegt keiner der vorgenannten Gründe vor, nimmt die Familienkasse die Ursächlichkeit nicht automatisch an und wird eine Bescheinigung des behandelnden Arztes verlangen. Aus dieser Bescheinigung muss hervorgehen, in welchem zeitlichen Umfang das Kind aufgrund seiner Behinderung in der Lage ist, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Hierbei muss der Arzt auch eine Aussage treffen, ob das Kind in der Lage ist, mindestens 15 Stunden wöchentlich unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes arbeiten zu können. Ist dies nach seiner Ansicht nicht der Fall, nimmt die Verwaltung die Ursächlichkeit der Behinderung an.

Für die Bescheinigung kann der Arzt Ihres Kindes den Vordruck »Bescheinigung für das Kindergeld zum möglichen Umfang der Erwerbstätigkeit – KG 4l« nutzen. Der Arzt kann sich hier auf reines Ankreuzen beschränken; ein Freitext wird nicht gefordert. Der Vordruck sieht vor, dass die Angaben spätestens alle zwölf Monate erneut ausgefüllt bzw. aktualisiert werden müssen.

8.4.3 Es muss abgewogen werden

Bescheinigt der behandelnde Arzt, dass Ihr Kind mindestens 15 Stunden wöchentlich unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes arbeiten kann, wird abgewogen. Ein Anspruch auf Kindergeld besteht dann, wenn die Behinderung nach den Gesamtumständen des Einzelfalles in erheblichem Umfang mitursächlich dafür ist, dass das Kind nicht seinen gesamten Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit bestreiten kann. Es ist unter Berücksichtigung aller Umstände abzuwägen, ob die Behinderung die Arbeitslosigkeit erheblich mitverursacht (BFH-Urteil vom 19. 11. 2008, III R 105/07, BStBl. 2010 II S. 1057).

Hierbei werden die Indizien abgewogen, die für und gegen die Ursächlichkeit sprechen.

Ein Indiz für die Fähigkeit Ihres Kindes zum Selbstunterhalt ist neben der Bescheinigung des behandelnden Arztes zum Beispiel der Bezug von Grundsicherung für Arbeitssuchende, das Bürgergeld. Denn ein solcher Bezug setzt unter anderem voraus, dass die arbeitslose Person erwerbsfähig ist. Ein weiteres Indiz liegt vor, wenn Ihr Kind eine nicht behinderungsspezifische Berufsausbildung absolviert hat.

Ein sehr wichtiges Indiz gegen die Fähigkeit zum Selbstunterhalt ist der GdB. Je höher dieser ist, desto stärker ist die Vermutung, dass die Behinderung der erhebliche Grund für die fehlende Erwerbstätigkeit Ihres Kindes ist. Auch eine behindertenspezifische Ausbildung und Praktika sprechen eher gegen eine Vermittelbarkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt, da sie möglicherweise den Schluss auf nur bedingte Einsatzmöglichkeiten am Arbeitsmarkt zulassen.

Für die Ursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt spricht auch, wenn das Kind mit Behinderung der Arbeitsvermittlung der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht und diese in einem mittelfristigen Zeitraum keine Stellenangebote benennen kann. Gleiches gilt, wenn das Kind mit Behinderung sich mittelfristig mehrfach erfolglos beworben hat. Auch dies spricht in aller Regel gegen die Vermittelbarkeit des Kindes auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Daher ist auch wichtig, ob sich das Kind um eine entsprechende Arbeit bemüht hat (BFH-Urteil vom 22. 12. 2011, III R 46/08, BFH/NV 2012 S. 730).

So hat der BFH einen Kindergeldanspruch bejaht bei einem zu 100 % schwerbehinderten (querschnittsgelähmten) Kind, das eine Berufsausbildung im Rahmen einer staatlich geförderten Berufsbildungsmaßnahme abgeschlossen hat und im Anschluss daran arbeitslos ist. Es spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass ursächlich für sein Außerstandesein, sich selbst zu unterhalten, die Behinderung und nicht die Lage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist (BFH-Urteil vom 26. 8. 2003, VIII R 58/99, BFH/NV 2004 S. 326).

8.4.4 Würde der Verdienst Ihres Kindes überhaupt reichen?

Selbst wenn Ihr Kind einer Arbeit nachgehen kann, bleibt die Frage, ob es mit einer seiner Behinderung entsprechenden Berufstätigkeit überhaupt in der Lage wäre, seinen gesamten Lebensbedarf abzudecken, also den existenziellen Grundbedarf und den behinderungsbedingten Mehrbedarf. Wäre dies nicht möglich, ist die Behinderung doch ursächlich für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt (BFH-Urteil vom 22.10.2009, III R 50/07, BStBl. 2011 II S. 38).

An dieser Rechtsprechung hat der BFH ausdrücklich festgehalten (BFH-Urteil vom 15.3.2012, III R 29/09, BStBl. 2012 II S. 892). Ein niedriges Lohnniveau und nicht die Behinderung ist nur dann für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt ursächlich, wenn das Kind trotz seiner Behinderung eine Vollzeitbeschäftigung in einem nicht behinderungsspezifischen Beruf auf dem normalen Arbeitsmarkt ausüben kann, durch die es aber seinen existenziellen Grundbedarf auch dann nicht decken könnte, wenn es nicht behindert wäre.

»Übersetzt« heißt das: Kann das Kind wegen des niedrigen Lohnniveaus, der im erlernten Beruf gilt, seinen Grundbedarf nicht decken, gibt es kein Kindergeld. In allen anderen Fällen ist die Behinderung trotz einer Erwerbstätigkeit ursächlich, nämlich wenn das Kind

  • zwar einer normalen Vollzeitbeschäftigung nachgehen kann und die so erzielten Einkünfte auch ausreichen, um seinen existenziellen Grundbedarf zu decken, die Mittel aber nicht zur Deckung des gesamten Lebensbedarfs einschließlich des behinderungsbedingten Mehrbedarfs genügen;

  • durch seine Behinderung in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist und es daher nur einer Teilzeitbeschäftigung auf dem normalen Arbeitsmarkt nachgehen kann, mittels derer es seinen Lebensbedarf nicht zu decken vermag;

  • infolge seiner Behinderung von vornherein in seiner Berufswahl dermaßen eingeschränkt ist, dass ihm nur eine behinderungsspezifische Ausbildung (insbesondere eine berufliche Bildungsmaßnahme in einem Berufsbildungswerk oder Berufsförderungswerk in einem angepassten Sonderausbildungsgang) in einem Bereich möglich ist, in dem ihm nach Beendigung der Ausbildung nur auf einem besonders eingerichteten Arbeitsplatz eine vergleichsweise gering entlohnte Beschäftigung offensteht, mittels derer es seinen gesamten Lebensbedarf nicht zu decken in der Lage ist.

Geht ein Kind keiner Tätigkeit nach, wird ein fiktiver Arbeitslohn ermittelt und mit dem individuellen Lebensbedarf des Kindes verglichen. Reicht der mögliche Arbeitslohn nicht, kann das Kind als Kind mit Behinderung berücksichtigt werden.

Entscheidend ist, die Verwaltung bzw. das Finanzgericht davon zu überzeugen, dass die Behinderung und nicht ein anderer Grund wie etwa eine allgemein schlechte Arbeitsmarksituation oder ein niedriges Lohnniveau im erlernten bzw. ausgeübten Beruf zum geringen Verdienst und damit zur Unfähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt führt.

Die Entscheidungen für oder gegen Kindergeld hängen sehr stark von den Umständen im Einzelfall ab:

  • Das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat die Zahlung von Kindergeld abgelehnt bei einem mit einem GdB von 100 schwerbehinderten gehörlosen Kind, das mit 25 bis 30 Wochenstunden in dem von ihm erlernten Beruf der Beiköchin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig ist.

    Das Gericht war der Meinung, nicht die Behinderung sei die Ursache dafür, dass die Einkünfte des Kindes den Lebensbedarf nicht decken können, sondern das geringe Lohnniveau in diesem Beruf.

    Dem BFH war dies zu wenig. Er hat das Finanzgericht gebeten zu prüfen, ob für das Kind infolge seiner Behinderung eine Vollzeitbeschäftigung von vornherein nicht möglich war (dann ist Kindergeld zu gewähren) oder ob hierfür die allgemeine Arbeitsmarktsituation im Gastronomiebereich ursächlich war und insbesondere auch Nichtbehinderte in der maßgeblichen Zeit zu einem nicht unerheblichen Teil nur Teilzeitanstellungen als Koch oder Küchenhilfe finden konnten (BFH-Urteil vom 15.3.2012, III R 29/09, BFH/NV 2012 S. 1225).

  • Das Finanzgericht des Saarlandes hat den Kindergeldanspruch bei einer Tochter mit einem GdB von 50 bejaht, die halbtags als Küchenhilfe mit monatlichen Einkünften von 550,– € tätig war.

    Auch hier hat das Gericht die Behinderung als ursächlich angesehen. Bei der Feststellung des GdB wurden eine frühkindliche Hirnschädigung, ein organisches Psychosyndrom sowie eine Angststörung berücksichtigt (FG Saarland vom 21.1.2010, 2 K 1173/08, EFG 2010 S. 657).

  • Auch das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat in einem Fall einen Anspruch auf Kindergeld bejaht. Dort war die Tochter wegen einer Erkrankung an Multipler Sklerose mit einem GdB von 100 schwerbehindert mit den Merkmalen G und aG und bezog laufend Arbeitslosengeld II.

    Auch wenn von einer Leistungsfähigkeit von drei Stunden auszugehen sei, könne sie aus dieser täglichen Arbeitszeit nicht genügend Einkünfte erzielen. Damit ist die Behinderung ursächlich (FG Rheinland-Pfalz vom 16.1.2008, 1 K 1387/07).

  • Eine um 25 % geminderte Erwerbsfähigkeit kann bereits ursächlich sein, sagt das Finanzgericht Berlin-Brandenburg. Die Tochter hatte einen Sportunfall erlitten und erhielt eine Verletztenrente. Sie begann mit einer Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau. Ihre Einkünfte und Bezüge lagen knapp über dem Grundfreibetrag.

    Das Gericht hielt den Kindergeldanspruch dennoch für gerechtfertigt, weil die Tochter wegen ihrer Behinderung nicht genügend verdiene, um ihren Lebensbedarf zu decken. Es erhöhte für diese Prüfung die Einkommensgrenze um den Behinderten-Pauschbetrag von 310,– € zur Berücksichtigung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs.

    Damit hat das Gericht die Behinderung für ursächlich für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt gehalten (FG Berlin-Brandenburg vom 22.11.2007, 4 K 10515/06 B). Der BFH hat sich im anschließenden Revisionsverfahren nicht mehr zu dieser Frage geäußert. Denn weil er das Kindergeld für das sich in Ausbildung befindliche Kind ohnehin bereits wegen Unterschreitens der Einkommensgrenze gewähren konnte, kam es auf die Höhe und die Ursächlichkeit der Behinderung des Kindes nicht mehr an (BFH-Urteil vom 9.2.2012, III R 5/08, BFH/NV 2012 S. 851).

Arbeitet Ihr Kind oder bezieht es Arbeitslosengeld II und verweigert die Familienkasse Ihnen das Kindergeld, weil es deswegen die Ursächlichkeit der Behinderung ablehnt? Dann rechnen Sie der Familienkasse vor, dass die finanziellen Mittel Ihres Kindes für die Deckung seines gesamten Lebensbedarfs, also inklusive des behinderungsbedingten Mehrbedarfs, nicht ausreichen! Machen Sie der Familienkasse klar, dass die Behinderung Ihres Kindes dafür ausschlaggebend ist.

Reichen die finanziellen Mittel Ihres Kindes?

Bei Kindern mit Behinderung wird der gesamte existenzielle Lebensbedarf des Kindes ermittelt und dessen verfügbaren finanziellen Mitteln gegenübergestellt. Reichen die Mittel nicht und ist deshalb Ihr Kind außerstande, sich selbst zu unterhalten, können Sie Kindergeld beanspruchen.

Dies gilt auch, wenn ein Kind mit Behinderung verheiratet oder verpartnert ist. Die Hälfte der Differenz des Nettoeinkommens des Ehe-/Lebenspartners wird dem Kind mit Behinderung als Unterhaltsleistungen und damit als Einnahmen zugerechnet. Dabei muss dem Ehe-/Lebenspartner Ihres Kindes noch mindestens das steuerliche Existenzminimum in Höhe des Grundfreibetrags verbleiben (BFH-Urteil vom 15.2.2017, III B 93/16, BFH/NV 2017 S. 738). Damit wird der den Grundfreibetrag übersteigende Betrag des Einkommens zur Hälfte dem Kind mit Behinderung zugerechnet.

Dies ist anders als bei einem verheirateten Kind ohne Behinderung. Den entscheidenden Unterschied sieht der BFH in der Altersgrenze für Kinder ohne Behinderung, die im Gegensatz zu Kindern mit Behinderung bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres berücksichtigt werden. Zudem ist nach dem Gesetz bei einem Kind mit Behinderung anders als bei einem ohne Behinderung zu prüfen, ob es außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG).

Die Gegenüberstellung des Lebensbedarfs Ihres Kindes einerseits und seine verfügbaren finanziellen Mittel andererseits kann kompliziert werden. Sie können sich das Ganze aber erleichtern. Entwickeln Sie nicht umständlich selbst eine Aufstellung, sondern nutzen Sie den Vordruck »Erklärung zum verfügbaren Nettoeinkommen eines volljährigen Kindes mit Behinderung – KG 4f«. Den finden Sie auf der Homepage der Bundesagentur für Arbeit.

Ist Ihr Kind verheiratet oder verpartnert, und ist deswegen auch das Nettoeinkommen des Ehe-/Lebenspartners anzugeben, gibt es einen weiteren Vordruck. Dieser heißt »Erklärung zum Nettoeinkommen der Partnerin oder des Partners eines volljährigen Kindes mit Behinderung – KG 4g«.

8.5.1 Die Ermittlung des existenziellen Lebensbedarfs

Der existenzielle Lebensbedarf eines Kindes mit Behinderung besteht zunächst aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf), den auch Kinder ohne Behinderung haben. Dieser wird mit dem steuerlichen Grundfreibetrag angesetzt.

Darüber hinaus ist ein individueller behinderungsbedingter Mehrbedarf zu berücksichtigen, den Kinder ohne Behinderung nicht haben. Hierbei gibt es Unterschiede, je nachdem, ob Ihr Kind ganz bei Ihnen lebt, teilstationär betreut wird oder vollstationär untergebracht ist.

Ihr Kind lebt ganz bei Ihnen

Übersteigt das verfügbare Nettoeinkommen Ihres Kindes nicht den allgemeinen Lebensbedarf in Höhe des Grundfreibetrags? Dann brauchen Sie den notwendigen Lebensbedarf Ihres Kindes nicht zu ermitteln.

In diesem Fall geht die Familienkasse automatisch davon aus, dass Ihr Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Bei dieser vereinfachten Berechnung zählen Leistungen, die Ihrem Kind wegen eines behinderungsbedingten Mehrbedarfs zweckgebunden zufließen, zum Beispiel das Pflegegeld, nicht.

Übersteigen die jährlichen finanziellen Mittel Ihres Kindes den Grundfreibetrag, ist eine ausführliche Berechnung erforderlich (DA-KG A 19.4 Abs. 3). Sie haben dann zwei Möglichkeiten:

  • Entweder Sie weisen die Kosten im Einzelnen nach

    oder

  • Sie berechnen den behinderungsbedingten Mehrbedarf pauschal.

Die Kosten für den Mehrbedarf können Sie einzeln nachweisen

Ist das verfügbare Nettoeinkommen Ihres Kindes höher als der Grundfreibetrag, können Sie den behinderungsbedingten Mehrbedarf nachweisen. Hier zählen alle mit einer Behinderung zusammenhängenden außergewöhnlichen Belastungen, zum Beispiel Wäsche, Hilfeleistungen, Erholung und typische Erschwernisaufwendungen (BFH-Urteil vom 31.8.2006, III R 71/05, BStBl. 2010 II S. 1054).

Weiterhin können Sie Mehrkosten beispielsweise für Miete wegen Rollstuhlfläche, Kosten eines Aufzugs, Mehrkosten der Nebenkosten einer Wohnung oder Kosten für einen Hausnotruf ansetzen.

Dabei ist behinderungsbedingter Mehraufwand, der nicht monatlich anfällt und der bei einer vorausschauenden Bedarfsplanung vorhersehbar ist, auf einen angemessenen Zeitraum zu verteilen und mit einer monatlichen Durchschnittsbelastung anzusetzen (BFH-Urteil vom 24.8.2004, VIII R 59/01, BStBl. 2010 II S. 1048). Dies gilt etwa für Begleitkosten zu Ärzten oder Kliniken, die alle zwei Monate anfallen.

Weisen Sie den behinderungsbedingten Mehrbedarf für Ihr Kind im Einzelnen nach? Dann können Sie für den Wert Ihrer eigenen Hilfeleistungen die Beträge ansetzen, die bei Inanspruchnahme fremder Dienstleister angefallen wären (BFH-Urteil vom 24.8.2004, VIII R 59/01, BStBl. 2010 II S. 1048).

Den Mehrbedarf können Sie auch pauschal berechnen

Wenn Sie keinen Einzelnachweis erbringen wollen, können Sie als Mehrbedarf pauschal den Behinderten-Pauschbetrag für Ihr Kind ansetzen. Wird für Ihr Kind ein höheres Pflegegeld als der Pauschbetrag gezahlt, kann dieses statt des Pauschbetrags als Mehraufwand angesetzt werden (BFH-Urteil vom 24.8.2004, VIII R 50/03, BStBl. 2010 II S. 1052). Der BFH hat damit seine frühere günstigere Rechtsprechung aufgegeben, wonach ein Aufwand in Höhe des Pflegegeldes neben dem Pauschbetrag angesetzt werden konnte.

Entsprechendes gilt für Leistungen nach dem SGB XI, wie zum Beispiel Sozialhilfe, das Blindengeld (BFH-Urteil vom 31. 8. 2006, III R 71/05, BStBl. 2010 II S. 1054), eine Eingliederungshilfe (BFH-Urteil vom 24. 8. 2004, VIII R 50/03, BStBl. 2010 II S. 1052), Leistungen nach dem ContStifG oder bei Leistungen der Beihilfe zur Unterbringung (A 19.4 Abs. 4 DA-KG).

Diese Kosten dürfen Sie stets zusätzlich ansetzen

Egal, ob Sie den Mehrbedarf nachweisen oder pauschal berechnen, dürfen Sie folgende Aufwendungen zusätzlich ansetzen, soweit Sie keine Erstattungen von dritter Seite erhalten:

  • Operationskosten und Heilbehandlungen, Kuren, Arzt- und Arzneikosten. Im Zweifel müssen Sie durch eine ärztliche Bescheinigung nachweisen, dass die Aufwendungen durch die Behinderung bedingt sind (BMF-Schreiben vom 22. 11. 2010, BStBl. 2010 I S. 1346).

  • Ihre persönlichen Betreuungsleistungen, soweit sie über die durch das Pflegegeld abgedeckte Grundpflege und hauswirtschaftliche Verrichtungen hinausgehen. Zudem müssen die Leistungen unbedingt erforderlich sein, was Sie jährlich wiederkehrend durch eine Bescheinigung des Amtsarztes oder des behandelnden Arztes nachweisen müssen. Hierfür gibt es den Vordruck »Ärztliche Bescheinigung über unbedingt erforderliche Betreuungsleistungen, KG 4k«, den Sie auf der Homepage der Agentur für Arbeit finden. Der pauschale Stundensatz wird seit 2021 mit 10,– € veranschlagt (DA-KG A 19.4 Abs. 5). Allerdings berücksichtigt die Familienkasse den Betrag nur so weit, wie er das Pflegegeld übersteigt.

  • behinderungsbedingte Fahrtkosten. Bei der Einkommensteuer gibt es gesetzlich geregelte behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschalen. Diese können Sie auch hier beim Kindergeld geltend machen. Es werden 900,– € bei einem GdB von mindestens 70 und dem Merkzeichen »G« oder einem GdB von mindestens 80 berücksichtigt. Bei Menschen mit Behinderung mit Merkzeichen »aG«, »Bl«, »TBl« oder »H« sind es 4.500,– €. Aber selbst wenn (noch) kein GdB oder ein GdB von weniger als 80 ohne Merkzeichen festgestellt ist, können Sie für Zwecke des Kindergeldes einzelne behinderungsbedingte Fahrten geltend machen.

  • Kosten für Fahrt, Unterbringung und Verpflegung einer Begleitperson für Ihr Kind auf einer Urlaubsreise bis zu einer Höhe von 767,– €. Die Notwendigkeit ständiger Begleitung muss entweder durch das Merkzeichen »B« im Schwerbehindertenausweis oder den Vermerk »Die Notwendigkeit ständiger Begleitung ist nachgewiesen« im Bescheid über die Feststellung einer Behinderung oder durch eine Bescheinigung des behandelnden Arztes nachgewiesen werden. Hierfür gibt es den Vordruck »Bescheinigung für das Kindergeld über die Notwendigkeit der ständigen Begleitung, KG 4m«.

Ihr Kind wird teilstationär betreut

Eine teilstationäre Unterbringung liegt vor, wenn Ihr Kind tagsüber während der ganzen Arbeitswoche oder auch nur an einigen Tagen in einer »beschützenden Einrichtung«, zum Beispiel in einer Werkstatt für behinderte Menschen oder einer Tagesförderstätte, betreut wird, ansonsten aber in Ihrem Haushalt lebt.

Hier können Sie Leistungen im Rahmen einer Eingliederungshilfe als behinderungsbedingten Mehrbedarf ansetzen. Abziehen müssen Sie aber die Kosten für die in der Einrichtung erhaltene Verpflegung Ihres Kindes, und zwar in Höhe der Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV), weil diese Kosten bereits im Grundbedarf enthalten sind. So ist beispielsweise für ein Mittagessen in 2022 ein monatlicher Betrag von 107,– € bzw. täglich von 3,57 € abzuziehen; in 2023 sind es 114,– € bzw. 3,80 €.

Für den Ansatz des behinderungsbedingten Mehraufwands für die Pflege und Betreuung Ihres Kindes zu Hause oder in einer eigenen Wohnung können Sie die tatsächlichen Kosten im Einzelnen gegenüber der Familienkasse glaubhaft machen, wie beispielsweise behindertenbedingte Fahrtkosten oder der Wert Ihrer persönlichen Betreuungsleistungen. Hier gilt dasselbe, als wenn das Kind ganz bei Ihnen leben würde.

Notfalls dürfen Sie die angefallenen Kosten schätzen (BFH-Urteil vom 9.2.2012, III R 53/10, BFH/NV 2012 S. 853). Mindestens dürfen Sie einen Betrag in Höhe des Behinderten-Pauschbetrags Ihres Kindes abziehen (DA-KG A 19.4 Abs. 7).

Ihr Kind ist vollstationär untergebracht

Ihr Kind ist vollstationär oder auf vergleichbare Weise untergebracht, wenn es nicht in Ihrem Haushalt lebt, sondern anderweitig auf Kosten eines Dritten (im Regelfall der Sozialleistungsträger) untergebracht ist. Hierzu zählt nicht nur die Unterbringung in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung, sondern es kann auch in einer anderen Wohnung oder einer sonstigen Wohneinrichtung, zum Beispiel betreutes Wohnen, leben.

Eine solche Unterbringung liegt auch dann vor, wenn sich Ihr Kind zwar zeitweise, zum Beispiel am Wochenende oder in den Ferien, in Ihrem Haushalt aufhält, aber der Platz in der Einrichtung oder im Rahmen des betreuten Wohnens durchweg auch während dieser Zeit zur Verfügung steht.

Hier können Sie vor allem die im Wege der Eingliederungshilfe übernommenen Kosten der Unterbringung geltend machen. Davon abziehen müssen Sie aber den Wert der Verpflegung, weil diese im Grundbedarf erfasst ist, und das gezahlte Taschengeld (DA-KG A 19.4 Abs. 6). Für die ganztägliche Verpflegung ist in 2022 ein monatlicher Betrag von 270,– € abzuziehen; in 2023 sind es 288,– €.

Für die Pflege und Betreuung Ihres Kindes während der Zeiten zu Hause können Sie neben den Kosten für die Unterbringung den Behinderten-Pauschbetrag nicht ansetzen. Aber Sie können die daneben abziehbaren Aufwendungen so geltend machen, als wenn das Kind ganz bei Ihnen leben würde, beispielsweise behindertenbedingte Fahrtkosten oder der Wert Ihrer persönlichen Betreuungsleistungen.

Besuchsfahrten Ihres Kindes zu Ihnen können Sie leider nicht als behinderungsbedingten Mehrbedarf ansetzen. Der BFH ist der Meinung, dass die im Zusammenhang mit Kontakten zur Familie entstehenden Aufwendungen zu dem Grundbedarf zählen (BFH-Urteil vom 12.12.2012, VI R 101/10, BFH/NV 2013 S. 639).

8.5.2 Diese Einnahmen Ihres Kindes zählen

Zu den finanziellen Mitteln gehören zunächst die steuerpflichtigen Einkünfte Ihres Kindes, wie beispielsweise Arbeitslohn oder der steuerpflichtige Besteuerungsanteil einer gesetzlichen Rente.

Weiterhin sind die Bezüge Ihres Kindes zu berücksichtigen. Dies sind zumeist steuerfreie Einnahmen. Zu nennen sind hier insbesondere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wie Arbeitslosengeld, Grundsicherung für Arbeitssuche (Bürgergeld), Leistungen zur beruflichen Eingliederung behinderter Menschen, der steuerfreie Teil einer gesetzlichen Rente, Ausbildungshilfen wegen eines behinderungsbedingten Mehrbedarfs oder der Sachbezugswert für die Verpflegung bei einer teilstationären oder vollstationären Unterbringung. Ebenso zählen Steuererstattungen, also zurückerhaltene Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag oder Kirchensteuer.

Bei einer privaten Rente sieht dies anders aus. Hier ist nur der steuerpflichtige Ertragsanteil der Rente anzusetzen. Dies gilt beispielsweise, wenn die Rente aus einem von den Eltern zugewandten Geldbetrag stammt, der als Einmalzahlung in eine private Rentenversicherung eingezahlt wurde. Soweit die monatlichen Rentenzahlungen den steuerpflichtigen Ertragsanteil übersteigen, stellen Sie lediglich eine unbeachtliche Vermögensumschichtung dar und werden daher nicht als Einnahmen erfasst (BFH-Urteil vom 16.2.2023, III R 23/22).

Entsprechendes gilt bei einer Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht. Hier zählt bei einer Einmalauszahlung der Betrag zu den Bezügen, der nicht auf angesparten Beiträgen beruht (BFH-Urteil vom 15.12.2021, III R 48/20, BStBl. 2022 II S. 444).

Eine Schmerzensgeldrente gehört nicht zu den Einkünften oder Bezügen, weil sie nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts bestimmt oder geeignet ist. Schmerzensgeld hat vielmehr die Funktion, immaterielle Schäden abzumildern und einen Ausgleich zwischen Schädiger und Geschädigtem herbeizuführen. Und dabei spielt es keine Rolle, ob es in einem Einmalbetrag oder in Rentenform gezahlt wird (BFH-Urteil vom 13.4.2016, III R 28/15, BStBl. 2016 II S. 648).

Unterhaltsleistungen des Kindergeldberechtigten sind ebenfalls nicht anzusetzen. Deswegen ist auch das Kindergeld nicht als Einnahme des Kindes anzusetzen, selbst wenn es an dieses weitergeleitet wird. Gleiches gilt, wenn ein Sozialleistungsträger das Kindergeld abzweigt oder sich erstatten lässt (BFH-Urteil vom 27.11.2019, III R 28/17, BStBl. 2021 II S. 807).

Bei der Ermittlung der Einkünfte sind Werbungskosten und Betriebsausgaben abzuziehen. Bei der Ermittlung des verfügbaren Nettoeinkommens wirken sich weiterhin mindernd aus:

  • unvermeidbare Vorsorgeaufwendungen

    • gesetzliche Sozialabgaben bei Arbeitnehmern,

    • Beiträge zu einer Basiskranken- und -pflegeversicherung,

  • tatsächlich gezahlte Steuern,

  • bei den steuerfreien Einnahmen eine Kostenpauschale in Höhe von bis zu 180,– €, wenn nicht höhere Ausgaben angefallen sind, zum Beispiel die Kosten eines Rechtsstreits zur Erlangung der steuerfreien Einnahmen.

Erzielt Ihr Kind als Arbeitnehmer Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit? Dann darf es für die Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb mit dem eigenen Pkw statt der Entfernungspauschale die tatsächlichen Fahrtkosten geltend machen, wenn ein GdB von mindestens 70 oder ein GdB von mindestens 50 und Merkzeichen G oder aG festgestellt ist.

Dem verfügbaren Nettoeinkommen werden tatsächlich gezahlte Leistungen Dritter hinzugerechnet. Leistungen, die nicht in Geld zufließen (Leistungen in Geldeswert), werden mit dem Verkehrswert angesetzt. Zu berücksichtigen sind zum Beispiel:

  • Eingliederungshilfen;

  • Sozialhilfe;

  • Leistungen der Pflegeversicherung;

  • Pflegegeld bzw. -zulage aus der Unfallversicherung;

  • Ersatz der Mehrkosten für den Kleider- und Wäscheverschleiß;

  • Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz;

  • Unterhaltsleistungen von Personen, bei denen das Kind nicht als Kind berücksichtigt wird. Bei Naturalleistungen können die Werte des SvEV angesetzt werden. Bei einem verheirateten Kind mit Behinderung wird die Hälfte der Differenz der Nettoeinkommen angesetzt, wenn diese den Grundfreibetrag übersteigen (BFH-Urteil vom 15.2.2017, III B 93/16, BFH/NV 2017 S. 738);

  • die Hälfte der Differenz des gemeinsamen Nettoeinkommens bei verheirateten Kindern mit Behinderung, die mit dem Ehegatten in einem Haushalt leben. Hier unterstellt die Familienkasse, dass sich die Ehegatten das verfügbare Nettoeinkommen teilen. Ist das Einkommen des Ehegatten höher, führt dies zum Ansatz der Hälfte der Differenz als Leistungen Dritter. Dies gilt aber nur so weit, wie dem Ehegatten nach Aufteilung des gemeinsamen Nettoeinkommens noch ein verfügbares Nettoeinkommen in Höhe des Grundfreibetrags verbleibt (BFH-Urteil vom 15.2.2017, III B 93/16, BFH/NV 2017 S. 738). Entsprechendes gilt, wenn das Kind mit Behinderung in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt.

Wichtig: Soweit Sie einem Sozialleistungsträger zu einem Kostenbeitrag verpflichtet sind, ist dieser Betrag mindernd zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 12.12.2012, VI R 101/10, BFH/NV 2013 S. 639). Ebenso bleibt verfügbares Einkommen Ihres Kindes sowie Leistungen Dritter außer Ansatz, soweit diese an einen Sozialleistungsträger abgezweigt, übergeleitet oder diesem erstattet werden.

Soweit Ihr Kind den Arbeitnehmer-Pauschbetrag nicht ausgeschöpft hat, weil es nicht arbeitet oder die Einnahmen geringer sind, können Sie diesen von den steuerfreien Einnahmen Ihres Kindes abziehen (DA-KG A 19.5.2 Abs. 2).

Das Vermögen Ihres Kindes bleibt bei der Frage, ob es sich selbst unterhalten kann, unberücksichtigt. Auch Beträge, die von dritter Seite (z. B. den Großeltern) dem Kind als Kapitalanlage überlassen werden, zählen nicht (BFH-Urteil v. 27.10.2021, III R 19/19, BStBl. 2022 II S. 469; BFH-Urteil vom 19. 8. 2002, VIII R 17/02, BStBl. 2003 II S. 88). Ebenfalls nicht angesetzt werden Vermögensübertragungen von Eltern auf ihre Kinder (BFH-Urteil vom 15.12.2021, III R 48/20, BStBl. 2022 II S. 444).

8.5.3 So wird gerechnet

Es wird monatsweise geprüft

Weil für die Zahlung von Kindergeld und auch für die Freibeträge für Kinder das Monatsprinzip gilt, erfolgt die Prüfung monatsweise. Welche Beträge wann erfasst werden, richtet sich danach, ob es sich um regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, Sonderzahlungen oder Nachzahlungen handelt.

Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen

So ist etwa eine monatlich gewährte Rente im Monat des Zuflusses anzusetzen. Gleiches gilt für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen.

Fließen solche Mittel kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalendermonats zu, für den sie bestimmt sind, sind sie jedoch nicht im Monat des Zuflusses, sondern in dem bestimmungsgemäßen Monat zu erfassen. Als kurze Zeit gilt ein Zeitraum von bis zu zehn Tagen (BFH-Urteil vom 11.4.2013, III R 35/11, BStBl. 2013 II S. 1037).

Der BFH lehnt sich an die 10-Tage-Regelung an, die bei Zahlungen gilt, die um einen Jahreswechsel herum anfallen (§ 11 EStG). Allerdings gibt es einen Unterschied: Bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge eines Kindes mit Behinderung muss die Fälligkeit der Zahlung nicht unbedingt in diesen zehn Tagen liegen.

Beispiel:

Sven ist von Geburt an mit einem GdB von 100 sowie den Merkzeichen »G« und »B« schwerbehindert. Das Arbeitslosengeld (ALG) II für April und Mai wird ihm am 6.5., das ALG II für Juni am 29.5. und das ALG II für Juli am 15.8. auf seinem Konto gutgeschrieben.

Anzusetzen ist das ALG II

  • für April im April (Zufluss kurze Zeit nach April)

  • für Mai im Mai (Zufluss im Mai)

  • für Juni im Juni (Zufluss kurze Zeit vor Juni)

  • für Juli im August (Zufluss außerhalb kurzer Zeit).

Ob diese Grundsätze auch für monatlich wiederkehrenden Arbeitslohn gelten, hat der BFH offengelassen. Unseres Erachtens gilt hier Abweichendes. Denn laufender Arbeitslohn gilt stets in dem Monat als zugeflossen, für den er gezahlt wird (§ 11 Abs. 1 Satz 4 EStG). Unerheblich ist, wann der Arbeitslohn tatsächlich zufließt.

Eine weitere Ausnahme gilt für durch Bilanzierung ermittelte Gewinneinkünfte. Hier gilt das sog. Realisationsprinzip. Einnahmen sind unabhängig vom Zeitpunkt des Mittelzuflusses anzusetzen, wenn sie entstanden sind. Werden die Gewinneinkünfte hingegen durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt, ist aber das Zuflussprinzip anzuwenden.

Sonderzahlungen

Sonderzahlungen, wie jährlich zufließendes Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, sind nicht nur dem Monat des Zuflusses zuzuordnen, sondern gleichmäßig auf diesen und die folgenden elf Monate zu verteilen (BFH-Urteil vom 13.7.2004, VIII R 23/02, BStBl. 2004 II S. 999).

Andere Sonderzuwendungen, die nicht monatlich anfallen, und einmalige Einnahmen sind auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem Teilbetrag anzusetzen (BMF-Schreiben vom 22.11.2010, BStBl. 2010 I S. 1346 Tz. VI).

Nachzahlungen

Nachzahlungen einer Rente sind im Jahr des Zuflusses zu erfassen. Die zugeflossenen Mittel sind auf den Zuflussmonat und die nachfolgenden Monate des Zuflussjahres zu verteilen. Für den Monat des Zuflusses bleibt das Kindergeld aber bestehen, weil es bis zum Ende des Kalendermonats gezahlt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen wegfallen (§ 66 Abs. 2 EStG; BFH-Urteil vom 4. 11. 2003, VIII R 43/02, BStBl. 2010 II S. 1046; BFH-Urteil vom 11. 3. 2013, III R 35/11, BStBl. 2013 II S. 1037). So rechnet auch die Familienkasse (DA-KG A 19.4 Abs. 2 mit Verweis auf BMF-Schreiben vom 22. 11. 2010, BStBl. 2010 I S. 1346).

Dies gilt ebenfalls für den Fall der Nachzahlung von Grundsicherungsleistungen an ein Kind mit Behinderung (BFH-Urteil vom 20. 3. 2013, XI R 51/10, BFH/NV 2013 S. 1088) oder für einmalige Bezüge etwa in Form der Einmalauszahlung eines Versicherungsvertrags mit Kapitalwahlrecht (BFH-Urteil vom 15.12.2021, III R 48/20, BFH/NV 2022 S. 688).

Beispiel:

Sven aus dem vorigen Beispiel hat am 3.12. Einstiegsgeld für Juni bis November und am 18.12. Einstiegsgeld für Dezember erhalten. Anzusetzen ist das Einstiegsgeld

  • für Juni bis Oktober im Dezember (als Nachzahlung)

  • für November im November (Zufluss kurze Zeit nach November)

  • für Dezember im Dezember (Zufluss im Dezember).

Zur Vereinfachung kann auch zunächst jahresbezogen geprüft werden

Bleiben die Ihrem Kind zufließenden Mittel in etwa gleich, wird die Familienkasse zur Vereinfachung eine jahresbezogene Betrachtung anstellen.

Beispiel:

Der 28-jährige Clemens ist seit einem Unfall im Alter von 20 Jahren schwerbehindert. Der GdB beträgt 100, als Merkzeichen sind »G« und »H« im Ausweis eingetragen. Clemens arbeitet tagsüber in einer Werkstatt für behinderte Menschen, wo er auch mittags isst. Für seine Tätigkeit in der Werkstatt erhält er ein monatliches Arbeitsentgelt von 75,– €. Die Kosten für die Beschäftigung von monatlich 1.200,– € und die Fahrtkosten für den arbeitstäglichen Transport von monatlich 100,– € trägt der Sozialhilfeträger im Rahmen der Eingliederungshilfe.

Clemens bezieht daneben eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung von monatlich 300,– €. Nach Abzug eines Eigenanteiles zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner in Höhe von 20,– € werden ihm 280,– € ausgezahlt. Der Besteuerungsanteil beträgt 50 %. Außerdem bezieht er (wegen der Inanspruchnahme von Pflegesachleistungen) noch ein Pflegegeld von monatlich 150,– €.

Können die Eltern von Clemens für das Jahr 2023 Kindergeld beanspruchen?

Zunächst ist der gesamte Lebensbedarf von Clemens zu ermitteln:

Grundbedarf in Höhe des Grundfreibetrags

10.908,– €

Kosten der Beschäftigung in der Werkstatt

14.400,– €

./.

enthaltene Verpflegung nach SvEV
(102,– € × 12 Monate)


./.


1.224,– €

13.176,– €

Fahrtkosten (Werkstatt–Elternhaus)

1.200,– €

pauschaler Mehraufwand in Höhe des Behinderten-Pauschbetrags von (das Pflegegeld ist nicht höher)


3.700,– €

behindertenbedingte Fahrtkostenpauschale


900,– €

behinderungsbedingter Mehrbedarf

18.976,– €

gesamter notwendiger Lebensbedarf

29.884,– €

Dem ist die Summe aus verfügbarem Nettoeinkommen von Clemens und den Leistungen Dritter gegenüberzustellen.

Einnahmen aus nichtselbstständiger Tätigkeit


900,– €

./.

Arbeitnehmer-Pauschbetrag (1.230,– €, maximal:)

./.

900,– €

=

Einkünfte

0,– €

Besteuerungsanteil der Rente wegen voller Erwerbsminderung


1.800,– €

./.

Werbungskosten-Pauschbetrag

./.

102,– €

=

Einkünfte

1.698,– €

Rente wegen voller Erwerbsminderung, soweit sie den Besteuerungsanteil übersteigt



1.800,– €

./.

nicht ausgeschöpfter Arbeitnehmer-Pauschbetrag


./.


330,– €

./.

Kostenpauschale

./.

180,– €

=

Bezüge

1.290,– €

./.

Sozialversicherungsbeiträge

./.

240,– €

=

verbleibende Einkünfte und Bezüge

2.748,– €

Pflegegeld

1.800,– €

Eingliederungshilfe

14.400,– €

Fahrtkostenübernahme

1.200,– €

=

Leistungen Dritter

17.400,– €

Summe der eigenen Mittel

20.148,– €

Die eigenen Mittel sind geringer als der gesamte Lebensbedarf. Für Clemens besteht Anspruch auf Kindergeld.

Erst wenn bei der jahresbezogenen Berechnung die finanziellen Mittel Ihres Kindes den gesamten, ebenfalls jahresbezogenen ermittelten Lebensbedarf überschreiten, wird genauer geprüft, ab welchem Monat das Kind in der Lage ist, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen (DA-KG A 18.4 Abs. 1). Dann wird für jeden Monat einzeln gerechnet.

8.6 Anerkennung als Pflegekind

Können sich die leiblichen Eltern nicht mehr um ihr Kind mit Behinderung kümmern, tun dies möglicherweise andere Menschen. Bei diesen Menschen könnte das Kind als Pflegekind zu berücksichtigen sein. Ein Pflegekind ist eine Person,

  • mit der Sie durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden sind,

  • die Sie in Ihren Haushalt aufgenommen haben,

  • die Sie nicht zu Erwerbszwecken in Ihren Haushalt aufgenommen haben und

  • bei der das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern nicht mehr besteht.

Ein familienähnliches Band ist anzunehmen, wenn das Kind wie zur Familie angehörig angesehen und behandelt wird, also ein Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsverhältnis wie zwischen Eltern und leiblichen Kindern besteht. Dies bedeutet eine ideelle Dauerbindung. Das Kind darf nicht nur Kostgänger sein. Zwischen Pflegeeltern und Pflegekind muss ein Autoritätsverhältnis bestehen, aufgrund dessen sich das Pflegekind der Aufsichts-, Erziehungs- und Betreuungsmacht des Pflegeelternteils unterwirft (BFH-Urteil vom 17.3.2020, III R 9/19, BFH/NV 2021 S. 4).

Ob ein familienähnliches Band entsteht, hängt bei einem volljährigem Kind auch von der Art seiner Behinderung ab. Bei Bestehen einer körperlichen Behinderung, einer Sinnesbehinderung (z.B. Blindheit, Gehörlosigkeit) oder einer Sprachbehinderung wird das Entstehen eines familienähnlichen Bandes zu einem Volljährigen in der Regel bereits am Fehlen eines Erziehungsverhältnisses scheitern.

Hingegen kommt bei Behinderungen im Bereich der geistigen Fähigkeiten oder der seelischen Gesundheit die Entstehung eines familienähnlichen Bandes grundsätzlich auch bei einem volljährigen Kind in Betracht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass bereits die Erbringung umfänglicher Pflege- und Unterstützungsleistungen und ein damit verbundenes hohes Maß an persönlicher Zuwendung gegenüber einem geistig oder seelisch behinderten Menschen zugleich auch ein familienähnliches Band begründet. Vielmehr muss die Behinderung so schwer sein, dass der geistige Zustand des Behinderten dem typischen Entwicklungsstand einer noch minderjährigen Person entspricht (BFH-Urteil vom 9.2.2012, III R 15/09, BStBl. 2012 II S. 739; DA-KG A 11.3 Abs. 3).

Selbst wenn ein Kind mit Behinderung in einer eigenen Wohnung lebt, kann trotzdem eine Haushaltsaufnahme und damit ein Pflegekindschaftsverhältnis vorliegen. Das hängt stark von den tatsächlichen Gegebenheiten ab. Entscheidend ist, ob das Kind sich nicht nur besuchsweise in Ihrem Haushalt aufhält. Verfügt es in Ihrem Haushalt über ein eigenes Zimmer und lebt es an allen Wochenenden, Feiertagen und zu Familienfeiern in Ihrem Haushalt und in der Familiengemeinschaft, dürfte eine Haushaltsaufnahme zu bejahen sein (BFH-Urteil vom 17.3.2020, III R 9/19, BFH/NV 2021 S. 4).

Ein Altersunterschied wie zwischen Eltern und Kindern braucht nicht unbedingt zu bestehen. Daher kann auch zwischen Geschwistern ein Pflegekindschaftsverhältnis vorliegen. Unproblematisch für die Familienkassen dürfte es sein, wenn das zu betreuende Geschwisterteil von Kind an pflegebedürftig war, in den Haushalt des Geschwisterteils aufgenommen wird und das betreuende Geschwisterteil die Stelle der Eltern, etwa nach deren Tod, einnimmt. Probleme mit der Familienkasse gibt es, wenn der zu betreuende Geschwisterteil erst nach Eintritt der Volljährigkeit pflegebedürftig geworden ist. Dann steht die Familienkasse auf dem Standpunkt, im Allgemeinen könne ein dem Eltern-Kind-Verhältnis ähnliches Pflegeverhältnis nicht mehr begründet werden (DA-KG A 11 Abs. 5).

Ausbildungsfreibetrag

Wird Ihr Kind volljährig, gibt es für die Eltern einen weiteren Freibetrag: den Ausbildungsfreibetrag. Offiziell nennt er sich »Freibetrag zur Abgeltung des Sonderbedarfs eines sich in Berufsausbildung befindenden, auswärtig untergebrachten, volljährigen Kindes« (§ 33a Abs. 2 EStG). Er soll den ausbildungsbedingten Mehrbedarf bei einer auswärtigen Unterbringung Ihres Kindes abdecken.

9.1 Für welche Aufwendungen gibt es den Ausbildungsfreibetrag?

Sind alle Voraussetzungen für den Ausbildungsfreibetrag erfüllt, wird unterstellt, dass Ihnen Aufwendungen für die Berufsausbildung Ihres Kindes entstehen. Auf die tatsächliche Höhe Ihrer Aufwendungen kommt es nicht an. Der Ausbildungsfreibetrag ist also ein »echter« Freibetrag: Alle anfallenden Aufwendungen werden damit abgegolten. Haben Sie tatsächlich höhere Kosten, können Sie diese leider nicht geltend machen.

Als Ausbildungsfreibetrag erhalten Sie

bis 2022: 924,– € im Jahr bzw. 77,– € je Monat,

ab 2023: 1.200,– € im Jahr bzw. 100,– € je Monat.

Befindet sich Ihr Kind zur Berufsausbildung im Ausland, ist die Ländergruppeneinteilung zu beachten. Danach reduziert sich der maximal mögliche Freibetrag auf 693,– € , 462,– € oder 231,– € bis 2022 bzw. ab 2023 auf 900,– €, 600,– € oder 300,– €.

9.2 Unter diesen Voraussetzungen bekommen Sie den Ausbildungsfreibetrag

Erfüllen Sie folgende Voraussetzungen, steht Ihnen der Ausbildungsfreibetrag zu:

  • Ihr Kind befindet sich in Berufsausbildung,

  • Ihr Kind ist auswärtig untergebracht,

  • Ihr Kind ist volljährig und

  • Sie haben für dieses Kind einen Anspruch auf Kindergeld oder auf einen Freibetrag für Kinder.

Und das Beste ist: Die Höhe der Einkünfte und Bezüge Ihres Kindes spielt keine Rolle. Egal, wie viel Ihr Kind zum Beispiel verdient, Ihnen steht der Ausbildungsfreibetrag für Ihr auswärtig untergebrachtes volljähriges Kind zu.

9.2.1 Ihr Kind befindet sich in einer Berufsausbildung

Der Begriff der Berufsausbildung ist der Gleiche wie beim Kindergeld bzw. bei den Freibeträgen für Kinder. Sie beginnt mit der Schulausbildung und endet, wenn das Berufsziel erreicht oder die Ausbildung abgebrochen wurde. Unterbrechungszeiten zählen regelmäßig zur Ausbildung, etwa wegen Erkrankung oder Mutterschutzzeiten → Kapitel »Unterbrechung einer Ausbildung«.

Auch Übergangszeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und dem Grundwehrdienst, Zivildienst, einem davon befreienden Dienst oder einem Freiwilligendienst zählen → Kapitel »Ihr Kind befindet sich in einer Übergangszeit«.

Ein Freiwilliges Soziales Jahr stellt jedoch keine Berufsausbildung dar, auch wenn für diese Zeit Kindergeld gezahlt wird. Daher gibt es für diese Zeit keinen Ausbildungsfreibetrag (BFH-Urteil vom 25.11.2014, VI B 1/14, BFH/NV 2015 S. 332).

9.2.2 Ihr Kind ist auswärtig untergebracht

Das bedeutet auswärtig

Eine auswärtige Unterbringung liegt vor, wenn Ihr Kind für eine gewisse Dauer außerhalb Ihres elterlichen Haushalts untergebracht ist.

Welche Gründe für die auswärtige Unterbringung maßgebend sind, ist dem Finanzamt egal (R 33a Abs. 2 EStR). Es spielt auch keine Rolle, ob Ihr Kind verheiratet ist und mit seinem Ehegatten eine gemeinsame Wohnung unterhält oder die auswärtige Unterbringung notwendig oder zwangsläufig ist.

Selbst die Unterbringung in einer Ihnen gehörenden Eigentumswohnung ist eine auswärtige Unterbringung, wenn Ihr Kind dort einen eigenen Haushalt führt. Ist jedoch die Wohnung des Kindes als Teil Ihres Haushaltes anzusehen, zum Beispiel weil Sie die Wohnung mitbenutzen, liegt keine auswärtige Unterbringung vor (BFH-Urteil vom 26.1.1994, X R 94/91, BStBl. 1994 II S. 544).

Eine auswärtige Unterbringung ist nur dann zu bejahen, wenn Ihr Kind sowohl räumlich als auch hauswirtschaftlich aus Ihrem Haushalt ausgegliedert ist. Dies bedeutet, Ihr Kind wohnt nicht bei Ihnen und ist vor allem hinsichtlich Einkauf und Verpflegung, Wäsche oder Reinigung der Räume eigenständig.

Lebt Ihr Kind wochentags bei den in sehr kurzer Distanz wohnenden Großeltern, wird das Finanzamt nach der allgemeinen Lebenserfahrung annehmen, dass das Kind nach wie vor auch Ihre Wohnung nutzt und damit weiter zu Ihrem Haushalt gehört. Dies gilt eindeutig, wenn Sie den Großeltern die für die Verpflegung des Kindes notwendigen Nahrungsmittel zur Verfügung stellen (BFH-Urteil vom 6.11.1987, III R 259/83, BStBl. 1988 II S. 138).

Führen die Eltern getrennte Haushalte und wohnt das Kind bei einem Elternteil, so ist es, vom anderen Elternteil aus gesehen, nicht auswärtig untergebracht. Eine auswärtige Unterbringung liegt nur vor, wenn das Kind aus den Haushalten beider Elternteile ausgegliedert ist.

Beispiele für eine auswärtige Unterbringung: Ihr Kind lebt

  • in einem Internat oder einem Heim;

  • bei Verwandten;

  • in einer Ihnen gehörenden Eigentumswohnung und führt dort einen eigenen Haushalt;

  • in der Wohnung seines Lebensgefährten bzw. seiner Lebensgefährtin oder des Ehegatten;

  • in einer (reinen) Wohngemeinschaft;

  • in einer Studentenbude;

  • in einer eigenen Mietwohnung im selben Haus wie Sie (FG Hamburg vom 27.10.1981, III R 121/79, EFG 1982 S. 248).

Je näher Ihr Kind zu Ihrem Haushalt lebt, desto eher wird das Finanzamt einer Ausgliederung aus Ihrem Haushalt widersprechen wollen. Gute Argumente für eine Ausgliederung trotz einer Nähe zu Ihrem Haushalt sind zum Beispiel:

  • Ihre Wohnung bietet Ihrem Kind nicht genug Platz, um genügend Ruhe für seine Ausbildung zu haben.

  • Ihr Kind möchte mit seinem Lebenspartner in einem eigenen Haushalt zusammenleben.

Die auswärtige Unterbringung muss für eine gewisse Dauer erfolgen

Die auswärtige Unterbringung muss auf eine gewisse Dauer angelegt sein. Bei einer Klassenfahrt oder einem dreiwöchigen Sprachkurs ist dies beispielsweise nicht der Fall. Auch hält der BFH eine sechswöchige auswärtige Unterbringung während eines studienbegleitenden Praktikums in den Semesterferien für zu kurz (BFH-Urteil vom 20.5.1994, III R 25/93, BStBl. 1994 II S. 699).

Ist Ihr Kind allerdings während einer ganzen Ausbildung oder eines bestimmten Ausbildungsabschnitts, zum Beispiel für die Dauer eines Studiensemesters oder -trimesters, auswärtig untergebracht, so gilt dies als gewisse Dauer (BFH-Urteil vom 5.11.1982, VI R 47/79, BStBl. 1983 II S. 109). In diesem Fall handelt es sich nicht nur um einen ganz kurzen Ausbildungsgang.

Wo genau die Grenze verläuft und wie lang genau eine »gewisse Dauer« ist, können wir Ihnen nicht sagen. Dazu gibt es weder von der Verwaltung noch in der Rechtsprechung eine klare Aussage.

Ist Ihr Kind für einen abgrenzbaren Ausbildungsabschnitt auswärts untergebracht, der länger als sechs Wochen dauert? Dann beantragen Sie beim Finanzamt für diese Zeit den Ausbildungsfreibetrag. Legen Sie Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid ein, wenn der Freibetrag nicht berücksichtigt wurde.

Verbringt Ihr Kind bei Ihnen die Ferien, ist dies dann unschädlich, wenn danach die Ausbildung fortgesetzt werden soll und die Wohnung am Ausbildungsort beibehalten wird – selbst wenn die Ferien mehrere Monate dauern (BFH-Urteil vom 22.4.1994, III R 22/92, BStBl. 1994 II S. 887). Auch Wochenendbesuche sind unproblematisch (BFH-Urteil vom 26.5.1971, VI R 203/68, BStBl. 1971 II S. 627).

9.2.3 Ihr Kind ist volljährig

Der Ausbildungsfreibetrag wird nur für Kinder gewährt, die über 18 Jahre alt sind. Vollendet ein Kind erst im Laufe des Kalenderjahres das 18. Lebensjahr, steht Ihnen der Freibetrag anteilig ab dem Kalendermonat zu, in dem Ihr Kind volljährig geworden ist.

Hat Ihr Kind am 1. eines Monats Geburtstag, so vollendet es mit Ablauf des vorigen Tages, also des letzten Tages des Vormonats, sein 18. Lebensjahr (§§ 187 Abs. 2, 188 Abs. 2 BGB). Ihnen steht bei auswärtiger Unterbringung Ihres sich in Berufsausbildung befindlichen Kindes bereits für den Vormonat der Ausbildungsfreibetrag zu.

Beispiel:

Der am 1. 4. 2005 geborene Sascha lebt in einem Internat und besucht dort die Schule. Einkünfte und Bezüge hat er keine.

Sascha vollendet mit Ablauf des 31. 3. 2023 sein 18. Lebensjahr. Seinen Eltern steht für das Jahr 2023 bereits ab März der Ausbildungsfreibetrag zu. Dieser beträgt 1.000,– € (= 1.200,– €/12 × 10 Monate).

9.2.4 Sie haben Anspruch auf Kindergeld oder einen Freibetrag für Kinder

Nur wenn Sie einen Anspruch auf Kindergeld oder zumindest einen Freibetrag für Kinder haben, können Sie den Ausbildungsfreibetrag beanspruchen. Damit gelten die Altersgrenzen für die Berücksichtigung eines volljährigen Kindes für das Kindergeld bzw. die Freibeträge für Kinder auch hier. Sie können den Ausbildungsfreibetrag damit längstens bis zum vollendeten 25. Lebensjahr Ihres Kindes erhalten.

Für ein wegen seiner Behinderung zu berücksichtigendes Kind gilt dies jedoch nicht. Ist ein Kind mit Behinderung zwecks Berufsausbildung auswärtig untergebracht, kann der Ausbildungsfreibetrag auch nach Vollendung des 25. Lebensjahres beantragt werden.

Ihr Kind befindet sich noch in Berufsausbildung, aber Sie bekommen kein Kindergeld mehr, weil die Einkommensgrenze oder die Altersgrenze überschritten ist? Dann machen Sie Ihre Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastungen im Rahmen des Unterhaltshöchstbetrags geltend.

9.3 Die Voraussetzungen liegen nicht das ganze Jahr vor

Liegen die Voraussetzungen für den Ausbildungsfreibetrag nur für einen Teil des Kalenderjahrs vor, ermäßigt sich der Freibetrag für jeden Kalendermonat, für den die Voraussetzungen nicht vorgelegen haben, um ein Zwölftel. Dies gilt zum Beispiel, wenn das Kind im Laufe des Kalenderjahrs das 18. Lebensjahr vollendet hat oder die auswärtige Unterbringung endet.

Beispiel:

Die 23-jährige Jana studiert und ist aus diesem Grund bis zum 8. 10.2023 auswärtig untergebracht.

Der Ausbildungsfreibetrag beträgt in diesem Fall 1.000,– € (= 1.200,– €/12 × 10 Monate).

9.4 Mehrere Anspruchsberechtigte

Bei der Zusammenveranlagung von Eltern wird der Ausbildungsfreibetrag nur einmal gewährt und nicht verdoppelt.

Wählen Sie und der andere Elternteil statt der Zusammenveranlagung die Einzelveranlagung oder können Sie und der andere Elternteil nicht mehr zusammen veranlagt werden, weil Sie seit dem Vorjahr dauernd getrennt leben oder bereits geschieden sind, gibt es für den Ausbildungsfreibetrag eine besondere Aufteilungsregelung. Auf gemeinsamen Antrag können die Eltern jede Aufteilung wählen (§ 33a Abs. 2 EStG). In die allgemeine hälftige Verteilung im Rahmen der Einzelveranlagung für die außergewöhnlichen Belastungen, Sonderausgaben und Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen nach § 35a EStG (§ 26a Abs. 2 Satz 2 EStG) fließt der Ausbildungsfreibetrag nicht mehr ein.

Beispiel:

Die Eheleute Oliver und Maya Münch wählen die Einzelveranlagung mit hälftiger Aufteilung nach § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG.

Die besondere Aufteilungsregel geht vor (§ 33a Abs. 2 Satz 5 EStG). Der Ausbildungsfreibetrag steht Herrn und Frau Münch dabei grundsätzlich zur Hälfte zu. Auf gemeinsamen Antrag können Sie hier auch jede andere Aufteilung des Freibetrags wählen.

Sind bei einer Einzelveranlagung die Ehegatten nicht zugleich die Eltern des Kindes, steht der Ausbildungsfreibetrag grundsätzlich dem Elternteil zu. Auf übereinstimmenden Antrag fließt er in die hälftige Verteilung nach § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG ein.

Beispiel:

Die Eheleute Gerhard und Katrin Huber haben sich für das Jahr 2022 für eine Einzelveranlagung mit hälftiger Aufteilung nach § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG entschieden. Gerhard hat zusammen mit seiner früheren Frau Sonja ein Kind, für das den Eltern der Ausbildungsfreibetrag zusteht. Zusammen mit Sonja hat Gerhard eine Aufteilung des Ausbildungsfreibetrags im Verhältnis 70:30 beantragt. Auf Gerhard entfallen nach der besonderen Aufteilungsregel also 646,80 € (70 % × 924,– €). Diese werden bei Gerhard und Katrin wegen der beantragten hälftigen Aufteilung jeweils mit 323,40 € berücksichtigt.

Alleinerziehende aufgepasst: Entlastungsbetrag kann wegfallen

10.1 Das sind die möglichen Problempunkte

Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende beträgt 4.008,– € für die Jahre 2020 bis 2022 und 4.260,– € ab dem Jahr 2023. Der Freibetrag erhöht sich um 240,– € für jedes weitere zu berücksichtigende Kind.

Unschädlich für den Entlastungsbetrag ist das Zusammenleben mit einem volljährigen Kind nur, wenn Sie für das Kind Anspruch auf Kindergeld oder einen Freibetrag für Kinder haben:

  • dann bekommen Sie wegen dieses Kindes den Entlastungsbetrag, weil es Ihr einziges Kind ist;

    oder

  • der Entlastungsbetrag erhöht sich um 240,– € für das zweite und jedes weitere zu berücksichtigende Kind.

Probleme ergeben sich, wenn Sie

  • für Ihr einziges Kind keinen Anspruch mehr auf Kindergeld oder einen Freibetrag für Kinder haben oder

  • bei mehreren Kindern für ein volljähriges Kind in Ihrem Haushalt kein Anspruch auf Kindergeld oder einen Freibetrag für Kinder mehr besteht. Denn dann sind Sie nicht »echt« alleinerziehend.

In diesem Fall verlieren Sie neben dem Kindergeld bzw. den Freibeträgen für Kinder für das volljährige Kind auch noch den Entlastungsbetrag. Gründe für die Nichtberücksichtigung Ihres Kindes sind:

  • Ihr volljähriges Kind befindet sich in einer zweiten Ausbildung bzw. Studium und wird wegen einer »schädlichen« Erwerbstätigkeit nicht als Kind berücksichtigt;

  • Ihr Kind hat die Altersgrenze für eine Berücksichtigung erreicht, also entweder das 21. oder das 25. Lebensjahr vollendet.

Beispiel:

Die alleinerziehende Frau Schutzius lebt mit ihrem einzigen Kind, dem 24-jährigen Florian, in einem Haushalt. Florian hat in 2021 eine berufsbezogene Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und studiert seit 1.9.2021 an einer Fachhochschule.

Weil er einen finanziellen Beitrag zum Lebensunterhalt leisten möchte, arbeitet er auch während des ganzen Jahres 2022 neben seinem Studium in seinem Lehrberuf 25 Stunden pro Woche.

Frau Schutzius hat für Florian keinen Anspruch auf Kindergeld. Daher entfällt auch der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende.

Beispiel:

Der alleinerziehende Herr Orth lebt mit seinen beiden Söhnen Luka (21 Jahre) und Yannik (15 Jahre) in einem Haushalt. Luka beendet zum 30. 6. 2022 seine berufsbezogene Ausbildung.

Ab Juli 2022 hat Herr Orth für Luka keinen Anspruch auf Kindergeld mehr. Damit bildet er ab diesem Zeitpunkt mit Luka eine »schädliche« Haushaltsgemeinschaft.

Herr Orth kann den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nur bis zum Juni beanspruchen, und zwar in Höhe von 2.124,– € (= (4.008,– € + 240,– €) / 12 × 6 Monate).

10.2 Das können Sie tun

Befindet sich Ihr volljähriges Kind in einer zweiten Ausbildung bzw. Studium und wird von der Familienkasse nicht berücksichtigt, weil es einer »schädlichen« Erwerbstätigkeit nachgeht? Dann sollten Sie mit Ihrem Kind überlegen, ob es nicht sinnvoll ist, seine Erwerbstätigkeit zu reduzieren. Schließlich verlieren Sie a) das monatliche Kindergeld und b) die Steuerersparnis durch den Entlastungsbetrag.

Sind Gehaltsbestandteile, etwa im öffentlichen Dienst, von der Berücksichtigung des Kindes abhängig, wie beispielsweise der sog. Kinderzuschlag, verlieren Sie diese auch noch!

Bei Beamten ist zudem die Höhe des Prozentsatzes der Beihilfe abhängig von der Anzahl der zu berücksichtigenden Kinder. Hier sind dann höhere Versicherungsbeiträge für eine ergänzende private Krankenversicherung zu bezahlen.

Stellen Sie genau zusammen, welche finanziellen Nachteile Sie haben, wenn Ihr volljähriges Kind nicht bei Ihnen durch die Erwerbstätigkeit berücksichtigt werden kann. Vergleichen Sie das Ergebnis mit der Einkommenseinbuße Ihres Kindes durch eine mögliche Arbeitszeitreduzierung.

Denn ein Teilzeit-Job mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit bzw. ein Minijob kann Ihr Kind unproblematisch ausüben. Ist die Summe Ihrer finanziellen Vorteile größer als die Einbuße Ihres Kindes, sollten Sie und Ihr Kind über eine Reduzierung seiner Erwerbstätigkeit nachdenken. Bedenken Sie aber: Bei einer Reduzierung der Arbeitszeit muss auch der Arbeitgeber Ihres Kindes mitspielen.

Beispiel:

Der alleinerziehende Herr Melcher lebt mit seinen beiden Söhnen Tobias (23 Jahre) und Oliver (10 Jahre) in einem Haushalt. Herr Melcher ist Landesbeamter im gehobenen nichttechnischen Dienst des Landes Rheinland-Pfalz. Tobias hat nach seinem Abitur zum 30. 6. 2022 eine Berufsausbildung abgeschlossen und seitdem in Vollzeit in seinem ehemaligen Ausbildungsbetrieb gearbeitet. Am 1. 3. 2023 hat er mit einem Jura-Studium begonnen. Nebenbei arbeitet er seit Beginn des Studiums 25 Stunden pro Woche in seinem ehemaligen Ausbildungsbetrieb. Sein monatlicher Brutto-Verdienst beträgt 1 800,– €; netto ergibt sich 1.344,– €. Bei einer Reduzierung auf 20 Stunden pro Woche würde bei einer proportionalen Kürzung des Lohns sein Brutto-Verdienst 1. 440,– € betragen. Dann ergibt sich ein Netto-Verdienst von 1.123,– €. Die Netto-Einkommenseinbuße von Tobias würde folglich 221,– € betragen.

Tobias sollte seine Arbeitszeit reduzieren! Denn bereits das Kindergeld von 250,– € wiegt die Einkommenseinbuße auf. Zudem gewinnt Herr Melcher die steuerliche Entlastung durch den ab 1. 3. 2023 zu gewährenden Entlastungsbetrag für Alleinerziehende. Weiterhin bekommt er von seinem Arbeitgeber einen Gehaltszuschlag und eine erhöhte Beihilfe, weil nicht nur ein Kind, sondern zwei Kinder bei ihm berücksichtigt werden können. Für die ganze Familie ein gutes Geschäft!

Sie haben mehrere, bisher zu berücksichtigende Kinder und es ist absehbar, dass Sie für ein volljähriges Kind demnächst keinen Anspruch auf Kindergeld oder einen Freibetrag für Kinder mehr haben werden, weil das Kind die Altersgrenze überschreitet oder seine Ausbildung beendet? Dann wird das Finanzamt zunächst von einer schädlichen Haushaltsgemeinschaft ausgehen, wenn das Kind weiter bei Ihnen mit Haupt- oder Nebenwohnsitz gemeldet ist.

Die Meldung in Ihrem Haushalt ist nur ein Indiz. Überlegen Sie, ob Sie diese Annahme widerlegen können, denn eine Haushaltsgemeinschaft setzt ein gemeinsames Wirtschaften voraus. Jedes Mitglied des Haushalts muss tatsächlich oder finanziell einen Beitrag zur Haushaltsführung leisten. Eine Haushaltsgemeinschaft wird also auch bei einem Kind ohne Einkünfte und Bezüge angenommen, wenn es sich »nur« durch Hilfe im Haushalt beteiligt.

Keine Haushaltsgemeinschaft wird das Finanzamt nur akzeptieren, wenn nachweislich eine strikt von Ihrem Haushalt getrennte eigene Haushaltsführung durch Ihr Kind stattfindet. Das bedingt getrennte Einkäufe, Kühlschranknutzung, Lebensmittelnutzung, Reinigung der Wäsche und der Räume etc. Weil dies nicht der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, wird das Finanzamt hier genau hinschauen und wohl nachhaken.

Auch wenn Sie mit Ihrem volljährigen Kind einen auch unter fremden Dritten üblichen (Unter-)Mietvertrag abschließen und diesen Vertrag tatsächlich durchführen, also zum Beispiel Ihr Kind die Miete überweist, reicht das dem Finanzamt nicht. Und zudem erzielen Sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, möglicherweise aber mit Verlust.

Besser ist es, wenn Ihr volljähriges Kind in Ihrem Haus über eine abgeschlossene Wohneinheit mit eigenem Hausstand verfügt (z. B. in einer Einliegerwohnung). Ist dies möglich, sollten die Verträge mit den Ver- und Entsorgern (Gas, Wasser, Strom, Telefon etc.) von Ihrem Kind abgeschlossen werden. Dies erleichtert die Nachweisführung einer getrennten Haushaltsführung sehr.

Sie sind alleinerziehend, haben zwei oder mehr Kinder, für die Sie Kindergeld beziehen, und bei einem Kind fällt demnächst das Kindergeld weg, weil es das 25. Lebensjahr vollendet oder seine Ausbildung beendet?

Wenn es räumlich möglich ist, sollten Sie und das Kind getrennte Haushalte führen. Achten Sie von Anfang an darauf, dem Finanzamt diese getrennte Haushaltsführung nachweisen zu können. Nur so können Sie den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende retten, den Sie wegen der übrigen Kinder beanspruchen können.

Isoliert nur mit Blick auf den Entlastungsbetrag betrachtet, ist es am besten, wenn Ihr volljähriges Kind einen eigenen Hausstand außerhalb Ihres Hauses unterhält. Dann gibt es überhaupt keine Probleme mit dem Entlastungsbetrag wegen noch bei Ihnen lebender, steuerlich zu berücksichtigender Kinder.