Grundsicherung: Was ist, wenn Kinder erben?

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Viele Eltern fragen sich, vor allem wenn die Kinder Sozialleistungen beziehen: Was passiert im Erbfall mit dem Erbe?

Was wird aus unseren Kindern, wenn wir einmal nicht mehr da sind?

Diese Frage treibt vor allem Eltern um, deren Kinder gesundheitlich eingeschränkt sind oder die – möglicherweise ohne eigenes Verschulden – es nicht geschafft haben, sich eine finanziell gesicherte Existenz aufzubauen, und auf Hartz IV oder später voraussichtlich auf die knappe Grundsicherung im Alter angewiesen sein werden.

Geht das Erbe ans Jobcenter bzw. ans Sozialamt?

Nein, das Erbe geht an die Sozialleistungsbezieher und nicht an das Amt. Und das Amt darf auch für Leistungen, die der Erbe in der Vergangenheit bezogen hat, keinen Ersatz aus der Erbschaft verlangen.

Das Erbe spielt also nur im Zeitpunkt des Zuflusses und für die Zukunft eine Rolle. Wer eine beträchtliche Summe erbt, kann damit künftig unabhängig von staatlichen Hilfen leben.

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Welche Pflichten hat der Erbe dem Amt gegenüber?

Der Betroffene muss die Erbschaft sofort dem Sozialleistungsträger melden. Das ist in § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I geregelt. Wer Sozialleistungen erhält, ist danach verpflichtet, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen.

Wer das nicht tut, kann mit einem Bußgeld belegt werden. Dieses kann nach § 63 Abs. 2 SGB II bis zu 5.000,– € betragen. Außerdem kommt ggf. eine Anzeige wegen Betrugs nach § 263 Strafgesetzbuch infrage.

Gilt die Erbschaft als Einkommen oder als Vermögen?

Was jemand vor dem Sozialleistungsbezug erbt, gilt als Vermögen. Was ihm während des Bezugs zufließt, gilt als Einkommen. Das hat das Bundessozialgericht bereits mehrfach klargestellt, etwa in einem Urteil vom 12.12.2013 (Az. B 14 AS 76/12 R).

Einkommen ist danach grundsätzlich alles, was jemand nach der ALG-II-Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte.

Das sieht auch die Bundesagentur für Arbeit so. In den fachlichen Weisungen zu § 11 SGB II heißt es: "Eine Erbschaft ist nur dann als (einmaliges) Einkommen zu berücksichtigen, wenn der Erbfall während der Bedarfszeit eintritt".

Der Unterschied zwischen Einkommen und Vermögen ist für Betroffene wichtig, weil insbesondere beim ALG II, aber – jedoch in geringerem Maße – auch bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beim Vermögen höhere Freibeträge gelten.

Welche Konsequenzen hat die Einstufung der Erbschaft als Einkommen?

Da greifen die gesetzlichen Regelungen zu sogenannten einmaligen Einnahmen. Diese sind nach § 11 Abs. 3 SGB II in dem Monat, in dem sie zufließen, zu berücksichtigen.

Der Zuflusszeitpunkt ist dabei nicht der Todestag des Erblassers, sondern der Zeitpunkt, an dem das Einkommen auch tatsächlich für die Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung steht.

Es ist offenkundig, dass damit erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen. Ein ALG-II-Bezieher, der – beispielsweise – nach dem Tod seines Vaters für einige Zeit (etwa, weil er eine befristete Stelle gefunden hat) aus dem Leistungsbezug ausscheidet, kann so erreichen, dass das Erbe später als Vermögen gilt.

Bei ununterbrochenem Leistungsbezug dürfte im Zuflussmonat der Erbschaft im Regelfall der Bedarf der Betroffenen gedeckt sein. Die Sozialleistung entfällt damit erst einmal für diesen Monat. Es bleibt jedoch dann rechnerisch in der Regel wohl noch einiges vom Erbe übrig. In diesem Fall wird die Erbschaft rechnerisch auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufgeteilt und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag berücksichtigt.

Bei größeren Erbschaften bedeutet das in der Praxis, dass zunächst einmal für sechs Monate der Leistungsanspruch entfällt. Ganz ähnlich ist das bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung geregelt (§ 82 Abs. 7 SGB XII).

Was gilt nach dem Ende des Sechs-Monats-Zeitraums?

Dann ist der Rest des Erbes zu Vermögen geronnen. Auch dazu ein Zitat aus den Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 11 SGB II: "Der bis dahin noch nicht berücksichtigte Teil der einmaligen Einnahme ist somit bei einer erneuten Beantragung von SGB-II-Leistungen dem Vermögen zuzuordnen". Es gelten also nicht mehr die Einkommensregeln, sondern die großzügigeren Vermögensregeln.

Beim ALG II bedeutet das, dass beträchtliche Freibeträge gelten, mindestens in Höhe von 150,– € pro Lebensjahr. Allen Personen einer Bedarfsgemeinschaft wird zunächst einmal ein altersunabhängiger Freibetrag von 750,– € für notwendige Anschaffungen zugestanden.

Wer 21 Jahre oder älter ist, kann seinen Grundfreibetrag nach der Methode Alter in Jahren × 150,– € ausrechnen. Einem 40-Jährigen stehen damit 6.000,– € Schonvermögen plus 750,– € für notwendige Anschaffungen zu. Mit einem Barvermögen von 6.750,– € kann er damit ALG II erhalten.

Neben dem Grundfreibetrag von 150,– € pro Lebensjahr für verwertbares Vermögen gesteht das SGB II für besondere Rücklagen für das Alter (z. B. Ersparnisse in einer Kapitallebensversicherung oder einer privaten Rentenversicherung) einen zusätzlichen Freibetrag in Höhe von 750,– € pro Lebensjahr und Partner zu.

Damit stehen einem (Ehe-)Paar, bei dem beide 40 Jahre alt sind, zusätzlich insgesamt (2 × 40 Jahre × 750,– € =) 60.000,– € zu, allerdings ausdrücklich nur für geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen.

Kann ein entsprechender Vertrag zur Alterssicherung auch nach einer Erbschaft noch geschlossen werden?

Ja. Das Geld muss dann aber so angelegt werden, dass vor dem Rentenalter keine Zugriffsmöglichkeit darauf besteht – etwa in einer privaten Rentenversicherung mit einem vertraglich vereinbarten Verwertungsausschluss. Es muss zumindest der Wille erkennbar sein, über das Vermögen erst im Ruhestand zu verfügen.

Als eine Möglichkeit nennt die Bundesagentur für Arbeit auch die Anlage auf einem Festgeldkonto mit einer Laufzeit bis zum Renteneintrittsalter.

Was gilt bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung?

Auch dann gilt die Rest-Erbschaft nach dem Ende der zunächst maximal sechsmonatigen Leistungspause als Vermögen. Die Freibeträge sind jedoch erheblich niedriger. Ein Alleinstehender darf bis 5.000,– € besitzen, für den Partner kommen nochmals 5.000,– € hinzu.

Gelten die skizzierten Regeln auch für vererbtes Hauseigentum?

Ja. Auch dafür gilt: Wer ein Haus oder eine Eigentumswohnung während des ALG-II-Leistungsbezugs erbt, hat einen Vermögenszuwachs. Während des Leistungsbezugs fließen dagegen einmalige Einkünfte zu. Zumindest in dem Sechs-Monats-Zeitraum nach dem Zufluss der Erbschaft kann daher der Verkauf der Immobilie verlangt (und fiktiv unterstellt) werden. Nach Ende des Sechs-Monats-Zeitraums zählt die geerbte Immobilie zum Vermögen.

Wird die Immobilie selbst genutzt, so gelten dann die Hartz-IV- und Grundsicherungsregeln zum angemessenen Wohneigentum. Salopp gesprochen: Werden dann die entsprechenden Sozialleistungen beantragt, so prüft das Jobcenter bzw. das Sozialamt, ob die Immobilie die erlaubte Größe übersteigt.

Beim ALG II gilt: Ein angemessenes Familienheim darf im Regelfall eine Wohnfläche von 130 m2 nicht überschreiten. Dies gilt für einen Vierpersonenhaushalt. Für jeden weiteren Haushaltsangehörigen gelten zusätzliche 20 m2 als akzeptabel. Umgekehrt gibt es entsprechende Abschläge bei kleineren Haushalten, wobei auch für einen Alleinstehenden noch ein Haus mit 90 m2 als angemessen angesehen wird.

Für Eigentumswohnungen gelten jeweils um 10 m2 niedrigere Angemessenheitsgrenzen, wobei für einen Einpersonenhaushalt eine 80-m2-Wohnung noch gerade als angemessen angesehen wird.

Angemessenes Wohneigentum ist auch für Bezieher von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erlaubt. Was das genau bedeutet, darüber gibt es oft Streit. Eindeutige gesetzliche Regeln, welche Immobilien für Bezieher von Grundsicherung noch akzeptiert werden, gibt es nicht. Mehrfamilienhäuser sind es jedenfalls nicht.

Grundsätzlich geht es darum, ob ein selbst genutztes Haus oder eine Wohnung – im SGB XII wird der Begriff Hausgrundstück verwendet – angemessen ist. Das regelt § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII. Was das genau bedeutet, ist nicht bundeseinheitlich geregelt. Zum Teil haben die Kommunen dabei sehr harte Maßstäbe.

Die Bezugsgröße für eine angemessene Wohnfläche beträgt

  • 130 m2 für einen Vierpersonenhaushalt in einem Einfamilienhaus (Wohngebäude mit nur einer Wohnung),

  • 120 m2 für einen Vierpersonenhaushalt in einer (Eigentums-)Wohnung.

Steht die Wohnfläche weniger als vier Bewohnern zur Verfügung, ist die Bezugsgröße zu verringern (um bis zu 20 m2 je Person).

Wenn die Wohnung oder das Haus, was bei Senioren überwiegend der Fall ist, nur von einer oder zwei Personen bewohnt wird, gelten im Regelfall 90 m2 (Haus) bzw. 80 m2 (Eigentumswohnung) als angemessen.

Was können Eltern vorbeugend (also vor dem Erbfall) tun, um die Alterssicherung ihrer Kinder so aufzubessern, dass der Staat darauf nicht zugreift?

Für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie bei der Hilfe zum Lebensunterhalt gibt es seit 1.1.2018 Freibeträge für die freiwillige Altersversorgung. Aufgrund dieser Neuregelung lohnt sich die Investition in die Altersvorsorge auch dann, wenn man ohnehin befürchtet, im Alter ein Einkommen unterhalb des Grundsicherungsniveaus zu haben. Nutzen können diese Regelung auch Eltern, die dafür sorgen möchten, dass es einem Kind im Alter etwas besser geht.

So wird gerechnet: Wer im Alter nur eine kleine gesetzliche Rente oder Beamtenversorgung bekommt und deshalb zusätzlich auf Hilfe vom Sozialamt angewiesen ist, darf zusätzlich zur Grundsicherung in jedem Fall bis zu 100,– € monatlich aus freiwilliger Altersvorsorge behalten. Für diejenigen, die etwas höhere Privatrenten beziehen, sind 30 % des Betrags, der 100,– € übersteigt, anrechnungsfrei.

Beispielberechnung

Die monatlichen Einkünfte eines Rentners aus zusätzlicher Altersvorsorge betragen 400,– €. 100,– € davon darf der Betroffene ohnehin behalten. Von den zusätzlichen 300,– € sind (30 % × 300,– € =) 90,– € anrechnungsfrei. Insgesamt beträgt der Freibetrag in diesem Fall 190,– €. Wichtig noch: Der Gesamtfreibetrag darf höchstens 50 % des Eckregelsatzes betragen. Dieser liegt 2021 bei 446,– €. 50 % hiervon sind 223,– €.

Die neuen Freibeträge gelten für Betriebs-, Riester- und Basisrenten sowie sonstige private Renten. Auch für den Teil der gesetzlichen Rente, der auf freiwilligen Beitragszahlungen beruht, gilt der Freibetrag.

(MS)

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