Von Teilzeit in Vollzeit: Schadensersatz, wenn der Arbeitgeber den Wunsch ignoriert

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Das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) gewährt einen – allerdings nicht ganz harten – Rechtsanspruch auf den Wechsel in eine Vollzeitbeschäftigung, wenn im jeweiligen Betrieb eine solche Stelle zu besetzen ist. Das Bundesarbeitsgericht hatte nun zu klären, was passiert, wenn Teilzeiter bei der Besetzung einer Vollzeitstelle übergangen werden.

Verhandelt wurde vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) über den Fall einer bei der Caritas in Teilzeit beschäftigten Krankenpflegerin. Diese wollte ihr Arbeitsverhältnis auf Vollzeit aufstocken. Es gab fünf freie Stellen in der Krankenpflege zu besetzen. Die Krankenpflegerin hatte wie vom Gesetz vorgesehen ihren Wunsch nach Ausweitung der Arbeitszeit angezeigt.

Sie konnte sich dabei auf § 9 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes stützen. Dieser trägt die Überschrift "Verlängerung der Arbeitszeit". Danach hat ein Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer entgegenstehen.

Die Regelung gilt für Unternehmen aller Größenklassen. Denn das Gesetz enthält keine Klausel, durch die – beispielsweise – kleinere Betriebe mit 15 oder weniger Beschäftigten hiervon ausgenommen sind. Weiterhin ist die Regelung nicht (nur) für Arbeitnehmer vorgesehen, die vorher ihre Arbeitszeit verkürzt haben. Sie gilt vielmehr unterschiedslos für alle Teilzeitbeschäftigten, also auch für diejenigen, die in einem Unternehmen von vornherein als Teilzeitkräfte oder Minijobber eingestiegen sind. Ferner sieht § 9 des TzBfG keine Mindestdauer der Beschäftigung vor. Die Regelung gilt also auch für Teilzeitbeschäftigte, die erst ganz kurze Zeit in einem Unternehmen tätig sind. Der Arbeitgeber darf den Wunsch nach längerer Arbeitszeit auch nicht aus rein betrieblichen Gründen ablehnen. Diese müssen vielmehr dringend sein.

Im jüngst verhandelten Fall war dem BAG danach klar: Die Caritas hätte die klagende Arbeitnehmerin eigentlich in Vollzeit beschäftigen müssen. Dennoch lehnte das Gericht es ab, der Betroffenen eine Vollzeitbeschäftigung bei ihrem Arbeitgeber zuzugestehen. Begründung: Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Verlängerung seiner Arbeitszeit geht unter, sobald der Arbeitgeber den Arbeitsplatz mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt.

Eine Niederlage für die Klägerin also? Mag sein. Doch liest man das Urteil weiter, so stellt sich heraus, dass eigentlich ihr Arbeitgeber der Gelackmeierte ist: Denn dieser muss für seinen Gesetzesverstoß kräftig büßen. Originalton BAG: Hat der Arbeitgeber den Untergang des Anspruchs des Arbeitnehmers zu vertreten, hat dieser Anspruch auf Schadensersatz. Danach ist der Zustand herzustellen, »der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre«. Übersetzt heißt das: Die Krankenpflegerin hat Anspruch auf die Lohndifferenz zwischen dem Teilzeitlohn, den sie erhalten hat, und dem Vollzeitlohn, den sie erhalten hätte, wenn sie bei einer der ausgeschriebenen Vollzeitbeschäftigungen berücksichtigt worden wäre (Az. 9 AZR 259/16).

Wie hoch der Schadensersatzanspruch der Betroffenen genau ist, wird im BAG-Urteil nicht vorgerechnet. Es kann sich aber um mehrere Zehntausend Euro handeln. Dazu hatte die Vorinstanz (Landesarbeitsgericht Hamm) bereits angemerkt: Vor dem Hintergrund der drohenden Schadensersatzverpflichtung wird kein Arbeitgeber leichtfertig die Vorgaben des § 9 TzBfG zum Schutze der Teilzeitbeschäftigten missachten. Teilzeitbeschäftigte, die sich unter Verweis auf § 9 TzBfG in ihrem Unternehmen auf eine zu besetzende Vollzeitstelle bewerben, sollten immer an ihren möglichen Schadensersatzanspruch denken.

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