Kasse muss Selbsteinweisung in Krankenhaus zahlen

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Gesetzlich Krankenversicherte haben im Prinzip die freie Krankenhauswahl. Sie können sich – was gerade bei planbaren Behandlungen wichtig ist – in einem Krankenhaus ihrer Wahl behandeln lassen – außer in Privatkliniken. Die Regelungen zur Krankenhauswahl sind allerdings interpretationsbedürftig.

Das Bundessozialgericht hat in einer Entscheidung vom 19.6.2018 ein Stück mehr Klarheit geschaffen: Wenn die Krankenhausbehandlung erforderlich und wirtschaftlich ist, muss die Krankenkasse des Behandelten für die Kosten aufkommen, auch ohne dass eine Überweisung für eine Behandlung vorlag (Az. B 1 KR 26/17). In Notfällen ist dies ohnehin der Fall.

Liegt kein Notfall vor, so verlangen Krankenhäuser von gesetzlich versicherten Patienten in der Regel bei der Aufnahme eine Krankenhauseinweisung, um in eine Klinik aufgenommen zu werden. Diese stellen niedergelassene Ärzte aus (Fachärzte oder Allgemeinmediziner). Im Gesetz heißt es hierzu: "Krankenhausbehandlung darf nur verordnet werden, wenn eine ambulante Versorgung der Versicherten zur Erzielung des Heil- oder Linderungserfolgs nicht ausreicht. Die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung ist bei der Verordnung zu begründen". Weiterhin regelt § 73 Abs. 4: "In der Verordnung von Krankenhausbehandlung sind in den geeigneten Fällen auch die beiden nächsterreichbaren, für die vorgesehene Krankenhausbehandlung geeigneten Krankenhäuser anzugeben".

Die Formulierung "in geeigneten Fällen" impliziert, dass von dieser Regelung auch abgewichen werden kann, auch Blanko-Überweisungen sind danach möglich. Und: Auch, wenn der Arzt hier seiner Ansicht nach geeignete Krankenhäuser einträgt, sind Versicherte nicht hieran gebunden. Und selbst reine Selbsteinweisungen, also Fälle, in denen ein Versicherter, ohne dass es sich um einen Notfall handelt, die Aufnahme in ein Krankenhaus und die Behandlung begehrt, sind möglich Die Krankenkassen haben auch dann die Behandlungskosten zu tragen.

Über einen solchen Fall hatte das BSG zu entscheiden. Ein Versicherter war vom 16.8. bis zum 6.10.2011 teilstationär in einer Tagesklinik behandelt worden. Dessen Krankenkasse lehnte die Übernahme der Behandlungskosten in Höhe von insgesamt 5.596,24 € ab, da die Behandlung ohne vertragsärztliche Einweisung erfolgt sei (als Selbsteinweisung).

Das BSG verpflichtete die Kasse nun letztinstanzlich – anders als das vorher mit der Sache befasste LSG –, die Kosten zu übernehmen. Der Anspruch Versicherter auf Krankenhausbehandlung und damit der Vergütungsanspruch des Krankenhauses hängt – so das BSG – nicht formal von einer vorherigen vertragsärztlichen Verordnung ab. Entscheidend sei vielmehr, "dass die Versicherten der Krankenhausbehandlung bedürften". Am Rande sei erwähnt: Stellt sich nachher tatsächlich heraus, dass (nachgewiesenermaßen) kein Bedarf an Krankenhausbehandlung bestand, so liegt der schwarze Peter nicht beim Patienten (der das im Zweifelsfall gar nicht entscheiden kann), sondern beim Krankenhaus. Das Krankenhaus würde in einem solchen Falle ggf. auf seinen Kosten sitzen bleiben.

Das BSG stellte nun ausdrücklich klar: "Die vertragsärztliche Verordnung (Einweisung) hat grundsätzlich eine bloße Ordnungsfunktion. Sie hilft Versicherten bei der Entscheidung, sich in Krankenhausbehandlung zu begeben und ein geeignetes Krankenhaus zu finden". Eine abweichende Regelung, wie es sie in einigen Bundesländern gibt – im verhandelten Fall in Niedersachsen – sei unwirksam. Sie verstoße gegen Bundesrecht.

Recht auf freie Krankenhauswahl

Das Urteil stärkt das Recht von gesetzlich Krankenversicherten auf freie Krankenhauswahl. Das ist vor allem bei Eingriffen wichtig, die nicht von heute auf morgen vorgenommen werden müssen, etwa bei einer Knie-Operation, dem Einsatz einer künstlichen Hüfte und häufig auch bei einer Bypass-OP: Es gibt viele Operationen, bei denen Zeit und Ort geplant werden können. Auch gesetzlich Versicherte können sich dabei für fast alle Krankenhäuser entscheiden. Ohne Zusatzkosten – außer den ohnehin für Krankenhausbehandlungen vorgesehenen Zuzahlungen.

Dass zwischen den einzelnen Krankenhäusern erhebliche Qualitätsunterschiede bestehen, haben inzwischen verschiedene Untersuchungen belegt. Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) hat für einen Klinikvergleich Daten von 103.000 AOK-Versicherten ausgewertet, die sich zwischen 2010 und 2012 in 946 Kliniken Blinddarmoperationen unterziehen mussten. Bei der Untersuchung ging es um die Häufigkeit von Komplikationen. Die Krankenhäuser wurden dabei nach der Höhe der Komplikationsrate in vier Viertel (Quartile) eingeteilt. Im besten Quartil lag der Anteil der Patienten mit Komplikationen bei 3,23 %. Betroffen war jeder 31. Patient. Im schlechtesten Quartil lag die Komplikationsrate bei 7,88 %. Hier war jeder 13. Patient von Komplikationen betroffen.

Vermutlich würden Sie Wert darauf legen, im Falle eines Falles ihren Blinddarm in einer der »besseren« Kliniken entfernen zu lassen. Beim Beispiel Blinddarm ist eine Krankenhauswahl allerdings häufig nicht möglich – jedenfalls dann nicht, wenn es sich um einen akuten Notfall handelt. In vielen anderen Fällen sind Eingriffe allerdings planbar.

In solchen Fällen sollten Sie nicht einfach irgendein Krankenhaus in Ihrer Nachbarschaft wählen. Lassen Sie sich von Ihrem Arzt beraten, kontaktieren Sie Selbsthilfegruppen oder lassen Sie sich von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland beraten. Vor allem aber: Nutzen Sie die Krankenhaus-Navis, die alle großen gesetzlichen Krankenkassen auf ihren Internetseiten anbieten. Navigatoren helfen den gesetzlich Versicherten, ein zur Behandlung ihrer jeweiligen Gesundheitsprobleme gut geeignetes Krankenhaus auszuwählen. Falls Sie selbst mit dem Internet nicht vertraut sind, bitten Sie Angehörige oder Freunde, Ihnen zu helfen.

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