Abschlagsfreie Rente ab 63: Alo-Zeit zählt nicht

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Die Altersrente für besonders langjährig Versicherte ist für die meisten älteren Arbeitnehmer die bei weitem attraktivste Frührente. Mit ihr entfallen für Arbeitnehmer mit 45 Arbeitsjahren bei einem Rentenbeginn vor der regulären Altersgrenze die sonst üblichen Rentenabschläge.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat im Juni ein weiteres Urteil zur Dauer-Streitfrage "Arbeitslosengeld in Bezug auf die Anwartschaft für die Altersrente für besonders langjährig Versicherte" gefällt. Eine zentrale Frage für die Betroffenen, denn viele Ältere beziehen nach wie vor in der Zeit vor dem Renteneintritt Arbeitslosengeld I. Die Zeit des ALG-Bezugs in den letzten beiden Jahren vor der Rente zählt fast nie als Anwartschaftszeit für die "besondere Rente" – befand das BSG nun. Die Ausnahmeregelungen (Insolvenz, vollständige Geschäftsaufgabe) sind danach ganz eng auszulegen.

Die Altersrente für besonders langjährig Versicherte gibt es zwar inzwischen nicht mehr ab 63 Jahren. Denn die Altersgrenze steigt von Jahr zu Jahr um zwei Monate an. Wer 1955 geboren wurde, kann diese Rente mit 63,5 Jahren erhalten. Dafür müssen aber – wie der Name der Rente schon sagt – besonders lange Versicherungszeiten, nämlich 45 Jahre, nachgewiesen werden. Zeiten des Bezugs der Versicherungsleistung Arbeitslosengeld I werden dabei im Prinzip berücksichtigt. Um eine Frühverrentungswelle zu verhindern, hat der Gesetzgeber allerdings beschlossen, dass Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld I in den letzten beiden Jahren vor Rentenbeginn für die Erfüllung der 45-jährigen Wartezeit nicht zählen.

Beispiel

Ein Arbeitnehmer wurde im Dezember 2016 mit 61 Jahren (Jahrgang 1955) von seinem Arbeitgeber entlassen und bezieht seitdem die Versicherungsleistung Arbeitslosengeld I. Sein Plan ist, im November 2018 die abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte zu beantragen, denn im Oktober 2018 wird er 63 Jahre und sechs Monate alt. Damit kann er im Folgemonat die Altersrente für besonders langjährig Versicherte erhalten – soweit er die hierfür geltende Mindestversicherungszeit erreicht.

Der Haken an der Sache: Wenn die Rentenversicherung in einem solchen Fall prüft, ob die Anspruchsvoraussetzungen hierfür erfüllt sind, wird die Zeit des Arbeitslosengeld-Bezugs nicht berücksichtigt, weil sie in die letzten beiden Jahre vor der Rente fällt. Zum Problem wird dies, wenn der Betreffende ohne die letzte Zeit des ALG-I-Bezugs die 45-Jahres-Hürde nicht nimmt. Gegebenenfalls muss er dann – soweit er früh in Rente gehen möchte – die Altersrente für langjährig Versicherte (also ohne den Zusatz "besonders") in Anspruch nehmen. Dabei müsste er – da er 1955 geboren wurde – einen Rentenabschlag von maximal 9,9 % hinnehmen.

Ausnahme von der Ausnahme

Von der Ausschluss-Regelung für späte Jahre des Arbeitslosengeld-Bezugs gibt es allerdings Ausnahmen – und zwar dann, wenn die Arbeitslosigkeit durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers verursacht ist. In solchen Fällen werden auch die späten Arbeitslosengeld-Zeiten mitgezählt. Dies regelt § 51 Abs. 3a SGB VI.

In den letzten Jahren tobt in der Sozialgerichtsbarkeit ein Streit darüber, wie diese Regelung auszulegen ist. Dieser Streit ist nun durch zwei Entscheidungen des Bundessozialgerichts zumindest vorläufig beigelegt – und zwar zum Nachteil der späten Arbeitslosengeld-Bezieher. Das Bundessozialgericht (BSG) hat sich in zwei Urteilen (17.8.2017 und 28.6.2018) für eine sehr enge Auslegung der gesetzlichen Regelungen entschieden.

Im ersten Urteil vom 17.8.2017 ging es um einen Kläger, dem sein Arbeitgeber gekündigt hatte, um so eine Insolvenz des Betriebs zu vermeiden (Az. B 5 R 8/16 R). Die Insolvenz, die eigentlich durch die Verkleinerung der Belegschaft verhindert werden sollte, trat dann aber schließlich zwei Monate nach seiner Entlassung doch noch ein. Als der Betroffene dann Ende 2014 die Altersrente für besonders langjährig Versicherte beantragte, wurde diese abgelehnt, weil ihm einige Monate an den hierfür geforderten 540 Beitragsmonaten (45 Jahre) fehlten – nämlich die letzten Monate des Arbeitslosengeld-Bezugs. Das BSG gab der Deutschen Rentenversicherung hierbei Recht. Eine Fast-Insolvenz ist eben keine Insolvenz – so könnte man das Urteil zusammenfassen. Der Begriff Insolvenz sei – so das Gericht – so zu interpretieren, dass die Beendigung der Beschäftigung das Ergebnis einer verfahrensrechtlich durch die Insolvenzordnung gelenkten Tätigkeit darstellt. Dass eine Kündigung zur Abwehr eines solchen Verfahrens ausgesprochen wurde, reiche nicht aus.

Schließung eines einzelnen Standorts reicht nicht

Am 28.6.2018 wurde über den Fall eines Rentenantragstellers verhandelt, der zuletzt arbeitslos war und Arbeitslosengeld bezogen hatte, weil sein Arbeitgeber den Betrieb am Standort, in dem er beschäftigt war, eingestellt hatte. Weil Zweigstellen des Unternehmens an anderen Orten nicht geschlossen wurden, befand das BSG, dass der Arbeitgeber schließlich nicht die gesamte Betriebstätigkeit eingestellt habe, sodass keine vollständige Geschäftsaufgabe vorliege (Az. B 5 R 25/17 R). Die Regelung zur Nichtberücksichtigung von späten Arbeitslosengeld-Zeiten sei zudem, so das BSG, verfassungsmäßig nicht bedenklich. Sie habe das legitime Ziel, eine missbräuchliche Frühverrentung zu verhindern.

Für ältere Arbeitnehmer, die in den beiden Jahren vor der geplanten Rente ab 63,5 (oder je nach Geburtsjahrgang auch später) die Versicherungsleistung Arbeitslosengeld beziehen, gibt es aber eine Hintertür, um in der Zeit der Arbeitslosigkeit weitere anerkannte Versicherungsmonate anzusammeln: sie können einen Minijob aufnehmen. Dieser ist grundsätzlich rentenversicherungspflichtig – solange die Versicherungspflicht nicht abgewählt wird. Die Zeit, in der ein Minijob ausgeübt wird, gilt als vollwertige Versicherungszeit. Die Betreffenden müssen allerdings die Arbeitsagentur über die Aufnahme des Minijobs informieren. Der Teil des Verdienstes, der nach Abzug der Werbungskosten monatlich 165,– € übersteigt, wird voll auf das Arbeitslosengeld angerechnet.

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