Bei Behinderung: Was ist, wenn die Anerkennung kurz vor Rentenbeginn ausläuft?
Die Schwerbehinderung muss exakt zum Rentenbeginn vorliegen.

Bei Behinderung: Was ist, wenn die Anerkennung kurz vor Rentenbeginn ausläuft?

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Die Anerkennung eines Grads der Behinderung von 50 ist die einzige Möglichkeit, eine gesetzliche Altersrente vor dem 63. Lebensjahr zu erhalten. Das Problem ist jedoch: Der Schwerbehindertenstatus kann vom Versorgungsamt gegebenenfalls unter dem Vorbehalt der späteren Überprüfung verliehen werden. Für die Betroffenen bleibt damit eine Unsicherheit, was die Rentenplanung angeht, beispielsweise nach einer Krebserkrankung oder psychischen Störung.

Wer eine Anerkennung als schwerbehindert besitzt, kann deutlich vor dem regulären Rentenalter ohne Abschläge in Rente gehen. Die volle Rente können Schwerbehinderte des Jahrgangs 1957 mit 63 Jahren und elf Monaten erhalten. Diese Altersgrenze steigt für jeden jüngeren Jahrgang an. Versicherte des Jahrgangs 1964 können schließlich die Schwerbehindertenrente mit 65 Jahren ohne Abschläge erhalten (statt ohne Behinderung mit 67).

Wichtig ist, dass die Rente jeweils drei Jahre früher, dann aber mit Abschlägen, bezogen werden kann. Diese Möglichkeit wird von den Betroffenen häufig genutzt. Die Abschläge belaufen sich bei der frühestmöglichen Inanspruchnahme der Rente auf 10,8 %. Versicherte des Jahrgangs 1960 können die Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit 61 Jahren und vier Monaten erhalten. Voraussetzung ist dabei jeweils, dass 35 Jahre mit anerkannten Versicherungszeiten nachgewiesen werden.

Zu den anerkannten Versicherungszeiten zählen u.a. alle Pflichtversicherungszeiten, Zeiten der Zahlung freiwilliger Beiträge und Zeiten aus dem Versorgungsausgleich, Anrechnungszeiten etwa wegen Schulbesuch oder Studium und – besonders wichtig für Mütter – Kinderberücksichtigungszeiten bis zum 10. Geburtstag eines Kindes.

Ab welchem Alter kann die Altersrente für schwerbehinderte Menschen bezogen werden?

Voraussetzung für den Rentenanspruch ist in jedem Fall, dass bei Renteneintritt eine anerkannte Schwerbehinderung vorliegt. Das bringt für die Betroffenen zunächst Verunsicherung, wenn der Behindertenstatus unter dem Vorbehalt der Nachprüfung verliehen wird. Nach Ablauf einer Zeit der Heilbewährung wird dann noch einmal überprüft, ob die Schwerbehinderung vorliegt.

Das Renteneintrittsalter für Menschen mit Schwerbehinderung ist zeitlich nach Geburtsjahrgang gestaffelt. Zudem gibt es ein reguläres Rentenalter ohne Rentenabschläge und ein drei Jahre früheres Rentenalter mit 10,8 % Abzug von der regulären Rente.

→ Der Geburtsjahrgang 1958 kann mit 64 Jahren abschlagfrei in Schwerbehindertenrente gehen oder mit Abschlag bereits mit 61 Jahren.

→ Der Geburtsjahrgang 1959 kann mit 64 Jahren und 2 Monaten abschlagfrei in Schwerbehindertenrente gehen oder mit Abschlag bereits mit 61 Jahren und 2 Monaten.

→ Der Geburtsjahrgang 1960 kann mit 64 Jahren und 4 Monaten abschlagfrei in Schwerbehindertenrente gehen oder mit Abschlag bereits mit 61 Jahren und 4 Monaten.

→ Der Geburtsjahrgang 1961 kann mit 64 Jahren und 6 Monaten abschlagfrei in Schwerbehindertenrente gehen oder mit Abschlag bereits mit 61 Jahren und 6 Monaten.

→ Der Geburtsjahrgang 1962 kann mit 64 Jahren und 8 Monaten abschlagfrei in Schwerbehindertenrente gehen oder mit Abschlag bereits mit 61 Jahren und 8 Monaten.

→ Der Geburtsjahrgang 1963 kann mit 64 Jahren und 10 Monaten abschlagfrei in Schwerbehindertenrente gehen oder mit Abschlag bereits mit 61 Jahren und 10 Monaten.

→ Der Geburtsjahrgang 1964 kann mit 65 Jahren abschlagfrei in Schwerbehindertenrente gehen oder mit Abschlag bereits mit 62 Jahren.

Entscheidend für die Schwerbehinderteneigenschaft ist der Tag des Renteneintritts

Die Voraussetzung "schwerbehindert bei Beginn der Rente" wird erfüllt, wenn die Schwerbehinderteneigenschaft am Tag des Rentenbeginns vorliegt. Danach kann der Schwerbehindertenstatus entzogen werden, ohne dass dies Folgen für die Rente hat. In den gemeinsamen rechtlichen Weisungen der Deutschen Rentenversicherung zu § 236a SGB VI heißt es hierzu: "Bescheinigt das Versorgungsamt, dass die Schwerbehinderung seit dem Ersten eines Kalendermonats vorliegt, kann die Rente mit diesem Tag beginnen, sofern die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Es wird in diesen Fällen davon ausgegangen, dass die Schwerbehinderung bereits seit 00:00 Uhr dieses Tages vorgelegen hat".

Hierbei kommt es nicht darauf an, dass die Bescheinigung des Versorgungsamts bei Renteneintritt (oder sogar zum Zeitpunkt des Rentenantrags) bereits vorlag. Vielfach wird der Bescheid erst später erteilt, gilt dann jedoch rückwirkend ab dem Tag der Antragstellung. "Der Zeitpunkt der formellen Anerkennung ist unerheblich", schreibt die Deutsche Rentenversicherung hierzu.

Was kann ich tun, wenn der Schwerbehindertenstatus zu früh entfällt?

Gerade wenn der Schwerbehindertenstatus aufgrund von Krankheitsfolgen verliehen wird – etwa aufgrund einer Krebserkrankung –, ist es nicht unwahrscheinlich, dass nach einer Zeit der Heilbewährung eine Herabstufung des GdB erfolgt.

Wird dann rechtskräftig statt eines Grads der Behinderung (GdB) von 50 ein GdB von 30 festgelegt, besteht – soweit diese bis dahin noch nicht bezogen wird – kein Anspruch auf die Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

Das Verfahren zur Nachprüfung des Schwerbehinderungsstatus wird vom zuständigen Versorgungsamt vor Ablauf der Gültigkeit des Behinderungsausweises eingeleitet. Auf das Ablaufdatum des Ausweises kommt es jedoch, wenn es um das Vorliegen der Rentenvoraussetzung "ist schwerbehindert" geht, nicht an. Der rechtliche Status der Schwerbehinderung bleibt bestehen, bis das Ergebnis der Nachprüfung vorliegt und ein neuer Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist.

Das bedeutet: In Hinblick auf den Rentenantrag wird es erst dann kritisch, wenn ein neuer Bescheid eintrifft, durch den ein Grad der Behinderung unter 50 festgestellt wird.

Gegen diesen Bescheid kann man innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen. Tut man dies nicht, so wird der Bescheid bestandskräftig. Umgekehrt gilt. Wer rechtzeitig Widerspruch einlegt (und später ggf. Klage für den Fall, dass der Widerspruch abgelehnt wird), hält seinen alten Schwerbehindertenstatus aufrecht, solange bis der Bescheid – etwa durch ein rechtskräftiges Sozialgerichtsurteil – bestandskräftig geworden ist.

Was sagt die Deutsche Rentenversicherung dazu?

Originalton Deutsche Rentenversicherung: "Wird gegen den die Schwerbehinderung aufhebenden Bescheid durch den Versicherten ein Rechtsbehelf eingelegt, bleibt die Schwerbehinderteneigenschaft durch diesen Rechtsbehelf zunächst erhalten, sodass auch die Anspruchsvoraussetzung ›als schwerbehinderter Mensch anerkannt‹ im Sinne des § 236a Abs. 1 Satz 1 SGB VI weiterhin erhalten bleibt."

Falls Sie durch Widerspruch und Klage Ihren Schwerbehindertenstatus nur bis zum Renteneintritt konservieren wollten, können Sie, sobald Sie die Schwerbehindertenrente erhalten, Ihre Klage zurückziehen (soweit es Ihnen beim Einlegen von Rechtsmitteln nur um die Rente ging).

Gilt die Drei-Monats-Schonfrist in jedem Fall?

Für diejenigen, die zwischen der Aberkennung der Schwerbehinderung und dem Renteneintritt nur eine kurze Zeit überbrücken müssen, ist die Regelung von § 199 Abs. 1 SGB IX wichtig. Danach gilt: Verringert sich der Grad der Behinderung auf weniger als 50, so geht der Schwerbehindertenschutz »erst am Ende des dritten Kalendermonats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des die Verringerung feststellenden Bescheides« verloren.

In den gemeinsamen rechtlichen Anweisungen der Deutschen Rentenversicherung zu § 236a SGB VI findet sich hierzu folgendes Anwendungsbeispiel, wie durch Widerspruch und die Schonfrist der Schwerbehindertenstatus für fünf Monate aufrechterhalten bleibt. Lassen Sie sich durch die (veralteten) Datumsangaben des Beispiels nicht irritieren. Was hier für einen Rentenantrag im Jahr 2017 durchgespielt wird, gilt 2022 im Prinzip noch genauso.

Beispiel

Die Versicherte ist geboren am 8.9.1954. Sie vollendet das 63. Lebensjahr am 7.9.2017. Die Wartezeit von 35 Jahren ist erfüllt.

Der Antrag auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen wurde am 6.6.2017 gestellt.

Das Vorliegen von Schwerbehinderung seit 20.7.2012 wurde mit Bescheid vom 16.10.2012 festgestellt. Mit Bescheid vom 3.7.2017 wurde der Grad der Behinderung auf 30 seit 1.6.2017 gemindert. Gegen diesen Bescheid wurde am 10.7.2017 Rechtsbehelf eingelegt. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25.9.2017 zurückgewiesen. Gegen den Widerspruchsbescheid wurde keine Klage erhoben.

Die Schonfrist erstreckt sich vom 1.11.2017 bis 31.1.2018 (§ 199 Abs. 1 SGB IX; § 116 Abs. 1 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017). Die beantragte Altersrente soll am 1.12.2017 beginnen. Vertrauensschutz besteht.

Lösung: Es besteht Anspruch auf die Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 1.12.2017. Die Schwerbehinderteneigenschaft liegt bis zum Ablauf der Schonfrist vor, und die läuft bis zum Ende des dritten Kalendermonats, der auf den Eintritt der Unanfechtbarkeit des die Verringerung feststellenden Bescheides folgt.

(MS)

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