BSG: Vorzeitige Betriebsrente kann bis zum Renteneintritt beitragsfrei sein

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Ob eine Betriebsrente in der gesetzlichen Krankenversicherung beitragspflichtig ist oder nicht, ist keineswegs eine Bagatellfrage. Immerhin geht bei Vorliegen der Beitragspflicht ein knappes Fünftel der Rente an die Kranken- und Pflegekasse des Betroffenen. Daher kommt einem Bundessozialgerichtsurteil vom 20.7.2017 (Az. B 12 KR 12/15 R) eine erhebliche Bedeutung zu.

Das Gericht befand: Soweit Betriebsrenten bereits frühzeitig im (eher) noch rentenfernen Alter gezahlt werden, können diese bis zum Bezug der regulären Altersrente beitragsfrei sein. Dies gilt dann, wenn die früh gezahlte Rente zur Überbrückung der Zeit bis zum Ruhestand dient(e). Ab dem Zeitpunkt, an dem die reguläre gesetzliche Altersrente bezogen wird, spätestens ab Erreichen der Regelaltersgrenze, ist auch die Betriebsrente beitragspflichtig.

Verhandelt wurde in Kassel über den Fall eines Arbeitnehmers, dessen Arbeitsverhältnis 1998 per Aufhebungsvertrag beendet wurde. Dabei erhielt er eine Abfindung von damals DM 184399,– (umgerechnet: 94.231,– €) und ab Erreichen des 55. Lebensjahres eine unbefristete Betriebsrente in Höhe von DM 1327,55 (679,– €). Seine Krankenkasse sah (später) in letzterer beitragspflichtige Versorgungsbezüge und belegte die monatlich ausgezahlte Leistung mit den vollen Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Die beiden unteren Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit folgten der Krankenkasse hierbei. Die Vorinstanz – das LSG NRW – sah hierbei noch nicht einmal einen Anlass, eine Revision beim Bundessozialgericht (BSG) zuzulassen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BSG brachte in diesem Fall für den Kläger einen vollen Erfolg.

Damit hat der u.a. für Fragen der Beitrags- und Versicherungspflicht zuständige 12. Senat des BSG seine Rechtsprechung aus 2015 weiterentwickelt. Bereits in seiner Entscheidung vom 29.7.2015 (Az. B 12 KR 4/14 R) befand der Senat, dass Arbeitgeberleistungen nach Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis u.U. nicht als beitragspflichtige Bezüge gelten können: nämlich dann, wenn der Leistungsbeginn bereits in einem Lebensalter erfolgt, das »gemäß der Verkehrsanschauung nicht schon typischerweise als Beginn des Ruhestands gelten kann«. Zudem mussten – so die Auffassung von 2015 – die Zuwendungen bis zum Eintritt des Ruhestands befristet (gewesen) sein.

Die letztgenannte Voraussetzung hat das BSG nun aufgegeben. Jetzt sind generell in solchen Fällen keine Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu zahlen, wenn die Gelder den Zweck haben, die Zeit zwischen dem Ausscheiden des Arbeitnehmers und dem gesetzlichen Renteneintritt zu überbrücken. Spätestens mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze setzt dann jedoch die Beitragspflicht ein.

Offen bleibt nach dem Urteil allerdings, welches konkrete Alter nach der »Verkehrsanschauung« typischerweise als Beginn des Ruhestands gelten kann. Ob das BSG genauso entschieden hätte, wenn die Zahlung an den Betroffenen erst ab dem 60. oder 61. Geburtstag eingesetzt hätte, ist offen.

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