Rückabwicklung einer Lebensversicherung

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Viele Besitzer von Kapitallebens- und Rentenversicherungen sind unzufrieden mit den Erträgen ihrer Police. Aufgrund hoher Abschlusskosten und schlechter Anlageerträge weisen die Verträge nicht die Renditeentwicklungen auf, die ihnen damals die Versicherungsgesellschaften beim Abschluss in Aussicht gestellt hatten.

Wer nun aus seiner Police aussteigen möchte, dem bleibt zum einen die Kündigung – ein Schritt, der sich jedoch nicht empfiehlt, da der Versicherte dann hohe Abschläge in Kauf nehmen muss. Alternativen hierzu sind der Verkauf oder die Beleihung der Lebensversicherung.

Es gibt jedoch noch einen besseren Weg: Nach mehreren Urteilen des Bundesgerichtshofs können Kunden mittlerweile dem Vertrag auch nachträglich widersprechen oder von diesem zurücktreten. Das geht auch noch nach vielen Jahren bzw. sogar nach Vertragsende oder Kündigung. Die Versicherungsgesellschaften sind bei einem Rücktritt vom Vertrag verpflichtet, Verbrauchern die eingezahlten Prämien plus Zinsen zurückzuerstatten.

Welche Verträge sind betroffen?

Möglich ist ein Widerspruch beziehungsweise Rücktritt bei Verträgen, in denen die Versicherungsgesellschaften den Kunden bei Vertragsabschluss nicht ordnungsgemäß über ihr Rücktritts-, Widerrufs- oder Widerspruchsrecht belehrt haben. Dies betrifft vor allem in den Jahren 1994 bis einschließlich 2007 nach dem sogenannten Policenmodell abgeschlossene Lebensversicherungen.

Beim Policenmodell liegen dem Versicherten, wenn er den Antrag stellt, noch nicht alle erforderlichen Verbraucherinformationen vor. Stattdessen muss die Versicherungsgesellschaft diese dem Kunden nach Vertragsabschluss zusammen mit dem Versicherungsschein zuschicken und ihn ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehren, damit die Widerspruchsfrist zu laufen beginnt. Widerspricht der Kunde dann nicht innerhalb von 14 Tagen (nach 2004 innerhalb von 30 Tagen), gilt der Vertrag als abgeschlossen.

Dieser Informationspflicht kamen viele Versicherungsgesellschaften in der Vergangenheit nicht immer ausreichend nach. Vor allem in den Jahren 1994 bis 2007 erhielten Versicherungsnehmer mit einer Kapitallebens- oder privaten Rentenversicherung die erforderlichen Belehrungen entweder gar nicht oder nur fehlerhaft.

Hinweis: Die im BGH-Urteil behandelte fehlerhafte Widerspruchsbelehrung lautete: "Wie Ihnen bereits aufgrund unseres Hinweises im Versicherungsantrag bekannt ist, können Sie innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins dem Versicherungsvertrag widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt eine rechtzeitige Absendung des Widerspruchs". Die Richter urteilten, in den Formulierungen fehle der Hinweis, dass der Versicherte den Widerspruch in "Textform" erheben müsse (somit reicht auch eine E-Mail als Widerspruch). Stattdessen sei von "Schriftform" die Rede (BGH, Urteil vom 24.2.2016, Az. IV ZR 512/14). Zudem müsse die Belehrung in den Versicherungsbedingungen optisch deutlich hervorgehoben sein.

Urteile zu Rücktritt bei Antragsmodell

Auch Versicherte, die ihren Vertrag nach dem Antragsmodell abgeschlossen haben, können aus der Police aussteigen. Da sie schon beim Antrag alle Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen erhalten haben, verfügen sie nicht über ein Widerspruchs-, sondern über ein Rücktrittsrecht. Beides hat aber die gleichen Konsequenzen.

Waren die Belehrungen zu einem möglichen Rücktritt falsch, weil sie z.B. drucktechnisch nicht hervorgehoben waren, bedeutet das: Der Versicherte kann auch heute noch von dem Vertrag zurücktreten. Aufgrund des Formfehlers begann die Rücktrittsfrist von 30 Tagen nie zu laufen. Dieses ergibt sich entsprechend zweier Entscheidungen des BGH (Urteil vom 17.12.2014, Az. IV ZR 260/11 und Urteil vom 25.1.2017, Az. IV ZR 173/15). Betroffene verfügen somit über ein ewiges Rücktrittsrecht.

Was genau muss erstattet werden und was bringt das den Versicherten?

Stoßen Versicherungsnehmer nun in den Versicherungsbedingungen auf falsche Widerrufs- oder Rücktrittsbelehrungen, lohnt es sich für sie, die Police zu widerrufen beziehungsweise von dieser zurückzutreten. Denn: Auf diese Weise erhalten sie, abhängig davon, wie viel an Beiträgen sie schon in den Vertrag eingezahlt haben, einige Tausend Euro mehr, als wenn sie die Versicherung kündigen würden.

Die Versicherungsgesellschaft ist im Falle der Rückabwicklungen gehalten, dem Kunden mit einer klassischen Lebensversicherung alle bereits geleisteten Beiträge zurückzuerstatten. Abziehen von diesen Positionen darf er lediglich die Kosten für den "genossenen Versicherungsschutz", also die Risikobeiträge für den Todesfallschutz oder den Schutz bei Berufsunfähigkeit, nicht jedoch Abschluss- und Verwaltungskosten.

Auch auf einen Nutzungsersatz in Form von Zinsen hat der Versicherte Anspruch. Die Versicherungsgesellschaft muss also das mit den Beiträgen des Versicherten Erwirtschaftete erstatten. Ausgenommen davon sind der Risikoanteil sowie die Abschluss- und Verwaltungskosten.

Ein Widerspruch lohnt sich vor allem bei zwischen 2005 und 2007 abgeschlossenen Verträgen. Diese sind zum einen in der Auszahlung nicht steuerfrei und zum anderen liegt der aktuelle Vertragswert, weil die Zahlung der Abschlusskosten noch nicht so weit zurückliegt, unter den eingezahlten Beiträgen. Letzteres gilt in der Regel auch für 2004 abgeschlossene Verträge. Bei Verträgen aus den 1990er-Jahren empfiehlt sich nicht immer ein Widerspruch. Diese können aufgrund der langen Laufzeit und der – im Vergleich zu heute – hohen Verzinsung schon einen hohen Wert erreicht haben. Zudem gilt für sie das Privileg der steuerfreien Auszahlung.

Für bereits gekündigte oder beitragsfrei gestellte Verträge kann der Widerspruch innerhalb von drei Kalenderjahren nach dem Jahr der Abwicklung ausgesprochen werden. Macht der ehemalige Versicherte seine Ansprüche vor dem Versicherungsombudsmann oder vor Gericht geltend, stoppt die Verjährungsfrist. Solange der Kunde den Widerruf nur dem Versicherer gegenüber geltend macht, der diesen nicht akzeptiert, läuft die Frist weiter, wenn der Kunde die Ablehnung der Assekuranz in den Händen hält.

Ein Widerspruch lohnt sich umso mehr, je weniger Versicherungsschutz die Police umfasst – wenn also ein niedriger oder gar kein Todesfallschutz und kein BU- oder Unfallschutz besteht. Gehört eine BU-Zusatzversicherung zu Ihrem Vertrag, sollten Sie gut abwägen, ob Sie auf diesen Schutz wirklich verzichten wollen. Eine neue BU-Versicherung abzuschließen hieße auch, eine erneute Gesundheitsprüfung zu durchlaufen. Wollen Sie den Schutz aufrechterhalten, können Sie Einsparungen erzielen, indem Sie den Sparanteil der Hauptpolice – also der Lebens- oder Rentenversicherung – verringern.

Achtung: Verfügen Sie über eine fondsgebundene Lebensversicherung, müssen Sie sich im Falle einer Rückabwicklung auch die Verluste Ihrer Fonds anrechnen lassen. Haben sich die Fonds schlecht entwickelt, kann dies dazu führen, dass sich der Widerruf im ungünstigsten Fall nicht lohnt.

Wie lassen sich die Zinsen ermitteln?

Der Kunde kann grundsätzlich von der Versicherungsgesellschaft nicht einfach einen beliebigen Prozentsatz fordern, sondern ein solcher muss immer in Bezug zur Ertragslage des Anbieters ermittelt werden. Manche Rechtsanwaltskanzleien lassen den Nutzungsersatz anhand versicherungsmathematischer Gutachten feststellen.

Die ungefähre Summe, mit der Sie im Falle des Widerspruchs rechnen können, lässt sich über einen Online-Rechner ermitteln. Solche Tools bieten beispielsweise die Verbraucherzentrale Hamburg (www.vzhh.de) oder verschiedene Anwälte kostenlos im Internet. Sie rechnen allerdings in der Regel mit Durchschnittswerten und nicht mit den konkreten Daten des Versicherers. Deshalb erhält der Kunde hier nur einen ersten Eindruck bezüglich seiner Ansprüche. Und: Die Rechner funktionieren nur gut, wenn Sie die Police vorliegen haben und Sie wissen, wie viel Geld Sie in den Vertrag eingezahlt haben.

Ziehen Versicherte in Erwägung, den Vertrag zu widerrufen, empfiehlt sich folgendes Vorgehen:

Die Belehrung genau überprüfen

Entspricht die Widerspruchsbelehrung den Vorgaben oder enthält sie Fehler? Überprüfen Sie die Ausführungen des Versicherers auf folgende Fehler:

Die Belehrung im Text ist drucktechnisch nicht hervorgehoben oder findet sich im Fließtext der Vertragsbedingungen.

Die Belehrung enthält die Angabe, dass der Widerspruch spätestens 14 beziehungsweise 30 Tage nach Vertragsabschluss bei der Versicherung eingehen muss. Das ist fehlerhaft, da das Datum der Absendung ausreicht.

In der Belehrung steht, dass der Versicherte nur schriftlich widersprechen darf. Bei Verträgen ab 2002 ist die sogenannte Textform ausreichend. Also ist auch ein Widerspruch per E-Mail gültig.

Berechnen, ob sich die Rückabwicklung lohnt

Besteht ein Anspruch auf Rückabwicklung, sollte der Versicherte genau durchrechnen, ob sich der ganze Vorgang wirklich lohnt. Dies ist nicht ganz einfach. Eine erste grobe Berechnung kann man anhand einiger Rechner vornehmen. Eine kostenlose Ersteinschätzung bieten auch spezialisierte Rechtsanwaltskanzleien. Die Verbraucherzentrale Hamburg überprüft die Unterlagen gegen eine Gebühr.

Berechnen, ob sich die Rückabwicklung lohnt

Stellt sich heraus, dass der Widerspruch sich lohnt, sollten Sie aktiv werden. Hierzu stehen im Internet Musterschreiben, beispielsweise der Verbraucherzentrale, zur Verfügung. Den Widerspruch sollte man als Einwurf-Einschreiben versenden.

Ombudsmann oder Anwalt einschalten

Viele Versicherungsgesellschaften stellen auf stur und lehnen die Rückabwicklung ab. In diesem Fall kann der Betroffene sich kostenlos an den Versicherungsombudsmann wenden. Dieser überprüft, ob die Ablehnung zu Unrecht erfolgte. Entscheidet der Ombudsmann für den Versicherten, zahlt die Versicherungsgesellschaft in der Regel. Wer über eine Rechtsschutzversicherung verfügt, kann sich von einem spezialisierten Rechtsanwalt unterstützen lassen. Die meisten Rechtsschutzpolicen decken diese Kosten. Der Anwalt erzielt entweder eine Einigung mit der Versicherungsgesellschaft oder vertritt seinen Mandanten vor Gericht.

Auf dem Markt tummeln sich auch schwarze Schafe: So gibt es Dienstleister, die Betroffenen eine Rundum-Hilfe anbieten, ohne vorher die Aussichtschancen des Widerrufs geprüft zu haben, oder die horrenden Erfolgsbeteiligungen in Höhe von bis zu 50 % der Rückabwicklung oder Anwaltsgebühren verlangen. Auf solche Angebote sollten Sie keinesfalls eingehen, sondern sich stattdessen lieber an eine Verbraucherzentrale oder einen Fachanwalt wenden.

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